"Eigentlich ist doch egal, wer seinen Vater erschossen hat."

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 16.09.2011

Wolfgang Steinke, ehemaliger Präsident der Abteilung Staatsschutz des BKA, äußert sich so gegenüber 3sat über Michael Buback, der seit Monaten als Nebenkläger versucht, die Rolle von Verena Becker beim Anschlag auf seinen Vater, den ehemaligen Generalbundesanwalt, aufzuklären (bereits mehrfach Thema im Beck-Blog  zB hier und hier). Steinke, der schon das Anliegen Bubacks, die Mörder seines Vaters zu kennen, "nicht nachvollziehen" kann, hält Michael Buback "für verbohrt, wenn nicht krank" (3sat-Video).

Ich hingegen kann kaum nachvollziehen, weshalb ein Herr Steinke das menschlich selbstverständliche und rechtlich gebotene Aufklärungsinteresse des Sohns so "verbohrt" verleugnen kann.  Beim Zitat sträuben sich mir vielmehr die Nackenhaare. Offenbar meint Steinke, es genüge doch, wenn irgendwer für die Tat verurteilt wurde - nach dem in den damaligen Prozessen gegen die RAF verfolgten Strategie: Jedes Mitglied der RAF kann quasi gesamtschuldnerisch für alles verantwortlich gemacht werden. Aus dieser "Rechts"-Sicht kann es dann "egal" sein, wer den Vater erschossen hat.

Begrenzt nachvollziehbar ist allenfalls, dass Christian Klar, der gestern im Prozess trotz eindringlicher Appelle des Vorsitzenden Richters und Michael Bubacks, die Aussage verweigerte (Bericht der SZ). Weil nicht auszuschließen ist, dass sich Klar durch eine Aussage selbst belastet, hatte ihm der BGH ein Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden, das von ihm - wie von fast allen anderen ehemaligen RAF-Angehörigen, die bislang im Prozess auftraten - auch wahrgenommen wurde. Aber moralische Appelle sind natürlich in den Wind gesprochen, wenn mit Händen zu greifen ist, dass die  Verantwortlichen, einschließlich des Vertreters der Anklage, selbst kaum ein Aufklärungsinteresse haben und dies sich sogar von seinen ehemaligen Top-Terroristenjägern bestätigen lassen. Und wenn Verfassungschutzakten, die Aufschluss darüber geben könnten, ab wann und in welcher Weise Verena Becker mit dem Verfassungsschutz kooperierte, noch nach über 30 Jahren gesperrt bleiben.

Links:

Blog von Michael Buback zum Verfahren

Terrorismus-Blog von Holger Schmidt zum Verfahren

 

 

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12 Kommentare

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Herr Buback wirft seit Jahren einem größeren Kreis von damals Verantwortlichen vor, vorsätzlich die Aufklärung des Mordes an seinem Vater sabotiert zu haben, und legt sich dabei recht wenig Zurückhaltung in seiner Wortwahl auf. Da muss sich niemand wundern, wenn die Angesprochenen persönlich angefressen sind und nicht mehr jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legen.

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Gerd schrieb:

 Da muss sich niemand wundern, wenn die Angesprochenen persönlich angefressen sind und nicht mehr jedes ihrer Worte auf die Goldwaage legen.

Gerade dies kann man wohl von einer derart exponierten Person verlangen!

Und ich kann bei Herrn Buback sehr gut nachvollziehen, dass er den konkreten Täter kennen möchte. Dies ist ihm im Rahmen seiner eigenen persönlichen Aufarbeitung dieses Teils seiner eigenen Geschichte von Wichtigkeit. Mir würde es ebenso ergehen. Solange der Täter anonym bleibt, ist der Fall nicht gelöst und es bleibt hinsichtlich der nicht offen gelegten Akten ein Geschmäckle.

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Sehr geehrter Herr Gerd,

ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass Herr Steinke "angefressen" ist oder sich gegen Vorwürfe von Seiten Herrn Bubacks zur Wehr setzen will bzw. dass er in der Aufregung seine Worte nicht mehr "auf die Goldwaage" legt. Für solche Gefühle hätte ich schon Verständnis. Es sind aber - wenn man sich das anschaut - wohl überlegte Worte und tatsächliches "Unverständnis" der Situation und des Anliegens Bubacks. Da Steinke selbst ja im Interview mitteilt, auch Generalbundesanwalt Kurt Rebmann habe Verena Becker als Mordschützin im Verdacht gehabt, kann er den Verdacht Bubacks, den dieser ja nicht völlig aus der Luft greift (vgl. sein Buch zum Thema), auch nicht für abseitig bzw. als die Idee eines verbohrten oder kranken Menschen bezeichnen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Die Zeugenaussagen, auf deren Grundlage sich die "Frau-als-Schütze-Theorie" entwickelt hat, sind  -  was Rebmann kaum wissen konnte  -  längst als Phantasieprodukte erwiesen (d.h. für alle außer für Buback).

 

Aber das "Krankhafte" an Bubacks Feldzug ist ja auch nicht die trotz allem gar nicht unplausible Vorstellung, Frau Becker könne die Schützin gewesen sein, sondern die durch nichts auch nur nahegelegte Theorie von einer großangelegten Vorschwörung innerhalb der Spitzen von Staat und Strafverfolgungsorganen, um ausgerechnet die Mörderin des Generalbundesanwalts zu decken.

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Sehr geehrter Gerd,

vorstellen kann ich mir die "allgemeine Verschwörung", dass wenn denn nun schon mal jemand verurteilt wurde, dann muss das auch so richtig sein, wen interessiert schon die Wahrheit! Das ist das erschreckende am Statement von Herrn Steinke.

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Ich verstehe nicht, wieso Christian Klar sich auf Aussageverweigerung berufen kann, weil er sich selbst belasten könnte. Er ist doch exakt wegen des Buback Mordes bereits verurteilt worden! (Genauer: das war eine der Straftaten, wegen der er verurteilt wurde.)

Soweit mir bekannt, ist es ein  2000 Jahre alter  Rechtsgrundsatz, dass niemand zweimal wegen der selben Tat verurteilt werden kann?

Weiterhin sehe ich keinen guten Grund, warum Herr Buback nicht davon reden soll, dass man den Eindruck bekommt, als ob es bei Verena Becker eine "schützende Hand" gäbe. Er argumentiert sehr folgerichtig, ich kann nichts Abwegiges in seinem Buch feststellen.

Es ist doch mittlerweile erwiesen, dass Verena Becker seit 1981 Verfassungsschutzagentin war. Nachdem das klar ist, wieso wäre es so unvorstellbar, dass sie es schon vorher war?

Vor allem: es gibt doch viele Indizien, die dafür sprechen, wie Dr. Kraushaar in seinem Buch zu Verena Becker erläutert. Wieder jemand, der ein ausgewiesener Experte ist.

Weiterhin: wer sich nur kurzfristig mit den Terrorismus-Verhältnissen in Italien beschäftigt hat, weiß, dass solche Vermutungen eines von Staatsseite instrumentalisierten Terrors alles andere als abwegig, sondern naheliegend sind. Ich empfehle "Aldo Moro" und "Gladio" z.B.  in Wikipedia anzuschauen, oder sich das Buch des Schweizer Historikers Daniele Ganser zu kaufen. Diese ungeheurlichen Vorgänge wurden aber nie Thema einer breiten öffentlichen Diskussion, d.h. dass man es gleichzeitig im Spiegel und in der Bild liest und es im Heute Journal und bei Maischberger hört. Wie kann das sein? Welche für einen Demokraten beruhigende Erklärung gibt es dafür?

Der italienische Ministerpräsident Andreotti benutzte Deutschland als Verteidigung, als er die Existenz von "Gladio" offiziell zugegen musste. Gleichlautend auch der Chef der Gegenspionage des italienischen Militärgeheimdienstes, General Maletti, der sich seiner 31 jährigen Gefängnisstrafte durch Exil in Südafrika entzog. Beide argumentierten, dass in Italien Gladio zwar exisitiert habe und es auch von Geheimdiensten gesteuerten Terrorismus gegeben habe, aber es habe ja ein Land gegeben, in dem das alles noch viel schlimmer gewesen sei: Deutschland.

Angesichts dieser Lage wäre die beste Verteidigung die Freigabe aller Akten zu diesem Thema und eine Wahrheitskommission zum Thema Terrorismus, ähnlich wie in Südafrika nach der Apartheid. Wer die komplette Wahrheit wissen will, muss allen Beteiligten eine Amnestie anbieten.

Dann würde das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat "schwimmfähig" bleiben, und der schmerzhafte Prozess wäre sogar ein Beleg für die Selbstreinigungskraft des demokratischen Staates.  So würde ich das sehen, wenn es geschähe. Wie das bei einem Geständnis eben ist. Wird die Wahrheit  aber mühsam ans Tageslicht gezerrt werden müssen, sollte man sich alle die genau merken, die an der Vertuschung teil hatten. Sie müssen entsprechend bestraft werden. Vor allem damit, dass sie jeden Anspruch auf Macht und Ämter Zeit ihres Lebens verlieren. Und ihre Vorgesetzten ebenfalls. Und die Durchsetzung dieser Drohung muss stattfinden, durch Druck der Öffentlichkeit, egal ob der Staatsapparat will oder nicht. Wenn man auf den Staat wartet, geht das aus die die juristische Aufarbeitung des NS Herrschaftsapparates durch die BRD Justiz.

Warum ist die Verfassungsschutz-Akte Verena Becker auf unbegrenzte Zeit unter Verschluss? Weil darin nur harmlose Sachen stehen? Doch eher, weil darin Sachen stehen wie bei den BND Akten von Klaus Barbie oder Adolf Eichmann, die sich auch einer "schützenden Hand" erfreuen durften.

Die entscheidende Frage scheint mir zu sein, ob sich die Freunde des demokratischen Rechtsstaates durchsetzen (die Fundis), oder die Vertreter einer machiavellistischen Staatsauffassung. (die Realos) Und ob sich Öffentlichkeit und Publizistik bei dem anstehenden Prozess ihrer Aufgabe gewachsen zeigen. So wie sich die westlichen Staaten unter Führung der USA entwickelt haben und so wie Süddeutsche oder Spiegel schreiben, zweifle ich am Happy End.

Wie in der Weimarer Republik hat auch heute die Demokratie zu wenig entschiedene, entschlossene Anhänger, dies gilt -wie damals- vor allem für den Staat selbst.  Wie damals gibt es zu viele Kriecher, Schleimer und Buckler und zu wenig durchgehaltenen Anstand. Dies gilt vor allem für seine Sicherheitsorgane, die nicht gerade den Geist von 1848 verströmen.

Am ehesten könnte man auf die Ostdeutschen hoffen - ihre tiefstsitzende Abneigung gegen Staatslügen und hohle Phrasen und die bewiesene Stärke gegen einen moralisch maroden Staat - wenn diese gelernten Ex-DDR Bürger nicht so mutlos geworden wären.

 

 

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Sehr geehrter Herr Gerd,

Sie schreiben:

die trotz allem gar nicht unplausible Vorstellung, Frau Becker könne die Schützin gewesen sein, sondern die durch nichts auch nur nahegelegte Theorie von einer großangelegten Vorschwörung innerhalb der Spitzen von Staat und Strafverfolgungsorganen, um ausgerechnet die Mörderin des Generalbundesanwalts zu decken

Ich weiß nicht, ob Michael Buback eine solche "großangelegte Verschwörung" wirklich nahelegt. Diese ist m.E. auch gar nicht unbedingt erforderlich. Aus der Erfahrung mit dem Schmücker-Verfahren (Ulrich Schmücker wurde 1974 ermordet) in Berlin weiß ich, dass Geheimdienste ggf. alles daran setzen ihre "Informanten" zu schützen und dabei rechtsstaatliche Grenzen nicht immer akzeptieren. Die Denkweise könnte so aussehen: Immerhin hat Verena Becker für ihre RAF-Beteiligung eine Freiheitsstrafe verbüßt und für den Mord am Generalbundesanwalt sind auch RAF-Terroristen verurteilt worden. Gegenüber dem geheiligten Informantenschutz nachrangig ist daher das Interesse des Sohnes an der präzisen Aufklärung des Attentats (so jedenfalls das in dem zitierten Ausspruch offenbarte Denken von Herrn Steinke und möglicherweise  auch einigen weiteren Polizeibeamten/Staatsschützern/Verfassungsschützern/Bundesanwälten).

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:
Aus der Erfahrung mit dem Schmücker-Verfahren (Ulrich Schmücker wurde 1974 ermordet) in Berlin weiß ich, dass Geheimdienste ggf. alles daran setzen ihre "Informanten" zu schützen und dabei rechtsstaatliche Grenzen nicht immer akzeptieren.
Da haben Sie bei Wikipedia aber massiv was falsch verstanden  -  im Fall Schmücker wurde der "Informant" (= Schm.) nicht geschützt, sondern gerade ermordet.

Die Stelle des Fernsehbeitrags, in der sich Steinke dafür ausspricht, den "geheiligten Informantenschutz" über das Aufklärungsinteresse der Hinterbliebenen zu stellen, müssen Sie uns nochmal zeigen.

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Verena Becker hat als eine der wenigen spaeter  mit dem Verfassunsgschutz kooperiert.

deswegen wurden wohl auch Geruechte gestreut, welche die Verraeterin belaseten sollen.

warum Bubacks Sohn so wild darauf ist, ausgerechnet Verena Becker als Schuldige zu sehen:

wenn ein geliebter Mensch an einer schrecklichen Krankheit stirbt, geben manche Angehoerige den Aerzten die Schuld und nicht der Krankheit.

Dabei war Bubacks Vater selbst ein Arzt, der gegen die Krankheit Terrorismus kaempfte.

er wurde dabei nicht Opfer eines Einzeltaeters, sondern einer wahnwitzigen Organisation, die bis zum heutigen Tage keine Reue gezeigt hat, zu der es gehoeren wuerde die naeheren Umstaende ihrer Verbrechen aufzuklaeren.

Bubacks Hass richtet sich leider nicht gegen diese Oraganisation, sondern gegen jene, die wie sein Vater sie bekaempft hatten

 http://aron2201sperber.wordpress.com/

 

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Sehr geehrter Herr Gerd,

Sie schreiben:

Da haben Sie bei Wikipedia aber massiv was falsch verstanden  -  im Fall Schmücker wurde der "Informant" (= Schm.) nicht geschützt, sondern gerade ermordet.

Ich habe mich schon etwas länger mit dem Schmücker-Fall befasst als die wikipedia existiert.  Es gab eine Zeit vor internet und auch da gabs  schon Zeitungen, Bücher etc. Zudem konnte man als Zuhörer Hauptverhandlungstermine in Berlin miterleben. Wahrscheinlich haben Sie aber auch einfach bei wikipedia nicht weit genug gelesen. Der Informant, den ich meine, hieß bzw. nannte sich Weingraber. Kurz nach der Tat hat er die Tatwaffe dem VS übergeben, seine evtl. Tatbeteiligung hat der VS Berlin systematisch geheimgehalten. Die Waffe lag dann einige Jahre im Schrank des VS Berlin. Dieser Informant wurde den Gerichten vorenthalten und mit Bargeld (fast 1 Mio. DM) und neuer Identität "unerreichbar" gemacht. Vielleicht hätte dieser Mann den Mord verhindern können, vielleicht hat er sogar aktiv Beihilfe geleistet.

Mit meiner Einschätzung, auch im Fall Buback gehe es um Informantenschutz, habe ich versucht, der Äußerung Steinkes einen rationalen Hintergrund zu geben, denn nur so erscheint es mir erklärbar.  Vielleicht weiß er aber auch einfach gar nicht, was er da sagt.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Es geht eher um Illusionsschutz als um Informantenschutz. Die großangelegten Verschwörung, wenn man es so nennen möchte, ist diesem Sachverhalt immanent, weil jedem der Funktionsträger mit gleich welchem Hintergrund klar ist, dass eine geführte Person keinen Generalbundesanwalt erschossen haben kann, haben darf; und das in dem Moment, in dem er davon erfährt - schon ist er verschworen.
Buback hat schon den richtigen Riecher. Die Worte Steinkes, die Grundhaltung der Steinkes an sich, sind mit der Kenntnis verbunden, dass Buback seine Theorie bis zur Beweiskraft ausarbeiten kann und es trotzdem nichts nutzt. Da teile ich (wieder mal) Ihr Vertrauen in die Justiz nicht, Herr Müller. Eine objektive Würdigung wird man ihm gerade dort versagen, weil es da "ernst wird". Das Problem ist doch nicht inhaltlich, was Christian Lochte im Freundeskreis hinausposaunte oder bei wikipedia oder in Blogs steht, sondern die Angst vor wahren Urteilssprüchen, vor der demokratischen Unruhe, die besagte Funktionsträger, teils die Richter selbst, zur "Verschwörung" hinreißt. Wenn Michael Buback eines verkennt, dann dass die Justiz und auch die Behörde seines Vaters in Deutschland die erste Adresse ist, um die Dynamik des Stillstands zu verwalten. Nehmen Sie einen Fall aus der anderen Ecke des Rings: Volker Foertsch war erst und gerade dann entlastet, nachdem die Beweise gegen ihn an die Bundesanwaltschaft gegangen waren. Die politische Kultur ist auch von denen nicht zu überwinden, die Buback als Gegenspieler wahrnimmt.

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Zum Thema "Informantenschutz". Dass Frau Becker ab Anfang der 80er Jahre mit dem VS zusammenarbeitete, ist inzwischen allgemein bekannt. Um dies noch zu verheimlichen, braucht man keine VS-Akten zu sperren. Einige Journalisten, die Bubacks Vermutungen kritisch sehen, haben deshalb schon gemutmaßt, in den gesperrten Akten könne deshalb nichts für die Aufklärung Erhebliches drin stehen (z.B. Reinhard Müller).

Interessant ist, dass Informationen aus der VS-Akte zu Becker offenbar auch in das Gnadenverfahren Eingang fanden. Die Stellungnahme zum Gnadenantrag für Verena Becker (nach zwölf Jahren verbüßter lebenslanger Freiheitsstrafe, neun Jahre nach der Verurteilung) aus der Feder des Generalbundesanwalts Rebmann (Nachfolger des ermordeten Buback) wurde im August in der Hauptverhandlung verlesen. Darüber berichtet jetzt Michael Buback ausführlich in seinem Blog (auf 3sat). Zitat:

Der Generalbundesanwalt sieht trotz der Verurteilung zu lebenslänglicher Haft eine bedingte Strafaussetzung im Gnadenwege zum 9. Oktober 1990 als sachgerecht an. Er begründet sein Votum mit Verena Beckers veränderter Einstellung zu ihren Taten, die in ihrem Gnadengesuch glaubhaft zum Ausdruck komme und die sich von ihrer früheren, im Urteil aus dem Jahr 1977 geschilderten “kaum noch zu überbietenden kriminellen Energie und Ausdauer” unterscheide.

(...)

Eine nachfolgende, etwa zwölfzeilige Passage in Rebmanns Begründung ist geschwärzt. Dies ist die einzige Schwärzung im Gnadenheft.

(...)

Mich interessiert, warum eine Passage im Gnadenheft geschwärzt ist, obwohl sie zweifellos einen für Verena Becker positiven Inhalt haben muss. Auch ist es nicht irgendwer, der sich für ihre Begnadigung einsetzt, sondern der Generalbundesanwalt. Warum dürfen weder die Öffentlichkeit noch der jetzt zuständige Senat des Oberlandesgerichts erfahren, was so stark zugunsten der Angeklagten spricht, dass ihre lebenslange Haftstrafe auf gut neun Jahre verkürzt wurde? Das Bundesministerium der Justiz hat auf den Wunsch des Senats, die Sperrerklärungen für die “Verfassungsschutzakte” sowie für die Passage im Gnadenheft aufzuheben, geantwortet, es sei erforderlich, diese Passage zu sperren, da es sich hierbei um Erklärungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) handle, die sich im Original in einem Schreiben finden, das in der Operativakte des BfV abgelegt sei. Die Passage im Gnadenheft enthält also Information aus der “Verfassungsschutzakte”. Da diese Akte gesperrt ist, bleibt auch die Passage im Gnadenheft geschwärzt.

Also: Der VS hat aus seiner geheiligten Operativakte Informationen herausgegeben, um den Gnadenakt zugunsten seiner Informantin zu unterstützen. Jetzt, über zwanzig Jahre später und angesichts eines neuen Verfahrens gegen seine begnadigte Informantin, wird mit dem Segen des JuMi "aus Prinzip" eine rechtsstaatliche Aufklärung behindert. Da fragt sich doch: Ist der VS der Lakai der Informantin Becker oder ist der VS eine Behörde eines demokratischen Rechtsstaats?

Mir drängen sich folgende Fragen auf: Hat der VS schon damals (1989) gewusst, dass Becker am Buback-Mord beteiligt war (zumindest im jetzt angeklagten Umfang), für den sie nie verurteilt wurde? Wenn ja, warum haben der VS und der GBA trotzdem ihre Begnadigung unterstützt? Könnte das Motiv dafür in den geschwärzten zwölf Zeilen stehen?

Oder wurde der VS von seiner Informantin Becker bezgl. des Buback-Mordes hintergangen und hat alo insofern "gutgläubig" den Gnadenantrag unterstützt? Wenn es so war, dann fragt sich, warum der VS (und das JuMi) sich der damals  lügenden Informantin jetzt noch so verpflichtet fühlt, dass solche Passagen geschwärzt werden müssen.

Oder hat Becker sogar schon zum Zeitpunkt des Buback-Mordes mit dem VS zusammengearbeitet?

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