Zur Entlassung von BSI-Präsident Schönbohm: Erst vor russischen Aktivitäten warnen, nun selbst drin verstrickt sein

von Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker, veröffentlicht am 10.10.2022

Als das BSI am 15. März seine Warnung vor Produkten des Herstellers Kaspersky aussprach (https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Publikationen/Warnungen-nach-P7_BSIG/Archiv/2022/BSI_W-004-220315.pdf), bestand nach Auffassung der Behörde „Gefahr im Verzug“: Verbraucher, Unternehmen und Behörden sollten so schnell wie möglich ihre Antivirus-Software durch alternative Produkte ersetzen, da sie in besonderem Maße durch unzulässige russische Einflussnahme gefährdet seien. Es wurde davon gesprochen, dass ein russischer IT-Hersteller selbst „offensive Operationen“ durchführen oder gegen seinen Willen durch die autokratische russische Regierung dazu gezwungen werden könne.

Nun, knapp über ein halbes Jahr später, steht das BSI seit den Böhmermann-Enthüllungen vom vergangenen Freitag (https://www.zdf.de/comedy/zdf-magazin-royale/zdf-magazin-royale-vom-7-oktober-2022-100.html) selbst in der Kritik. Der Vorwurf gegen Behördenchef Schönbohm: Schönbohm verfügt selbst über mögliche Kontakte zu russischen Geheimdienstkreisen über den Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland“, dessen Gründungspräsident er ist und anlässlich dessen Jubiläum er jüngst eine Veranstaltung besucht hat.

Dies mutet mittlerweile mehr als nur kurios an, denn ein privater Verein als eine bloße Berliner Lobbyorganisation, der alleine schon aufgrund seiner Wortwahl zum Verwechseln ähnlich zum Nationalen Cyber-Sicherheitsrat, einem offiziellen Gremium des Bundesverteidigungsministeriums, klingt, ist nun in der Lage, die Arbeit und den Ruf der deutschen nationalen Cybersicherheitsbehörde ausgerechnet in diesen Zeiten erheblich zu schädigen und nachhaltig zu schwächen.

Doch die Personalie Schönbohm ist schon seit ihrer Einführung als BSI-Behördenpräsident umstritten und auch innerhalb des BSI und in Cybersecurity-Expertenkreisen wurde und wird sein Handeln bereits seit geraumer Zeit hinterfragt (https://netzpolitik.org/2016/bundesregierung-ernennt-cyberclown-arne-schoenbom-zum-bsi-praesidenten/). Eine intransparente Behördenpolitik, die rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht genügt, kennzeichnet seine Entscheidungen. So legten der BR und Spiegel in einer Investigativrecherche im August dieses Jahres (https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/software-kaspersky-sicherheit-warnungen-101.html) noch dar, dass die BSI-Warnung vor Kaspersky unter höchst unklaren und juristisch fragwürdigen Umständen zustande kam, wie Unterlagen belegen, die im Wege einer IFG-Anfrage (https://fragdenstaat.de/anfrage/dokumente-und-briefwechsel-zur-warnung-vor-kaspersky/) veröffentlicht wurden. Verwaltungsrechtliche Anfragen wurden ignoriert oder verschleppt und bis zum heutigen Datum keine Nachweise geliefert, worauf sich die Warnung abgesehen von bloßen allgemeinen Erwägungen zu Russland stützen soll. Trotz der „Gefahr im Verzuge“ ist bis heute nichts geschehen und keines der Ereignisse, vor denen das BSI dringend offiziell warnte, ist auch nur ansatzweise eingetreten.

Insoweit ist es richtig, dass nun die entsprechenden Konsequenzen auch politisch gezogen werden sollen. Wir leben in einer Lage, die ein erhöhtes Maß an Cybersicherheit mehr denn je erfordert und Deutschland braucht eine unabhängige und neutrale behördliche Instanz, um die Cybersicherheitslage zu bewerten und wo nötig, präventiv tätig zu werden. Hierzu gehört auch der offene und transparente Dialog mit allen beteiligten Akteuren, denn Cybersicherheit bedeutet in erster Linie Vertrauen. Was wir jedoch nicht brauchen können, sind klandestin operierende Staatsorgane, die unter dem Deckmantel der Cybersicherheit politische Entscheidungen mit erheblichen Rechtswirkungen treffen und dadurch sowohl Bürger wie Unternehmen in unserem Land verunsichern und so nicht nur dem Ruf des BSI, sondern der Cybersicherheit im Ganzen schaden.

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7 Kommentare

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Das, was mir bisher bekannt ist, überzeugt mich nicht, dass die Vorwürfe gegen Schönbohm berechtigt sind. Das Ende vom Lied wird sein, dass wir einen weiteren teuren Politrentner haben werden.

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es zeigt doch mal wieder die Inkompetenz und den Lobbyismus in Deutschland. Es ist so paradox, dass man es sich kaum vorstellen kann. Was wohl der wirkliche Grund hinter der Kaspersky Warnung ist...

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Die Rechercheure Böhmermanns haben wohl etwas zu wenig recherchiert, wenn das hier stimmt, wonach protelion (ex-infotecs) erst seit 2020 im Verein gewesen sein soll. Und es scheint noch ein paar andere Namen im BMI zu geben, die da Probleme bekommen könnten.

Nach Vortrag: Faeser will BSI-Chef feuern – wusste aber Bescheid - Business Insider

In den USA ist man wohl auch recht spät darauf gekommen, dass es eine infotecs americas Inc. gibt....

Russian Cybersecurity Firm Draws U.S. Federal Scrutiny, Concern from National Security Experts - Forensic News

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Das Frau Faeser unterstehende Bundesministerium des Inneren soll heute eingeräumt haben, daß die durch die Zeitschrift "Spiegel" sowie durch den prominenten satirischen Fernsehmoderator Böhmermann erhoben Vorwürfe und Verdächtigungen gegen Herrn Schoenbohm nicht stichhaltig und nicht begründet waren. Rechtlich und moralisch betrachtet ist Schönbohm damit nun wohl rehabilitiert, aber seine Arbeitstelle wird er wohl dennoch nicht wiederbekommen, denn SPD und Grüne betrachten ihn wohl als Merkel-nah oder als CDU-nah, während sein Nachfolger wohl tendenziell mehr der neuen, gegenwärtigen Bundesregierung, nahestehen soll, so daß der "Ampel" der Nachfolger also wohl politisch genehmer zu sein scheint, als es Herr Schönbohm war.

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Aber trotzdem will die Bundesinnenministerin, völlig entgegen der Aussagen der Ampel-Parteien im Bundestagswahlkampf 2021,  nun die BSI-Führung(en) zukünftig wohl noch leichter feuern dürfen, und die Gesetze dahingehend ändern, die BSI-Führung von der Innenministerin nicht wie im Wahlkampf angekündigt unabhängiger zu machen, sondern anhängiger zu machen. Das berichtet heute jedenfalls Frau Anna Biselli unter der Überschrift "Abhängig von politischen Gnaden" auf netzpolitik-org.

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