LAG Nürnberg: „flinke Frauenhände gesucht“ – männlicher Bewerber diskriminiert

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 24.03.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|1664 Aufrufe

Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechtes liegt vor, wenn einem männlichen Bewerber um eine Stelle abgesagt wird mit der Begründung, "unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände". So lautet der amtliche Leitsatz einer neuer Entscheidung des LAG Nürnberg (13.12.2022 - 7 Sa 168/22, BeckRS 2022, 44228). Wie sieht der Sachverhalt zu diesem Fall aus?

Der gut 40jährige Kläger bewarb sich bei der Beklagten auf die Stelle eines Bestückers für Digitaldruckmaschinen. In der Stellenausschreibung hieß es:

„Für unsere filigranen Automodelle im Maßstab 1/87 H0 suchen wir Mitarbeiter (m/w/d) für unsere Digitaldruckmaschine. Die Teile müssen in die Maschine eingelegt und entnommen werden.“ Bei den Anforderungen wurden u.a. Fingerfertigkeit und Geschick genannt. Die in der Ausschreibung genannten Teile sind sehr klein und müssen teilweise bei der Montage der Modelle mit Hilfe von Pinzetten positioniert werden.

Noch am Tag seiner Bewerbung erhielt der Kläger per E-Mail eine Absage, die wie folgt formuliert war: „Sehr geehrter Herr D…, vielen Dank für Ihre Bewerbungsunterlagen. Unsere sehr kleinen, filigranen Teile sind eher etwas für flinke Frauenhände. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Sie für diese Stelle nicht in Frage kommen. Ich wünsche Ihnen für Ihren weiteren Berufs- und Lebensweg alles Gute.“

Der Kläger sah darin eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und klagte auf eine angemessene Entschädigung (§ 15 Abs. 2 AGG). Das LAG gab ihm recht und hielt eine Entschädigung von 2.500 € für angemessen.

Zur Begründung heißt es in der Entscheidung:

„Die Beklagte macht geltend, bei der Internetrecherche über den Kläger auf Bilder gestoßen zu sein, die auch seine Hände zeigen würden. Daraus lässt sich jedoch nichts zur Fingerfertigkeit des Klägers ableiten. Zur Größe der Hände des Klägers lässt sich den zur Akte gereichten Bildern ebenfalls wenig entnehmen. Die Prokuristin der Beklagten hat dem Kläger auf Grund ihrer Lebenserfahrung, dass regelmäßig Frauen mit der kleinteiligen Arbeit bei der Beklagten eher zurechtkommen als Männer, abgesagt. Die persönliche Lebenserfahrung der Prokuristin hat damit im Ergebnis dazu geführt, dass sie ihm die Stelle absagte. Der Kläger wurde mithin im Bewerbungsverfahren wegen seines Geschlechtes benachteiligt. Die Gelegenheit, mittels Probearbeit nachzuweisen, dass er zu der kleinteiligen Arbeit bei der Beklagten willens und in der Lage ist, wurde ihm nicht gegeben, eben weil er ein Mann war. Dieses Verhalten ist unmittelbar benachteiligend nach § 3 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmales und verstößt damit gegen § 7 Abs. 1 AGG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG.“

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