BGH: Keine Bekanntmachung des Vorstandsberichts zum Bezugsrechtsausschluss analog § 124 Abs. 2 S. 3 AktG

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 29.08.2022

Der BGH hat sich mit Urteil vom 19. Juli 2022 (II ZR 103/20; BeckRS 2022, 19738) der Ansicht angeschlossen, nach der eine nichtbörsennotierte AG den Vorstandsbericht zum Bezugsrechtsausschluss weder ganz noch in Kurzform mit der Tagesordnung zur Hauptversammlung bekanntmachen muss. Der Senat wendet sich damit gegen die bislang herrschende Meinung, nach der der Bericht entsprechend § 124 Abs. 2 S. 3 AktG seinem wesentlichen Inhalt nach bekannt zu machen ist. Nach der Vorschrift ist u. a. der wesentliche Inhalt eines Vertrags mit der Tagesordnung bekannt zu machen, wenn die Hauptversammlung über ihn beschließen soll. Gleichzeitig sieht § 186 Abs. 4 S. 2 AktG für den Beschluss über einen Bezugsrechtsausschluss vor, dass der Bericht des Vorstands über die Gründe für den Ausschluss „zugänglich zu machen“ ist.

Verzicht auf Bekanntmachung entspricht Vorstellung des Gesetzgebers

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers, so der Senat, genüge es, einen beabsichtigten Bezugsrechtsausschluss gemäß § 186 Abs. 4 S. 1 AktG ordnungsgemäß bekannt zu machen. Eine darüber hinausgehende Pflicht, auch den zugehörigen Vorstandsbericht bekannt zu machen, sei im Gesetz nicht angelegt. Der Gesetzgeber habe eine solche Pflicht auch im Zuge des ARUG I und II nicht aufgenommen, als er die Einberufungsregeln zur Hauptversammlung in Kenntnis des Meinungsstreits neu strukturiert habe.

Sinn und Zweck der Bekanntmachung betrifft nicht den Vorstandsbericht

Eine Bekanntmachung widerspreche auch dem Sinn und Zweck des § 124 Abs. 2 S. 3 AktG. So sei bei einem Beschluss über einen Vertrag, dessen wesentlicher Inhalt bekannt zu machen sei, dieser Vertrag selbst Gegenstand der Beschlussfassung. Dagegen sei beim Beschluss über einen Bezugsrechtsausschluss nur der Ausschluss selbst Gegenstand des Beschlusses; der zugehörige Bericht diene nur der Information der Aktionäre. Dieser Informationszweck werde bereits durch ein Zugänglichmachen erfüllt. Auch die speziell für die Situation einer öffentlichen Übernahme angeordnete Bekanntmachung des Berichts (§ 16 Abs. 4 S. 7 WpÜG) zeige, dass eine Bekanntmachung allgemein gerade nicht vorgeschrieben sei.

Offen: Pflicht zur Auslegung in den Geschäftsräumen und individuelle Zusendung

Ausdrücklich offen lässt der Senat, ob der Bericht – wie in der Literatur teilweise gefordert – analog § 175 Abs. 2 S. 1, 2 AktG im Vorfeld der Hauptversammlung in den Geschäftsräumen zur Einsicht ausgelegt und auf Verlangen zugesendet werden muss. Dies war im vorliegenden Fall geschehen.

Jedenfalls kein Hinweis auf Auslegung und Zusendung nötig

Nicht geschehen war vorliegend dagegen ein Hinweis in der Einberufung auf die Auslage bzw. Zusendung. Ein solcher Hinweis, so der Senat, sei jedoch selbst dann nicht erforderlich, wenn man eine Analogie zu § 175 Abs. 2 S. 1, 2 AktG bejahen wollte. Denn nur börsennotierte Gesellschaften seien verpflichtet, die zugänglich zu machenden Unterlagen über ihre Internetseite zu veröffentlichen (§ 124a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AktG) und hierauf in der Einberufung hinzuweisen (§ 121 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 AktG). Bei nichtbörsennotierten Gesellschaften dagegen genüge es, wenn die Einberufung die Tagesordnung und Angaben zum organisatorischen Rahmen enthalte (§ 121 Abs. 3 S. 1, 2 AktG).

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