Wichtige Änderungen der BtMVV – Teil 2: Erleichterungen bei der Substitutionsbehandlung

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 08.04.2023

Durch die heute in Kraft tretende Verordnung zur Änderung der BtMVV und der Tierärztegebührenordnung v. 15.3.2023 (BGBl. I Nr. 70 v. 17.3.2023) wurden des Weiteren Änderungen für die Substitutionsbehandlungen nach § 5 BtMVV vorgenommen. So wurden einige der durch die SARS-CoV2-Arzneimittelversorgungsverordnung befristet eingeführten Ausnahmeregelungen zur Weitergewährleistung der Substitutionstherapie für Opioidabhängige unter pandemischen Bedingungen (s. meinen Blog-Beitrag vom 22.4.2020) dauerhaft in die BtMVV übernommen:

a) Ausweitung der Take-Home-Verschreibung (altes Wochenendrezept)

Nach bisheriger Rechtslage war die als Ausnahmefall geregelte Take-Home-Verschreibung für den Fall, dass noch nicht von einer stabilen Substitutionsbehandlung auszugehen ist, auf einen Zeitraum von bis zu 5 Tagen beschränkt (sog. erweitertes Wochenendrezept, § 5 Abs. 8 BtMVV a.F.). § 5 Abs. 8 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 2 BtMVV n.F. ermöglicht nun unter den gleichen Voraussetzungen eine Verschreibung für bis zu sieben aufeinanderfolgenden Tagen zur eigenverantwortlichen Einnahme. Damit wird die zum 8.4.2023 auslaufende Regelung aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 der SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vom 20.4.2020 dauerhaft übernommen. Durch die Formulierung „aufeinanderfolgend“ wird klargestellt, dass eine Verschreibung über längere Zeiträume, zum Beispiel sieben Sonntage auf einem Rezept, nicht möglich ist (BR-Drs. 680/22, 16).

Neu ist insoweit, dass Ärzte nun die Möglichkeit haben, das Instrument der Take-Home-Verschreibung auch für kurze Zeiträume zu erproben und in geeigneten und notwendigen Fallgestaltungen eine weitere Verschreibung, auch innerhalb einer Kalenderwoche auszustellen, soweit dies ärztlich vertretbar und medizinisch geboten ist (BR-Drs. 680/22, 16). Die frühere Regelung, dass dem Patienten innerhalb einer Kalenderwoche nicht mehr als eine Verschreibung ausgehändigt werden darf, entfällt (§ 5 Abs. 8 S. 3 BtMVV a.F.).

b) Änderung der Regelungen zur persönlichen Konsultation

Die Take-Home-Verschreibung kann dem Patienten nun neben einer Aushändigung im Rahmen einer persönlichen Konsultation auch nach einer telemedizinischen Konsultation übermittelt werden, z.B. per Post oder unter Nutzung zukünftiger technischer Möglichkeiten (§ 5 Abs. 8 S. 8 BtMVV n.F.). Innerhalb von 30 Tagen muss aber jedenfalls eine persönliche Konsultation erfolgen (§ 5 Abs. 8 S. 9 BtMVV n.F.).

c) Ergänzung der Einrichtungen, in denen die Vergabe von Substitutionsmitteln erfolgen darf:

Zudem erfolgte eine klarstellende Aufnahme des Justizvollzuges in die Liste der substituierenden Einrichtungen, indem die enumerative Aufzählung von Einrichtungen, in denen Substitutionsmittel zum unmittelbaren Verbrauch überlassen, verabreicht oder gemäß dem in der ärzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren angewendet werden dürfen, um Justizvollzugsanstalten ergänzt wurden (§ 5 Abs. 9 S. 1 Nr. 3 d BtMVV n.F.).

d) Erweiterung des Personenkreises, denen die Vergabe von Substitutionsmitteln erlaubt ist:

Die ursprüngliche Einschränkung, dass die Vergabe von Substitutionsmitteln nur durch ärztliches, medizinisches, pharmazeutisches und pflegerisches Fachpersonal vorgenommen werden darf, erfuhr während der Corona-Pandemie zunächst durch § 6 Abs. 1 Nr. 6 SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung vom 20.4.2020 abweichend von § 5 Abs. 10 S. 1 und S. 2 BtMVV a.F. eine Ausnahme, indem auch anderes Personal eingesetzt werden konnte, soweit das zur Durchführung des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch genannte medizinische, pharmazeutische, pflegerische Personal oder das in einer staatlich anerkannten Einrichtung der Suchtkrankenhilfe von dort eingesetzte und dafür ausgebildete Personal nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung stand. Nun wurde in § 5 Abs. 9 S. 1 Nr. 3 BtMVV n.F. eine ähnliche Regelung aufgenommen, wonach in begründeten Fällen, in denen die „Abgabe“ nicht anderweitig gewährleistet werden kann, auch anderem geeigneten Personal als dem medizinischen, pharmazeutischen oder pflegerischen Fachpersonal, diese Aufgabe übertragen werden kann. Hinsichtlich der Wortwahl „Abgabe“ erscheint die Vorschrift jedoch redaktionell misslungen. Denn auch „das andere geeignete Personal“ darf Substitutionsmittel lediglich zum unmittelbaren Verbrauch überlassen, verabreichen und gemäß dem in der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorgesehenen Verfahren anwenden. Eine Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft, welche Tatbestandsmerkmal der Abgabe ist, ist gerade nicht gestattet. „Abgabe“ impliziert damit geradezu in gefährlicher Art und Weise (weil strafrechtlich relevant), dass dem Patienten Substitutionsmittel mitgegeben werden dürfen. Hier wäre die Verwendung des Begriffs „Vergabe“ (so noch die Fomulierung in der Grunddrucksache 680/22) passender. „Abgabe“ kam erst durch Empfehlung des zuständigen Ausschusses im Verordnungsgebungsverfahren ins Spiel (BR-Drs. 680/1/22).

e) BÄK-Richtlinie wurde angepasst

§ 5 Abs. 12 BtMVV a.F. bzw. § 5 Abs. 11 BtMVV n.F. ermächtigt die Bundesärztekammer (BÄK), nach dem allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft für die Substitution Opioidabhängiger zu verschiedenen Sachverhalten Feststellungen zu treffen. Davon hat die BÄK mit den im BAnz. am 6.4.2023 veröffentlichten Änderungen der Richtlinie zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opioidabhängiger bereits Gebrauch gemacht. Die BÄK-Richtlinien haben wegen ihrer normkonkretisierenden Natur rechtssystematisch den Charakter eines antizipierten Sachverständigengutachtens. Für die Substitutionsärzte dürfte dabei vor allem die Regelung zu den geänderten Vorgaben zur persönlichen Konsultation bei Take-Home-Verschreibungen von Interesse sein. Dazu heißt es in 4.1.2 der BÄK-Richtlinien:

„Im Rahmen der Take-home-Verschreibung nach § 5 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 BtMVV soll der Arzt aus medizinischer Sicht in der Regel einmal pro Woche eine persönliche oder telemedizinische Konsultation mit dem Patienten und bei Bedarf eine klinische Untersuchung sowie eine geeignete Kontrolle komorbiden Substanzgebrauchs durchführen, um den Behandlungsverlauf angemessen beurteilen und gegebenenfalls darauf reagieren zu können. Einmal die Woche soll auch eine kontrollierte Einnahme des Substitutionsmittels stattfinden. In einem Zeitraum von 30 Tagen muss mindestens eine persönliche Konsultation stattfinden.“

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