Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln? Dann sollten es auch Betäubungsmittel sein!

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 05.08.2019

Eine Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach §§ 29 ff. BtMG setzt voraus, dass der Täter auch mit Betäubungsmitteln handelt. Betäubungsmittel sind alle in den Anl. I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführten Stoffe und Zubereitungen. In den Urteilsfeststellungen müssen die Betäubungsmittel sowohl der Art als auch der Menge nach eindeutig bestimmt sein. Allgemeine Bezeichnungen wie „Betäubungsmittel“ oder „Rauschgift“ und Beschreibungen der äußeren Beschaffenheit der Betäubungsmittel sind nicht ausreichend. Dies hat ein Landgericht, das einen Drogendealer wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 2 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hat, nicht ausreichend bedacht:

Der Angeklagte hatte nach den Urteilsfeststellung über einen Webshop im Freenet und einen Webshop in Darknet in über 4.000 Einzelfällen Betäubungsmittel veräußert, die aus mindestens zwei Erwerbshandlungen stammen. Im Urteil stellte die Strafkammer diese Geschäfte tabellenartig mit Datum, Besteller, Verkaufsbezeichnung (unter anderem „Chiller Test Pack Hash & Weed“, „Weed A“, „Potent Speedpaste A+++“, „Lyrica“, „Oxycodone HCL 20mg“, „HQ Blueberry Haze Weed“, „Tavor 2.5/ Lorazepam“, „Valium (Diazepam) 10 MG Roche“, „hello kittys“, „Handgranaten“, „Speed“, „Tramadol 50 MG“, „Valium“, „Tavor“, „fenta“, „chiller“, „Master“, „Amnazia“ oder „Targin“) und zum Teil Verkaufspreis dar. Bei einer Durchsuchung im November 2016 konnten „Betäubungsmittel verschiedener Arten sowie in erheblichen Mengen sichergestellt werden“, unter anderem Heroin, Kokain, LSD, Oxycodon, Alprazolam, Lorazepam und Diclazepam, sichergestellt werden.

Auf die Revision des Angeklagten hob der BGH das Urteil u.a. mit folgender Begründung auf (BGH, Beschl. v. 5.6.2019, 2 StR 287/18 = BeckRS 2019, 15629:

„Der Schuldspruch kann auch deswegen keinen Bestand haben, weil die Urteilsgründe nicht erkennen lassen, dass die von der Strafkammer festgestellten Ein- und Verkaufsvorgänge ausschließlich Betäubungsmittel im Sinne des § 1 BtMG i.V.m. Anlagen I bis III betreffen.

Zwar kann dem von den Angeklagten angebotenen „Targin“ der Wirkstoff Oxycodon zugeordnet werden, der ein Betäubungsmittel der Anlage II zu § 1 BtMG ist. „Fenta“ mag auf das ebenfalls dem BtMG unterfallende synthetische Opioid Fentanyl hinweisen. … Bei anderen, von der Strafkammer in den Urteilsgründen mitgeteilten Handelsubstanzen (z.B. „hello kitty“, „Handgranaten“, „chiller“, „Master“, „Amnazia“) ist schon nicht ersichtlich, von welcher der in Anlagen I bis III zu § 1 BtMG genannten Substanz die Strafkammer ausgeht.“

Zudem hat das Landgericht nicht bedacht, dass bestimmte Betäubungsmittel, die zwar in den Anlagen zum BtMG aufgeführt sind, bei einem geringen Wirkstoffgehalt wieder als Betäubungsmittel ausgenommen sein können (sog. ausgenommene Zubereitungen). In diesem Fall gilt nicht das BtMG (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 BtMG), sondern das AMG. Dazu der BGH:

„Diazepam und Lorazepam sind zwar in den Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt. Sie können aber - so nicht Ein-, Aus- oder Durchfuhr vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 2. November 2010 - 1 StR 581/09, NStZ-RR 2011, 119) - als ausgenommene Zubereitungen nicht dem BtMG unterfallen. Diazepam (enthalten in Valium) ist ausgenommen in Zubereitungen, die ohne einen weiteren Stoff der Anlagen I bis III bis zu 1 vom Hundert als Sirup oder Tropflösung, jedoch nicht mehr als 250 mg je Packungseinheit, oder je abgeteilte Form bis zu 10 mg Diazepam enthalten, bei Lorazepam (das im verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel Tavor enthalten ist) sind Zubereitungen mit bis zu 2,5 mg Lorazepam ausgenommen (Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., Stoffe Teil 1 Rn. 493, 502). Dies hat die Strafkammer nicht bedacht.

Die getroffenen Feststellungen ermöglichen dem Senat nicht die Nachprüfung, ob sich die Angeklagten nur nach § 29a BtMG oder auch nach dem - allerdings milderen - § 95 AMG strafbar gemacht haben. Da die Strafkammer nicht nur die Einzelverkäufe umfangreich dargestellt hat, sondern auch bei der rechtlichen Würdigung hierauf Bezug genommen hat und seiner Bewertung zugrunde gelegt hat, kann der Senat im vorliegenden Fall nicht ausschließen, dass sich eine unterlassene Verurteilung wegen eines der in § 95 AMG genannten Vergehen zu Lasten der Angeklagten ausgewirkt haben könnte.“

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3 Kommentare

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Bei den Regelungen, die für ausgenommene Zubereitungen gelten, kann man ja auch schon mal durcheinanderkommen :-)

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Da kann ich Ihnen nicht widersprechen, zumal die Ausnahme von den betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften bei den ausgenommenen Zubereitungen nicht mehr gilt, wenn es um eine Ein-, Aus- und Durchfuhr geht (letzter Spiegelstricht, Buchstabe b der Anlage III). 

für den konstruktiven Beitrag sei bestens gedankt-man mag noch ergänzen, dass er in zustimmungswürdiger Weise ja gedanklich fast notwendig auf das Problem verweist, dass der Gesetzgeber in einer mitunter aleatorisch anmutenden Weise und in sehr raschen Gesetzgebungsverfahren die Anlagen des BtMG novelliert-mit allen irrtumsrechtlichen Problemen auch mit Blick auf die §§ 16, 17 StGB, die daran anknüpfen. Der Hinweis auf das Urteil und die Probleme ist somit verdienstvoll und extrem praxisrelevant.

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