BAG: Abgekürzte Kündigungsfrist in der Probezeit nur bei eindeutiger Vertragsgestaltung

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 26.03.2017
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|5019 Aufrufe

Vermutlich handelt es sich um keine seltene Fallkonstellation, über die das BAG (Urteil vom 23. März 2017 - 6 AZR 705/15, PM 17/17) jüngst entschieden hat. Es geht um das Verhältnis zwischen einer arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tarifvertraglichen Regelung und einer anderslautenden Abrede im Arbeitsvertrag. Dieses ist grundsätzlich im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung AGB-spezifischer Auslegungsregeln zu bestimmen.

Der Fall lag wie folgt: Der Kläger war ab April 2014 bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag, den die Beklagte vorformuliert hatte, war in § 1 pauschal bestimmt, dass sich die Rechte und Pflichten der Parteien nach einem Manteltarifvertrag richten; dieser sah während der Probezeit besondere Kündigungsfristen vor. In § 3 des Arbeitsvertrags war unter der Überschrift „Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses“ vorgesehen, dass die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit gelten. In § 8 des Vertrags, der mit „Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ überschrieben war, war ohne Bezugnahme auf § 1 oder § 3 des Vertrags festgelegt, dass eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende gelte. Am 5. September 2014, also noch innerhalb der sechsmonatige Frist, erhielt der Kläger eine Kündigung zum 20. September 2014. Er begehrt die Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe erst mit Ablauf der in § 8 des Arbeitsvertrags vereinbarten Frist und damit zum 31. Oktober 2014 geendet. Das BAG hat diese Rechtsansicht jetzt in letzter Instanz bestätigt. Die Bestimmungen des von der Arbeitgeberin vorformulierten Arbeitsvertrags seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher, regelmäßig nicht rechtskundiger Arbeitnehmer verstehe. Aus Sicht eines solchen Arbeitnehmers lasse eine Vertragsgestaltung wie die im Arbeitsvertrag der Parteien nicht erkennen, dass dem Verweis auf den Manteltarifvertrag und der Vereinbarung einer Probezeit eine Bedeutung für Kündigungsfristen zukommt. Nach Wortlaut und Systematik des Vertrags sei vielmehr allein die Bestimmung einer sechswöchigen Kündigungsfrist maßgeblich. Diese Frist gelte auch für Kündigungen in der vereinbarten Probezeit. Fazit: Der Arbeitgeber muss in solchen Fällen unmissverständlich deutlich zu machen, dass die längere Frist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll. Anderenfalls ist dies vom Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass der Arbeitgeber schon während der Probezeit nur mit der vereinbarten längeren Frist kündigen kann. Für diese Ergebnis wird man auch die sog. Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) ins Feld führen können. Und vielleicht kommt einer ausdrücklichen Regelung im Arbeitsvertrag generell ein höherer Stellenwert zu als einer nur durch Inbezugnahme verbindlich gemachten Regelung, analog dem Verhältnis von Individualabrede und Allgemeiner Geschäftsbedingung.

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2 Kommentare

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Das finde ich doch etwas zu gut gemeint... Auch ein Normalbürger kann doch aus dem Begriff Probezeit ableiten, dass die regulären Fristen gerade NICHT gelten sollen. Auch ist die Länge der Frist in der Probezeit - wenn sie denn nicht benannt ist - in § 622 Abs. 3 BGB klar mit zwei Wochen gesetzlich geregelt.

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Tja, das kommt davon, dass manche Arbeitgeber meinen, mit individuellen Verträgen nochmal die Tarifverträge zu ihren Gunsten abändern zu wollen. Da stecken halt mehr Stolperfallen drin, als man manchmal denkt.

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