Erwerb vom Bauträger - die Reduzierung von Verbraucherrechten bleibt (auch zu BGH Urt. 19.5.2022, VII ZR 149/21 und Verjährung)

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 14.09.2022

Nach wie vor sind viele Probleme im Bauträgerrecht ungelöst. Viele Erwerberinnen und Erwerber von neu gebautem Wohnungseigentum wissen nicht, was sie im Falle von Mängeln und/oder dem "steckengebliebenen Bau" erwartet. Soweit die/der Verbraucher/in hier vom Gesetzgeber bzw. vom BGH Hilfestellungen erhofft, folgt leider in der Regel eine Enttäuschung.

Der Klassiker ist der "steckengebliebene" Bau: der Bauträger errichtet zwar das Sondereigentum vollständig, die Abnahme des Sondereigentums erfolgt, aber dann passiert nichts mehr. Das Gemeinschaftseigentum ist zu 80-90% (zudem oft mangelhaft) fertiggestellt und nicht ansatzweise abnahmereif. Nach h.M. reduzieren sich die Rechte der Verbraucher/innen erheblich. Immerhin soll der Erstherstellungsanspruch nach überwiegender Auffassung nach wie vor noch nicht "vergemeinschaftungsfähig" i.S.d. § 9a II WEG sein mit der Folge, dass dieser Anspruch bei Erwerber/in verbleibt. Das war es aber auch schon mit den guten Nachrichten.

Ein Rücktritt vom "Kaufvertrag" (Bauträgervertrag) scheidet aus, da die gezahlten Beträge zum einen nur höchst unwahrscheinlich von den Bauträgern zurückgezahlt werden (können), zum anderen sogleich die einzige Sicherheit der Erwerber/innen, die Auflassungsvormerkung, im Grundbuch gelöscht wird. Im Übrigen kommt wenig Freude auf, wenn Erwerber/in erst einmal einen hohen fünfstelligen Betrag an Gerichtskosten für eine Rückabwicklungsklage hinblättern muss, von den Anwaltskosten gar nicht erst zu reden.

Eine Kündigung des Bauträgervertrags aus wichtigem Grund (Untätigkeit des Bauträgers trotz Fristsetzung) gem. § 648a BGB verbietet das neue Baurecht in § 650u II BGB ausdrücklich (der große Irrtum des Gesetzgebers, s. BeckOK-Karczewski, § 650u Rn 171ff mwN).

Mängelrechte gem. §§ 634ff BGB (insbesondere Zahlung von Kostenvorschuss zwecks Fertigstellung durch andere, von Erwerber/in beauftragte Firmen) scheiden nach der Auffassung des BGH vor Abnahme des Gemeinschaftseigentums aus. Eine unfreiwillige Abnahme unter Vorbehalt ist nicht zu empfehlen, zumal sich dann auch noch die Beweislast hinsichtlich der nicht bekannten Mängel umkehrt und nach h.M. die Sicherheit gem. § 650m BGB auch noch zurückzugeben/zahlen ist. Hinzu kommt, dass nach Auffassung des VII. Zivilsenats sich "fiktive Mängelbeseitigungskosten" erledigt haben sollen. 

Mithin bleibt nur der eingangs erwähnte Anspruch auf ordnungsgemäße Erstherstellung, der dann ggf. gem. § 887 ZPO zu vollstrecken ist. Hier hapert es bereits oft an hinreichend bestimmten Klaganträgen - zumal viele Mängel oft auch noch gar nicht erkennbar sind und ein Antrag wie etwa "das Gemeinschaftseigentum an.... ordnungsgemäß herzustellen" zu unbestimmt ist. Selbst wenn alle bekannten Mängel bzw. die Teile des nicht erbrachen Bausolls präzise im Antrag beschrieben sind, kann der Bauträger durch Maßnahmen am Bau - auch nur kleinere - bewirken, dass der Antrag nicht den jeweils korrekten Bautenstand wiedergibt und dann quasi täglich geändert werden müsste. Die Kosten für dann immer wieder neu zu beauftragende Sachverständige (die die aktuellen Änderungen jeweils begutachten müssen) werden ebenfalls hoch sein. 

Und selbst dieser Anspruch - grundsätzlich der einzig verbleibende (!) - ist nach neueren Gerichtsentscheidungen risikobehaftet nämlich dann, wenn Erwerber/in zu lange wartet. Nach wohl nun h.M. verjährt der Anspruch auf ordnungsgemäße Erstherstellung des Gemeinschaftseigentums auch beim "steckengebliebenen Bau" binnen drei Jahren (Regelverjährung) - sieht also der "Kaufvertrag" eine voraussichtliche Herstellung für Sommer 2019 vor, so könnte der Anspruch auf mangelfreie Herstellung (da vor Abnahme!) schon Ende 2022 verjähren (so OLG Rostock, NZBau 2021, 540 mwN; in der Revision vom BGH nun auf den ersten Blick offengelassen, obwohl der BGH in manchen Ausführungen erkennen lässt, dass er dieser Auffassung folgt - s. BGH BeckRS 2022, 16864). Das hier insofern also einzige verbliebene Recht der/des Erwerber/in ist mit allen oben beschriebenen Nachteilen also zügig auch dann durchzusetzen, wenn am Bau nichts mehr passiert. Eine Hemmung käme allenfalls in Betracht, wenn der Bauträger zwischenzeitlich immer irgendwelche nicht ganz untergeordnete Arbeiten vorgenommen hat. 

Man erlebt also als Erwerber/in von Wohnungseigentum schnell nach der Freude über den abgeschlossenen "Kauf" ein Horrorszenario. Diesem mag man zwar entgegenhalten, dass manche Gerichte versuchen, sich über das Institut des "Abrechnungsverhältnisses" doch in Richtung Zahlunganspruch vor Abnahme zu bewegen und andere vor Abnahme §§ 280, 281 BGB bemühen. Beide Ansätze sind jedoch hoch problematisch und bieten sowohl tatsächlich also auch rechtlich nicht ansatzweise eine Gewissheit, die Verbraucher/in in diesen Fällen wohl erwarten dürfen. 

Es bleibt also bei der schon früher hier erfolgten Aufforderung an den Gesetzgeber, endlich etwas zu ändern und unterstützend einzugreifen. Auch wenn manche neueren Aufsätze zwar einige Teilprobleme ansprechen und zu lösen versuchen (s. etwa Jurgeleit, NJW 2022, 2641 zur Befugnis des Geltendmachens von Mängelrechten), bleibt es dabei, dass viele Hauptprobleme völlig ungeklärt sind. Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist so seit ca. fünf Jahren eine Situation entstanden, die ihnen niemand vor Erwerb erklärt - auch nicht die/der beurkundende Notar/in. Die dortigen Verträge enthalten zudem leider oft auch noch Klauseln, die die strengen Vorgaben der MaBV missachten und zu unzulässigen Vorauszahlungen führen. 

 

 

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2 Kommentare

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Die Problematik wird schön auf den Punkt gebracht. Mängelrechte im Stadium vor der Abnahme sind derzeit wirklich ein heikles Thema. Allerdings dürfte der Erfüllungs- bzw. Erstherstellungsanspruch auch nach neuem WEG-Recht "vergemeinschaftungsfähig" sein. Das war schon im alten Recht anerkannt (BGH v. 25.2.2016 – VII ZR 156/13, Rn. 17) und Jurgeleit vertritt im zitierten Aufsatz NJW 2022, 2641, Rn. 15 nichts anderes. Außerdem ist die Frage, ob der Erfüllungsanspruch tatsächlich schon vor der Abnahme verjährt, noch offen. Der BGH hat die Frage im Urteil vom 28.5.2020 – VII ZR 108/19, NJW 2020, 2270, Rn 26 offen gelassen und sich im oben zitierten Urteil BeckRS 2022, 16864 nicht dazu geäußert. Und selbst wenn sich die (m.E. abzulehnende) Auffassung durchsetzen sollte, wonach Erfüllungsansprüche schon vor der Abnahme verjähren können, wäre das in einer WEG meistens unschädlich. Denn mindestens ein Käufer wird die Abnahme erklärt haben, sodass die WEG zumindest dessen (unverjährte) Mängelrechte geltend machen kann.

Ja, vielen Dank ! Ich denke, es macht wirklich Sinn, nach wie vor den Gesetzgeber an deutliche Verbesserungen zu erinnern.  Wir haben Konsens hinsichtlich der Regelverjährung (vor Abnahme m.E. nicht möglich). Die Lösung, sich auf den abnehmenden Käufer zu beziehen und dessen Mängelrechte zu vergemeinschaften, ist indes auch oft nachteilig (Beweislastumkehr wegen der erst nach Abnahme des GemE festgestellten Mängel usw). BGH BeckRS 2022, 16864 hat sich, wie Sie richtig sagen, nicht positioniert - ich habe die teilweise etwas kryptischen Zeilen in Rn 31 aber als Wink verstanden, wo die Reise hingehen dürfte (Regelverjährung auch vor Abnahme...). Richtig ist auch, dass der BGH den Erstherstellungsanspruch offenbar für vergemeinschaftungsfähig hält - verfolgt man die Eigenzitate des Senats dazu, sind die dortigen Fundstellen doch eher "beiläufig" und unterscheiden nicht wirklich zwischen dem §§ 631, 633 Anspruch einerseits und den Mängelrechten nach Abnahme andererseits. Das passt m.E. gar nicht in das übrige Modell der Primär- und Mängelrechte und führt zu Riesenproblemen dann, wenn eine Mehrheit von Eigentümern vergemeinschaftet aber keine Ansprüche gegen den Bauträger geltend machen will - die Minderheit der Eigentümer muss dann eine langdauernde Beschlussersetzungsklage vor dem AG und ggf. LG führen, die oft erst nach Ablauf der Regelverjährung endgültig entschieden wird und mit erheblichen Risiken behaftet ist. 

Und kurz ergänzend: Verbraucher/in versteht von alledem im Regelfall gar nichts mehr.

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