Adhäsionsverfahren: Feststellungsanspruch - drohen wirklich weitere Schäden?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.10.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1743 Aufrufe

Der Feststellungsanspruch hinsichtlich einer Ersatzpflicht für etwaige Folgeschäden ist bei Körperverletzungen juristisches Allgemeingut. Und er wird gerne "durchgewunken", weil "ja immer mal was nachkommen kann". Natürlich kann der Anspruch auch im Adhäsionsverfahren geltend gemacht werden. Der BGH hat da einmal wieder festgestellt, dass die Gefahr von Folgeschäden tatsächlich bestehen muss: 

 

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 19. Januar 2022 im Adhäsionsausspruch aufgehoben, soweit eine Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige immaterielle Schäden des Adhäsionsklägers festgestellt worden ist; auch insoweit wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

 

  2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

 

  3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels, die insoweit entstandenen besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und die dem Neben- und Adhäsionskläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.  

 

Gründe Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, auf die es die in Ungarn erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:3 angerechnet hat. Zudem hat das Landgericht dem Adhäsionsantrag weitgehend stattgegeben und im Übrigen von einer Entscheidung hierüber abgesehen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

 

  1. Der Adhäsionsausspruch weist einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, soweit dessen Ersatzpflicht für künftige immaterielle Schäden des Adhäsionsklägers festgestellt ist.  

 

Für einen solchen Feststellungsausspruch ist nur Raum, wenn nicht ausschließlich vorhersehbare Schädigungsfolgen in Betracht stehen, die bereits von der Zubilligung des bezifferten Schmerzensgeldes umfasst sind (Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgelds; vgl. BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - VI ZR 133/06 Rn. 13; Urteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 322/04 Rn. 7 mwN; s. auch BGH, Beschluss vom 11. Mai 2022 - 4 StR 21/22). Nach den Urteilsgründen sind insbesondere auch die Halsverletzungen des Adhäsionsklägers zeitnah und komplikationslos verheilt. Mit Blick hierauf lässt das Urteil trotz der schweren Primärverletzung eine tragfähige Begründung für den Eintritt von Spätschäden, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht hätten berücksichtigt werden können, vermissen. Hierfür genügen auch die festgestellten gelegentlichen Schluckbeschwerden des Adhäsionsklägers nicht, die das Landgericht bereits bei der Begründung der Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes bedacht hat. Der Senat vermag sich somit im Ergebnis dem Teilaufhebungsantrag des Generalbundesanwalts nicht zu verschließen.

 

    BGH, Beschluss vom 01.09.2022 - 4 StR 239/22 openJur 2022, 17522
Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen