OLG Hamm: 2 Jahre = fahrverbotsfeindliche Verfahrensdauer

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 28.03.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1301 Aufrufe

Vor zwei Tagen lief diese Entscheidung bereits aufgrund der nicht ausreichenden Darstellungen zur Geldbußenhöhe. Hier geht es jetzt um das Fahrverbot, dass angesichts der Verfahrendauer nicht mehr durch das AG hätte festgesetzt werden dürfen:

 

Das Urteil weist .... hinsichtlich der Anordnung des Fahrverbots den Betroffenen beschwerende Rechtsfehler auf....

... Hinsichtlich der Anordnung des Fahrverbotes hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift unter anderem ausgeführt:

 „Das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (zu vgl. BVerfGE 27, 36 [42] = NJW 1969, 1623) und kann als solche seinen Sinn verloren haben, wenn die zu ahnende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist (zu vgl. BayObLG, NZV 2004, 210; OLG Köln, NZV 2004, 422; OLG Celle, VRS 108, 118; KG, VRS 113, 69; OLG Jena, NZV 2008, 165; OLG Saarbrücken Beschl. v. 21.6.2011 - Ss (B) 125-10, BeckRS 2014, 1... H./König/Dauer, § 25 StVG Rn. 24). Dabei wird der Sinn des Fahrverbotes nach einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung erkennbaren Tendenz in Frage gestellt, wenn der zu ahnende Verkehrsverstoß mehr als zwei Jahre zurückliegt (zu vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 05.03.2013 - Ss [B] 135/2012 [6/13 OWi], BeckRS 2014, 17147; Beschl. v. 10.12.2013 - Ss [B] 92/2013 [75/13 OWi], BeckRS 2014, 17150; Beschl. v. 17.03.2014 - Ss [B] 52/2013 [54/13 OWi], BeckRS 2014, 17151). Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist (zu vgl. Bbg. OLG, Beschl. v. 19.01.2022 - 1 OLG 53 Ss-OWi 600/21; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., StVG, § 25, Rn. 24 m.w.N.).

 Vorliegend datiert der Verstoß auf den 30.07.2019. Das Urteil des AG Hattingen datiert auf den 27.07.2022 (Bl. 547 ff. d. A.). Zwischen Verstoß und letzter tatrichterlicher Entscheidung liegen damit - beinahe auf den Tag genau - drei Jahre. Das Amtsgericht hat den Umstand des erheblichen Zeitablaufs seit der Tatbegehung im angefochtenen Urteil nicht gewürdigt, obgleich es hierzu gehalten gewesen wäre. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben.

 Mittlerweile sind seit dem Verstoß sogar deutlich über drei Jahre vergangen. Die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände lagen im Wesentlichen nicht im Einflussbereich des Betroffenen. Weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr im Nachgang des in Rede stehenden Verstoßes ist nicht festgestellt worden. Es ist davon auszugehen, dass ein Fahrverbot seiner Erziehungsfunktion angesichts des langen Zurückliegens der Tat hier nicht mehr gerecht werden kann.“

 Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat aufgrund eigener Sachprüfung an. Ergänzend ist anzumerken, dass bei einem mehrmonatigen Regelfahrverbot zwar auch die Prüfung veranlasst ist, ob das Fahrverbot komplett zu entfallen hat oder lediglich zu mildern ist (OLG Hamm NZV 2006, 50 m.w.N.). Im Hinblick darauf, dass der 2-Jahres-Zeitraum nunmehr deutlich überschritten ist (ca. 3 Jahre und 5 Monate) und bis zur erneuten Urteilsfällung weitere Zeit vergehen wird, kommt eine bloße Milderung vorliegend indes nicht mehr in Betracht.

 2) Das angefochtene war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Hattingen zurückzuverweisen.

OLG Hamm Beschl. v. 17.1.2023 – III-5 RBs 331/22, BeckRS 2023, 1033 

 

 

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