Eigenbedarf und die zu früh erhobene Räumungsklage - Haftungsrisiken

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 05.06.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtMiet- und WEG-Recht2|8885 Aufrufe

Im Schatten einiger neuerer Entscheidungen des BGH zum Eigenbedarf und zur unzumutbaren Härte werden immer wieder Entscheidungen von Amts- und Landgerichten veröffentlicht, die für die Praxis durchaus bedeutsam sind - und haftungsrelevant.

Eine solche ist z.B. ein Kostenbeschluss des LG Aurich vom 16.4.2019, 4 T 90/19, BeckRS 2019, 6986. Der Kläger kündigte Ende Juli 2018 einen Mietvertrag wegen Eigenbedarfs, die Kündigungsfrist lief am 31.1.2019 ab. Die beklagten Mieter reagierten nicht, was dem Kläger - offenbar ungeduldig - wenig passte. Daraufhin drängelte der Kläger, indem er Mitte September 2018 die Mieter aufforderte, bis zum 26.9.2018 zu erklären, dass die Kündigung akzeptiert wurde. Als die Beklagten noch immer nicht reagierten und auch keinen Widerspruch gegen die Kündigung erklärten, reichte der Kläger Räumungsklage Anfang Oktober 2018 ein mit dem Antrag, die Beklagten zu verurteilen, das Objekt zum 1.2.2019 geräumt herauszugeben. Noch im Oktober zogen die Beklagten aus der Wohnung aus, so dass der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärte.

Der Kläger bleibt nach Auffassung des LG Aurich auf seinen Kosten sitzen, da er zu früh klagte - eine Klage auf künftige Räumung komme mangels Reaktion des Mieters nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 259 ZPO lägen nicht vor, da der Beklagte nicht zu erkennen gegeben habe, nicht ausziehen zu wollen. Es entspräche daher billigem Ermessen i.S.d. § 91a ZPO, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Entscheidung ist zutreffend. In diesen Fällen müssen anwaltliche Berater den ungeduldigen Vermieter "bändigen" - man kann den Mieter nicht zu einer Erklärung zwingen. Klar ist, dass dann, wenn der Mieter gegen die Kündigung Widerspruch aufgrund von Härtegründen gem. § 574 BGB einlegt. Letztlich ist alles andere im Ergebnis eine Umgehung der Wertung des § 574b II BGB, wonach der Mieter spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist begründeten Widerspruch gegen die Kündigung einlegen sollte.

P.S. und kurz Themenwechsel in eigener Sache: der Verfasser dieser Zeilen hat die Kanzlei gewechselt und ist seit dem 1.6. Partner bei Weiland Rechtsanwälten in Hamburg (mit mailanschrift wie hier ersichtlich: http://www.weiland-rechtsanwaelte.de/de/anwaelte-im-ueberblick/dr-michael-selk )

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2 Kommentare

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Was ist das für ein Satz und was soll er bedeuten? Da fehlt wohl die Hälfte ....

Klar ist, dass dann, wenn der Mieter gegen die Kündigung Widerspruch aufgrund von Härtegründen gem. § 574 BGB einlegt.

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Hallo,

Uns wurde zum 31.08.2021 wegen Eigenbedarfs gekündigt. Dem Vermieter schien das alles aber nicht schnell genug zu gehen, und so hat er bereits am 06.06.2021, also noch vor Ablauf der Widerrufsfrist (30.06.2021) eine Räumungsklage eingereicht, die uns am 20.06.2021 zugestellt wurde.  Wir haben bis zu diesem Zeitpunkt keinen Grund zur Besorgnis gegeben und wollen uns daher gegen die Klage mit der Begründung auf Unzulässigkeit  (Räumungsklage ist als Klage auf zukünftig Leistung nicht rechtens) verteidigen und haben dieses auch entsprechend angezeigt.

Parallel haben wir bis zum Tag der Widerufsfrist nach Ersatzwohnraum gesucht, aber keinen gefunden und so am 29.06.2021 Widerspruch gegen die Kündigung eingereicht.

Wie ist eine Räumungsklage vor Einreichen eines Widerspruchs zu werten? Müsste diese mit Bezug auf zukünftige Leistung abgewiesen werden, da nur alle bis zur Klageerhebung vorliegenden Unterlagen und Kommunikationen zu bewerten sind, oder kann der nach der Räumungsklage eingereichte Widerspruch mit der Klage "verrechnet" werden, also im Prinzip so gewertet werden, als ob der Widerspruch vor der Klage eingereicht wurde? 

Vielen Dank für jegliche Meinungen, Ratschläge, Präzedenzfälle.

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