Vergesslicher Verteidiger

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.11.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1818 Aufrufe

Der Verteidiger erinnerte sich nicht mehr an die Einspruchsbeschränkung. Das KG hatte damit keine Probleme:

 

(1) Dass eine solche Erklärung abgegeben worden ist, ergibt sich unmissverständlich aus dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, das gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 274 Satz 1 StPO vollen Beweis darüber erbringt. Ausweislich Seite 2, letzter Absatz des Protokolls vom 31. August 2021 ist die vom Verteidiger erklärte Einspruchsbeschränkung vorgelesen und von diesem genehmigt worden. Hinzu tritt, dass sich der zuständige Amtsrichter, durch den Senat freibeweislich befragt, zwar nicht mehr an die Einzelheiten des Zustandekommens der Erklärung erinnern konnte, wohl aber daran, dass sie vom Verteidiger tatsächlich abgegeben worden ist.

(2) Die Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch auf einzelne Beschwerdepunkte, namentlich - wie hier - auf die Rechtsfolgen insgesamt, beschränkt werden, sofern die im Bußgeldbescheid beschriebene Tat als solche hinreichend konkretisiert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 67 Rdn. 34e; Ellbogen in KK-OWiG 5. Aufl., § 67 Rdn. 55 m.w.N.). Das ist hier der Fall, denn der Bußgeldbescheid enthält alle nach § 66 OWiG erforderlichen Angaben als Grundlage für einen Rechtsfolgenausspruch einschließlich einer hinreichend präzisen Angabe zum Ort der Tat im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG; der Angabe einer Hausnummer bedarf es - anders als der Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 15. März 2022 meint - nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2018 - 3 Ws (B) 238/18 -, juris). Dass im Bußgeldbescheid ausdrückliche Angaben zur verwirklichten Schuldform fehlen, steht einer hinreichenden Tatkonkretisierung nicht entgegen. Denn die Bußgeldbehörde hat - worauf die zitierte Nummer 11.3.6 des Anhangs zur BKatV hindeutet - die dort normierte Regelbuße allein wegen der Voreintragungen erhöht, wofür daneben spricht, dass sich in den zitierten Vorschriften der im Falle vorsätzlicher Tatbegehung zu zitierende § 3 Abs. 4a Satz 1 BKatV nicht findet.

(3) Zwar kann die Einspruchsbeschränkung eines Betroffenen nach allgemeinen Grundsätzen wegen der Art und Weise seines Zustandekommens unwirksam sein. Das gilt etwa, wenn seine Willensentschließung beeinträchtigt worden ist - sei es durch Drohung, Täuschung oder auch eine nur versehentlich unrichtige Auskunft des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft - oder er in seiner Verteidigung und dem Recht der Besprechung mit ihr unzulässig beschränkt worden ist (vgl. BGHSt 45, 51, 53; BGH NJW 2002, 1436; StV 2001, 556; KG Beschluss vom 23. März 2004 - (5) 1 Ss 249/01 (36/01) -, juris m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist aber zu beachten, dass nicht er selbst die Prozesserklärung zur Einspruchsbeschränkung abgegeben hat, sondern ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 31. August 2021 sein Verteidiger. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Willensentschließung oder die Verfahrensrechte des Betroffenen unzulässig beeinträchtigt worden sind, sondern diejenigen des Verteidigers. Der Behauptung des Betroffenen, er habe mangels hinreichender Kenntnis der deutschen Sprache die Bedeutung der Prozesserklärung seines Verteidigers nicht erfasst, wäre darum für die Frage, ob die Prozesserklärung des Verteidigers in der beschriebenen Weise beeinflusst worden, nur dann Bedeutung zugekommen, wenn dadurch zugleich auch die Willensentschließung des Verteidigers in beschriebener Weise beeinträchtigt worden wäre. Dafür gibt das Beschwerdevorbringen jedoch nichts her.

(4) Es ist zudem davon auszugehen, dass der Verteidiger zu der Rechtsmittelbeschränkung, die rechtlich eine teilweise Rechtsmittelrücknahme darstellt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 302 Rdn. 2), vom Betroffenen nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 302 Abs. 2 StPO ermächtigt war.

Die Ermächtigung muss sich wegen der besonderen Tragweite, die eine Rechtsmittelrücknahme in aller Regel hat, der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit der abgegebenen Erklärung und des regelmäßigen Ausschlusses einer Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums auf ein bestimmtes Rechtsmittel beziehen. Es bedarf daher grundsätzlich der genauen Bezeichnung des Rechtsmittels, zu dessen Rücknahme ermächtigt wird, durch den Betroffenen (vgl. KG, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 4 Ws 128/14 -, juris). Diese ist aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich die Konkretisierung ohne Weiteres aus den Umständen des Einzelfalls ergibt (vgl. KG [Schifffahrtsobergericht Berlin] NJW 2009, 1686; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Dezember 2020 - 7 Rb 24 Ss 986/20 -, juris).

So liegt der Fall hier. Der Senat hat sich durch freibeweisliche Ermittlungen die Gewissheit verschafft, dass der Betroffene seinen Verteidiger zur Beschränkung des Rechtsmittels nach Maßgabe von §§ 46 Abs. 1 OWiG, 302 Abs. 2 StPO ermächtigt hat. Als wichtiges Indiz für eine Ermächtigung ist die in der anwaltlichen Vollmachtsurkunde vom 11. März 2021 enthaltene Befugnis zur Rechtsmittelrücknahme anzusehen. Dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 2. August 2000 (in NStZ 2000, 665) davon abweichend entschieden hat, die vom Angeklagten erteilte Vollmacht nebst Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme sei nicht ausreichend, steht dem nicht entgegen. Denn in dem vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall hatte der Angeklagte seinem damaligen Verteidiger bereits vor dessen Erklärung der Rechtsmittelrücknahme das Mandat entzogen und den Wunsch geäußert, ein anderer Verteidiger solle das (Revisions-) Verfahren weiterbetreiben. Anders als im hiesigen Fall liegt bei einer derartigen Konstellation auf der Hand, dass die bei Mandatserteilung erklärte Ermächtigung zur Rechtsmittelrücknahme - gegen den ausdrücklichen, dem Verteidiger gegenüber erklärten Willen - nicht mehr als taugliche Ermächtigung im Sinne von § 302 Abs. 2 StPO fortwirken kann. Ein entsprechender, der Fortgeltung der durch Vollmacht erteilten Ermächtigung entgegenstehender Wille des Betroffenen ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Zudem hat der zuständige Amtsrichter zum Zustandekommen der Beschränkungserklärung vom 31. August 2021 auf Befragen des Senats erklärt, er könne sich heute zwar nicht mehr daran erinnern, ob der Verteidiger vor Abgabe der Prozesserklärung nochmals Rücksprache mit dem Betroffenen gehalten habe, einen Streit oder eine längere Debatte zwischen ihnen habe es aber nicht gegeben. Auch habe es keine sonstigen Hinweise dafür gegeben, dass der Verteidiger die Rechtsmittelbeschränkung ohne Ermächtigung des Betroffenen abgegeben haben könnte. Ohnehin trägt die Rechtsbeschwerde lediglich vor, eine Rechtsmittelbeschränkung sei nicht erklärt worden, nicht aber, der Verteidiger sei dazu nicht ermächtigt gewesen.

Die Ausführungen des Verteidigers im Schriftsatz vom 21. Februar 2021 stehen dem nicht entgegen, denn er hat lediglich seinen Vortrag wiederholt, keine Erinnerung an die Abgabe einer Erklärung einer Rechtsmittelbeschränkung zu haben; ergiebige Auskünfte zur Frage, ob der Betroffene ihn zu dieser ermächtigt hat, gehen daraus nicht hervor.

 

KG, Beschl. v. 17.03.2022 - 3 Ws (B) 33/22, BeckRS 2022, 14333

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