Angeklagter quasselt dazwischen: Ordnungsgeld > Für die Sachverhaltsdarstellung im Beschluss reicht "stillschweigende Bezugnahme auf Sitzungsniederschrift"

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 26.10.2021
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|2837 Aufrufe

Der Angeklagte unterbrach die Zeugenaussage mehrfach. D. Vorsitzenden wurde das zu bunt. Und es hagelte zwei Ordnungsgeldbeschlüsse. Deren genauer Wortlaut ist leider nicht wiedergegeben. Er scheint sich aber nur in üblichen Floskeln erschöpft zu haben, also etwa: "b.u.v.: Gegen den Angeklagten wird wegen Ungebühr im Rahmen der Zeugenvernehmung der Zeugin X ein Ordnungsgeld von 150 Euro, ersatzweise 3 Tage Ordnungshaft, festgesetzt". Dem OLG reichte das. Ausreichendes rechtliches Gehör konnte es ebenso im Protokoll feststellen, wie auch den Verfahrensgang als Begründung des Ordnungsgeldes. Nicht einmal eine echte Bezugnahme darauf war für das OLG erforderlich. Eine "stillschweigende Bezugnahme" reicht. Und schließlich fand das OLG auch in § 178 GVG die angewendete Vorschrift.

 

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 16.08.2021 Folgendes ausgeführt:

„I.

Das Amtsgericht Steinfurt hat gegen den Angeklagten wegen wiederholten Unterbrechens von Zeugenvernehmungen durch zwei Beschlüsse vom 06.07.2021 jeweils ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,- €, ersatzweise drei Tage Ordnungshaft, verhängt (Bl. 80 f. d. A.).

Gegen diese am 06.07.2021 verkündeten (Bl. 71 d. A.) Beschlüsse hat der Angeklagte mit am 12.07.2021 bei dem Amtsgericht Steinfurt eingegangenem Schreiben vom 11.07.2021 (Bl. 79 d. A.) „Widerspruch“ erhoben.

II.

Der erhobene „Widerspruch“ ist bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung von § 300 StPO als sofortige Beschwerde gemäß § 181 GVG anzusehen. Diese ist zulässig, kann jedoch in der Sache keinen Erfolg haben.

Die gegen den Angeklagten verhängten Ordnungsmittel finden ihre Grundlage in § 178 Abs. 1 S. 1 GVG. Hiernach kann gegen einen Beschuldigten – mithin auch gegen den Angeklagten in der Hauptverhandlung des Strafverfahrens (zu vgl. Kissel/Mayer, GVG, 10. Auflage, §178 Rn. 4 i. V. m. § 177 Rn. 18) –, der sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig macht, ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,- € oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt werden.

Als Ungebühr in diesem Sinne kann insbesondere ein Dazwischenreden außerhalb des verfahrensrechtlichen Frage-, Antrags- und Stellungnahmerechts angesehen werden (zu vgl. Senatsbeschluss vom 06.10.2016 - 4 Ws 308/16 -; KG, Beschluss vom 23.05.2001 - 1 AR 524/01 -; Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 11). Hier hat der Angeklagte ausweislich des Protokolls (§ 182 GVG) die Zeugenvernehmungen in der Hauptverhandlung wiederholt unterbrochen, ohne dass ihm das Wort erteilt worden wäre.

Soweit dem Adressaten eines Ordnungsmittels vor dessen Festsetzung rechtliches Gehör zu gewähren ist (zu vgl. Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 45 m. w. N.), kann dahinstehen, ob hierzu - wie vorliegend ausweislich des Protokolls geschehen - die bloße Androhung des Ordnungsmittels ausreicht, denn die Gewährung rechtlichen Gehörs war hier ausnahmsweise entbehrlich, da aufgrund des Gesamtverhaltens des Angeklagten mit weiteren Ausfällen zu rechnen war und dem Gericht daher die vorherige Anhörung nicht zugemutet werden konnte (zu vgl. Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 46 m. w. N.).

Keinen Bedenken begegnet auch die zweifache Festsetzung der Ordnungsmittel, da der Angeklagte sein ungebührliches Verhalten nach dem Erlass des ersten Beschlusses fortgesetzt hat (zu vgl. Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 33 m. w. N.).

Soweit die Begründungen der angefochtenen Beschlüsse die mit Blick auf § 34 StPO gebotene vollständige und aus sich heraus verständliche Darstellung des zugrunde liegenden Verfahrensgeschehens (zu vgl. Kissel/Mayer a. a. O., Rn. 9 m. w. N.) vermissen lassen, ist dies unschädlich. Eine solche Darstellung ist entbehrlich, wenn aufgrund des ausdrücklich oder stillschweigend in Bezug genommenen Protokollvermerks über seine Veranlassung davon auszugehen ist, dass die Gründe für den Betroffenen außer Zweifel standen, und wenn der Protokollvermerk dem Beschwerdegericht die volle Nachprüfung des Beschlusses ermöglicht (zu vgl. OLG Celle, Beschluss vom 21.07.2001 - 2 Ws 166/11 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.01.1988- 1 Ws (OWi) 19/88 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Auflage, § 182 GVG, Rn. 4). So liegt der Fall hier, denn dem Protokoll lässt sich ohne Weiteres entnehmen, auf welchem Geschehen die Anordnung der Ordnungsmittel beruht, und es konnte für den Angeklagten kein Zweifel daran bestehen, aus welchem Grund sie verhängt worden sind.

Der sofortigen Beschwerde ist daher der Erfolg zu versagen.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Die Stellungnahme des Angeklagten in seinem Schreiben vom 30.08.2021 gebietet keine abweichende Entscheidung.

 

OLG Hamm, Beschl. v. 16.9.2021 - 4 Ws 138/21 und 161/21 bei nrwe

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