BAG: Kündigung einer Impfverweigerin

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 12.04.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrechtCorona1|1354 Aufrufe

Es verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, das Arbeitsverhältnis einer medizinischen Fachangestellten während der sechsmonatigen Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) zu kündigen, wenn diese sich weigert, sich gegen Corona impfen zu lassen.

Das hat das BAG entschieden.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG. Die beklagte Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus. Die Klägerin war seit dem 1.2.2021 als medizinische Fachangestellte eingestellt, sie wurde auf verschiedenen Stationen in der Patientenversorgung eingesetzt. Da sie nicht bereit war, sich gegen Corona (SARS-CoV-2) impfen zu lassen und entsprechende Angebote der Arbeitgeberin ablehnte, kündigte diese das Arbeitsverhältnis ordentlich mit Schreiben vom 22.7.2021. Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam. Vor dem 15.3.2022 (Novellierung des § 20a IfSG) sei sie nicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenennachweises und damit auch nicht zu einer Impfung verpflichtet gewesen.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Die Kündigung verstößt nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Wesentliches Motiv für die Kündigung war der Schutz der Patienten und der übrigen Belegschaft des Krankenhauses vor einer Infektion durch nicht geimpftes Personal. Dass § 20a IfSG erst im März 2022 in Kraft getreten ist, ist unerheblich. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigung bestehen gleichfalls nicht.

BAG, Urt. vom 30.3.2023 – 2 AZR 309/22, Pressemitteilung hier

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Die Corona-Hysterie um die bis zum 31.12.2022 geltende Impfpflicht in Pflegeberufen hat jetzt die obere Arbeitsgerichtsbarkeit erreicht. Manche besonders „woke Arbeitgeber“, die sich heute leise schämen (sollten), hatten ungeimpfte Mitarbeiter in der Pandemie ohne Entgelt nach Hause geschickt, da sie ungeimpft nicht "arbeitswillig" seien. Viele Kolleginnen und Kollegen wissen um die Ängste vieler Pflegekräfte, die sich deshalb oftmals "Impfausweise" zum Erhalt ihrer Arbeitsplätze besorgen mussten. Noch heute phantasieren Gerichte von der Gemeingefährlichkeit solcher „Impfbetrüger“. Besonders scharf sind die Staatsanwaltschaften in Baden-Württemberg, die auf "höhere Weisung" noch heute (!) regelhaft 80 Tagessätze fordern und bei vielen willfährigen Gerichten durchsetzen.Dabei ist in Baden-Württemberg kein einziges (!) Beschäftigungsverbot ausgesprochen worden.Davon hebt sich positiv die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg ab. Dieses Gericht verurteilte Arbeitgeber aktuell zu fetten Entgeltnachzahlungen, da Ungeimpfte in Praxen und Kliniken ohne formelles Beschäftigungsverbot komplett "arbeitsfähig" gewesen seien. Dank an das mutige Gericht.Wörtlich:1. § 20a IfSG unterscheidet in Bestands- und in "Neuarbeitnehmer". Für bereits vor dem 16. März 2022 beschäftigte Arbeitnehmer (Bestandsarbeitnehmer) besteht kein gesetzliches Tätigkeitsverbot.2. Die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes für solche Arbeitnehmer ist gemäß § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG dem zuständigen Gesundheitsamt als ermessensgeleitete Einzelfallentscheidung vorbehalten.3. Liegt danach kein Tätigkeitsverbot vor, ist der Arbeitgeber kraft Direktionsrechts nicht berechtigt, solche Arbeitnehmer unbezahlt von der Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen.4. Die Leistungsfähigkeit und auch Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers beziehen sich auf die nach § 294 BGB zu bewirkende Beschäftigung. Ein fehlender Nachweis gemäß § 20a Abs. 1 IfSG steht dem nicht entgegen.LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 03.02.2023, 7 Sa 67/22https://openjur.de/u/2464632.html

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