LAG Niedersachsen zur Diskriminierung einer nicht-binären Person bei der Besetzung einer Stelle als einer Gleichstellungsbeauftragten

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.03.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1958 Aufrufe

Schwierige Rechtsfragen wirft der vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz statuierte Schutz vor Diskriminierungen wegen des Geschlechts auf, wenn sich sog. nicht-binäre Personen bewerben. Nichtbinäre Geschlechtsidentität ist laut Wikipedia eine Sammelbezeichnung für Geschlechtsidentitäten aus dem Transgender-Spektrum, die sich nicht ausschließlich als männlich oder weiblich identifizieren und sich als außerhalb der zweigeteilten, binären Geschlechterordnung verstehen.

In dem jetzt vom LAG Niedersachsen (Urteil vom 24.2.2023, 16 Sa 671/22, PM vom 28.2.2023) ging es um die Stelle einer Gleichstellungsbeauftragten. Ausgeschrieben hatte diese Stelle eine Hochschule, die Beklagte in diesem Verfahren. Das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) sieht für die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten eine Frau vor. Der Kläger – der sich als keinem Geschlecht zugehörig ansieht – bewarb sich hierauf und beschrieb sich in seiner Bewerbung als nicht-binäre Person. Er wurde von der Hochschule für die Stellenbesetzung nicht berücksichtigt. Die Hochschule sah sich durch § 42 NHG schon formell an der Einstellung einer nicht weiblichen Bewerberin gehindert.

Die hiergegen gerichtete Entschädigungsklage blieb auch beim LAG ohne Erfolg. Der Kläger sei zwar gegenüber weiblichen Bewerberinnen ungleich behandelt worden. Auch sei die Ablehnung der Bewerbung auch aufgrund seines Geschlechts nicht schon deshalb nach § 8 AGG zulässig, weil § 42 NHG die Besetzung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten mit einer Frau gebiete. Diese gesetzliche Beschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht des Stelleninhabers führe nicht zwingend zur Rechtfertigung einer auf sie gestützten Maßnahme. Diese sei ihrerseits nur wirksam, wenn bezüglich des geregelten Sachverhalts u.a. die Vorgaben nach § 8 AGG inhaltlich erfüllt seien. Danach ist eine unterschiedliche Behandlung u.a. wegen des Geschlechts zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Dementsprechend könne das Geschlecht nur dann iSd. § 8 Abs. 1 AGG eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung bilden, wenn die Tätigkeit ohne das Merkmal jedenfalls nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Abzustellen sei auf die konkret vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit, die sich nach dem vom Arbeitgeber festgelegten Unternehmenskonzept richte.

Dies sei vorliegend nach dem Stellen- und Aufgabenzuschnitt der Beklagten zu bejahen. Zur Erbringung eines Teils der der Gleichstellungsbeauftragten obliegenden Tätigkeiten sei das weibliche Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung. Zwar könne ein Mann grundsätzlich in gleicher Weise wie eine Frau an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen mitwirken und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie entwickeln. Nach der Stellenanzeige der Beklagten und dem beschriebenen Aufgabenbereich berate die Gleichstellungsbeauftragte jedoch auch Hochschulangehörige in allen Fragen der Gleichstellung, der Vereinbarkeit von Studium und Beruf mit Familien- und Care-Aufgaben sowie in Fällen von Diskriminierung, sexueller Belästigung etc.. Die Gleichstellungsbeauftragte diene danach insbesondere als Ansprechpartnerin bei sexuellen Belästigungen, deren Hauptbetroffene Frauen sind. Insoweit sei davon auszugehen, dass Erwartungen Dritter, die auf deren Schamgefühl beruhen, ebenso wie die Notwendigkeit einer bestimmten Geschlechtszugehörigkeit zur Authentizität der Aufgabenwahrnehmung legitim sind und ihnen kein diskriminierender Charakter innewohnt. Vor diesem Hintergrund habe die Hochschule den Bewerberkreis für das Amt der Gleichstellungsbeauftragten im Ergebnis auf Frauen beschränken können.

 

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