ArbG Siegburg: Arbeitgeber darf Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung während der Arbeitszeit anordnen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.01.2021
Rechtsgebiete: Arbeitsrecht4|3610 Aufrufe

Die Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschäftigen nicht nur die Verwaltungsgerichte; auch die Arbeitsgerichtsbarkeit muss sich mit interessanten Fragestellungen befassen, die sich in der Vergangenheit so nicht gestellt haben. Man denke beispielsweise an die immer virulenter werdende Frage, ob jedenfalls bestimmte Arbeitgeber (z.B. Alten- und Pflegeheime) von ihren Arbeitnehmern (Pflegepersonal) den Nachweis einer Impfung verlangen können und welche Sanktionen hier im Verweigerungsfall in Betracht kommen. Das Arbeitsgericht Siegburg (Urteil vom 16.12.2020 - 4 Ga 18/20) hatte es jetzt mit einem Arbeitnehmer zu tun, der offenbar das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung unter allen Umständen abwenden und viel lieber im Homeoffice arbeiten wollte.

Der Sachverhalt wird in der Pressemitteilung wie folgt wiedergegeben: „Der Kläger ist bei der Beklagten als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Die Beklagte ordnete mit Schreiben vom 6. Mai 2020 mit Wirkung zum 11. Mai 2020 in den Räumlichkeiten des Rathauses das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung für Besucher und Beschäftigte an. Der Kläger legte ein Attest vor, das ihn ohne Angabe von Gründen von der Maskenpflicht befreite. Sein Arbeitgeber wies ihn daraufhin an, ein Gesichtsvisier beim Betreten des Rathauses und bei Gängen über die Flure und in Gemeinschaftsräumen zu tragen. Der Kläger legte ein neues Attest vor, das ihn wiederum ohne Angabe von Gründen von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreite. Ohne Gesichtsbedeckung wollte die Beklagte den Kläger nicht im Rathaus beschäftigen. Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrte der Kläger im Eilverfahren seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung; alternativ wollte er im Homeoffice beschäftigt werden.“

Das ArbG Siegburg wies die Eilanträge des Klägers mit Urteil vom 16.12.2020 mit einleuchtender Begründung ab. „Nach Auffassung des Gerichts überwiegt der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses das Interesse des Klägers an einer Beschäftigung ohne Gesichtsvisier oder Mund-Nase-Abdeckung. Zudem hatte die Kammer Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Atteste. Die Kammer ging - wie auch das OVG Münster bei der Maskentragepflicht an Schulen - davon aus, dass ein solches Attest konkrete und nachvollziehbare Angaben enthalten muss, warum eine Maske nicht getragen werden könne, da der Kläger mithilfe der ärztlichen Bescheinigungen einen rechtlichen Vorteil für sich erwirken will, nämlich die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Betreten des Rathauses ohne Maske. Einen Anspruch auf Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes verneinte die Kammer in diesem Fall.“

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4 Kommentare

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aA sehr gut vertretbar - OVG Berlin-Brandenburg, 04.01.2021 - 11 S 132.20:

"§ 2 Abs. 2 Satz 2 der Dritten Verordnung über befristete Eindämmungsmaßnahmen aufgrund des SARS-CoV-2-Virus und COVID-19 im Land Brandenburg (3. SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung - 3. SARS-CoV-2-EindV) vom 15. Dezember 2020, geändert durch Verordnung vom 18. Dezember 2020, wird insoweit vorläufig außer Vollzug gesetzt, als das ärztliche Zeugnis danach die konkret zu benennende gesundheitliche Beeinträchtigung (Diagnose) sowie konkrete Angaben beinhalten muss, warum sich hieraus eine Befreiung von der Tragepflicht ergibt."

Noch deutlicher die sächsische VO:

"Absatz 3 stellt darüber hinaus klar, dass zum Nachweis der Befreiung von der Tragepflicht die Vorlage eines ärztlichen Attests, das von einer approbierten Ärztin bzw. einem approbierten Arzt ausgestellt worden ist, genügt. Eine gesonderte Begründung der Ärztin bzw. des Arztes ist dabei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erforderlich. Dem Betroffenen kann nicht zugemutet werden, fremden Personen die Diagnose zu offenbaren, zumal es sich bei diesen Personen nicht um medizinisch geschultes Personal handelt."

Masken sind Wegwerfartikel, Grundrechte u.a. auf Datenschutz hingegen nicht.

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Auch wenn auch ich die OVG entscheidungen für richtig halte, geht es um einen anderen Regelungsgehalt.

Ein Attest für einen öffentlichen Raum, in dem man sich auch längere Zeit aufhalten muss unterliegt anderen Anforderungen als ein Attest für wenige Minuten aufenthalt auf Fluren.

Eine Offenbahrung gegenüber dem Arbeitgeber ist etwas anderes als gegenüber dem Polizeibeamten.

 Was mich im vorliegenden Fall etwas wundert, ist das ein vom Arbeitgeber gewünschter zweiter Arzt das Attest bestätigt hat - diese wäre nach meiner (laienhaften) Auffassung ausreichend um Missbrauch zu verhindern.

Masken sind Wegwerfartikel, Grundrechte u.a. auf Datenschutz hingegen nicht.

Dieser Vergleich trifft die Sache nicht.

Masken sind zwar Wegwerfartikel aber sie dienen nicht dem Selbstzweck sondern dem Schutz der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Leben. Datenschutz ist ist im Grundgesetzt nicht ausdrücklich genannt, aber als Grundrecht aus Artikel 1 und 2 abgeleitet.

Gesundheit und Leben halte ich grundsätztlich für wichtiger als Datenschutz, allerdings wäre auf Grund des eher geringen Risikos eines falschen Attests von 2 Ärzten (davon einer vom AG benannt) aus meiner (wie gesagt laienhaften) Sicht der Eingriff in den Datenschutz unverhältnismäßig.

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Das Urteil ist sehr bedenklich. Seit wann muss man sich bei seinem Arbeitgeber outen, an welcher Krankheit ich leide. Für mich klare Inkompetenz bei Gericht. Was und wie ein Arzt urteilt darf nicht hinterfragt werden. Maximal kann hier ein Amtsarzt oder Betriebsarzt eingeschaltet werden. Aber dem Arbeitgeber geht es nichts an, an welche Krankheit ich leide oder welche Gründe ich sonst habe, keine Maske tragen zu können oder gar dürfen. Menschen können z. B.. durch bestimmte traumatische Erlebnisse (Überfall, Vergewaltigung etc.) nicht in der Lage sein, eine MNB zu tragen. Muss ich mich da meinem Arbeitgeber offenbaren? Dieses Urteil ist aus meiner Sicht ein Skandal. Wie weit sinkt diese Gesellschaft noch? Ich kenne mindestens 48 Studien, die genau nicht die Aussage treffen, dass MNB sinnvoll erscheinen lassen. Dies wurde hier m.E. nicht gebührend bewertet. Nur weil uns etwas ständig vorgehalten wird, was angeblich richtig sein soll, muss es nicht automatisch für alle Menschen auch richtig sein. Erschreckend, nun auch so viel Inkompetenz bei Gericht.

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Nun, in Bochum ist derzeit eine Hetzkampagne gegen einen attestierenden Arzt in Gang gesetzt - Gesundheitsamt, Polizei, Staatsanwaltschaft, Ärztekammer, Presse.

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