IAB-Studie: Wie Männer und Frauen sich bei der Jobsuche unterscheiden: Bewerbungsverhalten kann die Hälfte der bereinigten Verdienstlücke erklären

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 12.05.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1994 Aufrufe

"Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer. Dies wird in der Wissenschaft intensiv analysiert und in der Politik oft debattiert. Dabei findet das geschlechtsspezifische Bewerbungsverhalten bisher kaum Beachtung. Die Analyse detaillierter Betriebsdaten zeigt aber, dass sich Männer und Frauen selbst innerhalb eng definierter Berufe auf Stellen mit unterschiedlichen Eigenschaften bewerben und dass dies einen erheblichen Teil der Verdienstlücke erklärt." Dies ist die Quintessenz einer neuen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die von Benjamin Lochner und Christian Merkl erstellt worden ist.

Neueingestellte Frauen verdienen durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. Vergleicht man Frauen und Männer im gleichen Beruf mit ähnlichen individuellen Merkmalen lag der Unterschied bei rund 15 Prozent. Unter Berücksichtigung des geschlechtsspezifischen Bewerbungsverhaltens reduziert sich die bereinigte Verdienstlücke sogar um mehr als die Hälfte auf rund 7 Prozent.

Frauen bewarben sich seltener bei Betrieben mit höheren Löhnen und häufiger bei solchen mit niedrigeren Löhnen. Ihre Bewerbungsquote bei Hochlohnfirmen war um mehr als 25 Prozentpunkte niedriger als die der Männer. Bei den zehn Prozent der Betriebe mit den niedrigsten Löhnen bewarben sich im Mittel rund 55 Prozent Frauen und 45 Prozent Männer.

Flexibilitätsanforderungen, die mit einer ausgeschriebenen Stelle einhergehen, beeinflussen das Bewerbungsverhalten. Mit zunehmenden Flexibilitätsanforderungen steigt der Anteil der Bewerbungen von Männern. Im Mittel bewarben sich etwa 30 Prozent Frauen auf Stellen mit häufigen Dienstreisen und wechselnden Arbeitsorten. Dagegen lag der Anteil der Bewerbungen von Männern bei circa 70 Prozent. Auch legten Männer größere Pendeldistanzen zu Hochlohnfirmen zurück als Frauen, speziell im Vergleich zu Müttern. Mütter, die in geringerem Maße Flexibilitätsanforderungen nachkommen können, haben im Vergleich zu Männern und kinderlosen Frauen die höchsten Verdiensteinbußen.

„Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, etwa durch flexiblere Arbeitsmodelle und mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten, sowie eine gerechtere Aufteilung der Sorge-Arbeit zwischen beiden Elternteilen könnte die individuelle Flexibilität erhöhen, was sich wiederum positiv auf das Bewerbungsverhalten und die Verdienstmöglichkeiten auswirken könnte“, erklärt IAB-Forscher Benjamin Lochner.

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