LAG Berlin-Brandenburg: Fristlose Kündigungen der an „wilden Streiks“ beteiligten Rider der Gorillas wirksam

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 03.05.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|2368 Aufrufe

Sog. „wilde Streiks“, also Streiks, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind und auch später nicht von einer Gewerkschaft übernommen werden, sind nach ganz herrschender Ansicht rechtswidrig. Es herrscht das „gewerkschaftlichen Streikmonopol“ (zur Kritik an dieser Vorstellung insbesondere mit Blick auf das internationale Recht z.B. ErfK/Linsenmaier, Art. 9 GG Rn. 105 ff. und Rheinbach, in: Frieling/Jacobs/Krois, Arbeitskampfrecht, § 4 Rn. 85 m.w.N.). Die Teilnahme an solchen wilden Streiks stellt eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptpflicht dar. Dies bestätigen drei neue Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg (Urteile vom 25.04.2023 - 16 Sa 868/22, 16 Sa 869/22 und 16 Sa 871/22, PM 12/13).

In diesen Verfahren ging es um fristlose Kündigungen, die der Lieferdienst Gorillas gegenüber mehreren bei ihm als Fahrradkurier (sog. Rider) beschäftigten Arbeitnehmern ausgesprochen hatte. Der Hintergrund ist folgender: Bei dem Lieferdienst Gorillas hatten sich Anfang Oktober 2021 eine Vielzahl von als Rider beschäftigten Arbeitnehmern zu Protesten vor einzelnen Filialen des Lieferdienstes versammelt, den Zugang zu den Filialen blockiert und Lieferfahrräder auf den Kopf gestellt. Der Lieferdienst hatte daraufhin fristlose Kündigungen ausgesprochen. Drei dieser fristlosen Kündigungen waren Gegenstand der verhandelten Verfahren.

Das LAG hat die Beteiligung an den „wilden“ Streiks als erhebliche arbeitsrechtliche Pflichtverletzungen bewertet und ist davon ausgegangen, dass die nicht gewerkschaftlich organisierte Protestaktion nicht als zulässige Ausübung des Streikrechts gemäß Art. 9 Abs. 3 S. 1 GG zu beurteilen sei, dies auch nicht unter Berücksichtigung von Teil II Artikel 6 Nr. 4 der Revidierten Europäischen Sozialcharta (RESC). In den beiden Verfahren, in denen die Beteiligung der Rider an der Protestaktion feststand, wurden die außerordentlichen Kündigungen bestätigt. In einem weiteren Verfahren konnte die aktive Beteiligung des Arbeitnehmers an der Protestaktion vom Gericht nicht festgestellt werden. In diesem Verfahren hat die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet, die ebenfalls ausgesprochene ordentliche Kündigung des erst kurz bestehenden Arbeitsverhältnisses wurde jedoch bestätigt.

Das LAG hat die Revision zum BAG in allen drei Verfahren nicht zugelassen.

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Die Begründung des BAG dazu ist 70 Jahre alt und war noch nie besonders überzeugend. Heute gibt es in vielen Bereichen gar keine Organisation und teilweise nicht mal zuständige Gewerkschaften. Unternehmen mit vielen Tausend Mitarbeiter verhandeln ihre Gehaltserhöhung mit dem Betriebsrat und machen dann anschließend eine Gesamtzusage daraus. Vor dem Hintergrund hätte man da ruhig mal die Revision zulassen können.
Mal sehen ob das LAG dazu auch inhaltlich etwas beiträgt oder es bei einem Zitat bleibt.

0

Kommentar hinzufügen