BGH: Zur Anwendung des Kleinbeteiligtenprivilegs nach § 39 Abs. 5 InsO bei koordinierter Kreditvergabe

von Julia MacDonald, veröffentlicht am 24.03.2023

Der BGH hat mit Urteil vom 26. Januar 2023 (IX ZR 85/21, BeckRS 2023, 4482) zur Anwendung des Kleinbeteiligtenprivilegs nach § 39 Abs. 5 InsO bei koordinierter Kreditvergabe Stellung genommen.

Drei Gesellschafterinnen einer GmbH (beteiligt mit 10 %, ca. 40 % und ca. 50 % am Stammkapital der Gesellschaft) gewährten dieser zur Finanzierung eines Projekts Gesellschafterdarlehen und stellten Bürgschaften. Im Rahmen eines Konsortialverhältnisses verpflichteten sich die Gesellschafterinnen untereinander, die Darlehen und Bürgschaften zu erbringen und aufrechtzuerhalten. Sie bildeten zu diesem Zweck eine GbR, in deren Vermögen sie eine Eigentümergrundschuld am Betriebsgrundstück der GmbH als Sicherheit für Darlehen und Bürgschaften einbrachten. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden war, verlangte der Insolvenzverwalter von den Gesellschafterinnen die Rückabtretung der Grundschuld und die Zustimmung zur Herausgabe des Grundschuldbriefs nach § 143 Abs. 1 InsO i. V. m. § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Der Senat bejaht die Voraussetzungen des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO, der die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen begründet, mit der die Gesellschaft einem Gesellschafter für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens oder für eine gleichgestellte Forderung Sicherung gewährt hat.

Im Hinblick auf die Forderung der mit 10 % an der GmbH beteiligten Gesellschafterin stehe der Anfechtung nicht das in § 39 Abs. 5 InsO geregelte Kleinbeteiligtenprivileg entgegen. Danach gilt § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (Nachrangigkeit der Forderung auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens) nicht für den nicht geschäftsführenden Gesellschafter einer darlehensnehmenden Gesellschaft, der mit 10 % oder weniger am Haftkapital beteiligt ist. Hierzu stellt der Senat zunächst klar, dass das Kleinbeteiligtenprivileg auch Beteiligungen von 10 % (und nicht nur von weniger als 10 %) erfasst. Außerdem seien bei einer koordinierten Finanzierung durch mehrere Gesellschafter deren Beteiligungen an der Gesellschaft zusammenzurechnen, sofern die Gesellschafter eine überschießende unternehmerische Verantwortung übernehmen. Eine solche Koordination komme hier in der gemeinsamen Entscheidung über die Fremdfinanzierung und der getroffenen Konsortialvereinbarung zum Ausdruck.

Die Eigentümergrundschuld ist nach Ansicht des Senats auch insoweit anfechtbar, als die Gesellschafterinnen Bürgschaften erbracht haben. Bei den hieraus erwachsenen Regressansprüchen handele es sich um Forderungen, die einer Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens i. S. d. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 InsO gleichgestellt sind.

Auch die Besicherung der Zinsen aus dem Darlehen und der Avalprovisionen aus der Bürgschaft unterliege der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO jedenfalls dann, wenn diese Nebenforderungen im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch offen seien oder erst nach diesem Zeitpunkt anfielen.

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