DAV sieht EU-Richtlinienvorschlag zum "Recht auf Reparatur" teilweise kritisch – aber nicht kritisch genug

von Dr. Sylvia Kaufhold, veröffentlicht am 15.05.2023

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat durch seinen Zivilrechtsausschuss, dessen Mitglied ich bin, seine DAV-Stellungnahme 28/23 zum Richtlinienvorschlag der EU zur Förderung der Reparatur von Waren vorgelegt. Dieses Projekt wird auch unter der dem Schlagwort „Recht auf Reparatur“ diskutiert, obwohl es ein solches Recht neben dem Recht auf Nachlieferung bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache im europäischen Recht längst gibt. Im deutschen Recht ist es in § 439 Abs. 1 BGB umgesetzt. Hieran wird sich auch durch die neue Richtlinie nichts Wesentliches ändern, wobei Einzelheiten unklar sind, wie der DAV zu Recht moniert.

Weiter sollen, flankierend zu den Vorschlägen für eine Ökodesign-Verordnung und einer Richtlinie „hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“, ein für Reparaturbetriebe zwingendes „Europäisches Formular für Reparaturinformationen“ und eine „Online-Plattform für Reparaturen und überholte Waren“ eingeführt werden. Schließlich sollen Hersteller verpflichtet werden, mangelhafte Produkte auch außerhalb der Gewährleistungsfrist und unabhängig von einer Herstellergarantie (ggf. kostenpflichtig) zu reparieren und den Markt hierüber zu informieren (Reparaturverpflichtung).

Während der DAV das Reparaturformular als zu bürokratisch und im Ergebnis unverhältnismäßig kritisiert, begrüßt er letztlich die Reparaturverpflichtung der Hersteller und die Online-Plattform für Reparaturen. In meinen Textbeiträgen für die Stellungnahme, die leider nur zum Teil in die Endfassung übernommen wurden, sah ich auch diese Punkte wesentlich kritischer. Es steht aus meiner Sicht zu befürchten, dass diese Initiative, wie auch bereits die Ablösung der bewährten Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch die Richtlinien über den Warenkauf und digitale Inhalte (hierzu DAV-Stellungnahme 18/1), ihre eigentlichen Ziele verfehlt und statt dessen noch mehr ineffiziente Regulierung schafft. Die überbordende Bürokratie verdrängt und bedroht gerade im europäischen Vertragsrecht (aber nicht nur hier) zunehmend tragende Prinzipien der europäischen Zivilrechtsordnungen, nämlich die Vertragsfreiheit und die Rechtssicherheit – und zwar nicht nur zulasten der Wirtschaft, sondern auch des Bürgers und letztlich der EU und unserer freiheitlichen Grundordnung.

Zur Begründung meiner Kritik kopiere ich nachfolgend gewissermaßen als Sondervotum diejenigen Passagen in Änderungskennung (kursiv und fett) ein, die letztlich nicht in die Stellungnahme des DAV aufgenommen wurden. Über konstruktives Feedback in den Kommentaren freue ich mich.

***

"Der DAV unterstützt die Ziele des vorgelegten Entwurfs, einen nachhaltigen Verbrauch und die Reparatur von Waren zu fördern, in vollem Umfange. Im Hinblick auf die von der Richtlinie gewählten Mittel zur Erreichung dieser Ziele hegt der DAV jedoch Zweifel insbesondere an deren Verhältnismäßigkeit und Klarheit. Der DAV hat den wichtigen Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit bei der Ausgestaltung des Kaufrechts bereits in seiner Stellungnahme 01/2018 zum Richtlinienvorschlag zur Änderung vertragsrechtlicher Aspekte des Warenhandels hervorgehoben, der auch den Verbraucher stärker in die Pflicht nehmen sollte."

Zum Europäischen Reparaturformular:

"Insbesondere im Hinblick darauf, dass die Reparatur von Waren umfassend aus Nachhaltigkeitsgründen gefordert werden soll, bezweifelt der DAV, ob die Einführung eines Europäischen Formulars für Reparaturinformationen auf dauerhaftem Datenträger insoweit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig i.e.S. ist. Verbraucher können die Vergleichbarkeit von Reparaturangeboten auch ohne ein entsprechendes Formular herbeiführen. Es finden sich im Übrigen bereits jetzt im Markt zahlreiche digitale Vergleichsportale für die unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen. Die bürokratischen Aufwendungen für die Vorhaltung und das individuelle Ausfüllen eines entsprechenden Formulars können dagegen gerade für kleinere Reparaturbetriebe eine Hürde oder auch Marktzugangsschwelle sein, was im Hinblick auf die Zielerreichung bedacht sein will. Dass sich die Vorlagepflicht hauptsächlich an Hersteller richtet, die gemäß Art. 5 des Vorschlags zur Reparatur verpflichtet sind, ändert hieran nichts; denn andere Reparaturbetriebe sind von der Vorlagepflicht nur ausgenommen, „wenn sie nicht beabsichtigen, die Reparaturleistung zu erbringen“, was den Verlust des entsprechenden Umsatzes zur Folge hat. Sie müssen also Kunden wegschicken, die das Formular nachfragen und dürfen ihnen stattdessen kein formloses Angebot unterbreiten. Nach unserer Auffassung läuft das auf eine unverhältnismäßige Formpflicht selbst für wirtschaftlich völlig unbedeutende Verträge hinaus."

"Es steht zu erwarten, dass jedenfalls Adressaten, die nicht zur Reparatur verpflichtet sind, in unklaren Situationen Reparaturen eher ablehnen, wenn eine Verpflichtung zur Nennung eines Höchstpreises besteht, der 30 Kalendertage verbindlich bleibt (Art. 4 Abs. 5). Dies würde in der Praxis wiederum eher kleinere und mittlere Reparaturbetriebe treffen, deren (nicht selten bescheidenes) Geschäftsmodell oftmals von vornherein mehr auf Nachhaltigkeit und aufwändige Handarbeit ausgelegt ist als das der großen Hersteller."

Zur Informationspflicht des Herstellers und Online-Plattform:

"Die reparaturpflichtbezogene Informationspflicht der Hersteller nach Art 6 ist als solche aus unserer Sicht nicht zu beanstanden.

Dies gilt gleichermaßen für Maßgaben zur Herstellung von Transparenz über Online-Plattformen. Jedoch hält der Markt bereits zahlreiche Angebote und Suchmaschinen zur Vermittlung von Reparaturbetrieben vor, so dass die Erforderlichkeit einer (staatlich betriebenen?) Online-Plattform und somit das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Regelung auch hier in Frage steht."

Zur Reparaturpflicht des Herstellers:

"Die Regelung zur Reparaturpflicht der Hersteller für die in Anhang II aufgelisteten Waren erscheint zwar im Hinblick auf die Schaffung eines möglichst umfassenden und hochwertigen Reparaturangebotes begrüßenswert. Sie begründet aber einen nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit und der Verhältnismäßigkeit bedenklichen Kontrahierungszwang insbesondere für Unternehmer, deren Betrieb zwar auf die massenweise Herstellung von Konsumgütern, nicht aber auf ihre Reparatur ausgerichtet ist. Wir regen zudem an, im Wortlaut klarzustellen, ob in Art. 5 Abs. (1) Satz 2 eine technische und/oder eine wirtschaftliche Unmöglichkeit gemeint ist. Im letzteren Fall ließe sich für Hersteller eher leicht darlegen, dass eine Reparatur unmöglich ist, um ihrer Verpflichtung zu auszuweichen. Geklärt werden sollte in diesem Zusammenhang auch die Frage der Darlegungs- und Beweislast. Schließlich ist das Verhältnis zu den Mängelansprüchen des Käufers gegenüber dem Verkäufer aus der Richtlinie über den Warenkauf (EU 2019/771) unklar, die ja im Wesentlichen unverändert bleiben soll (s. Art. 12). Insbesondere geht aus dem Wortlaut von Art. 5 nicht hervor, dass die Reparaturverpflichtung des Herstellers nur außerhalb der Gewährleistung des Verkäufers greifen soll, was die Erläuterungen und Erwägungsgründe nahelegen. Dies kann zu widersprüchlichen und wenig nachhaltigen Ergebnissen führen (etwa einer Reparatur durch den Hersteller und zusätzlicher Ersatzlieferung durch den Verkäufer)."

Zur Änderung der Warenkaufrichtline (Vorrang der Reparatur gegenüber der Nachlieferung):

"Nur dieser Erwägung ist bisher eindeutig zu entnehmen, dass die Rechte des Verbrauchers, Ersatzlieferung zu verlangen, mit dem Richtlinienvorschlag zugunsten der Reparatur eingeschränkt werden sollen. Der DAV begrüßt im Hinblick auf die Zielerreichung diese Einschränkung, ist jedoch der Auffassung, dass dies in Art. 12 selbst deutlich formuliert werden müsste, zumal die Vertragsparteien weiterhin nicht daran gehindert sind, sich auf eine Ersatzlieferung anstelle der Reparatur zu verständigen."

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen