BVerfG: Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobener personenbezogener Daten verfassungswidrig

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 03.11.2022

Frisch aus Karlsruhe:  die Übermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden in Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes nach dem BVerfSchG sind mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Dies gelte, soweit sie zur Übermittlung personenbezogener Daten verpflichten, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden.

Die betreffenden Vorschriften, so das BVerfG, verstoßen gegen die Normenklarheit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Zudem fehle es an einer spezifisch normierten Protokollierungspflicht.

Interessant: "Die Übermittlung personenbezogener Daten, mit der eine Behörde die von ihr erhobenen Daten einer anderen Stelle zugänglich macht, begründet einen erneuten Grundrechtseingriff im Verhältnis zur ursprünglichen Datenerhebung."

Die angegriffenen Normen gelten - mit Blick auf die betroffenen Grundrechte jedoch nach einschränkenden Maßgaben - bis zum 31. Dezember 2023 vorübergehend fort.

Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE...

Beschluss vom 28. September 2022
1 BvR 2354/13

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2 Kommentare

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Ja, wenn personenbezogene Daten und Informationen mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden, gilt das Kriterium der hypothetischen Neuerhebung der Daten.

Kernsätze des Beschlusses:

"§ 20 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG benennt bei der Regelung der Übermittlung nachrichtendienstlich erhobener Daten zur Gefahrenabwehr nicht unmittelbar das zu schützende Rechtsgut, sondern knüpft – grundsätzlich zulässig – ebenso wie bei der Übermittlung zur Strafverfolgung an die in § 20 Abs. 1 Satz 2 BVerfSchG aufgeführten Straftaten an. Allerdings können nicht alle in den §§ 74a, 120 GVG genannten und durch die Vorschrift pauschal in Bezug genommenen Straftaten als besonders schwere Straftaten qualifiziert werden. Gleiches gilt für den offenen Übermittlungstatbestand, der beliebige sonstige Straftaten alleine aufgrund ihrer Zielsetzung oder des Motivs des Täters mit einbezieht."

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Die gegenwärtige Bundesregierung mit Bundesinnenministerin Faeser will jetzt aber offenbar wohl ein neues (einfachgesetzliches) Bundes-Gesetz machen, daß wenn es in Kraft tritt wohl in die entgegengesetzte Richtung vom Inhalt des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28.09.2022 geht. Medienberichten zufolge (siehe Artikel "Lizenz zum Anschwärzen" in der Online Ausgabe der Süddeutsche Zeitung vom 26.10.2023, 14.48 h, zitiert unter anderem durch die Nachdenkseiten vom 30.10.2023. 10.04 h) sollen in Zukunft das Bundesamt für Verfassungschutz und deren Mitarbeiter befugt sein, aufkommende Verdachtsmomente mutmaßlich unzureichender Verfassungstreue nicht nur an Behörden, sondern auch an private Unternehmen und Vereine und Privatpersonen, ja sogar an Familienmitglieder, Arbeitskollegen, Freunde und Nachbarn des betroffenen weiterzugeben. Und das (ungeachtete des in zivilisierten Rechtsstaaten geltenden Grundsatzes der Unschuldsvermutung) auch ohne Gerichtsurteil oder Gerichtsbeschluss oder richterliche Zustimmung. Das Bundesinnenministerium will sogar den Rechtsweg des betroffenen gegen derartiges in Grundrechte eingreifendes staatliches Handeln sogar ausdrücklich ausschließen. Und falls irgendjemand den Gesetzentwurf der Innenministerin kritisiert, dann soll der betreffende Bürger als Staatsfeind und Verfassungsfeind gelten, und dann dementsprechend abgewertet und beschuldigt und ausgegrenzt und stigmatisiert werden, also quasi zu vogelfreien Aussätzigen gemacht werden. Dürfen die Bürger, für die unser Grundgesetz ja eigentlich Bürgerrechte vorsieht, nun wenigstens solange, bis der Gesetzentwurf verbschiedet wird, noch Kritik daran anbringen, oder würden sie dafür auch schn jetzt bereits als vermeintliche Verfassungsfeinde etikettiert? Und gelten für die Bundesinnenministerin nun womöglich auch die Richter des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts, welche am Urteil vom 28.09.2022 beteiligt waren, als Staatsfeinde und Verfassungsfeinde?  

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