Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Attestauflage

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 28.02.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1460 Aufrufe

Die Arbeitgeberin erbringt krankenhausnahe Dienstleistungen und beschäftigt über 1.000 Arbeitnehmer. Innerhalb von drei Jahren hat sie gegenüber insgesamt 17 Arbeitnehmern eine Attestauflage ausgesprochen und sie mit gleichlautenden Schreiben verpflichtet, bereits vom ersten Tag der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein ärztliches Zeugnis vorzulegen (§ 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG). Der Betriebsrat sieht sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verletzt und begehrt Unterlassung. Der Antrag blieb in allen drei Instanzen erfolglos:

Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, im Streitfall fehle es an einem … kollektiven Sachverhalt. Es ist nicht ersichtlich, dass die 17 „Attestauflagen“ der Arbeitgeberin auf einer bestimmten Regel beruhen oder ihrer Erteilung eine Regelhaftigkeit zugrunde liegt. … Der – als zutreffend unterstellte – Vortrag des Betriebsrats, nach dem die Arbeitgeberin die Verlangen iSv. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG gegenüber Arbeitnehmern mit „häufigen Kurzerkrankungen“ oder mit „hohen Fehlzeiten, darunter vielen Einzelfehltagen“ geäußert haben soll, lässt ebenfalls nicht auf ein regelhaftes Vorgehen schließen. Die fehlende Spezifikation der unterschiedlichen krankheitsbedingten Anlässe lässt vielmehr erkennen, dass die wenigen Fälle, in denen entschieden wurde, eine „Attestauflage“ zu erteilen, durch die Umstände des jeweiligen Einzelfalls bedingt waren. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, dass die Arbeitgeberin bei stets gleichen erfüllten Voraussetzungen – etwa einer bestimmten Anzahl von krankheitsbedingten Fehltagen – von dem Recht aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG Gebrauch gemacht hat. Soweit der Betriebsrat geltend gemacht hat, es komme gerade nicht darauf an, „ob die Anzahl der Fehlzeiten bei den betroffenen Arbeitnehmern stets gleich war“, verkennt er die Anforderungen an die Regelhaftigkeit solcher Maßnahmen. Hierfür genügt es nicht, wenn im Allgemeinen höhere Krankheits- oder Fehlzeiten unterschiedlichen Umfangs Anlass für den Arbeitgeber sein können, sein Bestimmungsrecht nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG auszuüben. Die Ausübung dieser Befugnis muss vielmehr einer generellen, für alle Arbeitnehmer – oder zumindest bestimmten Gruppen von ihnen – geltenden Regel folgen.

BAG, Beschl. vom 15.11.2022 - 1 ABR 5/22, hier beim BAG

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