Einigung über künftige EU-Richtlinie zur Frauenbeteiligung in Unternehmensorganen von börsennotierten Gesellschaften

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 30.06.2022

EU-Rat und -Parlament haben sich am 7. Juni 2022 auf einen neuen Entwurf einer Richtlinie zu Geschlechterquoten in Unternehmensorganen (sog. Führungspositionen-Richtlinie) geeinigt. Im Vergleich zum Ausgangsvorschlag der Ratspräsidentschaft aus März 2022 sieht der Entwurf für die betroffenen Unternehmen teilweise höhere Anforderungen vor. Umsetzungsbedarf in Deutschland ergibt sich dennoch voraussichtlich nicht.

Anwendungsbereich

Die Vorgaben sollen in Bezug auf Unternehmen gelten, die folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Satzungssitz in einem EU-Mitgliedstaat (Art. 2 Abs. 1 RL-E)
  • Börsennotierung der Aktien an einem regulierten Markt i. S. d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 21 Richtlinie 2014/65/EU (Art. 2 Abs. 1 RL-E)
  • Kein kleines oder mittleres Unternehmen, das (i) weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigt und (ii) entweder über einen Jahresumsatz von höchstens EUR 50 Mio. oder eine Bilanzsumme von höchstens EUR 43 Mio. verfügt (Art. 3 RL-E)

Nicht mehr vorgesehen ist die in der früheren Fassung enthaltene Ausnahme für Unternehmen mit weniger als 10 % Frauenanteil unter den Mitarbeitern.

Quotenvorgaben für Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane

Den betroffenen Gesellschaften sollen die Mitgliedstaaten als Zielvorgabe aufgeben, bis zum 30. Juni 2026 entweder

  • mindestens 40 % Frauenanteil unter den Non-Executive Directors (im dualistischen System bezogen auf den Aufsichtsrat) oder
  • mindestens 33 % Frauenanteil unter allen Non-Executive und Executive Directors (im dualistischen System bezogen auf Aufsichtsrat und Vorstand)

zu erreichen (Art. 4 Abs. 1 RL-E). Soweit für eine Gesellschaft nur die 40 %-Vorgabe gilt, soll die Gesellschaft sich selbst individuelle Zielvorgaben setzen, um bis zum 30. Juni 2026 eine ausgewogenere Beteiligung der Geschlechter unter den Executive Directors zu erreichen. (Art. 4 Abs. 1a RL-E). Der Entwurf geht damit sowohl zeitlich als auch inhaltlich über die frühere Entwurfsfassung hinaus, die u. a. ein Erreichen der Zielvorgaben erst bis Ende 2027 und eine zurückhaltender formulierte Form der Verbindlichkeit vorgesehen hatte.

Verfahrensvorgaben für Kandidatenauswahl bei zu einseitiger Geschlechterverteilung

Gesellschaften, die die einschlägigen Quoten nicht erreichen, sollen bei der Kandidatenwahl und -vorauswahl besondere Vorgaben berücksichtigen, darunter

  • ein klares, diskriminierungsfreies Selektionsverfahren (Art. 4a Abs. 1 RL-E),
  • eine Bevorzugung des unterrepräsentierten Geschlechts bei gleicher Eignung (Art. 4a Abs. 2 RL-E) und
  • eine Beweislastumkehr zugunsten unterlegener Kandidaten, die dem unterrepräsentierten Geschlecht angehören und Indizien für eine mindestens gleiche Eignung im Vergleich zum erfolgreichen Kandidaten anführen können (Art. 4a Abs. 4 RL-E).

Soweit die Selektion aus einer Wahl durch Gesellschafter oder Beschäftigte besteht, sollen die Wahlberechtigten über die einschlägigen Vorgaben informiert werden (Art. 4a Abs. 5 RL-E).

Neue Berichtspflichten

Unabhängig von der Geschlechterverteilung im Einzelfall sollen Gesellschaften verpflichtet werden, regelmäßig über die Geschlechterverteilung in ihren Organen und die Maßnahmen zum Erreichen der einschlägigen Quoten zu berichten (Art. 5 Abs. 2 RL-E). Soweit die Gesellschaft unter den Vorgaben liegt, soll sie dies begründen (Art. 5 Abs. 3 RL-E).

Kein Umsetzungsbedarf u. a. für Deutschland

Sowohl die Quotenvorgaben als auch die Berichtspflichten müssen von solchen Mitgliedstaaten nicht umgesetzt werden, die bei Inkrafttreten der Richtlinie bereits folgenden Mindestanforderungen gerecht werden:

  • Tatsächlich mindestens 30 % Frauenanteil unter den Non-Executive Directors oder mindestens 25 % Frauenanteil unter den Executive Directors in börsennotierten Gesellschaften (Art. 8a Abs. 1 lit. a) RL-E) oder
  • Nationale Vorschriften mit folgenden Vorgaben:
    • Mindestens 30 % Frauenanteil unter den Non-Executive Directors oder mindestens 25 % Frauenanteil unter den Executive Directors in börsennotierten Gesellschaften
    • Angemessene Regeln zur Durchsetzung der Vorgaben
    • Pflicht für börsennotierte Gesellschaften zum Setzen eigener Zielgrößen außerhalb des Anwendungsbereichs der quotalen Vorgaben (Art. 8a Abs. 1 lit. b) RL-E)

Derartige nationale Vorschriften sind in Deutschland seit Inkrafttreten des FüPoG II vorhanden (hierzu mein Beitrag vom 15. Juni 2021).

Nächste Schritte

Nach Abschluss des nun beginnenden formalen Rechtssetzungsverfahrens wird die Richtlinie voraussichtlich binnen 20 Tagen nach Bekanntmachung in Kraft treten. Die Umsetzungsfrist beträgt voraussichtlich zwei Jahre.

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