BGH kippt Freispruch im Fall Ouri Jallow in Dessau nach dessen Tod im Polizeigewahrsam

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 08.01.2010
Rechtsgebiete: StrafrechtMaterielles StrafrechtStrafverfahrensrecht393|112172 Aufrufe

Die Entscheidung, auf die Herr Kollege Müller in seinem Blogbeitrag schon kurz hinwies, will ich nochmals aufgreifen, weil der erstinstanzliche Freispruch mangels Beweises ein großes, teils sehr negatives Medienecho fand und auch heute die Medien von der Entscheidung des BGH "voll" sind: Der Prozess um den Tod des Asylbewerbers  Ouri Jallow am 7. Januar 2005 im Polizeigewahrsam in Dessau muss neu aufgerollt werden. Der BGH hat gestern den Freispruch des Dienstgruppenleiters durch das LG Dessau-Roßlau vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge wegen zahlreicher Lücken aufgehoben (Mitteilung der Pressestelle des BGH; die Urteilsgründe liegen noch nicht vor).

Der aus Sierra Leone stammende 23-jährige Ouri Jallow verstarb bei einem Brand in seiner Gewahrsamszelle in Dessau. Er war festgenommen worden, weil sich zwei Frauen von dem alkoholisierten Mann belästigt gefühlt hatten. Weil er sich den Beamten widersetzte, wurde er an die Matratze seiner Gewahrsamszelle gefesselt, die später in Flammen aufging.

Der BGH hat die Sache nicht - wie zumeist - an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen, sondern von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, an ein anderes Landgericht zurückzuverwiesen, nämlich an das Landgericht Magdeburg. Dort muss sie jetzt neu verhandelt werden.  

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393 Kommentare

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Der Artikel in der heutigen FAZ auf S. 3 von Robert von Lucius "Schweigekartell der Polizei und rassistische Repression" mit dem Untertitel "Nach dem Tod des Afrikaners Oury Jalloh hat sich in Dessau vieles geändert - aber leider nicht genug" passt sowohl zu dem gestrigen Blogeintrag Herrn Kollegen Müller sowie zur Revisionsentscheidung des BGH; denn am Ende des Artikels liest man:

"Dass die Polizei in Dessau-Roßlau indes nicht allzu viel gelernt hat, zeigt der Umgang mit Mouctar Bah. Der Guineer hatte einen Telefonladen eröffnet, der rasch Anlaufpunkt für Afrikaner wurde, die dort alles, von Jamswurzeln bis zu afrikanischem Haargel, fanden. Auch Jalloh war des Öfteren dort. Nach seinem Tod spürte Bah die Familie auf und informierte sie. Er trug dazu bei, dass der Übergriff bekannt wurde, drang auf eine zweite Obduktion, und ermöglichte, dass die Eltern als Nebenkläger zugelassen wurden. So galt er Behörden und Polizisten als Störenfried. Das Ordnungsamt entzog ihm Ende 2005 die gewährte Lizenz für den Telefonladen - trotz lobender Worte der Handelskammer und des Finanzamtes. Dabei berief das Ordnungsamt sich auf zwei Zusammenstöße mit einem Nachbarn - Aussagen von Zeugen aber belegen, dass dieser Bah beleidigt und angegriffen habe. Bah wurde zum Angestellten eines Deutschen in seinem eigenen Laden, gab aber nicht auf. Die Polizei aber auch nicht. Am 13. Dezember vorigen Jahres erhielt Mouctar Bah die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte für seine Zivilcourage. Vier Tage später, just als Bah und andere Mitglieder der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh` sich auf den Weg zu einem Termin beim Bundesgerichtshof nach Karlsruhe machen wollten, kamen mehrere Polizisten ohne richterlichen Beschluss oder ein abschließendes Protokoll in den Telefonladen, durchsuchten ihn mehr als vier Stunden lang und befragten Anwesende. Der Einsatzleiter war während der gesamten Aktion für Bah `unerreichbar`."

Eines Kommentars bedarf das nicht. Die Fakten sprechen für sich!

Sehr geehrter Herr von Heintschel-Heinegg,

vermutlich soll es "Telefonladen" heißen (und nicht "Telefonanlagen" - die Tücke der Spracherkennung)

Zum Thema: über den offensichtlichen Rassismus nicht nur der Bürger, sondern auch der Polizei Dessaus bin ich entsetzt. Das scheint mir doch eher ein Problem der östlichen Bundesländer zu sein; im Westen habe ich solche extreme Schikanen der Polizei gegenüber Ausländern noch nicht erlebt.

Neben dem abscheulichen Rassismus zeigt sich aber ein anderes Phänomen, welches in ganz Deutschland vorkommt: wenn der Staat sich erst mal auf einen Bürger eingeschossen hat und ihn als Querulant eingeordnet hat, dann ist es sehr für ihn sehr schwer, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. "Bah gab nicht auf, die Polizei aber auch nicht" - das erinnert doch mehr an eine staatliche Treibjagd. Polizei, Ordnungsamt, Staatsanwaltschaft sind da ein übermächtiger Gegner. Warum fällt es Ordnungsamt, Polizei und Behörden so schwer, sich von einmal gefassten Vorurteilen zu lösen - ein ausländischer Bürger ist nicht deshalb Störenfried, weil er von seinen Rechten Gebrauch macht und anderen zur Nebenklage verhilft.

Wer mag bei solchen Vorkommnissen noch an Gerechtigkeit und das Gute im Menschen glauben!

Sehr geehrte Frau Ertan,

Sie haben recht: die Tücken der Spracherkennung. Jetzt müsste der Text aber hoffentlich stimmen.

Aber auch sonst stimme ich Ihnen vollinhaltlich zu. Der Fall und die Umstände darum bewegen all die, die so etwas nicht hinnehmen wollen. Immerhin hilft der Blog, auf Misstände aufmerksam zu machen und diese zu diskutieren, damit hoffentlich bei dem einen oder anderen Verantwortlichen, an welcher Stelle auch immer, ein Umdenken einsetzt.

Die "Gerechtigkeit" fällt uns leider nicht in den Schoß. Mouctar Bah hat uns in vorbildlicher Weise gezeigt, welcher Anstrengungen es bedarf und welchen Widerständen man ausgesetzt ist, will man der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen.

Beste Grüsse
Bernd von Heintschel-Heinegg

PS Zum Thema passt sehr gut der Blick auf http://de.wikipedia.org/wiki/Carl-von-Ossietzky-Medaille

Bemerkenswerte Logik des LOStA. Ein dritter Todesfall um zwei vorherige zu "vertuschen" (die ja wohl nicht unbekannt geblieben waren?). Und Ermittlungen zu den Verletzungen hätte man mit dem Brand verhindert, Ermittlungen zur fahrlässigen Tötung bzw. Totschlag durch Unterlassen aber (wie sich gezeigt hat) nicht. 

Bei dem Bohei und den Ermittlungen, den ein Brand zwangsläufig verursacht, allein schon wegen der Rauch-und Brandmelder und der Selbstgefährdung der Brandstifter,  bei der Ungewissheit, ob prämortale Körperverletzungsspuren bei einem Brand sicher beseitigt werden, wäre es doch allemal einfacher gewesen, einen lagebedingten Erstickungstod oder Tod durch weiche Bedeckung herbeizuführen, wenn man denn wirklich hätte töten wollen.

Klar gibt es nichts was es nicht gibt,aber diese Motivanalyse des LOStA halte ich für recht weit hergeholt.

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Zwei Jahre später ist der aktuelle Sachstand folgender: Im Klageerzwingungsverfahren im Fall Oury Jalloh pochen die Angehörigen darauf, dass vor einer Entscheidung des OLG Naumburg eine mündliche Verhandlung stattzufinden hat. Dieses Verfahren bietet allerdings im Ergebnis nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn das OLG Naumburg den Angehörigen Gelegenheit geben wird, ihre Antragsschrift zu ergänzen, da diese voraussichtlich lückenhaft sein wird. Hierbei ergibt sich das Gebot der mündlichen Verhandlung aus Art. 6 Abs. 1 EMRK, das Gebot richterlicher Hinweise aus § 86 Abs. 3 VwGO.[71] 

Der Fall Oury Jalloh ist dabei nur einer von mehreren ähnlich strukturierten Fällen:

https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

Würde das KlEV bzw. das EEV die Mindestanforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren erfüllen (Mündliche Verhandlung, Richterliche Hinweise), würde es den Verletzten ermöglicht werden, ihre (prozessualen) Rechte in einer effektiven Weise selbst in die Hand nehmen zu können. Übrigens sitzt das OLG Naumburg im Fall Oury Jalloh seit Anfang des Jahres vollkommen untätig auf den Akten, ohne dass in dieser Zeit irgend ein Fortschritt zu verzeichnen wäre. Schauen Sie, was ich zum Fall Oury Jalloh geschrieben habe:

https://initiativeouryjalloh.wordpress.com/kontakt/

Der bundesdeutsche Rechtsstaat stellt im Fall Oury Jalloh sehr überzeugend unter Beweis, dass er, wenn es ihm politisch opportun erscheint, in der Lage ist, sehr angestrengt wegzuschauen. Was soll denn noch passieren? Zwei Polizeibeamte stehen im Verdacht, auf ihrer Polizeidienststelle einen Schwarzafrikaner ermordet zu haben. Der Sachverhalt wird vertuscht, die Ermittlungen werden verschleppt, das Oberlandesgericht Naumburg weigert sich, eine Entscheidung zu treffen. Die Medien berichten erst wieder, wenn die Justiz irgendeine Handlung vornimmt - was nicht geschieht. So gerät auch dieser Justizskandal in Vergessenheit. Das Oberlandesgericht Naumburg hätte schon längst, d.h. bereits im Januar 2019, die einfachsten, nächstliegenden prozessualen Maßnahmen ergreifen müssen, die da lauten:

1) Beiladung der beiden des Mordes beschuldigten Polizeibeamten gem. § 65 VwGO

2) Dem Untersuchungsgrundsatz gem. § 86 I VwGO folgend die Beiziehung der Akten sowie vor allem

3) Anberaumung eines Termins zur Mündlichen Verhandlung, wie es Art. 6 I 1 EMRK als Grundsatz eines jeden fairen Verfahrens als selbstverständlich anordnet und § 101 I VwGO in einfaches Recht umsetzt.

Wie in jedem anderen Prozess auch, hat auch im Fall Oury Jalloh gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Verbindung mit § 101 Abs. 1 VwGO eine Mündliche Verhandlung stattzufinden. Die Vorwürfe gegen die beiden des Mordes beschuldigten Polizeibeamten lassen sich so schnell, effektiv und transparent klären. 

Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Verbindung mit § 101 Abs. 1 VwGO

Die VwGO, das Verwaltungsrecht und Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK haben im Klageerzwingungsverfahren nach einhelliger Meinung nichts zu suchen, vgl.:

"Für solche Verstöße sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Dies gilt insbesondere für die im Einzelnen begründete Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach die für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltende Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO auf das strafprozessuale Klageerzwingungsverfahren weder unmittelbar noch analog anzuwenden ist... Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG)" (VerfGH München, Entscheidung v. 22.09.2015 - Vf. 107-VI/14).

"Einen Untätigkeitsantrag oder eine Untätigkeitsklage sieht das Gesetz im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nicht vor. Die VwGO ist nicht anwendbar" (OLG München, Beschluss v. 05.10.2017 - 2 Ws 1235/17 KL, 2 Ws 1238/17 KL). Vgl. neuerdings auch: OLG München, B. v. 15.2.2019 - 2 Ws 100/19 KL und B. v. 13.5.2019 - 4 Ws 41/19 KL.

Die Vorwürfe gegen die beiden des Mordes beschuldigten Polizeibeamten lassen sich so schnell, effektiv und transparent klären

Die Vorwürfe werden im Strafverfahren geklärt und nicht in einem Klageerzwingungsverfahren.

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Die VwGO hat doch auch mehrere Instanzen und auch noch eine Wiederaufnahme vorgesehen, wenn danach dann auch noch ein Strafververfahren mit wieder weiteren Instanzen und einer Wiederaufnahme erfolgt, dann mag das vielleicht manchen Juristen gefallen, aber normalen Staatsbürgern eher weniger, die auch noch darauf warten, daß auch andere Verfahren von der Justiz noch einmal behandelt werden, bevor Verjährungen und biologische Lösungen eintreten.

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Im Klageerzwingungsverfahren gibt es genau eine Instanz, nämlich die vor dem OLG, § 172 IV StPO. Das Klageerzwingungsverfahren behandelt das Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger, in diesem Fall also das Rechtsverhältnis zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Verletzten. Der "Angeklagte" bleibt hierbei außen vor. Erst nachdem das Klageerzwingungsverfahren erfolgreich abgeschlossen ist, das heißt, erst nachdem das OLG die Staatsanwaltschaft verpflichtet hat, Anklage zu erheben, beginnt der Strafprozess, so, wie Sie ihn kennen. 

Die Vorwürfe gegen die beiden des Mordes beschuldigten Polizeibeamten lassen sich so schnell, effektiv und transparent klären

Im Klageerzwingungsverfahren gibt es genau eine Instanz, nämlich die vor dem OLG, § 172 IV StPO.

a) Vor dem Strafverfahren in dieser einen Instanz beim OLG lassen sich die Vorwürfe des Mordes gegen die beschuldigten Polizeibeamten schnell, effektiv und transparent klären?

Damit machen Sie das OLG zu einem Tatgericht.

b) Wenn das OLG die Verpflichtung der StA ablehnt, dann ist also der Fall für Sie endgültig erledigt.

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Was doch m.E. bedeuten würde, das OLG steht damit einzigartig da im Strafprozeßrecht.
 

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Das OLG wäre damit ein Supergerichtshof geworden, Herr Würdinger, überfordern Sie da nicht ein Gericht, das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein?

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Das OLG ist nicht ein "Supergerichtshof", sondern das OLG klärt im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens - genau eine Instanz lang -  ob eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit vorliegt. Wenn das der Fall ist, verpflichtet das OLG die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung.

Erinnert mich alles an vordemokratische Verfahren in aller Konsequenz  mit einem bereits vorgeschalteten OLG mit mündlicher Verhandlung vor einem Strafverfahren vor einem LG mit ebenfalls mündlicher Verhandlung.

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Das Verfahren ist das exakte Gegenteil von "vordemokratisch". Im Gegenteil wird nur dadurch erreicht, dass der Bürger der Justiz auf die Finger schauen kann, was sie tut. Genau das ist der ursprüngliche Sinn und Zweck einer öffentlichen Gerichtsverhandlung seit den Zeiten der Französischen Revolution. 

Genauer gesagt: Im Klageerzwingungsverfahren wird geklärt, ob eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit vorliegt. Kommt das OLG am Ende des Klageerzwingungsverfahrens zu dem Ergebnis, dass eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit vorliegt, verpflichtet das OLG die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung. Auf einem anderen Blatt steht selbstverständlich, ob Jahre später - nach Durchführung des kompletten Strafverfahrens - eine (rechtskräftige) Verurteilung der beiden Polizeibeamten wegen Mordes erfolgt. 

Der Zweifelssatz wird de facto dadurch ausgehebelt.

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Erinnert mich alles an vordemokratische Verfahren in aller Konsequenz  mit einem bereits vorgeschalteten OLG mit mündlicher Verhandlung vor einem Strafverfahren vor einem LG mit ebenfalls mündlicher Verhandlung.
 

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Nein, es gelten die Vorschriften

Beiladung des Beschuldigten, § 65 VwGO

Damit sich auch der Beschuldigte zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern kann, ist die Beiladung des Beschuldigten gemäß § 65 VwGO anzuordnen.

und

Untersuchungsgrundsatz, § 86 Abs. 1 VwGO

Es gilt der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 VwGO. Danach hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.

Das bedeutet, dass sich der beigeladene Beschuldigte äußern kann, er muss es aber nicht tun. 

Die VwGO hat im Klageerzwingungsverfahren nach einhelliger Meinung nichts zu suchen, vgl.:

"Für solche Verstöße sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Dies gilt insbesondere für die im Einzelnen begründete Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach die für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltende Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO auf das strafprozessuale Klageerzwingungsverfahren weder unmittelbar noch analog anzuwenden ist... Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG)" (VerfGH München, Entscheidung v. 22.09.2015 - Vf. 107-VI/14).

"Einen Untätigkeitsantrag oder eine Untätigkeitsklage sieht das Gesetz im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nicht vor. Die VwGO ist nicht anwendbar" (OLG München, Beschluss v. 05.10.2017 - 2 Ws 1235/17 KL, 2 Ws 1238/17 KL). Vgl. neuerdings auch: OLG München, B. v. 15.2.2019 - 2 Ws 100/19 KL und B. v. 13.5.2019 - 4 Ws 41/19 KL.

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Neukonzeption des Ermittlungserzwingungsverfahrens (EEV)

Prozessrecht dient praktischen Bedürfnissen. Die VwGO ist auf das KlEV und das EEV anwendbar, weil sie passt. Der Richter und Fachbuchautor Carsten Krumm stellt in einer dreiteiligen Serie seit Ende 2017 im Rahmen des Online-Angebots des Verlags C.H. Beck eine Neukonzeption des Ermittlungserzwingungsverfahrens (EEV) zur Diskussion.[17][18][19] Danach sollen die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) Anwendung finden. Es wird also das "pflichtgemäße Ermessen", das nach der ständigen Rechtsprechung lediglich besteht, durch eine vollständige Verfahrensordnung ersetzt. Dies würde sich im wesentlichen in folgenden Punkten niederschlagen:

Antrag und Tenorierung, §§ 42, 113 VwGO

Der Antrag ist eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 VwGO. Auf diesen Antrag hin erfolgt die Tenorierung nach § 113 VwGO.

Ablehnungsgesuche, §§ 54 VwGO, 42 ZPO

Das Ablehnungsrecht wegen Besorgnis der Befangenheit richtet sich nach § 54 VwGO in Verbindung mit § 42 ZPO.

Beiladung des Beschuldigten, § 65 VwGO

Damit sich auch der Beschuldigte zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern kann, ist die Beiladung des Beschuldigten gemäß § 65 VwGO anzuordnen.

Vorverfahren, §§ 68 ff VwGO

Das Vorverfahren richtet sich nach § 68 VwGO und den folgenden Vorschriften. Da das Bundesverfassungsgericht den Anspruch auf Strafverfolgung Dritter als "höchstpersönliches Recht" qualifiziert, steht es dem Verletzten frei, ob er, etwa wegen Aussichtslosigkeit, das Vorverfahren überspringen und sich unmittelbar an das Gericht wenden möchte.

Untätigkeitsklage, § 75 VwGO

Reagiert die Staatsanwaltschaft drei Monate lang nicht auf die Strafanzeige des Verletzten, kann sich der Verletzte gemäß § 75 VwGO unmittelbar an das Gericht wenden.

Untersuchungsgrundsatz, § 86 Abs. 1 VwGO

Es gilt der Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 VwGO. Danach hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.

Richterliche Hinweise, § 86 Abs. 3 VwGO

Ist der Sach- oder Rechtsvortrag des Verletzten unvollständig, sind Richterliche Hinweise gemäß § 86 Abs. 3 VwGO zu erteilen. Der Verletzte erhält danach die Gelegenheit, seinen Sach- oder Rechtsvortrag zu ergänzen.

Mündliche Verhandlung, Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, § 101 Abs. 1 VwGO

Wie in jedem anderen Prozess auch, hat auch hier gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK in Verbindung mit § 101 Abs. 1 VwGO eine Mündliche Verhandlung stattzufinden.

Anhörungsrüge, § 152a VwGO

Gegen die rechtskräftige Entscheidung des OLG ist die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO statthaft. Diese muss innerhalb von zwei Wochen ab Zugang der angefochtenen Entscheidung beim Prozessvertreter des Verletzten bei Gericht eingehen. Das Gericht erhält dadurch Gelegenheit, seine eigene Entscheidung zu korrigieren.

Vollstreckung, § 172 VwGO

Im Zuge des Dieselskandals liegt dem EuGH die Frage vor, ob eine Vollstreckung gemäß § 172 VwGO nur durch Androhung und Verhängung von Zwangsgeld oder auch durch Androhung und Verhängung von Zwangshaft zulässig ist.

Die VwGO hat im Klageerzwingungsverfahren nach einhelliger Meinung nichts zu suchen, vgl.:

"Für solche Verstöße sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Dies gilt insbesondere für die im Einzelnen begründete Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach die für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltende Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO auf das strafprozessuale Klageerzwingungsverfahren weder unmittelbar noch analog anzuwenden ist... Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG)" (VerfGH München, Entscheidung v. 22.09.2015 - Vf. 107-VI/14).

"Einen Untätigkeitsantrag oder eine Untätigkeitsklage sieht das Gesetz im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nicht vor. Die VwGO ist nicht anwendbar" (OLG München, Beschluss v. 05.10.2017 - 2 Ws 1235/17 KL, 2 Ws 1238/17 KL). Vgl. neuerdings auch: OLG München, B. v. 15.2.2019 - 2 Ws 100/19 KL und B. v. 13.5.2019 - 4 Ws 41/19 KL.

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Vier Beiträge auf beck-blog zum Klageerzwingungsverfahren

Ich habe Anfang 2016 einen Aufsatz geschrieben, Alexander Würdinger: Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren. In: HRRS, Nr. 1/2016, S. 29. Diesen Aufsatz habe ich verteidigt bei

Bernd von Heintschel-Heinegg, BGH kippt Freispruch im Fall Ouri Jallow in Dessau nach dessen Tod im Polizeigewahrsam, veröffentlicht am 8. Januar 2010

Carsten Krumm, Lesetipp: Aufsatz zum Klageerzwingungsverfahren veröffentlicht am 18. Dezember 2017

Carsten Krumm, Diskussionstipp von Alexander Würdinger: Das BVerfG und der Inhalt des Klageerzwingungsantrags veröffentlicht am 2. September 2018

Carsten Krumm, Körperverletzung im Amt durch polizeiangeordnete Blutprobenentnahme - Gut, dass der Gesetzgeber geholfen hat! veröffentlicht am 10. August 2019

Es heißt dort über mich: "Alexander Würdinger ist ja den Bloglesern schon bekannt. Er ist einer der wenigen Juristen, die sich seit langem und regelmäßig kritisch mit der Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren befassen." Mein Aufsatz ist im übrigen in zahlreichen Wikipedia-Artikeln zitiert: Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren.

Ich habe Anfang 2016 einen Aufsatz geschrieben...

Nie hat jemand einen dümmeren Aufsatz geschrieben und/oder gelesen. Nie hat jemand unverfrorener seinen in suis verbrochenen fachlichen Mist nachträglich zum Prinzip erhoben.

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Lesenswert sind insbesondere die beiden folgenden Fundstellen in der Kommentarliteratur:

Es handelt sich zum einen um Graf, Kommentar zur Strafprozessordnung, 3. Auflage 2018, Rn. 19 zu § 172 StPO. Dort weist die Bearbeiterin Claudia Gorf auf meinen Aufsatz hin. Hierbei macht die Bearbeiterin  insbesondere darauf aufmerksam, dass ich die Anwendung des Verwaltungsprozessrechts auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO vorschlage. Weiter hebt die Bearbeiterin in ihrer Kommentierung der §§ 172 ff StPO zu Recht hervor, dass dies insbesondere eine Hinweispflicht des Gerichts gem. § 86 III VwGO zur Folge hätte. 

Zum anderen weist der angesehene Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung, 6. Auflage 2019, Bearbeiter Mark Zöller in Rn. 1 zu § 172 StPO zu Recht darauf hin, dass die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO die bisher bestehenden Probleme im Bereich der Zulässigkeit dieser Verfahren lösen würde. 

Die VwGO hat im Klageerzwingungsverfahren nach einhelliger Meinung nichts zu suchen, vgl.:

"Für solche Verstöße sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar. Dies gilt insbesondere für die im Einzelnen begründete Auffassung des Oberlandesgerichts, wonach die für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltende Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO auf das strafprozessuale Klageerzwingungsverfahren weder unmittelbar noch analog anzuwenden ist... Es ist angemessen, dem Beschwerdeführer eine Gebühr von 1.000 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG)" (VerfGH München, Entscheidung v. 22.09.2015 - Vf. 107-VI/14).

"Einen Untätigkeitsantrag oder eine Untätigkeitsklage sieht das Gesetz im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens nicht vor. Die VwGO ist nicht anwendbar" (OLG München, Beschluss v. 05.10.2017 - 2 Ws 1235/17 KL, 2 Ws 1238/17 KL). Vgl. neuerdings auch: OLG München, B. v. 15.2.2019 - 2 Ws 100/19 KL und B. v. 13.5.2019 - 4 Ws 41/19 KL.

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Wenn ich das richtig verstehe, dann will Herr Würdinger ein OLG vorschalten mit mündlicher Verhandlung vor einem regulären Strafverfahren mit mündlicher Verhandlung. Kommt es danach zu einer Wiederaufnahme, wird wieder ein OLG bei einer sofortigen Beschwerde gegen die Verwerfung des Wiederaufnahmeantrags angerufen, und das entscheidet nun ohne mündliche Verhandlung darüber.

Wenn da keine Konflikte dabei entstehen, dann will ich Freisler heißen.

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1) Beim Klageerzwingungsverfahren geht es darum, ob das OLG die StA verpflichten muss, Anklage zu erheben.

2) Beim Strafverfahren geht es darum, ob es gelingt, den beiden des Mordes beschuldigten Polizeibeamten nachweisen zu können, dass sie Oury Jalloh im Keller ihrer Polizeidienststelle ermordet haben. 

3) Bei einem Wiederaufnahmeverfahren ginge es darum, neue Tatsachen i.S.d. § 359 Nr. 5 StPO vortragen zu können, die die Verurteilung der beiden Polizeibeamten wegen Mordes rückgängig machen könnten. 

Und ein OLG hätte zuerst mal nach mündlicher Verhandlung über eine Anklage und später wieder ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, ob die Verurteilung rechtmäßig war.

Aus der EMRK lassen sich die Vorstellungen von Herrn Würdinger doch nicht ableiten, außerdem sind sie nicht ausgegoren, denn sie vermischen auch noch systemfremd die Ebenen und Prozeßordnungen.

Der Gesetzgeber der BRD wir da voraussichtlich aber nicht mitziehen.

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Mein Aufsatz ist im übrigen in zahlreichen Wikipedia-Artikeln zitiert: Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren.

Unter anderem genau deshalb sind Sie bei Wikipedia dauerhaft gesperrt worden, weil Sie Wikipedia genutzt haben, dort auf Biegen und Brechen Ihren privat veranlassten Mist zu propagieren.

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Mein Aufsatz ist im übrigen in zahlreichen Wikipedia-Artikeln zitiert: Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren.

Unter anderem genau deshalb sind Sie bei Wikipedia dauerhaft gesperrt worden, weil Sie Wikipedia genutzt haben, dort auf Biegen und Brechen Ihren privat veranlassten Mist zu propagieren.

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Wikipedia

Ich habe im Laufe der Jahre unter anderem folgende Artikel neu angelegt:

1 Beck-Blog   2 Subsidiaritätsprinzip (Verfassungsprozessrecht)   3 Pistazieneisfall               4 Konfrontationsrecht   5 Sekundäre Darlegungslast   6 Standesrichtlinien   7 Aufklärungsrüge   8 Kollegialgerichtsrichtlinie   9 Gerichtliche Hinweispflicht (Deutschland)   10 Fritz Goldschmidt   11 Alfred Orgler   12 Wilhelm Kroner   13 Ermittlungserzwingungsverfahren   14 Umgehungsverbot (anwaltliches Berufsrecht)   15 Anspruch auf Strafverfolgung Dritter   16 Grundsatz des sichersten Wegs   17 Grundsatz der Waffengleichheit   18 Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens   19 Selbstreinigungsverfahren   20 Sachlichkeitsgebot

Auch bei WP gibt es eine hervorragend organisierte AfD-Seilschaft. Und das sind alles andere als dumme Leute. Jedenfalls hatte es die besagte AfD-Seilschaft damals schon gemanagt, mich lebenslang (im WP-Sprech "infinit") zu sperren. Das heißt nach den WP-Regularien tatsächlich, dass ich als Person in der dt. WP nichts mehr schreiben darf. (Es bleibt dabei aber alles, was der Betreffende auf WP jemals geschrieben hat, als integraler Bestandteil der WP-Artikel erhalten, es wird also nichts rückwirkend aus den WP-Artikeln entfernt.) Es ging damals bei meinem Text, der mir hier immer wieder vorgehalten wird, darum, von einem Admin meine Entsperrung zu erzielen. Das gelang mir damals auch. Ich schrieb noch ein paar Jahre lang auf WP, bis ich dann am 1. Mai diesen Jahres endgültig gesperrt wurde. Denn, wie gesagt, die AfD-Seilschaft bei WP sind keine dummen Leute. Die genaue Begründung, oder besser gesagt, der genau Vorwand, ist mir allerdings schleierhaft, diese Frage ist ja auch bei einem Vorwand zweitrangig. Vielleicht noch eine kleine Erklärung, was WP unter "Vandalismus" versteht (weil mich ein anonymer Gast schon x-mal darauf angesprochen hat): Das heißt nicht, dass meine Texte fachlich schlecht gewesen wären, sondern das heißt lediglich, dass ich zu irgend einem anderen Wikipedianer im weitesten Sinne unfreundlich gewesen bin. Dieser Vorwurf stimmt in der Tat, ich war zu anderen Wikipedianern tatsächlich "wiederholt unfreundlich". Umgekehrt hat mich z.B. mal ein ranghoher Wikipedianer als (soweit mich meine Freudsche Verdrängung nicht trügt) "Psychopathen" bezeichnet, ohne dass dem ranghohen Wikipedianer deswegen irgend etwas passiert wäre.

Sie haben seit Monaten nichts vernünftiges mehr zusammengeschustert!

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Der Automat wollte nicht, dass ich einen langen Text formuliere, deshalb kurz: Die Kraft des Arguments wird sich letzten Endes durchsetzen. 

Die hingegen von einem anonymen Gast auf beck-blog mit großem Nachdruck vertretene These, wonach - in bester absolutistischer Manier - das Verfahren im Klageerzwingungsverfahren (KlEV) und im Ermittlungserzwingungsverfahren (EEV) im freien Belieben des Gerichts steht, scheint mit dem Rechtsstaatsgebot des Art. 20 III GG und dem Gebot effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 IV GG nur schwerlich vereinbar zu sein. Es ist dabei ein erster Schritt in Richtung eines rechtsstaatlichen Verfahrens im KlEV und im EEV, dass auch der anonyme Gast zugestehen muss, dass das Gericht zumindest an einzelne Gesetzesvorschriften - zumal wenn diese in der Normenpyramide oberhalb der StPO angesiedelt sind - gebunden ist. Diese Norm ist Art. 6 I 1 EMRK, der für das KlEV und das EEV - ebenso wie für jedes andere Gerichtsverfahren - die Mündliche Verhandlung vorschreibt. Wenn also sogar die juristische Autorität schlechthin, der anonyme Gast, die Geltung konkreter Gesetzesvorschriften für das Verfahren im KlEV und im EEV anerkennt, gibt es in der Tat keinen Grund mehr, sich gegen die Anwendung der passenden Verfahrensordnung auf das KlEV und das EEV zu wenden. Es wurde hierbei bereits verschiedentlich beiläufig erörtert, dass diejenige Verfahrensordnung, die in der Sache am besten auf das KlEV und das EEV passt, die Verwaltungsgerichtsordnung, in Fachkreisen kurz VwGO genannt, ist. Den Unterschied zwischen einem KlEV und einem EEV merken Sie spätestens dann, wenn Ihnen klar wird, was Sie in einem KlEV dartun müssen und was Sie in einem EEV dartun müssen: In einem KlEV müssen Sie nämlich dartun, dass eine überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht, während Sie in einem EEV lediglich dartun müssen, dass ein Anfangsverdacht besteht. Die überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit ist dabei gegenüber dem Anfangsverdacht natürlich die wesentlich höhere Hürde für einen Prozesserfolg. Das wird Ihnen auch klar, wenn Sie die unterschiedliche Zielsetzung eines KlEV gegenüber einem EEV bedenken: Bei einem KlEV wollen Sie wesentlich mehr erreichen als bei einem EEV: Bei einem KlEV wollen Sie erreichen, dass die StA - nach vollständigem Abschluss der Ermittlungen - Anklage erhebt, bei einem EEV wollen Sie lediglich erreichen, dass die StA die Ermittlungen einleitet oder fortsetzt.

Diese Norm ist Art. 6 I 1 EMRK

Ja, das wird ja auch keiner bestreiten:

(1) 1Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.

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Ich denke, dass man angesichts der ständigen Praxis des Klageerzwingungsverfahrens durchaus von einem "freien Belieben" des Gerichts sprechen kann: Am einfachsten und deswegen am beliebtesten ist der pauschale Vorwurf, die Antragsschrift sei nicht hinreichend substantiiert. Das führt – nach der ständigen Praxis – zur Unzulässigkeit des Antrags im Verfahren nach den §§ 172 ff StPO. Es sind aber auch im übrigen – nach der ständigen Praxis – der Phantasie keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, einen Vorwand für die Unzulässigkeit der Antragsschrift zu suchen und zu finden: Sämtliche Vornamen des Beschuldigten sowie sein Geburtstag und sein Geburtsort seien nicht angegeben, deswegen sei es nicht möglich, den Beschuldigten zweifelsfrei zu identifizieren. Oder: In dem sich seit Jahren hinziehenden Verfahren seien nicht sämtliche Schriftsätze mit sämtlichen Daten sowie sämtlichen Fristläufen unter Darlegung der jeweiligen Fristeinhaltung im Antragsschriftsatz im einzelnen aufgelistet. Nach der ständigen Praxis spielt man als Anwalt in den Verfahren nach den §§ 172 ff StPO ein Spiel, das man schlechterdings nicht gewinnen kann: Hat man zwanzig mehr oder weniger sinnentleerte Formalismen erfüllt, scheitert man eben an dem einundzwanzigsten, frisch gekürten, Formalismus. Das ist die ständige Praxis des Klageerzwingungsverfahrens.

Die Zusammenfassung meiner Thesen hingegen lautet: Es gibt nur die von Art. 19 IV GG vorgeschriebene eine Mindest-Instanz. Umso mehr ist es erforderlich, dass in dieser einzigen Instanz ein faires Verfahren garantiert wird. Ein faires Verfahren wird garantiert durch die Anwendung des Verwaltungsprozessrechts.

Aus der EMRK lassen sich die Vorstellungen von Herrn Würdinger doch nicht ableiten, außerdem sind nicht ausgegoren, denn sie vermischen auch noch systemfremd die Ebenen und Prozeßordnungen.

Kein Gesetzgeber der BRD wir da voraussichtlich mitziehen.

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Die Anwendung der Vorschriften der VwGO haben prozessual vor allem zur Folge, dass die Vorschaltbeschwerde und der Bescheid der GenStA entbehrlich sind. So führe ich in meiner Anhörungsrüge vom 20. Mai 2019 aus:

a) Die ständige Rechtsprechung 

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts[2] kann in bestimmten Fällen von einem Vorverfahren abgesehen werden. Das Vorverfahren ist hiernach vor allem dann entbehrlich, wenn aus dem Verhalten der Behörde zu entnehmen ist, dass ein Widerspruch erfolglos wäre.[3]

  1. BVerwG, Urteil vom 15.09.2010 – 8 C 21/09

  2. Kopp/Schenke, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 24. Auflage 2018, Rn. 16 ff. und 22 ff. zu § 68 VwGO

Diese ständige Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO enthält allgemeine Grundsätze, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Diese Grundsätze müssen deshalb auch im Rahmen der §§ 172 ff StPO Anwendung finden. Die sog. "Vorschaltbeschwerde" ist deshalb auch hier in dem vorliegenden Fall entbehrlich. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass die Münchner GenStA von dem einmal eingeschlagenen Krähenprinzip in irgendeiner Weise abweicht. Die Münchner GenStA zeigt nach aller Erfahrung ersichtlich keinerlei Neigung, strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Münchner Richter zu forcieren.

b) Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

aa) Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, ist in keiner Weise übergangen worden. Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, hatte vielmehr objektiv die Gelegenheit, sich an Recht und Gesetz zu halten und die Ausgangsbehörde, die StA München I, zur förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Münchner Richter anzuhalten. Das OLG München hatte nämlich – insoweit richtigerweise - die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zur Stellungnahme zum Verfahren aufgefordert. Im Rahmen dieser Stellungnahme hätte die GenStA die StA München I dazu anhalten müssen, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten.  

bb) Es macht hierbei evident auch keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, Gelegenheit zu ihrem Handeln hatte: Es macht evident keinen Unterschied, ob die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, schon auf eine Vorschaltbeschwerde hin tätig wird oder erst, wenn sie vom Gericht, in diesem Fall vom OLG München, dazu aufgefordert wird. Denn egal, zu welchem Zeitpunkt die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zum Tätigwerden aufgefordert wird, die GenStA musste sich in jedem Fall an Recht und Gesetz halten. Und nach Recht und Gesetz war es in diesem Fall unabweisbar, die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. Der Zeitpunkt, sich an Recht und Gesetz zu halten, spielt also evident keinerlei Rolle.      

cc) Dieselbe Überlegung gilt auch in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten: Es macht evident keinerlei Unterschied, ob die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, vom Gericht, dem OLG München, oder von dem Bf. dazu aufgefordert wird, Stellung zu nehmen. Denn in beiden Fällen – unabhängig von dem Verfahrensbeteiligten - wird die Münchner GenStA gleichzeitig dazu ermahnt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. 

dd) Schließlich liegt de facto ebenjener Bescheid der GenStA vor, den das Gesetz als Voraussetzung für die Einleitung eines EEV ansieht. De facto hat nämlich die GenStA durch ihre beiden abschließenden Vorlageschreiben vom 3. Mai 2019 und vom 6. Mai 2019 in einer Weise gegenüber dem OLG Stellung genommen, die einem „Bescheid“ gleichsteht. Den beiden abschließenden Vorlageschreiben der GenStA vom 3. Mai 2019 und vom 6. Mai 2019 kommt deshalb de facto die Qualität eines Bescheids als Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu. Die GenStA hat deshalb durch ihre beiden abschließenden Vorlageschreiben vom 3. Mai 2019 und vom 6. Mai 2019 de facto den vom Gesetz geforderten „Bescheid“ erlassen.

c) Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren  

aa) Schließlich gilt - zumindest in dem vorliegenden Fall – für das Widerspruchsverfahren die Parteimaxime. Es blieb dem Bf. überlassen, ob er auf der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens besteht oder lieber darauf verzichten will.

Der Beschluss des BVerfG vom 01. April 2019 - 2 BvR 1224/17 lautet:

"Die Verfassungsbeschwerde [dient] der Durchsetzung des höchstpersönlichen Anspruchs des [Verletzten] auf effektive Strafverfolgung.“

Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren ergibt ich hier daraus, dass der Bf. von Anfang an auf seinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter gepocht hat. Es handelt sich hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bf. Da also der Bf. – materiellrechtlich - über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügte, durfte er auch über die prozessuale Umsetzung dieses Rechts verfügen. Die Anerkennung des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter durch die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 bringt eben unter anderem auch mit sich, dass der Verletzte insoweit auch den weiteren Fortgang der Ermittlungen – denn der Verletzte hat in diesem Fall einen Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen – aktiv gestalten kann. Vor diesem Hintergrund steht es dem Verletzten selbstverständlich frei, welche prozessualen Mittel er zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs wählen will. Es ist deshalb unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn sich der Bf. in diesem Fall dazu entschlossen hat, auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten zu wollen.    

bb) Es stehen noch aus die Dienstlichen Stellungnahmen auf die Ablehnungsgesuche. Das "Überspringen" der Beschwerdeinstanz bei der Münchner GenStA ist deshalb in vorliegendem Fall neben allen anderen Argumenten auch deshalb angebracht, weil ich an der schnellen Klärung der strafrechtlichen Vorwürfe angesichts des anhängigen Ablehnungsgesuchs ein legitimes Interesse habe.

d) Ergebnis

Da also die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

einzig und allein darauf gestützt ist, die sog. Vorschaltbeschwerde sei erforderlich gewesen – was aber evident nicht der Fall ist – ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

Das OLG kann es  - nach der Kann-Vorschrift des § 173 II StPO - aber auch ganz einfach sein lassen, den Beschuldigten überhaupt über irgend etwas zu informieren. Dann wird eben über den Kopf des Beschuldigten hinweg verhandelt, ohne dass der Beschuldigte überhaupt von irgend etwas erfährt.

Und das dürfte auch keinen stören, wenn an Anschuldigungen nichts dran ist.

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 1. April 2019, Az. 2 BvR 1224/17 lautet:

"Die Verfassungsbeschwerde [dient] der Durchsetzung des höchstpersönlichen Anspruchs des [Verletzten] auf effektive Strafverfolgung."

Die Kreation eines höchstpersönlichen Anspruchs ist übrigens Unsinn: Der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter entsteht zunächst in der Person des Verletzten (eines Polizeieinsatzes). Dies ist etwa im Fall des Tennessee Eisenberg der Zeitpunkt der tödlichen Schüsse der Polizeibeamten auf 
Tennessee Eisenberg. Hätte Tennessee Eisenberg den Polizeieinsatz noch um ein paar Tage oder Wochen überlebt und wäre er erst dann verstorben, hätte sich der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter also zunächst in seiner Person fortgesetzt. Die Kreation eines höchstpersönlichen Anspruchs hätte nun zur Folge, dass sein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter mit seinem Tod erlöschen würde.  Die Eltern des Tennessee Eisenberg wären dann nicht mehr in der Lage, den Anspruch auf Strafverfolgung Dritter noch weiterzuverfolgen. Umgekehrt ist aber überhaupt kein Grund erkennbar, warum der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter nicht genaus problemlos vererblich sein sollte wie die gleichlaufenden zivilrechtlichen Amtshaftungsansprüche gegen den Freistaat Bayern. Es sagen einem eigentlich auch schon die juristischen Grundkenntnisse, dass der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter auf keinen Fall ein "höchstpersönlicher Anspruch" sein kann. Als Beispiele hierfür fallen mir auf Anhieb eigentlich nur Eheschließung und Testamentserrichtung ein. Es handelt sich also um absolute Ausnahmefälle innerhalb der (Zivil-)Rechtsordnung. Es ist weit und breit kein Grund ersichtlich, warum der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter einen solchen Ausnahmefall darstellen soll. 

Es ist weit und breit kein Grund ersichtlich, warum der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter einen solchen Ausnahmefall darstellen soll.

Es ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und deshalb zugrunde zu legen, auch wenn Würdinger schon wieder einmal anderer Meinung ist, wie immer.

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Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist indes barer Nonsens. 

Herr Würdinger, stellen Sie sich denn Sondergerichte für Amtsträger und Richter vor mit eigener Verfahrensordnung?

Ansonsten müssen Sie bei den bisher zuständigen gesetzlichen Richtern und den dafür vorgesehenen Prozeßordnungen bleiben.

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Prozessrecht dient praktischen Bedürfnissen. Die VwGO ist auf das KlEV und das EEV anwendbar, weil sie passt.

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