Die Thesaurierungsbegünstigung des § 34a EStG ist renoviert - jetzt geht es an die Detailfragen (FG Köln v. 16.11.2023 - 1 K 856/18)

von StB Dr. Martin Weiss, veröffentlicht am 18.07.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|2783 Aufrufe

Totgesagte leben länger“ – gilt das auch im Steuerrecht? Nachdem § 34a EStG („Thesaurierungsbegünstigung“) seit seiner Einführung zum Veranlagungszeitraum 2008 regelmäßig mit Klagen über Unzulänglichkeiten überhäuft wurde (Katalog etwa bei Brandis/Heuermann/Ratschow EStG § 34a Rn. 5), hat sich der Gesetzgeber zu einer entscheidenden Verbesserung der Regelung im „Wachstumschancengesetz“ (v. 27.3.2024, BGBl. 2024 I Nr. 108) durchgerungen (Bergan/Lätsch, DStR 2024, 705, 710). Insbesondere wird in der neuen Fassung, die nach § 52 Abs. 34 Satz 3 EStG „erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden“ ist, der „nicht entnommene Gewinn“ des Betriebs oder Mitunternehmeranteils als „vermehrt um die Gewerbesteuer des Wirtschaftsjahres“ definiert (§ 34a Abs. 2 Satz 1 EStG), so dass sich das begünstigungsfähige Substrat erhöht. Bislang war die Gewerbesteuer als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 5b EStG) in den Einkünften, nach der Definition des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG aber nicht im begünstigungsfähigen Gewinn enthalten (Haase, ZPG 2024, 177, 178).  

Zudem wird der zentrale Kritikpunkt an § 34a EStG angegangen: Nach § 34a Abs. 2 Satz 2 f. EStG sind Entnahmen für die Zahlung der Einkommensteuer nach § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG und des darauf entfallenden Solidaritätszuschlags außer Ansatz zu lassen. Entnahmen gelten vorrangig bis zur Höhe der Einkommensteuer im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 EStG und des darauf entfallenden Solidaritätszuschlags als zur Zahlung dieser Beträge verwendet. Geblieben ist indes die betriebs- und mitunternehmerbezogene Betrachtungsweise der Regelung, die gerade jedem einzelnen Unternehmer bzw. einzelnen (nach § 34a Abs. 1 Satz 4 EStG qualifizierten) Mitunternehmer in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum die Möglichkeit bietet, die Begünstigung für den einzelnen Betrieb in Anspruch zu nehmen - oder auch nicht.

Insoweit unterscheidet sich das Regime des § 34a EStG gerade von der „schwerfälligeren“ Lösung des § 1a KStG, den der Gesetzgeber simultan verbessert hat (Bergan/Lätsch, DStR 2024, 705, 719). Geblieben ist dort jedoch das Grundproblem: Der Antrag nach § 1a Abs. 1 KStG ist einheitlich für die gesamte Personenhandelsgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft oder eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu stellen. Einzelne Gesellschafter können sich, wenn sie einmal im Sinne des § 217 UmwG zugestimmt haben (§ 1a Abs. 1 Satz 1 2. HS KStG), den Folgen nicht mehr entziehen, auch wenn sie in einzelnen Veranlagungszeiträumen nicht von den Wirkungen der Option profitieren. Auch ein kurzfristiges „Hin und Her“ zwischen „Option“ und „Rückoption“ ist aufgrund der impliziten Bindung durch die Sperrfristen des § 22 UmwStG nicht zu empfehlen (BMF v. 10.11.2021, BeckVerw 563450, Rz. 98; Brühl/Weiss, DStR 2021, 945, 950).

§ 34a EStG ist damit deutlich flexibler als § 1a KStG – und durch die Neufassung im Wachstumschancengesetz stark verbessert. Umso wichtiger, dass die Rechtsprechung die zahlreichen Probleme der Regelung abarbeitet. Aufgrund der Betriebsbezogenheit des § 34a EStG stellt sich u.a. die Frage, wie mit Umwandlungen im weitesten Sinne umzugehen ist. Im einfachsten Fall überführt ein Unternehmer ein einzelnes Wirtschaftsgut zwischen seinen Betriebsvermögen, was zu einer Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) und Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 1. HS EStG) führt. Abweichend von den üblichen Bewertungsvorschriften sind diese nach § 6 Abs. 5 Satz 1 1. HS EStG bei sichergestellter Besteuerung der stillen Reserven zwingend zum Buchwert zu bewerten (BMF v. 8.12.2011, BeckVerw 255810, Rz. 1).

Wie soll hier mit einem bestehenden nachversteuerungspflichtigen Betrag des abgebenden Betriebs umgegangen werden? Das Gesetz fordert unter den Bedingungen des § 34a Abs. 4 EStG auch in diesem Fall eine Nachversteuerung (§ 34a Abs. 5 Satz 1 EStG; BMF v. 11.8.2008, BeckVerw 125799, Rz. 32 ff.). Auf einen Antrag des Steuerpflichtigen hin kann diese allerdings unterdrückt werden, indem der nachversteuerungspflichtige Betrag in Höhe des Buchwerts des überführten Wirtschaftsguts, höchstens jedoch in Höhe des Nachversteuerungsbetrags, den die Überführung des Wirtschaftsguts ausgelöst hätte, auf den anderen (übernehmenden) Betrieb übertragen wird (§ 34a Abs. 5 Satz 2 EStG). Die Sperrfristregelung des § 6 Abs. 5 Satz 4, 6 EStG, die hier den „Spaß“ rückwirkend verderben kann (BMF v. 11.8.2008, BeckVerw 125799, Rz. 32, 3. Absatz), ist bei Überführungen unbeachtlich.

Da § 6 Abs. 5 EStG auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens anwendbar ist (BMF v. 8.12.2011, BeckVerw 255810, Rz. 3; zur Anwendung auf das Wirtschaftsgut „Strom“ BMF v. 17.7.2023, BeckVerw 626185, Rz. 27), sollte dies auch für dessen „Rezeption“ in § 34a Abs. 5 EStG gelten. Die Finanzverwaltung ist insoweit jedoch bezüglich des einen Wirtschaftsguts „liquide Mittel“ („Geldbeträge“) anderer Auffassung (BMF v. 11.8.2008, BeckVerw 125799, Rz. 32, 2. Absatz): Gerade diese seien aus der Regelung ausgenommen.

Dem hat das FG Köln mit Urteil vom 16.11.2023 (1 K 856/18, BeckRS 2023, 40441) nun widersprochen: Mit der herrschenden Meinung in der Literatur (Schmidt/Wacker EStG § 34a Rn. 67 mwN; BeckOK EStG/Lammers EStG § 34a Rn. 129) sei davon auszugehen, dass „die Auffassung des BMF mit dem Wortlaut des § 34a Abs. 5 EStG nicht in Einklang zu bringen“ ist (Rz. 45). Zwar sei bei Geldbeträgen der Buchwert gleich dem Teilwert – daraus folge aber nicht, dass man die Anwendung des § 6 Abs. 5 EStG als besondere steuerbilanzielle Bewertungsregel verneinen könne. Auch der Sinn und Zweck der Regelung des Absatzes 5 in § 34a EStG, die zukünftige Nachversteuerung nach § 34a Abs. 4 EStG sicherzustellen (R 2 Abs. 2 Zeile 3 EStR), werde durch eine Anwendung auf Geldbeträge nicht beeinträchtigt.

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