EuGH zur Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat bei Umwandlung in eine SE

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 24.10.2022

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer

ist dahin auszulegen, dass

die für eine durch Umwandlung geschaffene SE geltende Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Sinne dieser Bestimmung für die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der SE in Bezug auf die von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Kandidaten einen getrennten Wahlgang vorsehen muss, sofern das anwendbare nationale Recht einen solchen getrennten Wahlgang in Bezug auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der in eine SE umzuwandelnden Gesellschaft vorschreibt; im Zusammenhang mit diesem Wahlgang muss die Gleichbehandlung der Arbeitnehmer dieser SE, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe sowie der in ihnen vertretenen Gewerkschaften gewahrt sein.

Das hat der EuGH entschieden.

Die Umwandlung einer Gesellschaft nationalen Rechts (hier: einer deutschen AG) in eine Europäische Gesellschaft (SE) darf die Beteiligung der Gewerkschaften bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats also nicht verringern.

Die Gewerkschaften IG Metall und ver.di wenden sich gegen die Modalitäten der Bestellung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der SAP SE, der paritätisch aus Mitgliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer zusammengesetzt ist. Im Rahmen der Umwandlung der SAP AG in eine SE hatte das Unternehmen mit dem besonderen Verhandlungsgremium vereinbart, dass der Aufsichtsrat von 18 auf 12 Mitglieder reduziert wird, von denen 6 Sitze den Arbeitnehmervertretern zustehen. Die Gewerkschaften sollten zwar weiterhin berechtigt sein, für diese Sitze Kandidaten vorzuschlagen, diese sollten jedoch nicht mehr in einem von dem der Wahl der übrigen Arbeitnehmervertreter getrennten Wahlgang gewählt werden. Daher war nicht mehr sichergestellt, dass sich unter den Vertretern der Arbeitnehmer in diesem Aufsichtsrat auch tatsächlich ein Gewerkschaftsvertreter befindet.

Das BAG hatte Zweifel an der Wirksamkeit dieses Statuts und hat den EuGH um Vorabentscheidung ersucht.

In seinem jetzt verkündeten Urteil stellt der EuGH fest, dass die für eine durch Umwandlung geschaffene SE geltende Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer für die Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der SE in Bezug auf die von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Kandidaten einen getrennten Wahlgang vorsehen muss, sofern das anwendbare nationale Recht - wie § 7 Abs. 2 des deutschen MitbestG - einen solchen getrennten Wahlgang in Bezug auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Gesellschaft, die in eine SE umgewandelt werden soll, vorschreibt.

EuGH, Urt. vom 18.10.2022 - C-677/20, BeckRS 2022, 27603

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