Gewinnkorrektur nach § 1 AStG bedingt europarechtskonform

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 19.06.2018

Die in Deutschland ansässige Hornbach-Baumarkt AG hatte für zwei niederländischen Tochtergesellschaften unentgeltlich Garantie- und Patronatserklärungen gegenüber Kreditinstituten abgegeben.  Angesichts nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbeträge hätten Kreditinstitute ohne diese Sicherheiten keine Kredite mehr gewährt.

Das Finanzamt Landau sah darin den Tatbestand des § 1 Abs. 1 und 4 AStG erfüllt. Ein fremder Dritter hätte unter gleichen oder ähnlichen Umständen eine Haftungsvergütung vereinbart. Die Finanzbehörde erhöhte daraufhin die Einkünfte der Muttergesellschaft.

Das Finanzgericht folgte der Rechtsauffassung des Finanzamts und sah die  tatbestandlichen Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 3. Alt. AStG für eine Einkünftekorrektur erfüllt. Die Richter hatten aber Zweifel, ob diese nicht einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit darstellte. Es legte die Rechtsnorm dem EuGH zur Auslegung unter Berücksichtigung von Art. 49 AEUV (damals: Art. 43 EG) in Verbindung mit Art. 54 AEUV (damals Art. 48 EG) vor.

Die Luxemburger Richter teilten diese Bedenken EuGH (Urteil v. 31.05.2018 - C-382/16, Hornbach-Baumarkt AG/Finanzamt Landau): im Grundsatz sei die Hinzurechnungsbesteuerung nach § 1 AStG konform mit dem Unionsrecht. Nationale Gerichte müssten jedoch im Einzelfall prüfen, ob es außersteuerliche Gründe für eine bestimmte Gestaltung gäbe. Im vorliegenden Fall lägen jedoch Gründe für die Abgabe von Patronatserklärungen ohne konkrete Gegenleistung vor.  Da die Fortführung oder Ausweitung des Geschäftsbetriebs dieser ausländischen Gesellschaften mangels ausreichendem Eigenkapital von einer Zuführung von Kapital abhing, ließe sich die unentgeltliche Abgabe von Garantie- und Patronatserklärungen durch das wirtschaftliche Eigeninteresse der Hornbach-Baumarkt AG am geschäftlichen Erfolg der ausländischen Konzerngesellschaften erklären. Zwar wäre eine Haftungsvergütung fremdüblich gewesen. Im vorliegenden Fall lag es im eigenen Interesse der Muttergesellschaft, die Töchter mit Liqudität ausgestattet zu sehen, um zu einem späteren Zeitpunkt an Gewinnausschüttungen zu partizipieren. Außerdem sahen die Luxemburger Richter eine gewisse Verantwortung der Mutter als Gesellschafterin bei der Finanzierung dieser Gesellschaften.

Die EuGH-Entscheidung ist ökonomisch vernünftig: im Grundsatz macht die Regelung des § 1 AStG Sinn, um eine ungerechtfertigte Verringerung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Inland (base erosion) zu verhindern. Aber im konkreten Einzelfall kann es Sinn machen, eine nicht-fremdübliche Gestaltung zu wählen. So sehr dies den ökonomischen Sachverstand bei der Rechtsanwendung fordert, ein ökonomisch sinnvolle Lösung muss immer Beachtung bei der Besteuerung finden.

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Die Antwort des BFH ließ nicht lange auf sich warten (Urteil des BFH vom 27. Februar 2019, I R 73/16, Rn. 30ff.). Danach verlängert die Beachtung der EuGH-Rechtsprechung in diesem Punkt zwar die Prüfung im Einzelfall, führt aber in nur wenigen Fällen dazu, dass § 1 AStG nicht anwendbar ist. Vermutlich will der BFH bei der Anwendung des EuGH-Urteils sogar strenger sein als die Verwaltung (BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2018, IV B 5-S 1341/11/10004-09, 2018/0985275).

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