Amazon obsiegt im Zustimmungsersetzungsverfahren erstinstanzlich

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 13.04.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1340 Aufrufe

Das Arbeitsgericht Lüneburg hat auf Antrag der Arbeitgeberin (Amazon) die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden im Logistikzentrum Winsen an der Luhe ersetzt (§ 103 Abs. 2 BetrVG).

Vom 8.11. bis 10.11.2022 fand in Bonn der "Deutsche Betriebsrätetag" statt. Der Vorsitzende des Betriebsrats am Amazon-Logistikstandort Winsen/Luhe, an dem insgesamt rund 1.900 Arbeitnehmer beschäftigt sind, war hierfür mit drei weiteren Betriebsratsmitgliedern angemeldet. Reise- und Übernachtungskosten trug die Arbeitgeberin (§ 40 BetrVG). Die Anreise erfolgte am 8.11.2022 (Di.), die Rückreise am Mittag des 10.11.2022 (Do.). In seinem Arbeitszeitnachweis gab der Vorsitzende unter anderem an, er habe am 9.11. von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr sowie von 19:00 Uhr bis 22:00 Uhr Betriebsratsarbeit geleistet.

Die Arbeitgeberin wirft ihm vor, dem Betriebsrätetag lediglich am 8.11.2022 beigewohnt zu haben. An den beiden anderen Tagen sei er ausschließlich privaten Angelegenheiten nachgegangen und der Veranstaltung ferngeblieben. Er hat zugestanden, den Betriebsrätetag am Vormittag des 9.11. verlassen zu haben. Aus privaten Gründen sei er nach Düsseldorf gefahren, habe während der von ihm angegebenen Zeiten aber anderweitige Betriebsratstätigkeiten ausgeführt.

Dem Antrag der Arbeitgeberin, die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung (§ 626 BGB) zu erteilen, hat der Betriebsrat abgelehnt. Daraufhin hat die Arbeitgeberin beim ArbG Lüneburg die Zustimmungsersetzung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben.

Zur Überzeugung der Kammer liegt ein wichtiger Grund (§ 626 Abs. 1 BGB) für die beabsichtigte außerordentliche Kündigung vor:

Aufgrund der eigenen Einlassung des Betriebsratsvorsitzenden steht fest, dass dieser den Betriebsrätetag spätestens am Vormittag des 9.11.2022 eigenmächtig verlassen und bis zum Schluss nicht mehr daran teilgenommen hat. Bereits hierin liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Darüber hinaus besteht nach Überzeugung der Kammer zumindest der dringende Verdacht, dass der Betriebsratsvorsitzende in seinem Arbeitszeitnachweis für den 9.11.2022 bewusst falsche Angaben gemacht hat. Die vom Betriebsratsvorsitzenden abgegebene Begründung, anderweitige Betriebsratsarbeit geleistet zu haben, hielt die Kammer nicht für glaubhaft. Sie steht auch im Widerspruch zu Erklärungen, die der Betriebsratsvorsitzende nach der Rückkehr gegenüber anderen mitgereisten Betriebsratsmitgliedern abgegeben hatte.

Das eigenmächtige vorzeitige Verlassen des Betriebsrätetages, um privaten Interessen nachzugehen, in der Zusammenschau mit dem Verdacht einer versuchten Täuschung über stattdessen geleistete Betriebsratstätigkeit ist geeignet, das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers tiefgreifend zu erschüttern. Ein solches Verhalten rechtfertigt den Ausspruch der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung.

(aus der Pressemitteilung des Gerichts)

ArbG Lüneburg, Beschl. vom 5.4.2023 - 2 BV 6/22, vollständige Pressemitteilung hier

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