Überraschung! Bundesrat stoppt das Hinweisgeberschutzgesetz

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 10.02.2023

Spätestens Ende 2021 hätte Deutschland die EU Richtlinie 2019/1937 zum besseren Schutz von sogenannten Whistleblowern umsetzen müssen. Mittlerweile läuft gegen Deutschland (und 22 andere EU-Mitgliedsstaaten) in dieser Sache auch ein Vertragsverletzungsverfahren – doch die Umsetzung wird sich in Deutschland noch weiter ziehen. Nachdem der Bundestag am 16.12.2022 das Hinweisgeberschutzgesetz verabschiedete, galt es eigentlich nur noch als eine Formalie, dass der Bundesrat in seiner ersten Sitzung des Jahres 2023 dem Gesetzentwurf ebenfalls zustimmt.

Von wegen! Die unionsgeführten B-Länder haben sich gegen das Hinweisgeberschutzgesetz gestellt und den Gesetzesentwurf im Bundesrat gestoppt. Nun muss der Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat wohl "ran."

Die Union kritisierte insbesondere, dass das Hinweisgeberschutzgesetz in der vorliegenden Fassung über die EU-Vorgaben hinausgehe. Darüber hinaus belaste es kleine und mittlere Unternehmen besonders, eine Missbrauchsgefahr sei außerdem auch nicht gebannt.

Prof Stoffels hat hier im Blog dankenswerterweise schon eine Analyse des Gesetzes eingestellt - vgl. auch Prof. Rolfs im Blog zur RiLi hier.  In der Tat sieht der Gesetzesentwurf der Regierungskoalition vor, dass nicht nur – wie von der EU-Richtlinie vorgegeben – Hinweise auf Verstöße gegen Unionsrecht unter den Schutz des Gesetzes fallen, sondern der Schutzbereich wird weiter gefasst wird. Der sachliche Anwendungsbereich soll sich auf alle Hinweise beziehen, die sich auf folgende Verstöße beziehen:

  • Verstöße gegen strafbewehrte Vorschriften,
  • Verstöße gegen bußgeldbewehrte Vorschriften, sofern diese Leben, Leib und Gesundheit oder die Rechte der Angestellten und ihrer Vertretungsorgane betreffen,
  • Verstöße gegen sonstige Vorschriften.

Damit jedoch nicht jeder beliebige Verstoß gegen Vorschriften den Schutz des Gesetzes auslöst, muss es sich um Schutzvorschriften aus dem Katalog des Gesetzes handeln.

So oder so: Für die Unternehmen bringt der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes einen Umsetzungsaufwand mit sich. So sollten Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeiter oder solche, die in einer bestimmten Branche tätig sind (zB Kapitalverwaltungsgesellschaften), verpflichtet werden, eine interne Meldestelle einzurichten. Für Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern hätte eine Umsetzungsfrist bis zum 17.12.2023 bestanden. Außerdem sollten Unternehmen verpflichtet werden, auch anonymen Hinweisen nachzugehen.

Wo sehen Sie Ansatzpunkte für eine Nachverhandlung im Vermittlungsausschuss?

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8 Kommentare

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Die Hängepartie geht wohl weiter: Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen Bundestagsfraktion Till Steffen hat in einer Reaktion auf das Scheitern des Hinweisgeberschutzgesetzes im Bundesrat von einem "Pyrrhussieg" der Union gesprochen. Er kündigte an, dass die Parteien der Ampelkoalition das Gesetz inhaltsgleich in einer nicht zustimmungsbedürftigen Form so schnell wie möglich erneut in den Bundestag einbringen möchten.

Dem widerspricht der parlamentarische Geschäftsführer der FDP Bundestagsfraktion Stephan Thomae via Twitter. Er weist darauf hin, dass die Behauptung, es gebe eine solche Einigung, nicht zutreffe. Vielmehr berate man zum weiteren Vorgehen und auch der Vermittlungsausschuss bleibe eine Option.

 

Es ist weiterhin nicht bekannt, ob der Vermittlungsausschuss angerufen wird oder ob die Ampel-Koalition doch probiert, das Gesetz in nicht-zustimmungsbedürftiger Weise erneut in den Bundestag einzubringen.

Sollte der Vermittlungsausschuss angerufen werden, kann keine Prognose über die Dauer des Verfahrens getroffen werden – verfassungsrechtliche oder einfachgesetzliche Fristen für eine Höchstdauer des Verfahrens gibt es nicht.

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Update: "Die Europäische Kommission (...) hat Deutschland am Mittwoch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verklagt, weil es mit der Umsetzung der europäischen Whistleblower-Richtlinie nicht vorankommt." Siehe: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mangelnder-schutz-von-whistleblow...

Und noch was Neues dazu: In einer Pressemitteilung gibt die EU-Kommission bekannt, dass sie neben Deutschland auch Tschechien, Estland, Spanien, Italien, Luxemburg, Ungarn und Polen verklagt. Die betroffenen Mitgliedstaaten haben die EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz nicht vollständig umgesetzt und die Umsetzungsmaßnahmen nicht mitgeteilt. Im Juli 2022 hatte die Europäische Kommission erstmals eine Aufforderung zur Stellungnahme an die betroffenen acht Staaten versandt. Die Antworten waren aus Sicht der Kommission nicht zufriedenstellend, so dass nun Klage vor dem Gerichtshof erhoben wurde.

Vielleicht muß der eine oder andere Politiker damit rechnen, daß etwaige Hinweise womöglich ihn selbst betreffen werden?

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Hier das Neueste aus Berlin: Am 14.3. kam Bewegung in das Vorhaben, die Koalition hat den ursprünglichen Gesetzesentwurf auf zwei Gesetzesentwürfe aufgeteilt.

Der Entwurf BT 20/5992 ist weitgehend identisch mit dem am 16.12.2022 vom Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurf. Der Anwendungsbereich wird aber verkleinert und Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richter im Landesdienst werden ausgenommen. Ziel ist es, dass dieser Gesetzesentwurf im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig ist. Diese Ausnahme soll durch den Entwurf BT 20/5991 aufgefangen werden.

Im Übrigen sind die Inhalte der Gesetzesentwürfe wohl identlisch.

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