Minderung der Gewerbemiete bei behördlich angeordneter Schließung?

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 27.03.2020
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-RechtCorona42|20886 Aufrufe

Während der Gesetzgeber die Gewerbemieter zwar vor Kündigungen bei Zahlungsverzug in Coronazeiten bewahren will, hat er indes ausdrücklich die Verpflichtung zur Mietzahlung nicht suspendiert. 

Damit fragt sich, ob ein z.B.  Gastwirt oder Kinobetreiber nicht dennoch die Miete ggf. auf Null reduzieren kann. Neben Ansätzen des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) oder § 275 BGB (tatsächliche bzw. rechtliche Unmöglichkeit) wird vielleicht zu schnell die Frage übergangen, ob dem betroffenen Mieter nicht die Minderung der Miete gem. § 536 BGB möglich ist.

Diese Frage lässt sich nicht ohne weiteres verneinen. Während im Wohnraummietrecht nach der auch hier schon oft diskutierten Bolzplatzentscheidung des BGH v. 29.4.2015 sog. Umweltmängel dann irrelevant sind, wenn der Vermieter selbst gegen den Störer keine Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeiten hat, sieht es im Gewerbemietrecht anders aus: der XII. Zivilsenat des BGH, aber auch die für das gewerbliche Mietrecht zuständigen Senate der Oberlandesgerichte entscheiden sog. "Umweltmängel" weiterhin danach, ob eine "Unmittelbarkeit" der Einwirkung auf die Mietsache von außen gegeben ist oder nicht. Eine solche Unmittelbarkeit wird etwa schon dann bejaht, wenn es aufgrund von Baustellen zu einer "Einkapselung" von Gaststätten kommt, also Restaurants nur noch sehr schlecht oder gar nicht mehr erreichbar sind. Dann soll ein Mangel der Mietsache vorliegen (vgl. nur OLG Frankfurt, NZM 2015, 542; LG Hamburg BeckRS 2018, 38684).

Bedenkt man dies, so besteht kein Zweifel, dass eine Unmittelbarkeit des Eingriffs bei einer behördlich angeordneten Schließung ja noch viel eher gegeben ist als bei einer - entfernteren - Baustelle, die zu Umsatzeinbußen führt.  All dies spricht also dafür, eine Minderung ggf. gar auf Null zu bejahen.

Dennoch ist manchen Mietern mit dieser Erkenntnis nicht sofort geholfen, da sich in ihren Verträgen (AGB) Minderungsausschlussklauseln befinden könnten, die auf ihre Wirksamkeit überprüft werden müssen. Manche OLG sind hier schon deutlich strenger und lehnen die Wirksamkeit neuerdings ab (s. die Nachweise bei Leo, NZM 2020, 90). Bei wirksamen Ausschlußklauseln kann man den Mietern nur empfehlen, möglichst schnell Feststellungsklagen gerichtet auf Feststellung der Berechtigung der Minderung zu erheben.

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42 Kommentare

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Das ist eine wichtige Frage! Ich denke, es gibt darauf keine einheitliche Antwort, weil es auf den genauen Grund der behördlich angeordneten Schließung ankommt. Aus BGH NZM 2014, 165 Rn. 20: 

"Außer reinen Beschaffenheitsfehlern der Mietsache können unter anderem auch behördliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen ihre Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch in einer Weise aufheben oder mindern, dass sie einen Mangel iSv § 536 BGB begründen (vgl. SenatNJW 1992, 3226 [3227 zu § 537 BGB aF]). Letztere stellen nach der Rechtsprechung des BGH allerdings nur dann einen Mangel dar, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit der Mietsache beruhen und nicht in persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters ihre Ursache haben (vgl. SenatNZM 2011, 727 = NJW 2011, 3151 Rn. 8 mit Anm. Leo/Ghassemi-TabarNJW 2011, 3152 [zur Pacht])."

Danach dürfte regelmäßig kein Mangel vorliegen, wenn die Schließung auf der konkreten Tätigkeit des Mieters (zB Discobetrieb) beruht, dagegen schon, wenn es um die Lage oder (vermietete) Ausstattung der Mietsache geht (zB bei gebietsbezogenen Betriebsverboten).

Wenn es kein Mangel ist, wird man sich die Geschäftsgrundlage anschauen müssen, wobei die vertragliche Risikoverteilung durch das Gewährleistungsrecht für viele Fälle schon weitgehend vorgezeichnet sein dürfte.

Es werden sicherlich viele Einzelfragen auf uns zukommen...

Günter (in Guhling/Günter, 2.Aufl. 2019, § 536 Rn 185 mwN) (als Mitglied des XII. Zivilsenats) teilt offenbar generell die hier vertretene Meinung und lehnt einen Rückgriff auf § 313 BGB ab - man wird also abwarten müssen. Auch nach der o.a. zitierten Linie des Senats kann man nicht davon ausgehen, dass die Schließungen ihre Ursache in der Sphäre des Mieters haben.  Andere Kollegen wie Kollege Leo neigen hingegen § 313 BGB zu - angesichts der von mir zitierten Fundstellen dürfte das aber nicht der h.M. entsprechen. 

Günter hat in NZM 2016, 569 die Differenzierung der Rechtsprechung anschaulich zusammengefasst. Danach scheint es für die Mieter derzeit tatsächlich eher schlecht auszusehen, weil die derzeitigen Verbote wohl weitestgehend nicht objektbezogen, sondern betriebsbezogen ausgesprochen werden dürften.

Anders mag es evtl. liegen, wenn ein Betrieb an sich (auch infektionsschutzrechtlich) weiterbetrieben dürfte, aber für das gesamte Einkaufszentrum, in dem er sich befindet, ein Betretungsverbot ausgesprochen wurde (oder es vom Vermieter prophylaktisch insgesamt geschlossen wurde). Man darf tatsächlich auf die zahlreichen Einzelfälle gespannt sein, die jetzt kommen werden.

Höflichkeit beiseite, wird man die im Ausgangsbeitrag verfochtene These in ihrer Allgemeinheit nicht anders als unvertretbar falsch bezeichnen können.

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Das würde ich keinesfalls so sehen - ich denke wirklich, man wird sich jeden Fall anschauen müssen, weshalb die Nutzung tatsächlich nicht mehr möglich war, und was mietvertraglich geschuldet (oder ggfs. als Gewährleistungsausschluss vereinbart) war. Eindeutig scheint mir nur, dass bei einem betriebsbezogenen Betriebsverbot ohne besondere mietvertragliche Regelungen eine Minderung nicht in Betracht kommt.

Und gleichzeitig begünstigt hier Art. 240 § 2 EGBGB gleichwohl den Mieter, der sich aktuell eine Liquiditätsreserve relativ risikolos vorübergehend (!), allerdings zu einem hohen Zinssatz (9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz), verschaffen kann, indem er die Miete erst einmal zurückhält und dann auf Verhandlungen mit dem Vermieter baut.

Wie könnte denn, z.B. auf der Grundlage der bayerischen "Corona-Regelungen", ein Mietverhältnis beschaffen sein, damit nach der BGH-Rechtsprechung (z.B. BGH NJW 2011, 3151 zum Nichtraucherschutzgesetz) ein "objektbezogener" Mangel daraus wird? Wir reden hier doch nicht über Sonderfälle wie den, dass der Vermieter z.B. einen ganzen Gebäudekomplex schließt und dadurch eine eigenständige und dann in der Tat objektbezogene Ursache für die Brauchbarkeitseinschränkung setzt.

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Me fällt wohl jedes Sonderobjekt darunter, das der Vermieter speziell für den vom Mieter/Pächter angestrebten Zweck so auch vorgesehen hat. Etwa verpachtete Brauereigaststätte, Sportgaststätte bei Sportvereinen oder auch kommunale Veranstaltungshallen. Da sucht ja idR der Vermieter/pächter irgendjemanden, der das schon eingerichtete Lokal betreibt.

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Die These zu Art. 240 § 2 EGBGB hängt natürlich etwas davon ab, wie man das Erfordernis "beruhen auf" intepretiert. Eine eigene Schwelle wird dort schon drin sein. Die Frage ist nur, woran diese anknüpft.

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@Martin Schmidt-Kessel Schließungsbedingte Umsatzausfälle und daraus folgende Liquiditätsengpässe würde ich auf jeden Fall als "auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie" beruhende Begründung für die Nichtleistung ansehen - das dürften exakt die gemeinten Fälle sein. Klar kann man sich fragen, welche Reserven ein Unternehmen angreifen muss, bevor es die Mietzahlungen einstellen darf, aber es wird schon viele Fälle geben, bei denen das greifen kann.

Und v.a.: Zu einem Streit darüber kommt es ja erst, wenn tatsächlich der Vermieter eine Kündigung ausspricht, und bei ansonsten gut laufenden Gewerbemietverträgen wird sich das der Vermieter gegenwärtig doppelt und dreifach überlegen. Daher ist die Zahlungseinstellung "auf gut Glück" als taktische Option der (Gewerbe)Mieter sicher nicht ganz unwahrscheinlich. Als Wohnungsmieter in München wäre mir dieses Spiel allerdings deutlich zu riskant...

Die ordnungsbehördliche Schließungsanordnung im öffentlich-rechtlichen Interesse, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu bremsen, dürfte ja weder nur objektbezogen noch nur betriebsbezogen sein. Daran ändert nichts, dass in den Schließungsanordnungen bestimmte Betriebe ausdrücklich genannt werden. Denn zu den jeweiligen Betrieben gehören die entsprechenden Räumlichkeiten, die auch zum Aufenthalt für Kunden dienen. Gerade auf diesen Aufenthalt in den Räumen kommt es in Bezug auf Infektionsgefahr an. Der Pächter eines Gastronomiebetriebs z.B. darf ja weiter für seine Kundschaft das Essen zubereiten und zum Mitnehmen bereitstellen oder an sie liefern. Er darf seinen Kunden in den gepachteten Gastronomieräumen nur den Verzehr nicht gestatten. Der Bäcker darf auch weiter seine Backwaren verkaufen, er darf sie nur nicht zum Verzehr in dem angeschlossenen Café anbieten. H&M, Adidas und Deichmann ist nicht etwa der Verkaufsbetrieb ihrer Ware an sich untersagt, sie dürfen ihre Kunden nur nicht in die von ihnen gemietete Warenhäuser reinlassen.

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Danke für den Hinweis auf den Aufsatz von Günter in der NZM 2016, 569. Dort führt er aus, dass schon eine langwährende Unsicherheit über die Zulässigkeit der behördlichen Nutzungsuntersagung die begründete Besorgnis bewirkt, das Objekt nicht zum vertragsgemäßen Gebrauch nutzen zu können und daher ein möglicher Sachmangel im Einzelfall gegeben ist (S. 574 Fn 51 mwN dort). 

Dies dürfte erst recht gelten, wenn an der Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagungsverfügung keine Zweifel bestehen dürften und der Zeitraum wie hier nicht absehbar ist. 

Die Differenzierung "objektbezogen" bzw. "betriebsbezogen" soll m.E. nur dazu dienen, entsprechend der Sphären die mögliche (Mit-)Verantwortlichkeit des Mieters an der Schließung zu berücksichtigen. Von einer Mitverantwortung kann bei behördlichen Corona-Schließungen nicht die Rede sein.

Vielleicht kommt es dann darauf an, ob im Vertrag unter Vertragszweck etwas geregelt ist (zB vermietet "zum Zwecke des Betriebs einer Gaststätte" oä) - abgrenzend zu den eher seltenen Fällen, bei denen eine Gewerbefläche vermietet wird, ohne dass die Parteien eine Abrede zum Nutzungszweck treffen (dann i.E. vielleicht keine Minderung). Vertretbar erscheint hier zudem alles.

Gewährleistung im Mietrecht (wie bei allen anderen Verträgen auch) bedeutet Wahrung des Äquivalenzprinzips. Es geht deshalb nicht um die Mitverantwortung des Mieters, sondern um die Verantwortung des VERmieters. Deshalb ist der "Objektbezug" auch zwingend (vorbehaltlich abweichender vertraglicher Risikozuweisungen im Einzelfall, die es aber für die vorliegende Konstellation nur selten geben wird). In den bei Günter NZM 2016, 569, 574 bei und Fn. 51 angesprochenen Fällen geht es deshalb auch um objektbezogene Nutzungsuntersagung, mit der vorliegenden Konstellation hat dies nichts gemein.

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"Verantwortung" des Vermieters klingt nach Einführung eines Verschuldensprinzips für das verschuldensunabhängige Insititut der Minderung - der Wohnraumsenat wäre nach der Bolzplatzentscheidung gewiss auf Ihrer Seite. Im Gewerbemietrecht verfolgt der XII. Senat indes eine andere Linie. Die Differenzierung zwischen "objekt-" und "betriebsbezogen" ist im Übrigen durchaus willkürlich und nicht wirklich abgrenzbar - übrigens kann man auch in den Coronafällen sehr wohl beides mit ähnlicher Begründung bejahen. Dogmatisch geklärt ist das nicht wirklich. 

Ich bleibe dabei, dass vor dem Hintergrund der erwähnten Entscheidungen etwa des OLG Frankfurt man sehr gut mit a maiore ad minus argumentieren kann.

Das Erfordernis des Objektbezugs ist eine unmittelbar aus dem Gesetz (§ 536 BGB: "Hat die Mietsache ... einen Mangel") folgende Selbstverständlichkeit. Dass die Frage, wann es noch um die Beschaffenheit der Mietsache geht, an den Rändern "unscharf" wird, ist Kennzeichen nahezu aller Rechtsbegriffe ("Begriffskern" vs. "Begriffshof") und kein Grund, von dieser Selbstverständlichkeit gänzlich Abstand zu nehmen. "Verantwortung" hat mit Verschulden oder Vertretenmüssen nichts zu tun, sondern bezeichnet im Gegenteil die Zuständigkeit des Vermieters, die vertragsgemäße Beschaffenheit der Mietsache zu erhalten, und den verschuldensunabhängigen Verlust des Gegenleistungsanspruchs für den Fall, dass er das nicht tut. Im Übrigen ist klarzustellen, dass wir hier nur über Sachmängelgewährleistung reden, nicht auch über Geschäftsgrundlagenstörung.

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Selbst nach der strengen Auffassung des VIII. Zivilsenats (Bolzplatz) läge - zu Ende gedacht - wohl ein Umweltmangel vor, der aber einen Mangel der Mietsache begründen dürfte - denn der Vermieter hat ja nach dem IfSG u.U. Entschädigungsansprüche gegen den Staat. Dann aber liegt auch ein Mangel der Mietsache vor. Nach Ihrer Ansicht würden übrigens alle Umweltmängel ausscheiden - das vertritt indes niemand.

Wieso? Umweltmängel i.S.d. BGH knüpfen immer an die Belegenheit des Mietobjekts in einer bestimmten Umgebung an und sind deshalb gerade "objektbezogen"  -  bei den weiteren Voraussetzungen, die der BGH in der Bolzplatz-Entscheidung aufstellt, geht es deshalb nicht darum, die Haftung zu begründen (weswegen sie als selbständiger Anknüpfungspunkt in den Corona-Fällen nicht taugen), sondern darum, sie einzuschränken. Deswegen liegt in der Bolzplatz-Entscheidung auch kein Widerspruch zur Rauchverbots-Entscheidung.

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Das Schlagwort "Umweltmangel" hilft mE wenig. "Umwelteinwirkung" schon eher, § 906 BGB, § 22 BImschG. Eben als Einwirkung "auf das Grundstück". Erneut eben wieder objektbezogen.  Jenseits aller coronisierten Fragen käme es darf an, inStreit über die Rekevan oder Hinahmebsürftigkeit solcer Enwirkungenin einem Rechtsstreit gleichermaßen einerseits Verursacher, andererseits Eigentümer, dritterseits beschwerdeführenden Mieter einzubeziehen. Entweder haben beide, Eigentümer wie auch Mieter, es hinzunehmen, oder können sich dagegen wehren. 

Ich bezweifele, dass Minderung angezeigt wäre. Das Verbot ist nicht objektbezogen. Was ist bei vermieteten Kfz, wenn etwa eine Oberbürgermeistersonderfahrspur gesperrt ist , man da aber, weil nicht OB, nicht fahren darf?

In einem vom BGH (Urteil v. 30.09.2011 - V ZR 17/11) entschiedenen Fall über Wegfall der Geschäftsgrundlage tauschten Klägerin und Beklagter im notariell beurkundeten Vertrag zwei Grundstücke, die in einem Plan eingezeichnet waren. Beide Grundstücke wurden mit gleicher Größe angegeben. Gleichwohl haben die Parteien eine Haftung für Sachmängel ausgeschlossen und hielten ferner fest, dass wechselseitig keine Garantie für Größe, Güte und Beschaffenheit des jeweiligen Grundstücks übernommen werde.  

Die Vermessung der in dem Lageplan eingezeichneten Fläche durch die Klägerin ergab eine um 35 Prozent kleinere Größe des Grundstücks als im Vertrag angegeben. Sie forderte den Beklagten zur Anpassung des Vertrages auf. Nachdem der Beklagte weder  dem Anpassungsvorschlag der Klägerin zugestimmt noch einen anderen Vorschlag  unterbreitet hatte, erklärte diese den Rücktritt vom Vertrag und verlangte Rückauflassung.

Das LG hat dem Antrag auf Rückübertragung stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG die Klage abgewiesen. Das OLG hat den Wegfall der Geschäftsgrundlage verneint, der BGH auf die Revision der Klägerin dagegen bejaht. Die Geschäftsgrundlage sah der BGH in den Feststellungen des LG über die Annahme der Parteien, dass die zu tauschenden Grundstücke zumindest annähernd dasselbe Flächenmaß haben. Der Ausschluss jeglicher Mängelansprüche enthält nach BGH keine Aussage darüber, wer das Risiko einer Störung des angestrebten Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung tragen sollte.

Auch bei behördlichen Corona-Schließungen von Gewerbeobjekten wird das Äquivalenzverhältnis zwischen Objektnutzung und Miethöhe in der Regel erheblich gestört sein. Die übliche Risikoverteilung nach Objektbezogenheit oder Betriebsbezogenheit scheint in Fällen der Corona-Schließungen nicht wirklich zu passen. Viele Schließungen fallen weder in die Risikosphäre des Vermieters, noch des Mieters. Vielmehr wird in vielen Fällen wohl auch eine Vetragsanpassung an die bestehenden Verhältnisse geboten sein.

BGH Urteil v. 30.09.2011 - V ZR 17/11:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=dd1c4893db36004e111f33e5c1bce21b&nr=58240&pos=0&anz=1

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Dort heißt es zu Adidas, H&M, Deichmann & Consorten:

Willkürlich oder unvertretbar sind die Zahlungseinstellungen der betroffenen Mieter jedoch nicht. Die Rechtsprechung tendiert durchaus zur Lösung des österreichischen ABGB – kein Betrieb, kein Geld.

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Nun, bei allem Respektvor dem Lutter-Schüler Drygala: Könnte es nicht sein, dass Art. 1104 ABGB sach- und gegenstandsbezogene Defizite aufgreift, die einer "Wederherstellung" fähig und ggf. bedürftig sind? Nur dies könnte Anlass für die Rechtsfolge der ersten Variante sein. Art. 1104 ABGB: "Wenn die in Bestand genommene Sache wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Mißwachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann, so ist der Bestandgeber zur Wiederherstellung nicht verpflichtet, doch ist auch kein Miet- oder Pachtzins zu entrichten." Gesetzliche der behördliche Verbote sind auch keine "Zufälle". 

OK, ich muss mich korrigieren: Was ein veritabler Universitätsprofessor schreibt, ist per definitionem vertretbar und deshalb nie "unvertretbar falsch". Falsch bleibt es aber, da Herr Drygala eben den Objektbezug in den von ihm herangezogenen Beispielsfällen verkennt. Im Übrigen ist doch an dem Ergebnis offensichtlich nicht richtig, dass es das "Pandemie-Risiko" bei vollständiger Corona-bedingter Betriebsschließung ausschließlich und ohne die Möglichkeit von Zwischenstufen auf den Vermieter verlagern würde  -  wenn man schon dem Mieter helfen will, dann doch nur über § 313 BGB, der wenigstens mittlere Lösungen ermöglicht.

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Lieber Michael, ich möchte die für Deine Meinung streitende RG-Rechtsprechung "in den Ring werfen" (RGZ 87, 277; 88, 96; 89, 203; 91, 54; 94, 267). Ich war geradezu reflexhaft lange weg von der Minderung als ich die Tagespresse las. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher. In den kommenden Tagen werde ich mich mit der Thematik vertieft beschäftigen und danke für die wertvollen Anregungen. Beste Grüße aus Berlin, Peter

Lieber Peter, so ging es mir am Anfang auch und dann.... schreibst du was im OK dazu? Das ist momentan ja das schnellste Mittel. Beste Grüße!

Ja, nächste Edition meines § 536 im BeckOK MietR ist der 1.6.2020. Ich möchte aber schon davor zusammen mit Erik Hahn etwas veröffentlichen. Magst Du mitwirken? Ich würde dann eine Videokonferenz für diese Woche aufsetzen. Was meinst Du? 

Sehr interessante Diskussion!

Wenn ich die Kommentare richtig verstehe, hat sich niemand bislang wirklich eine Meinung gebildet.

Nach meiner Auffassung liegt kein Mangel der Mietache vor, weil sich die behördlichen Maßnahmen gerade nicht gegen einen Betrieb des Geschäfts als solches richten.

Oder gibt es hier Ansichten, die bei einem Kleidungsgeschäft oder einer Gaststätte einen Mangel bejahen? Würdet ihr dann zwischen einer Gaststätte, die grdsl. sogar Essen "To-Go" anbieten dürfen und einem Kleidungsgeschäft differenzieren?

 

 

Ich stimme dem Kollegen Riem vollkommen zu.

Am nächsten dürfte der derzeitigen Situation in der Tat der von ihm zitierte Fall Fall BGH, Urt. v. 13.07.2011, Az. XII ZR 189/09 = NJW 2011, 3151 kommen. Darin hatte der BGH zu entscheiden, ob Umsatzeinbußen aufgrund von § 7 I Nichtraucherschutzgesetz Rheinland-Pfalz einen Mangel einer verpachteten Gaststätte darstellten und ob der Verpächter verpflichtet sei, auf Verlangen des Pächters durch bauliche Maßnahmen die Voraussetzungen zu schaffen, dass dieser einen gesetzlich vorgesehen Raucherbereich einrichten kann.

Der BGH verneinte einen Mangel und negierte damit auch die Ansprüche. Dazu betont der BGH explizit in Rn. 14: "Bei dem Erlass des Nichtraucherschutzgesetzes Rheinland-Pfalz handelt es sich daher um eine Gesetzesänderung, die, vergleichbar einer nachträglichen Änderung der Sperrzeit [...], allein in das wirtschaftliche Risiko des Pächters fällt".

Dass der Gesetzgeber in der Begründung zum neuen Art. 240 EGBGB von einer Mietzahlungspflicht ausgeht, entspricht daher der geltenden BGH-Rechtsprechung und stellt keine Abweichung von derselben dar. Es besteht danach eindeutig kein Anspruch auf Mietminderung. Die Mieter können allenfalls auf Kulanz oder Hilfe durch den Staat hoffen.

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Einen Anspruch auf Minderung sehe ich persönlich nicht.

Das Mietobjekt ist unverändert. Untersagt wird der Betrieb, nicht die Nutzung des Mietobjekts. Ob der Mieter darin ein Nagelstudio, ein Bekleidungsgeschäft oder einen Supermarkt betreibt, ist seine Entscheidung. Wenn der Betrieb von Nagelstudios untersagt wird, der von Supermärkten aber nicht, muss dieses konsequenterweise dem dem Mieter zugerechnet werden.

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Keineswegs. Geschäftsraummietverträge enthalten so gut wie immer eine Definition des Nutzungszwecks. Der Mieter kann mitnichten wählen, ob er ein Café, ein Nagelstudio, einen Supermarkt o.ä. betreiben möchte. In den von mir genannten Entscheidungen des Reichsgerichts etwa den einer Tankstelle oder eines Tanzlokals. Doch auch ohne explizite Zweckbestimmung kann sich die - und das ist der Punkt - vom Vermieter geschuldete Tauglichkeit zur Nutzung aus den Umständen ergeben, etwa bei der Vermietung einer zur Unterkunft von Feriengästen bestimmten Immobilie in einem Ostseebad. Man könnte daher der Auffassung sein, dass es dem Vermieter - bei entsprechender Zweckbestimmung - aufgrund der landesrechtlichen Verordnungen nicht möglich ist, die Mietsache zum mietvertraglich vereinbarten Zweck zu überlassen (siehe dazu RGZ 91, 54 (56): "(...) ein die Tauglichkeit der Mietsache aufhebendes Verbot (...)"). So einfach ist es leider nicht... 

Der spannendste Aspekt ist für mich fast schon der Bolzplatzansatz  (wenn man da denn hinkommt): welche Entschädigungsansprüche des Vermieters gegen den Staat bestehen mit der Folge der Mietminderung (+) ? Ich bin dann im tiefsten IfSG. Und was ist, wenn V keine Entschädigungsansprüche geltend macht/machen kann? Bolzplatz lässt grüßen.:-)

Der Hinweis auf RGZ 91, 54 überzeugt nicht. Zum einen hebt das RG hier doch ausdrücklich darauf ab, dass das Verbot "allein wegen der örtlichen Lage der Insel Borkum [= Nordsee! d. Verf.] in Verfolg von Kriegszwecken" erlassen worden ist, und stellt das dem Umstand gegenüber, dass die "örtliche Lage" ein für die betriebliche Nutzung essentlieller Aspekt war; d.h. ein Objektbezug lag sehr wohl vor.

Zum anderen sollte auf derartige Rechtsprechung aus der juristischen Steinzeit (RGZ 91, 54 ist aus dem Jahr 1917) nur mit größter Vorsicht zurückgegriffen werden  -  in diesem Fall schon deshalb, weil die Kollegen seinerzeit den "Wegfall der Geschäftsgrundlage" als alternativen Lösungsansatz noch gar nicht zur Verfügung hatten.

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Das Rechtsinstitut des "Wegfalls der Geschäftsgrundlage" als Ausfluss vom Grundsatz "Treu und Glauben" wurde vom Reichgericht in der "juristischen Steinzeit" entwickelt. Dieses vom BGH anerkannte Rechtsinstitut wurde vom Gesetzgeber schließlich mit der "großen Schuldrechtsreform" 2002 in Gesetzesform gegossen. Und bevor jetzt noch weitere Unterschiede behauptet werden: Auch das sog. Verwendungsrisiko des Mieters war seit Anbeginn in § 552 S. 1 BGB idF vom 1.1.1900 geregelt (heute § 537 Abs. 1 S. 1 BGB).

Nein, zur Zeit der Entscheidungen RGZ 91, 54; 94, 267 (aus den Jahren 1917 bzw. 1919) gab es den "Wegfall der Geschäftsgrundlage" nicht, weder vom Begriff her noch der Sache nach. Anders erst wieder ab RGZ 99, 115; 100, 129 aus dem Jahr 1920 (und natürlich Paul Oertmanns "Geschäftsgrundlage" aus dem Jahr 1921).

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Ich halte das für einen Holzweg.

Selbst wenn der Mietvertrag den Verwendungszweck festlegt, berühren generelle Verbote m. E. nicht die Eignung des konkreten Mietobjekts. Wenn dem so wäre, hätten die Betreiber von Diskotheken bei jeder diesbezüglichen Verschärfung des Jugendschutzes einen Anspruch auf Minderung gegen den Vermieter, vielleicht sogar bei Maßnahmen des Gesetzgebers. Dieses Ergebnis wäre absurd - der Vermieter haftet nicht für den Staat. Das Verwendungsrisiko ist Sache des Mieters.

Mit behördlichen Verboten und Eingriffen, die zu einer Minderung berechtigen, sind m. E. objektbezogene Maßnahmen gemeint, bspw. eine baurechtliche Nutzungsuntersagung bspw. wegen fehlenden Brandschutzes.

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Auf dem Holzweg ist die Meinung mit dem für sie stellvertretenden Satz, die Miete müsse auf jeden Fall weiter gezahlt werden, wenn es sich um Gewerbemietobjekte mit Kundenverkehr handelt. Die Höhe der Miete für solche Objekte ist in der Regel immer von der Lage abhängig, die den potentiellen Kundenverkehr maßgeblich beeinflusst und verspricht. Ob und wie viele Kunden der Geschäftsbetrieb tatsächlich für sich gewinnt, das fällt gewiss in das Geschäftsrisiko des Gewerbebetriebs. Den Zugang an sich generell zu gewährleisten, könnte aber durchaus zum Mietobjekt ebenso dazu gehören wie seine Lage und damit in die Risikosphäre des Vermieters fallen.

Ob die Leistungsstörung über die Unmöglichkeit (275 BGB) oder die Geschäftsgrundlage (313 BGB) zu lösen ist, das wurde schon in Zusammenhang mit staatlichen Handelsembargos vor vielen Jahren heiß diskutiert. Das Problem ist also nicht völlig neu und nicht nur auf das Mietrecht beschränkt.

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Darin steckt Überzeugendes. Objektbezogenheit erweist sich im Eigentumsrecht, etwa Baurecht: ein Eigentpmer hat ein Recht darauf, dass sein Grundstück erschlossen ist, also Zugang im Rahmen öffentlichen Gemeingebrauchs hat. Wird er genommen, so iiegt Enteignung vor. § 906 BGB und immissionsschutzrechtliche Abwehrrechte gegenüber Immissionen belegen auch Objektbezug. -  Wer mit der Relevanz von "Umweltwirkungen" bzw, behördlichen Verboten weiter gehen will, möge meine obige Frage nach allgemeinen Fahrverboten wie 1973  und Kfz-Vermietung beantworten.

Was halten Sie denn davon, die Schließungsanordnung durch behördliche Allgemeinverfügung als Frage des Verwendungsrisikos zu sehen, für das § 537 Abs. 1 S. 1 BGB eine Teilregelung enthält, aus der man einen Umkehrschluss ziehen könnte; dann stellt sich nicht die Frage nach einem Mangel der Mietsache. (Der wäre dann auch die Lösung für die Frage, was bei Mietwagen während der Sonntagsfahrverbote 1973 galt.)

Das OLG Saarbrücken hatte am 22.12.2004 entschieden (8 W 286/04), dass zwar der Gewerbemieter grundsätzlich das Verwendungsrisiko trage. Aber: "Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen." (Hervorhebung von mir).

Meiner Meinung nach kommt hier die vorübergehende Unmöglichkeit weiterhin in Betracht, 

schließlich gehen der Umwelt entspringende, die Tauglichkeit des Mietobjekts „beeinträchtigende Störungen dann zu Lasten des Vermieters, wenn diese Störungen unvorhersehbar waren und die Nutzbarkeit des Mietobjekts allgemein mindern oder vereiteln. ‚Allgemein‘ heißt in diesem Zusammenhang, dass jeder aus der Sicht des Vermieters in Betracht kommende potentielle Mieter Opfer der der Umwelt entspringenden Störung geworden wäre. Der Kreis der potentiellen Mieter ist hierbei anhand der Eigenschaften des Mietobjektes, der Preisvorstellungen des Vermieters sowie anhand sonstiger Faktoren zu bestimmen, die im Moment des Vertragsschlusses nur bestimmte Nutzungsmodalitäten als sinnvoll erscheinen lassen. Werden alle diese Nutzungsmodalitäten gestört und ist diese Störung darüber hinaus im Sinne eines scharfe Anforderungen stellenden Maßstabes unvorhergesehen gewesen, so ist es sachgerecht, dem Vermieter das Störungsrisiko zuzurechnen. Der Mieter darf in derartigen Konstellationen mindern.“ 

Koller, NJW 1982, 201, 203 f.

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