Dumm gelaufen: Nicht einmal die Sachrüge hat die Verteidigung richtig hinbekommen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.04.2022
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1|20538 Aufrufe

Das ist wirklich blöde gelaufen. Und ich will mich auch gar nicht lustig darüber machen. Die Verfahrensrüge hat im vorliegenden Falle nicht funktioniert. Die Anforderungen in diesem Bereich sind oftmals derart hoch, dass das auch geübten RevisionsrechtlerInnen passieren kann. Wenn dann aber nicht einmal die Sachrüge als zulässig erhoben gilt, ist aber wirklich Mist passiert. So hier. 

 

In pp.

Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen. (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 990 Euro verurteilt und gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot unter Gewährung der sog. "Viermonatsfrist" angeordnet.

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist bereits unzulässig, da die Rechtsbeschwerdebegründung nicht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO genügt. Danach muss aus der Rechtsmittelbegründung hervorgehen, ob das Urteil wegen einer Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Im Falle der Erhebung einer Verfahrensrüge müssen die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben werden, d.h. Rechtsbeschwerdegericht muss allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Rechtsbeschwerde zutrifft (vgl. nur: Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 344 Rdn. 21 m.w.N.).

Ausdrücklich verhalten sich weder der Rechtsbeschwerdeeinlegungsschriftsatz vom 01.12.2021 noch der Rechtsbeschwerdebegründungsschriftsatz vom 18.01.2022 dazu, ob eine Verfahrensrüge oder die Sachrüge erhoben wird. Der Antrag, den Betroffenen freizusprechen, verschafft diesbezüglich ebenfalls keine Klarheit.

Soweit die Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung eventuell als Rüge der Verletzung des § 261 StPO oder auch als Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs verstanden werden könnten, bedarf es keiner näheren Erörterung. Diese Rügen würden jedenfalls nicht die o.g. Begründungsanforderungen erfüllen, worauf die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch soweit die Rechtsbeschwerdebegründung eine "Einlassung des Unterzeichners im Rahmen des Schriftsatzes vom 18.08.2021" in Bezug nimmt, deren Inhalt und deren Einführung in die Hauptverhandlung nicht erkennen lässt.

Die Erhebung der Sachrüge kann den Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung ebenfalls nicht entnommen werden. Lassen die Ausführungen in der Rechtsmittelbegründung erkennen, dass der Beschwerdeführer in Wahrheit nicht die Rechtsanwendung beanstandet, sondern ausschließlich die Beweiswürdigung und die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen, so handelt es sich nicht um eine Sachrüge. Das Rechtsbeschwerdegericht ist keine Tatsacheninstanz, sondern überprüft nur die richtige Rechtsanwendung durch den Vorderrichter (vgl. BGHSt 25, 272, 275). Vorliegend setzt der Betroffene lediglich seine eigene, von der des Gerichts unter Anführung zahlreicher urteilsfremder Umstände abweichende, Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Tatrichters. Hingegen bemängelt er keine (aus den Urteilsgründen selbst erkennbaren) Rechtsfehler bei der Vornahme der Beweiswürdigung durch den Tatrichter. Das ist nicht angängig (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1996 - 4 StR 499/96 - juris; BGH, Beschl. v. 17.01.1992 - 3 StR 475/91 - juris; OLG Hamm, Beschl. v. 20.05.2008 - 2 Ss 176/08 - juris).

OLG Hamm, Beschl. v. 21.02.2022 – 5 RBs 38/22, BeckRS 2022, 3231

 

Hinweis:

Es macht hier durchaus Sinn für die Verteidigung, nicht einfach draufloszuschreiben, sondern die Revisionsbegründung zu stukturieren. Dazu zählt insbesondere die deutlich sichtbare und ausdrückliche Unterteilung in Verfahrensrügen und Sachrüge.

Und dann muss die Sachrüge zunächst ausdrücklich "in allgemeiner Form" erhoben werden. Im Anschluss können einzene  Überprüfungsanregungen gemacht werden. Man kann etwa den Wortlaut wählen, nachdem "insbesondere gerügt wird, dass ....." Muster findet man etwa in meinem Buch "Fahrverbot in Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2022"

 

 

 

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1 Kommentar

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Ob das so stimmt, wirkt sehr fraglich (Lässt sich aber letztlich nur beurteilen, wenn der ganze Schriftsatz bekannt ist). Wenn ein Antrag auf Freispruch gestellt wird, stellt sich jedenfalls die Frage, ob darin nicht bereits die Sachrüge gesehen werden muss. Mit einer Verfahrensrüge kann nie der Freispruch erreicht werden.

Ungeachtet dessen drängt sich aber die Frage auf, ob das nicht ein Fall ist, in dem ein evidenter Mangel der Verteidigung im Sinne des EGMR vorliegt, der zur Neubeiordnung zwingt.

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