JMStV-Novelle: Pornographiewerbung soll generell verboten werden – schon wieder

von Prof. Dr. Marc Liesching, veröffentlicht am 25.02.2020

Eine unscheinbar anmutende Erweiterung der Werberegeln in § 6 Abs. 1 JMStV-Entwurf schafft bislang legale Pornographiewerbung in Deutschland faktisch ab. Ein ähnlicher Novellierungsversuch in der Entwurfsfassung zum 18. RfÄndStV (vom 15.5.2015) war u.a. wegen verfassungsrechtlicher Bedenken noch zurückgenommen worden. Jetzt hat man die Regelung – freilich erst nach dem Anhörungsverfahren zur aktuellen MStV- und JMStV-Novelle – nachträglich und ohne rechtspolitische Transparenz/Diskussion im letzten Moment in den Staatsvertrag hineingeschrieben. Bleiben YouPorn & Co für Kinder und Jugendliche frei abrufbar? Und liefert die Videosuche bei bing.com zum Begriff „porn“ auch künftig tausende direkt visualisierte, frei zugängliche Videos? – Natürlich! Nur die deutschen Anbieter, die solche Angebote heute jugendschutzkonform in geschlossenen Benutzergruppen (§ 4 Abs. 2 S. 2 JMStV) nur für Erwachsene anbieten, könnten ihre Geschäftsmodelle aufgrund des neuen Werbetotalverbots einstellen – oder sie streben eine Klärung durch das Bundesverfassungsgericht an.

Neuregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 JMStV

Seit Inkrafttreten des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages regelt § 6 Abs. 1 S. 1 JMStV, dass „Werbung für indizierte Angebote“ nur unter den Bedingungen zulässig ist, „die auch für die Verbreitung des Angebotes selbst gelten“. Dies entspricht der bundesgesetzlichen Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 6 JuSchG und der ständigen Rechtsprechung, welche Werbung jedweder Art für rechtswirksam auf die Liste jugendgefährdender Medien gesetzte Inhalte nur in geschlossenen Erwachsenenbereichen erlaubt.

Anders ist demgegenüber die bundesgesetzliche Regelung des § 184 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur Werbung für Pornographie und auch die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hierzu. Danach ist so genannte neutrale Pornographiewerbung auch außerhalb geschlossener Benutzergruppen grundsätzlich erlaubt (BGH NJW 1977, 1695, 1696; BGH NJW 1987, 449, 450; BGH NJW 1989, 409). Denn schon den Bundesgerichten in den 1970er und 1980er Jahren war klar, dass man irgendwie auf ein Angebot hinweisen muss, wenn ein Werbeverbot nicht faktisch einem Totalverbot des Zugänglichmachens von Erwachsenenangeboten gleichkommen soll. Daher sind werbliche Hinweise auf Pornographie bislang nur verboten, wenn die Werbung nach ihrem Aussagegehalt erkennbar macht, dass sie sich auf pornographisches Material bezieht. Letzteres ist etwa bei bloßen Bezeichnungen wie „Erotik“, „Ab 18“, „XXX“ oder „Sex“ nicht der Fall, sodass solche Hinweise legal sind.

Diese bundesgesetzliche Differenzierung wird nun durch den landesgesetzlichen § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV im Rundfunk und im Fernsehen zugunsten eines faktischen Totalverbots eingeebnet, soweit es bezogen auf Satz 1 nun heißt „Gleiches gilt für Werbung für unzulässige Angebote“. Als solche gelten nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 JMStV auch pornographische Angebote. Dies bedeutet, dass jugendschutzkonform in Deutschland handelnde Anbieter von Erwachsenenangeboten vor der geschlossenen Benutzergruppe aufgrund des weiten Werbebegriffs (VG Regensburg ZUM-RD 2018, 369, 382) keinerlei Hinweis mehr geben dürfen, dass sie überhaupt ein entsprechendes Angebot bereithalten. Faktisch braucht man dann auch nichts mehr anzubieten, weil man ohnehin nicht von erwachsenen Nutzerinnen und Nutzern gefunden wird.

Der Landesgesetzgeber wird somit mittelbar zum Absatzförderer von Youporn und Co., indem sie die ohnehin kaum lästige Konkurrenz jugendschutzkonform handelnder deutscher Anbieter, die ihre Inhalte auf Erwachsene wirksam begrenzen, nun gänzlich aus dem Weg räumt. Nun wäre diese weitere Skurrilität in der Reihe effektloser oder gar kontraproduktiver Jugendschutzregulierungsversuche der Bundesländer kaum mehr einen eigenen Blog-Beitrag wert, hätte man sich nicht vor fünf Jahren im letzten Moment noch gegen eine solche Regelung entschieden. Was macht die Norm des neuen § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV ungeachtet des absurden Ergebnisses verfassungswidrig?

Sperrwirkung der bundesgesetzlichen Regelung (Art. 72 Abs. 1 GG)

Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung auf das Strafrecht. Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder gemäß Art. 72 Abs. 1 GG die Befugnis zur Gesetzgebung nur, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Die konkurrierende Kompetenz kann nicht Ausgangspunkt einer gleichzeitigen Regelung derselben Frage sowohl im Bundes- als auch im Landesgesetz sein, sondern ermöglicht stets nur eine Normierung auf einer Ebene (Bund oder Länder).

Soweit der Bundesgesetzgeber von seinem Zugriffsrecht über Art. 74 GG wirksam Gebrauch gemacht hat, erlischt die bis dahin bestehende Länderkompetenz, so dass bereits erlassene Ländergesetze nichtig werden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG entfalten mithin Regelungen des Strafgesetzbuchs „Sperrwirkung und stehen einer landesrechtlichen Regelung (…) entgegen“. Dies gilt sogar dann, wenn Bundes- und Landesgesetz inhaltsgleich sind (vgl. BVerfGE 109, 190, 230 = NJW 2004, 750, 755).

Der Bundesgesetzgeber hat durch die Normierung von straftatbestandlichen Beschränkungen für pornographische Medien in § 184 Abs. 1 StGB von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Dies gilt nach § 184 Abs. 1 Nr. 5 StGB insbesondere auch für die Normierung der Werbung für Pornographie. Denn durch den Wortlaut des bundesgesetzlichen Straftatbestandes wird jedwedes „Bewerben“ von pornographischen Medien erfasst, und zwar unabhängig davon, an welchem Ort oder über welches Medium eine Werbung erfolgt. Namentlich werden alle öffentlichen Orte erfasst, welche Personen unter achtzehn Jahren zugänglich sind oder von ihnen eingesehen werden können.

Zwar hat man beim JMStV-Entwurf für das neue Werbeverbot des § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV-E eine eigenständige Bußgeldvorschrift nicht gefasst. Aufgrund der Formulierung „Das gleiche gilt…“ erscheint aber nicht ganz ausgeschlossen, dass Landesmedienanstalten künftig über den OWi-Tatbestand für Verstöße gegen § 6 Abs. 1 S. 1 JMStV sanktionieren könnten. Insoweit ist der JMStV-Entwurf zu den OWi-Tatbeständen indes ohnehin nicht klar und scheint weitere Gesetzgebungsfehler zu bergen. Denn durch die späte Einfügung des § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV sind die weiteren Sätze nach hinten gerutscht (Entwurfswortlaut: „Die bisherigen Sätze 2 und 3 werden die neuen Sätze 3 und 4“). Bedauerlicherweise hat man auf die Schnelle dann offenbar vergessen, bei den entsprechenden Bußgeldtatbeständen (§ 24 Abs. 1 Nr. 6 und 7) die entsprechende Verweisung mit zu ändern. Hier wird im neuen, von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen JMStV immer noch „entgegen § 6 Abs. 1 Satz 2“ bzw. „entgegen § 6 Abs. 1 Satz 3“ stehen, was freilich schon aufgrund § 3 OWiG zur Unanwendbarkeit der Bußgeldtatbestände führen dürfte.

Ungleichbehandlung von Rundfunk und Telemedien (Art. 3 GG)

Durch § 6 Abs. 1 Satz 2 JMStV-E werden die Normadressaten der Telemedienanbieter (und Rundfunkanbieter) in erheblichem Maße anders behandelt als Anbieter anderer Mediensparten wie z.B. im Bereich der Pornographiewerbung in Printmedien, auf Plakaten, über Trägermedien wie DVD und Blueray-Discs oder in Kinovorführungen. Während bei letztgenannten Anbietern weiterhin eine neutrale Werbung im öffentlich frei zugänglichen Bereich möglich und erlaubt bleibt, dürfen für den Bereich der Telemedien künftig keine (neutralen) werbenden Hinweise im öffentlich zugänglichen Bereich erfolgen.

Diese Ungleichbehandlung bei neutraler Pornographiewerbung wäre durch Sachgründe nicht zu rechtfertigen. Insbesondere ergeben sich aus den Spezifika der unterschiedlichen Mediensparten keine unterschiedlichen Gefährdungslagen. Denn insoweit kommt es für Jugendliche allein auf den jeweiligen Inhalt der Werbung an, hingegen nicht auf den Weg ihrer Verbreitung. Hat der Bundesgerichtshof indes – wie dargelegt – mehrfach festgestellt, dass von der so genannten neutralen Pornographiewerbung typischerweise gerade keine Gefährdungen ausgehen müssen, so gilt dies für alle Mediensparten einschließlich dem Bereich der Telemedien.

Aufgrund der fortgeschrittenen und nahezu gänzlich vollzogenen Medienkonvergenz im digitalen Zeitalter kann im Übrigen allgemein eine nach Mediensparten differenzierende Regulierung mit unterschiedlichen Verbotsreichweiten allgemein nicht mehr als zeitgemäß und  sachlich legitimierbar angesehen werden.

Wird durch § 6 Abs. 1 Satz 1 JMStV-E mithin eine Ungleichbehandlung von Telemedienanbietern und Anbietern anderer Medien im Bereich der (neutralen) Pornographiewerbung vollzogen, so ist diese Ungleichbehandlung nicht durch Sachgründe legitimierbar und daher aufgrund Verstoßes gegen den allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 GG verfassungswidrig und nichtig.

Verletzung der Meinungs- und Medienfreiheit

Eine über § 184 Abs. 1 Nr. 5 StGB hinausgehende Normierung eines generellen Pornographiewerbeverbotes in Telemedien außerhalb geschlossener Benutzergruppen, wie sie § 6 Abs. 1 Satz 2 JMStV-E vorsieht, ist im Rahmen der gebotenen Einzelfallabwägung und Prüfung nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht mehr mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar, da die weiterreichende Regelung der Erfassung auch neutraler Werbung keinen Jugendschutzzwecken Rechnung trägt bzw. nicht durch Jugendschutzziele legitimierbar ist. Denn insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die von § 184 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht erfasste und damit erlaubte „neutrale Werbung“ gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie nach ihrem Aussagegehalt nicht erkennbar werden lässt, dass sie sich auf pornographisches Material bezieht, und deshalb im Sinne der gesetzgeberischen Zielsetzung nicht „gefährlich“ ist (vgl. BGH NJW 1977, 1695, 1696; BGH NJW 1987, 449, 450; BGH NJW 1989, 409).  Die Bewerbung eines pornographischen Mediums unterfällt danach gerade nicht dem Verbot des § 184 Abs. 1 Nr. 5 StGB, wenn die Werbung nach ihrem Aussagegehalt erkennbar macht, dass sie sich auf pornographisches Material bezieht.

Einer nunmehr durch § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV eingeführten Verbreitungsbeschränkung auch neutraler Werbung fehlt es mithin sowohl an der Geeignetheit als auch an der Erforderlichkeit als Maßnahme zu Zwecken des Jugendschutzes, da sie insbesondere nach der Wertung der ständigen Rechtsprechung nicht per se Gefahren für Kinder und Jugendliche birgt, wenn aus dem Werbeinhalt gar nicht erkennbar ist, dass sich die Werbung auf Pornographie bezieht (BGH NJW 1977, 1695, 1696; BGH NJW 1987, 449, 450; BGH NJW 1989, 409; ebenso OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.02.2004 – III-5 Ss 143/03, insoweit nicht abgedruckt in MMR 2004, 409 f. m. Anm. Erdemir; ebenso schon OLG Frankfurt NJW 1987, 454, 455; OLG Celle MDR 1985, 693; OLG Karlsruhe NJW 1984, 1975, 1977; OLG Stuttgart MDR 1977, 246 und Justiz 1981, 213, 214; BayObLGSt 1979, 44, 46; a.A. nur OLG München NJW 1987, 453 f.).

Das BVerfG hat sich bereits zu Beginn der 1970er Jahre mit der Frage befasst, ob durch Bild für Nacktkultur werbenden Schriften generell als jugendgefährdend angesehen werden können (vgl. BVerfG NJW 1971, 1555, 1556; siehe auch schon BVerfGE 7, 320, 325). Die „grundsätzliche Wertentscheidung der Verfassung für die Freiheit der Meinung und der Information“ schließe es aus, Medien, „von denen weder stets noch wenigstens typischerweise Gefahren für die Jugend ausgehen, generellen Verboten zu unterwerfen“. Die Aufstellung einer unwiderleglichen Vermutung für den jugendgefährdenden Charakter einer nur nach allgemeinen äußeren Merkmalen bestimmten medieninhaltlichen Gruppe könne dazu führen, dass im Einzelfall auch Medien,“ gegen die vom Standpunkt des Jugendschutzes aus nichts einzuwenden ist, von der Verbreitung ausgeschlossen werden“. Ein solches Verfahren des Gesetzgebers sei nach dem BVerfG „im Bereich des Art. 5 GG nicht zulässig“. Denn hier besteht von Verfassungs wegen eine Vermutung für die Zulässigkeit der freien Meinungsäußerung; der einfache Gesetzgeber kann sie nicht durch die Aufstellung einer gegenteiligen, noch dazu unwiderleglichen Vermutung entkräften“ (BVerfG NJW 1971, 1555, 1556).

Nach den geschilderten Grundsätzen des BVerfG kann aber auch die neutrale Werbung für Pornographie nicht per se den strengen Verbreitungsrestriktionen der geschlossenen Benutzergruppe nach § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV unterworfen werden, da von neutralen Werbeinhalten, welche den Pornographiecharakter des Werbeobjektes nicht erkennbar werden lassen, nicht „typischerweise Gefahren für Kinder und Jugendliche ausgehen“  – so die Diktion des BVerfG (vgl. NJW 1971, 1555, 1556). So sind neutrale Werbegestaltungen auf Internetseiten im Vorfeld des Schutzbereichs einer geschlossenen Benutzergruppe zum Teil sogar gänzlich ohne Jugendschutzrelevanz und können nicht einmal als entwicklungsbeeinträchtigend „ab 16“ oder „ab 18“ eingestuft werden.

Vor diesem Hintergrund ist es gerade nach der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG nicht mit Art. 5 Abs. 1 GG vereinbar, auch neutrale Werbeformen über die neue Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 JMStV-E ebenfalls den strengen Restriktionen zu unterwerfen, welche nach § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV für Pornographie gelten.

Verfassungskonforme Auslegung?

Fraglich ist, ob der Wortlaut des neuen § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung derart erlaubt, dass weiterhin neutrale Pornographiewerbung für jugendschutzkonforme Angebote in geschlossenen Benutzergruppen zulässig bleibt. Zweifel ergeben sich daraus, dass mit „Gleiches gilt“ unmissverständlich auf das Werbeverbot für indizierte Angebote nach Satz 1 verwiesen wird. Hier ist aber entsprechend der einhelligen Rechtsprechung neutrale Werbung stets verboten (vgl. zu den Unterschieden ausführl. Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht – Kommentar, 5. Aufl. 2001, § 15 JuSchG Rn. 33 ff. und § 184 StGB Rn. 21 ff.; s.a. VG Regensburg ZUM-RD 2018, 369, 382). Man müsste den Wortlaut „Gleiches gilt“ als im Sinne von „Gleiches gilt gerade nicht“ auslegen, wenn – anders als nach Satz 1 – in Satz 2 neutrale (Pornographie-)Werbung zulässig bleiben soll.

Ein anderer – rechtsmethodisch etwas schiefer – Ansatz wäre es, aus der misslungenen Formulierung des § 4 Abs. 2 S. 2 JMStV Honig für eine Auslegung des gewünschten verfassungskonformen Ergebnisses zu saugen. Denn danach werden pornographische Angebote allein dadurch „zulässig“, dass sie in Telemedien in geschlossenen Benutzergruppen angeboten werden.  Dies beißt sich zwar mit Abs. 2 S. 1 Nr. 1, wonach alle „pornographischen Angebote“ „unzulässig“ sein sollen, es taugte aber möglicherweise rechtssystematisch als Notnagel, um § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV zur Verfassungskonformität zu verhelfen. Konsistent ist dies freilich auch deshalb nicht, weil ja ebenso indizierte Angebote nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und S. 2 in geschlossenen Benutzergruppen „zulässig“ sind und dann nach der dargestellten Interpretation beworben werden dürften. Soll es anders sein, müsste man wiederum rechtsmethodisch erstmal erklären, warum es bei indizierten Angeboten ganz anders ist.  

Selbst wenn man eine solche kaum vertretbare Auslegung zur Rettung des § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV befürworten würde, dürfte das Ergebnis dann gesetzgeberisch auch kaum gewollt sein. Denn eine solche Auslegung führte dazu, dass nach dem JMStV nicht nur neutrale, sondern auch explizit auf den Pornographiecharakter hinweisende Werbung  zulässig wäre. Zudem würde auch neutrale und nicht neutrale Rundfunkwerbung für Pornographie legalisiert. Der verbleibende praktische Anwendungsbereich wäre – soweit überhaupt vorhanden – derart marginal, dass man die Norm auch gar nicht auf den letzten Drücker in den Staatsvertrag hätte hineinmogeln brauchen. 

Schluss

Das Kurzweilige an der tieferen Befassung mit Jugendschutzgesetzgebung in den letzten Jahren ist nach meiner persönlichen Einschätzung, dass man bei der Lektüre fast immer etwas zum Schmunzeln findet. Auch die derzeitige Fassung der Entwurfsbegründung zum neuen Werbeverbot des § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV-E erscheint da nicht ganz frei von unfreiwilliger Komik: „Da der Konsum von unzulässigen Angeboten für Kinder und Jugendliche häufig besonders reizvoll ist, soll die Möglichkeit der Kenntnisnahme und der Nutzung von derartigen Inhalten aufgrund der davon ausgehenden Gefahren vermieden werden“.

Auf die Gefahr hin, dass das Nachfolgende das Werbeverbot des § 6 Abs. 1 S. 2 JMStV-E erfüllt, sei dem Verfasser des vorstehenden Satzes anempfohlen, in rein epistemologischer Absicht über die Eingabe von URLs wie youporn.com, pornhub.com, porntube.com etc. oder wahlweise des Begriffs „porn“ auf der Video-Suche bing.com sich einen Überblick über die Phänomenologie der seit Jahren für Kinder und Jugendliche unbegrenzten „Möglichkeit der Kenntnisnahme und der Nutzung von derartigen Inhalten“ zu verschaffen.

Solche Angebote bleiben ungeachtet des neuen JMStV auch in Zukunft für Kinder und Jugendliche, für die – mit den Worten der Entwurfsbegründung –  derartige Inhalte „häufig besonders reizvoll“ sind, frei zugänglich. Nur die deutschen Angebote wie z.B. von der Telekom oder von Sky, welche bislang jugendschutzkonform ihre für Minderjährige unzugänglichen geschlossenen Benutzergruppen neutral bewerben, können möglicherweise einpacken. Und eine weitere juristische Frage eher hypothetischer Natur ist dann zu klären: Wäre der Landesgesetzgeber nach § 4 IFG Rheinl.-Pfalz verpflichtet, etwaig erhaltene Dankesbriefe von Youporn & Co antragsberechtigten Eltern zugänglich zu machen?

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Man muss vermutlich die Errungenschaften der modernen Épistémologie nicht bemühen, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass der Gesetzgeber mal wieder, per Sonntagsschuss, so ein richtig schönes Eigentor geschossen hat. 

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