Tätigkeit in leitender Position ist kein Sachgrund für Befristung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.11.2022
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1731 Aufrufe

Das BAG (Urteil vom 1.6.2022 – 7 AZR 151/21, BeckRS 2022, 29963) hat in einer neueren Entscheidung das Befristungsrecht in einem wichtigen Punkt weiterentwickelt. Es geht um den Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 TzBfG). Hierbei denkt man zuerst an Künstler, Schauspieler, Fußballer etc. In dem vom BAG entschiedenen Fall ging es hingegen um eine Führungskraft, die eine besonders verantwortungsvolle Stelle innehat, nämlich um den Geschäftsführender Direktor des campusübergreifenden Diagnostikzentrums und des campusübergreifenden Radiologiezentrums (der Unikliniken Kiel und Lübeck). Seit dem Jahre 2013 ist der Kläger in dieser Funktion befristet beschäftigt. Mit Änderungsvertrag vom 24. /29. Juni 2015 vereinbarten die Parteien eine Befristung des Dienstvertrags bis 31. Dezember 2019. Mit seiner Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der im Änderungsvertrag vom 24./29. Juni 2015 vereinbarten Befristung geltend gemacht.

Interessant sind an dieser Entscheidung vor allem die Ausführungen zu Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung:

Rn. 37: „Der Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG setzt außerhalb verfassungsrechtlich geprägter Arbeitsverhältnisse jedenfalls voraus, dass das Arbeitsverhältnis durch außergewöhnliche Umstände geprägt ist, die ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung begründen können, etwa Verschleißtatbestände, das Abwechslungsbedürfnis des Publikums oder auch ein Wechselinteresse des Arbeitnehmers. So bildet etwa der Umstand, dass ein Arbeitnehmer leitender Angestellter iSd. § 14 Abs. 2 KSchG ist, keinen die Befristung rechtfertigenden Sachgrund. Nach Inkrafttreten des TzBfG bedarf auch die Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem leitenden Angestellten - wenn die Voraussetzungen für eine sachgrundlose Befristung nicht vorliegen - eines Sachgrundes, dessen Vorliegen grundsätzlich nach denselben Maßstäben zu beurteilen ist wie bei anderen Arbeitnehmern. Entsprechend stellen Tätigkeiten als Führungskraft oder in leitenden Positionen - die typischerweise mit einem geringeren Grad der Bindung an (Einzel-)Weisungen des Arbeitgebers einhergehen und aufgrund der übertragenen Verantwortung Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber bewirken können - keine befristungstauglichen Eigenarten der Arbeitsleistung dar.

Rn. 38: (2) Demnach folgt aus der vorgebrachten „geschäftsführerähnlichen“ Stellung des Klägers kein Befristungsgrund. Die Beklagte hat sich bei der Besetzung der Position des Geschäftsführenden Direktors der Zentrumsleitung eines Arbeitsvertrags und keines vom Anwendungsbereich des TzBfG nicht erfassten Vertragstypus bedient. Aus der Art der geschuldeten Arbeitsleistung des Klägers - mag diese auch (weitgehend) weisungsfrei zu erbringen und von einer starken Stellung gegenüber dem Vorstand in Konfliktsituationen geprägt sein - folgt kein berechtigtes Interesse der Beklagten, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Mit dem Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG ist weder eine - aus Sicht des Arbeitgebers weitreichende - Weisungsfreiheit des Arbeitnehmers kompensiert noch ein Instrument zur Auflösung eines potenziellen Dauerkonflikts der Arbeitsvertragsparteien - und sei dieser der normativen Verfasstheit der Arbeitsleistungserbringung geschuldet - eröffnet.“

Kurz (Orientierungssatz Nr. 3): „Tätigkeiten als Führungskraft oder in leitenden Positionen rechtfertigen die Befristung des Arbeitsvertrags nicht aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung.“

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