Mindestlohn-Richtlinie muss bis 15.11.2024 umgesetzt werden

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 03.01.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|2355 Aufrufe

Unbeschadet der nicht nur hierzulande kontrovers diskutierten (Un-)Zuständigkeit der Europäischen Union für Fragen des Arbeitsentgelts (Art. 153 Abs. 5 AEUV) ist bereits am 25.10.2022 im Amtsblatt der Europäischen Union die Richtlinie (EU) 2022/2041 über angemessene Mindestlöhne in der Europäischen Union (vom 19.10.2022) verkündet worden (ABl. EU L 275/33). Ihre Kernvorschrift, Artikel 5, lautet:

Artikel 5. Verfahren zur Festsetzung angemessener gesetzlicher Mindestlöhne

(1)   Die Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen schaffen die erforderlichen Verfahren für die Festlegung und Aktualisierung der gesetzlichen Mindestlöhne. Bei dieser Festlegung und Aktualisierung werden Kriterien zugrunde gelegt, die zu ihrer Angemessenheit beitragen, mit dem Ziel, einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen, die Armut trotz Erwerbstätigkeit zu verringern, den sozialen Zusammenhalt und die soziale Aufwärtskonvergenz zu fördern und das geschlechterspezifische Lohngefälle zu verringern. Die Mitgliedstaaten legen diese Kriterien im Einklang mit den nationalen Gepflogenheiten in einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften, in Beschlüssen ihrer zuständigen Stellen oder in dreiseitigen Vereinbarungen fest. Die Kriterien müssen klar definiert sein. Die Mitgliedstaaten können unter Berücksichtigung ihrer nationalen sozioökonomischen Bedingungen über das relative Gewicht dieser Kriterien, einschließlich der in Absatz 2 genannten Aspekte, entscheiden.

(2)   Die nationalen Kriterien nach Absatz 1 umfassen mindestens die folgenden Aspekte:

a)                die Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten;

b)               das allgemeine Niveau der Löhne und ihre Verteilung;

c)                die Wachstumsrate der Löhne;

d)               langfristige nationale Produktivitätsniveaus und -entwicklungen.

(3)   Unbeschadet der in diesem Artikel festgelegten Verpflichtungen können die Mitgliedstaaten zusätzlich einen automatischen Mechanismus für Indexierungsanpassungen der gesetzlichen Mindestlöhne auf der Grundlage geeigneter Kriterien und gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und im Einklang mit Gepflogenheiten anwenden, sofern die Anwendung dieses Mechanismus nicht zu einer Senkung des gesetzlichen Mindestlohns führt.

(4)   Die Mitgliedstaaten legen bei ihrer Bewertung der Angemessenheit der gesetzlichen Mindestlöhne Referenzwerte zugrunde. Zu diesem Zweck können sie auf internationaler Ebene übliche Referenzwerte wie 60 % des Bruttomedianlohns und 50 % des Bruttodurchschnittslohns und/oder Referenzwerte, die auf nationaler Ebene verwendet werden, verwenden.

(5)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die gesetzlichen Mindestlöhne regelmäßig und rechtzeitig mindestens alle zwei Jahre oder — bei Mitgliedstaaten, die einen automatischen Indexierungsmechanismus gemäß Absatz 3 verwenden — mindestens alle vier Jahre aktualisiert werden.

(6)   Jeder Mitgliedstaat bestimmt oder richtet ein oder mehrere Beratungsgremien ein, welche die zuständigen Stellen in Fragen des gesetzlichen Mindestlohns beraten und ermöglicht die Arbeitsfähigkeit dieser Gremien.

Der Kriterienkatalog in Abs. 2 und das festzulegende Referenzziel in Abs. 4 werden jedenfalls eine Änderung des Verfahrens der Mindestlohnkommission, die sich bei der Festsetzung des Mindestlohns bislang primär nachlaufend an der Tarifentwicklung orientiert (§ 9 Abs. 2 Satz 2 MiLoG), zur Folge haben müssen.

Die Richtlinie ist bis zum 15.11.2024 in nationales Recht umzusetzen (Art. 17 Abs. 1 RL 2022/2041).

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