BVerwG: Fürsorgepflichtverletzung erfordert bei geltend gemachtem "Mobbing" Gesamtschau von Einzelmaßnahmen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 31.03.2023
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Kann ein Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche gegen seinen Arbeitgeber geltend machen, wenn er gegen Mobbing nicht einschreitet? Grundsätzlich sind hier Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und auf deliktischer Grundlage durchaus denkbar. Eine gewisse Orientierung könnte hier ein Blick in eine gerade bekannt gemachte Entscheidung des BVerwG (Urteil vom 28. März 2023 - 2 C 6.21, PM 24/2023) bieten, die mir mit aller Vorsicht übertragbar erscheint:

Die Klägerin in diesem Verfahren stand bis zu ihrer Versetzung im Jahr 2017 als Stadtverwaltungsoberrätin (Besoldungsgruppe A 14 LBesO) im Dienst der beklagten Gemeinde; sie war seit 2007 mit der Leitung des Fachbereichs "Bürgerdienste, Recht und Ordnung" betraut. Nach seiner Wiederwahl vom Mai 2014 verfügte der Oberbürgermeister der Beklagten im Juli 2014 eine Neuorganisation des Verwaltungsaufbaus, die eine Reduzierung der Fachbereiche von vier auf drei zur Folge hatte. Die Klägerin wurde auf die neu gebildete "Stabsstelle Recht" umgesetzt. Die dortige Verwendung entsprach nach einem später ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts nicht dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung. Im Rahmen der Umsetzung wurde ihr ein Dienstzimmer im Dachgeschoss eines Seitentrakts des Rathauses zugewiesen. Aufgrund arbeitsschutzrechtlicher Bedenken gegen die ins Dachgeschoss führende "steile Treppe" wies die Beklagte den betroffenen Bediensteten im Juni 2015 andere Dienstzimmer zu. Im Dezember 2015 stellte der Personalrat der Beklagten eine Pressemitteilung auf der Homepage ein, in der der Klägerin u.a. vorgeworfen wurde, sie habe sich "über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in 'Krankheit'" geflüchtet. Die Klägerin sieht in diesen und weiteren Verhaltensweisen ein gezieltes Mobbing des Oberbürgermeisters, der ihr gegenüber auch offenbart habe, im Rahmen seines Wahlkampfes im Frühjahr 2014 das Vertrauen in ihre Person verloren zu haben.

Das BVerwG hat die Sache zurückverwiesen und zu erkennen gegeben, dass die Klage durchaus Erfolg haben kann. Die Besonderheit der als "Mobbing" bezeichneten Rechtsverletzung liege gerade darin, dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind. Diesen Maßstab habe die Vorinstanz nicht hinreichend beachtet und eine Gesamtschau der betrachteten Maßnahmen unterlassen. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht den Beweisantrag zur Aufklärung der Frage, ob dem Oberbürgermeister der Inhalt der Pressemitteilung des Personalrats vorab bekannt war, fehlerhaft abgelehnt. Zudem beruhe die Ablehnung des Beweisantrags, über die gesundheitlichen Auswirkungen der amtsunangemessenen Beschäftigung der Klägerin ein Sachverständigengutachten einzuholen, auf einem fehlerhaften Kausalitätsmaßstab.

 

 

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