BayObLG: Ganz schön hart bei Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter > §§ 316, 44, 69, 69a StGB

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 31.08.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht20|10838 Aufrufe

Nur ein kurzer Hinweis auf eine Entscheidung, deren Gründe noch nicht vorliegen - jedenfalls soweit mir bekannt. Das BayObLG hatte sich mit den Promillegrenzen bei Trunkenheitsfahrten (§ 316 StGB) mit E-Scootern zu befassen und hat doch erwartungsgemäß konsequent entschieden. E-Scooter sollen daher nicht anders als andere Kraftfahrzeuge behandelt werden.  So bestätigte das BayObLG auch eine Fahrerlaubnisentziehung und sogar noch daneben ein Fahrverbot nach § 44 StGB. Ich bin auf die Begründung gespannt...zumal ich die Frage der Regelungeeignetheit nach solchen Trunkenheitsfahrten offener sehe... HIER geht es jedenfalls zur Beck-Aktuell-Meldung. 

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20 Kommentare

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Das ist wieder eine typisch bayrische Rechtsprechung und mit Nachdruck. Bestimmt gibt es auch Promillegrenzen bei Trunkenheit ohne Fahrten die dann als eine kuenftige Erwartung ausgelegt wird. 

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Trunkenheit ohne Trunkenheitsfahrt kann tatsächlich zum Verlust der Fahrerlaubnis führen. Bei BAK von mehr als 1,6 Promille gehen Gerichte und auch VGs von Alkoholgewöhnung aus. Wenn dann noch Alkoholmissbrauch bzw. ein fehlendes Trennungsvermögen hinzu kommt zwischen Alkoholgenuss und Verkehrsteilnahme, dann kann die Verwaltungsbehörde die Vorlage eines MPU-Gutachtens verlangen. Wird das Gutachten nicht eingereicht, dann ist die Fahrerlaubnis in der Regel weg, aber auf einem anderen Weg als bei Trunkenheitsfahrt.

Von fehlendem Trennungsvermögen gehen VGs auch ohne Trunkenheitsfahrt aus, wenn besondere persönliche Merkmale vorliegen sollten: Der Betroffene wurde gewalttätig oder er führt beruflich ein Kraftfahrzeug. Aber diese Rechtsprechung ist nicht für Bayern als typisch bekannt, eher für den Norden.

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Werter Herr Kolos, ich verfolge manche Ihrer Beitraege. Die typischen Rechtsprechungen des Norden wurden dann eben auch in Bayern uebernommen um gleiche fragwuerdigen Schikanen fortzusetzen. Wenn es um einen Fuehrerschein geht sind alle Mittel recht mit endlosen Belehrungen, auch im nicht verkehrsbezogenen Bereich. Das besondere ist hier das Schlagwort  " Trennungsvermoegen " oder auch andere. Betrachtet man die nichtverkehrsbezogene Faelle mit Entzug der Fahrberechtigung, so hat sich der Inhaber diesen recht teuer erkauft. Wie waere dann der andere Weg, auch wenn die Person keinen Fuehrerschein hat? Zu TUEV und MPU Gutachten habe ich nach wie vor meine Bedenken.

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Hat der Betroffene keine Fahrerlaubnis, dann kann sie ihm auch nicht entzogen werden. Er ist nach 69 II StGB aber genauso ungeeignet und muss mit einer Sperre rechnen. 69a I 3 StGB: "Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet."

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Wenn die Person jedoch keine Fahrerlaubniss anstrebt, dann kann ihn eine Sperre wohl egal sein. Dass manche Verkehrsrichter einen Roller oder Fahrrad nicht von einen PKW unterscheiden koennen oder wollen, ist unglaublich.

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E-Roller, Fahrrad und PKW unterscheiden können wohl alle, auch alle Verkehrsrichter. Nur das allein hilft nicht weiter. Die Frage die sich stellt ist, ob Trunkenheitsfahrt mit E-Roller vergleichbar ist mit Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad oder PKW. Die Antwort ist nicht evident. Es kommt auf den Vergleichsmaßstab an. Stellt man auf die Antriebsart ab, dann gehören E-Roller und PKW zusammen, weil beides Kraftfahrzeuge sind. Stellt man auf die Betriebsgefahr ab, dann gehören E-Roller und Fahrrad zusammen.

Für Entziehung der Fahrerlaubnis nach 69 StGB stellt der Gesetzgeber ausdrücklich auf das "Führen eines Kraftfahrzeugs" ab, obwohl die Straftat wegen Trunkenheit auch bloß mit einem Fahrzeug begangen werden kann (z.B. 316 StGB). Liegen die Voraussetzungen des 69 StGB vor, dann ist Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend. Für richterliches Ermessen besteht kein Raum. Was soll der Verkehrsrichter dann also tun, sich an dem Wortlaut des Gesetzes halten oder soll er versuchen, daran zu drehen, z.B. mit einer Reduktion? Wenn er den Wortlaut reduziert, dann muss er sehr gute Gründe dafür haben.

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Es muss nicht mal 69 StGB vorliegen. Es reicht schon wenn eine betrunkene Person ein Fahrrad schiebt oder sich in seiner Wohnung befindet. Zwecks Entziehung ging der ehemaligen Justizminister noch einen Schritt weiter. Seiner Meinung nach sollte man Steuerbetruegern ebenfalls die Fahrerlaubniss entziehen, also in einen nichtverkehrsbezogenen Raum. Weiter wird meiner Auffassung doch nach der richterlichen Unabhaengigkeit entschieden, die Gesetzgebung mag hier ein Beiwerk sein. 

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Betrunken ein Fahrrad schieben oder in der eigenen Wohnung sein, sind keine Straftaten und auch keine OWis. Gleichwohl kann das im Verwaltungsrechtsweg negative Folgen haben. Ergibt sich aus einem früheren medizinisch-psychologischen Gutachten ein Alkoholmissbrauch, der eine dauerhafte Abstinenz erfordert, begründet ein festgestellter (erneuter) Konsum erheblicher Mengen Alkohol einen hinreichenden Grund, den Nachweis der Fahreignung durch eine MPU zu fordern (VG Ansbach, Beschluss vom 04.03.2019 – AN 10 S 18.2262, Rn. 19).

Zum Justizminister: Bevor ich so ein Geschwätz ernst nehme, verlasse ich mich doch lieber auf die Aufzählung in Anlage 4 (zu den §§ 11, 13 und 14 Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV), was die Frage der Eignung und bedingten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen angeht.

Zur richterlichen Unabhängigkeit: Recht und Gesetz sind keinesfalls nur Beiwerk für richterliche Entscheidungen. Und die richterliche Unabhängigkeit befreit den Richter nicht von seiner Bindung an Recht und Gesetz, sondern von Weisungen des Justizministers oder des Gerichtspräsidenten. Auf diese Weise soll die Bindung des Richters an Recht und Gesetz gerade gestärkt werden. Leider reicht das nicht immer, um vor Willkürentscheidungen oder gar Rechtsbeugung zu schützen. Ändert aber an der Bindung nichts.

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Werter Herr Kolos, ich kann nur das schreiben was ich in verschiedenen Quellen sehe. Ich habe mich sehr vorsichtig ausgedrueckt. Ueber Ihre ersten beiden Absaetze koennte man streiten. Den Dritten haben Sie mir, mit Abstrichen, mehr verstaendlich dargelegt. 

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Korrektur der o.a. Quelle:
VGH München, Beschluss v. 04.04.2019 – 11 CS 19.619

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-7172?hl=true

VG Ansbach, Beschluss vom 04.03.2019 (AN 10 S 18.2262), war die Vorinstanz.
 

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Nachtrag zu Justizminister. Nun weiss ich nicht ob mit Ihrer Anmerkung " Geschweaetz " damit meine Person gemeint war oder die des ehemaligen Justizministers Maas. Hier eine Fundstelle: Auch das Vorliegen einer Steuerstraftat reicht jetzt fuer den Entzug der Fahrerlaubniss aus. Auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit den Fuehren eines KFZ begangen wurde, kommt nun die Anordnung eines Fahrverbots in Betracht. Ein Fahrverbot kann zukuenftig auch bei Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ausgesprochen werden, Stichtag 23. 08.2017.--- Und somit kommt es zu dem was ich schon seit Langen befuerchtet habe. Der Fuehrerschein verkommt zu einen Allzeitdruckmittel mit diesen nun das Recht und Gesetz weiter gestaerkt wird. Wir freuen uns schon auf die kommenden Weisungen, sowie moeglichen Willkuerentscheidungen.

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Das Geschwätz des Bundesjustizministers konnte nur zum Teil umgesetzt werden (durch Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens). Seitdem kann nach 44 StGB Fahrverbot als Strafe z.B. an Stelle von Freiheitsstrafe angeordnet werden. Dagegen gibt es aber einige verfassungsrechtliche Bedenken, u.a. wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes.

Auch ist Fahrverbot keine Entziehung der Fahrerlaubnis. Beim Fahrverbot bleibt die Fahrerlaubnis an sich bestehen. Sie wird nur zeitlich eingeschränkt. Beim Fahrverbot geht es auch nicht um Eignung und die Eignungsprüfung. Fahrverbot hat die Funktion einer (Neben-)Strafe. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist dagegen als Maßregel der Besserung und Sicherung eine Maßnahme der Gefahrenabwehr.

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Die Entscheidung des BayObLG wird wohl keine Ausführungen zu Regelungeeignetheit enthalten, nachdem die Sprungrevision (als unzulässig) verworfen wurde.

Pressemitteilung 39 vom 28.08.2020:
https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/amtsgerichte/muenchen/presse/2020/39.php

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Ich halte die extensive Auslegung des Begriffs Kraftfahrzeug in 69 StGB durch die Rechtsprechung für verfehlt. Denn aus dem Wortlaut und dem Sinn dieser Vorschrift ergibt sich, dass der Gesetzgeber nicht alle Kraftfahrzeuge gemeint haben kann, sondern nur die Kraftfahrzeuge, zu deren Führung das Gesetz eine besondere Eignung des Fahrers verlangt, die in der Regel durch eine Fahrerlaubnis nachgewiesen wird. Nur diese Eignung kann durch eine Straftat "im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs" in Frage gestellt und verneint werden. Verlangt das Gesetz zum Führen eines Kraftfahrzeuges keine bestimmte Eignung, keine Eignungsprüfung und keinen Eignungsnachweis, dann kann die "Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers" gerade dieses Kraftfahrzeugs nicht zur Un-Eignung führen. Wo keine bestimmte Eignung, dort auch keine Uneignung.

Zum Führen von E-Scootern (bis 20 km/h), Segways und Elektro-Rollstühlen ist keine bestimmte Eignung erforderlich, obwohl es sich um Kraftfahrzeuge handelt. Wie soll sich aus einer pflichtwidrigen Verletzung beim Führen gerade dieser Kraftfahrzeuge dann die Uneignung herleiten lassen?

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Ergänzend:

Auch Thomas Fischer schreibt in seinem Kommentar zu 69 StGB: "Ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen jeder Art". Doch es gibt keine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen jeder Art. Es gibt nur die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen: § 11 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. Anlage 4:

" Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung [...] zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird." (Abs. 1 S. 1 u. 2)

Die FeV regelt nicht die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen jeder Art, sondern von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen. Und die Eignung in 69 StGB bzw. deren Verneinung entspricht der Eignung in 11 FeV.

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Werter Herr Kolos. Hiermit haben Sie Ihre wirklich treffende Beschreibung, extensive Auslegung, mal auf den Punkt gebracht. 

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Danke für Ihre Zustimmung. Es fühlt sich aber schon etwas skurril an, wenn Rechtsprechung und Rechtslehre nicht einmal die Möglichkeit erkennen wollen, dass "Kraftfahrzeug" in 69 StGB zu restriktiv ausgelegt wird und damit Kraftfahrzeuge jeder Art verstanden werden. Sogar LG Dortmund (31 Qs 1/20) und LG Halle (3 Qs 81/20), die im Ergebnis die Entziehung der Fahrerlaubnis ablehnen, legen offensichtlich restriktiv aus, differenzieren dann aber Kraftfahrzeuge nach dem konkreten und abstrakten Gefährdungspotential und argumentieren mit Regel und Ausnahme. Dem könnte man entgegenhalten, dass diese Differenzierung schon der Gesetzgeber vorgenommen hatte, indem er zum Führen von Kraftfahrzeugen mit hohem Gefährdungspotential Fahrerlaubnis und bestimmte Eignung verlangt (§ 11 FeV) und zum Führen von Kraftfahrzeugen mit geringem Gefährdungspotential wie eben bei dem E-Scooter (bis 20 km/h) keine Fahrerlaubnis und keine bestimmte Eignung erforderlich ist.

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Korrektur:
Ich habe habe restriktive und extensive Auslegung oben fälschlicherweise vertauscht. Gemeint war die extensive Auslegung. Rechtslehre und Rechtsprechung und sogar LG Dortmund und LG Halle legen "Kraftfahrzeug" in 69 StGB (zu) extensiv aus.

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Es gibt einige Begriffe im Gesetz, die im Wortlaut identisch sind, je nach Zusammenhang aber unterschiedlich ausgelegt werden. Man denke z.B. an den Begriff "Wohnsitz". Die steuerrechtliche Auslegung hat nichts mit dem BGB-Wohnsitz oder oder dem verwaltungsrechtlichen Meldepflicht-Wohnsitz zu tun.

Auch gibt es Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes, die zugelassen werden müssen, bevor sie auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden (§ 1 StVG). Dabei wird von der zuständigen Behörde die Eignung des Fahrzeugs geprüft. Es gibt aber auch Kraftfahrzeuge im Sinne der Fahrerlaubnisverordnung, deren Fahrer der Fahrerlaubnis bedürfen, um die zugelassenen Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen zu führen (§§ 4, 11 FeV). Die zuständige Behörde prüft dabei die Eignung des Bewerbers um eine Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 11 FeV). Dabei steht in § 11 Abs. 1 S. 3 FeV ausdrücklich: "Außerdem dürfen die Bewerber nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen [...] Strafgesetze verstoßen haben, sodass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird." Um genau diese Eignung geht es in § 69 StGB. Denn es gibt keine andere in diesem Zusammenhang. Es ist daher nahe liegend, den Begriff "Kraftfahrzeug" in § 69 StGB im Sinne der Fahrerlaubnisverordnung auszulegen. Dem verschließt sich aber die Rechtsprechung einschließlich des BayObLG aus unbekannten Gründen:

"Auch im Rahmen des § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB ist für den Begriff „Kraftfahrzeug“ die verkehrsrechtliche Legaldefinition des § 1 Abs. 2 StVG maßgeblich. Demzufolge sind Kraftfahrzeuge im Sinne von § 69 StGB alle mit Maschinenkraft angetriebenen, nicht an Bahngleise gebundenen Landfahrzeuge. Unerheblich ist, ob es für das Führen des Kraftfahrzeuges nach § 4 Abs. 1 FeV einer Fahrerlaubnis bedarf (Valerius in LK StGB 13. Aufl. § 69 Rn. 49)." (BayObLG Beschluss v. 24.07.2020 – 205 StRR 216/20,  Rn. 26)

Aus welchem Grund die Legaldefinition um die Zulassungspflicht des Straßenverkehrsgesetzes maßgeblich und die Legaldefinition um die Eignung des Bewerbers für eine Fahrerlaubnis nach der Fahrerlaubnisverordnung keine Rolle spielen soll, das ist nicht erkennbar und wird in der Entscheidungsbegründung des BayObLG auch nicht erklärt.

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