Ran an den Speck - abgemahnt

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 21.06.2021
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht8|3523 Aufrufe

Juristisch ist der Fall kaum eine Pressemitteilung des BAG wert, der Sachverhalt dafür umso mehr: Der Kläger ist als Redakteur bei der "Wirtschaftswoche" beschäftigt. Wenn er Nachrichten, die ihm bei seiner Tätigkeit für den Verlag bekannt geworden sind, anderweitig verarbeiten, verwerten oder weitergeben will, bedarf er kraft Arbeits-/Tarifvertrags der schriftlichen Einwilligung seiner Chefredaktion.

2017 nahm er im Rahmen einer Dienstreise an der Eröffnung eines neuen Standorts eines deutschen Unternehmens in den USA teil. Beim abendlichen Buffet wurde er von der ausrichtenden Unternehmerin gefragt, warum er gar nichts esse. Auf seine Antwort, er habe "zu viel Speck über'm Gürtel" kniff die Unternehmerin ihm in die Hüfte. In seinem Bericht erwähnte er auch diesen Vorfall, der jedoch von der Redaktion gestrichen wurde. In einem Gespräch mit seinem Chefredakteur versuchte der Kläger, die Veröffentlichung doch noch zu erreichen, was dieser ablehnte. Auch eine Publikation in einer anderen Zeitschrift wurde ihm unter Hinweis auf das vertragliche Konkurrenzverbot untersagt. Das hielt ihn aber nicht davon ab, den Beitrag gleichwohl in der "taz" zu veröffentlichen (wo er hier bis heute online verfügbar ist).

Die Arbeitgeberin zeigte sich not amused und mahnte den Kläger ab. Seine auf Entfernung der Abmahnung gerichtete Klage blieb in allen drei Instanzen ohne Erfolg.

Die Verpflichtung eines Redakteurs, den Verlag vor der anderweitigen Veröffentlichung einer ihm während seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit bekannt gewordenen Nachricht um Erlaubnis zu ersuchen, verstößt weder gegen Verfassungs- noch gegen Konventionsrecht. Im Rahmen der Abwägung der kollidierenden Grundrechtspositionen von Redakteur und Verlag ist zu berücksichtigen, dass Letzterer erst durch die Anzeige der beabsichtigten Nebentätigkeit in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob seine berechtigten Interessen durch die beabsichtigte Veröffentlichung beeinträchtigt werden. Dahinter muss das Interesse des Arbeitnehmers, die Nachricht ohne vorherige Einbindung des Verlags zu veröffentlichen, regelmäßig zurücktreten.

BAG, Urt. vom 15.6.2021 - 9 AZR 413/19, Pressemitteilung hier

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8 Kommentare

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Im Artikel der taz schreibt der Betroffene:

Der Sprecher bot mir eine Entschuldigung seiner Chefin an. Am nächsten Tag aber drohte er - unterschwellig, aber unmissverständlich - im Fall einer Veröffentlichung mit negativen Folgen.

Genau, das hat er jetzt bekommen: negative Folgen seitens seines Arbeitgebers. Merke: Wer über eine übergriffige Anmache eines Mannes an einer Frau schreibt, ist ein Held und wird belobigt. Wer über eine übergriffige Anmache einer Frau an einem Mann schreibt, bekommt Ärger mit der Frau und seinem Arbeitgeber und verliert bei Gericht. So viel zu den derzeitigen Statusverhältnissen im Verhältnis Mann/Frau...

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Der Mann hat vollkommen zu Recht verloren, dass hat nichts mit "übergriffiger Anmache einer Frau" zu tun sondern mit vertragswidrigem Verhalten. 

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Ich frage mich, ob er auch abgemahnt worden wäre, wenn er sich "nur" "an die Öffentlichkeit gewandt" hätte. Also über seinen privaten Facebook-Account, eine Pressemitteilung oder er es einfach einem Kollegen "gesteckt" hätte. Aber für den Beitrag in der taz hat er vermutlich Geld bekommen und das muss sich der Arbeitgeber nicht gefallen lassen.

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Die "Marginalität" des Vorfalls bestätigt der Kläger in seinem Artikel in der TAZ. Es ging ihm wohl vielmehr "ums Prinzip".

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Ich verstehe das Problem nicht: Die eigene Zeitung hat den Beitrag zweimal abgelehnt. Wollte ihn also nicht. Wo ist denn da eine Konkurrenztätigkeit oder ein schutzwertes Interesse der Arbeitgeberin?

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Das schützenswerte Interesse besteht in der Vertragsklausel, insofern ist nicht von Relevanz das der AG zuvor abgelehnt hat.

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Das schützenswerte Interesse der Wirtschaftswoche besteht auch darin, zu solchen Veranstaltungen eingeladen und damit recht exklusiv berichten zu können. Wenn man anschließend die Gastgeberin in ein schlechtes Licht rückt, ist man beim nächsten Mal nicht mehr dabei.

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