NSU-Prozess: Aufzeichnung des staatsanwaltlichen Plädoyers? Warum nicht?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 19.07.2017
Rechtsgebiete: StrafrechtStrafverfahrensrecht119|14652 Aufrufe

Der NSU-Prozess geht dem Ende entgegen. Wer glaubte, das Plädoyer der Staatsanwaltschaft werde – nach über 370 Verhandlungstagen – geschmeidig über die Bühne gehen, sah heute seine Hoffnungen enttäuscht (siehe Tagesschau-Bericht, siehe auch Zeit-Online). Die Verteidigung beantragte nun, dass man das voraussichtlich länger als 20 Stunden dauernde Plädoyer mitschneiden dürfe bzw. dass es mitgeschnitten werde. Weder den Verteidigern noch der Angeklagten sei eine vollständige Mitschrift zumutbar, um sich auf da eigene Plädoyer vorzubereiten. Man mag nun die darauf folgende Diskussion als absichtlich herbeigeführte prozessverzögernde, die extra angereisten Nebenkläger und Journalisten absichtlich verärgernde Konfliktverteidigung ansehen (hier die ausgewogene Sicht der Nebenklagevertretung). Aber eigentlich erscheint die Forderung nicht unberechtigt. Und dass auch das Gericht den Antrag nicht für völlig abwegig hält und möglicherweise auch revisionsrelevant, zeigt die Vertagung auf die nächste Woche. Die StPO gibt zwar kein Recht auf Tonaufzeichnung, aber diese ist (anders als die Rundfunkausstrahlung) jedenfalls auch nicht verboten. Das Argument des Gerichts, die Persönlichkeitsrechte der plädierenden Staatsanwälte seien betroffen, scheint mir vorgeschoben und wenig berechtigt. Dass mit einer Aufzeichnung das Mündlichkeitsprinzip verletzt werde, ist ebenso wenig haltbar. Die Forderung unterstreicht auch noch einmal, woran das Strafprozessrecht ohnehin krankt: Es gibt kein Wortprotokoll, keine Aufzeichnung ­ ein Thema, das wir schon früher einmal im Beck-Blog diskutiert haben. Alle Prozessbeteiligten sind auf ihre eigenen Aufzeichnungen/Mitschriften angewiesen, auch das Gericht. Es wird sich bei der Urteilsfindung auf diese Aufzeichnungen verlassen (müssen), denn eine Erinnerung an eine schon vor Jahren abgegebene Zeugenaussage ist kaum zuverlässig. Eine für Juristen anderer Rechtsstaaten merkwürdige Regelung, da dort Prozesse meist vollständig mitstenografiert werden. In den USA dürfen sich etwa die Geschworenen für ihre Entscheidungsfindung noch einmal Zeugenaussagen im Wortlaut vortragen lassen bzw. können diese nachlesen.

Im NSU-Prozess kann man eine Ausnahme (nur für das Plädoyer der StA, nur zur Nutzung durch die Anwälte, Verteidigung und Nebenklage) ohne weiteres mit der angekündigten außergewöhnlichen Dauer begründen. Die Gegenargumente leuchten nicht ein.

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119 Kommentare

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So, die Verteidigung vermag zwar 374 (!) Verhandlungstagen ohne Aufzeichnung der Geschehnisse zu folgen, nicht aber einem voraussichtlich 20-stündigem (+/-) Plädoyer der Bundesanwaltschaft? Nun ja. Es ist ja nun einmal nicht so, dass die Verteidigung etwa unvorbereitet eine darart ausgearbeitete Argumentation auf unbekannter Tatsachen- oder rechtlichen Grundlage entgegen nehmen müsste.

Denn es ist auch Aufgabe der Verteidigung, das Beweisergebnis selber zu würdigen. Dass dieses binnen der Frist, die der Staatsanwaltschaft zur Vorbereitung des Plädoyers Verfügung stand, nicht möglich war, bedürfte wohl besonderer Begründung (welche käme da in Betracht?). Hat aber die Verteidigung die Schlussvorträge sachgerecht vorbereitet, ist die Auseinandersetzung mit der Argumentation der Bundesanwaltschaft eine andere, als die einer unvorbereiteten Konfrontation mit einem (bei der Dauer der Verhandlung wohl nicht feststellbaren) gleichsam "überbordenden" und zudem etwa neuen Tatsachen- und Rechtsvortrag.

Es handelt sich bei der Feststellung der "Ausnahmesituation", die hier eine Aufzeichnung rechtfertigen soll, in der Regel um eine letztlich objektiv willkürliche Festlegung, deren - in diesem Fall - Untergrenze (wie lange darf ein Plädoyer dauern, damit es nicht aufgezeichnet werden soll?) m.E. nicht sachbezogen präzisiert werden könnte.

Der Verweis auf die z.T. wörtliche Protokollierung in anderen Rechtsordnungen halte ich für wenig hilfreich. Prozessordnungen sind strukturprägender Natur. Sie beruhen auf einem in der jeweiligen Rechtsordnung als fairer Interessenausgleich zwischen dem staatlichen Strafanspruch und den Rechten der Verfahrensbeteiligten gewerteten Verhältnis der die Aufklärung strukturierenden und zugleich begrenzenden Regelungen, die jeweils in ihrerer Gesamtheit gewürdigt werden müssen. So steht (nur als ein Beispiel) in den Vereinigten Staaten der Formstrenge bei der Aufzeichnung der Wortbeiträge eine ebenso große Formstrenge bei der Erhebung und Asservierung der Beweismittel zur Seite, die unserem Recht fremd ist. Nicht beantwortet ist damit auch die Frage, ob z.B. der amerikanische Strafprozess mit seinen Regelungen dem deutschen Strafprozess im Ergebnis tatsächlich überlegen ist. Haben die USA (u.a. mit der Aufzeichnung der Wortbeiträge) rechtstatsächlich weniger Fehlurteile (oder im Übrigen gerechtere Urteile) als die bundesdeutsche Justiz? - Ich zweifele.

Ich halte dafür, dass es im Ergebnis wieder einmal darum geht, den in seiner gesetzlich geprägten Form bewährten Strafprozess durch "Ausnahmen" in Richtung einer der Wahrheitsfindung schädlichen Totalaufzeichnung der Gerichtsverhandlung zu verändern. Warum eine solche schädlich ist, belegen m.E. die z.T. medialen Spektakel in den USA (Strafverfahren ./. O.J. Simpson) zur Genüge. Aber die taugen ja gleichermaßen zur Profilierung wählbarer Amtsträger wie mandatssuchender Anwälte...

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Nun denn, erwartbar kommt von der Jusitzseite (so man Ihrem Nick Gleuben schenkt) derartige Statements.

Der Richterverein hat ja schon klar gemacht, dass eine Totalaufzeichnung den Arbeitsaufwand mindestens Verdoppeln würde.

Eine derartige Aussage ist, gelinde gesagt, eine Schande.

Dass ein OStA nun ins Feld führt, die "Gerechtigkeit" wäre in Gefahr, wenn man neutral mitschneidet "was war", vermag nicht zu erstaunen.

Erschrecken tut vielmehr, dass die handelnden Personnen der Implikationen ihrer Einwürfe nicht Gewahr zu sein scheinen.

"Eine derartige Aussage ist, gelinde gesagt, eine Schande."

Verraten Sie uns noch, was an der Aussage Ihrer Ansicht nach eine "Schande" ist?

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Im Stillen hatte ich gehofft, dass es selbsterklärend sein sollte, dass sich die Wahrheitsfindung an dem tatsächlichen Vorgetragenen in der Unmittelbarkeit der HV orientieren sollte. Aber wenn das Arbeit macht...

Wenn Sie die "Schande" in der Aussage nicht erkennnen können, so darf ich vielleicht auf die spitze Feder von Fischer verweisen, der ja auch schon Belustigendes zu dem Thema vorgetragen hat:

1)    Jede Hauptverhandlung in Strafsachen ist zu protokollieren. 

2)    Jedes Protokoll muss die "wesentlichen Förmlichkeiten" enthalten.

3)    Nur das Protokoll vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht muss "die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen" enthalten; beim Landgericht gibt es ein solches Inhaltsprotokoll nicht.  

4)    Beweis für Verfahrensfehler ist nur das Protokoll. Beweis für Sachfehler ist allein das Urteil. 

Hieraus ergibt sich eine ebenso offenkundige wie vertrackte Lücke, die sich wiederum aus den Anforderungen  des Paragraf 267 StPO ergibt: Die Urteilsgründe müssen (schriftlich) ausführen, wie das Gericht zu seinen "Feststellungen" kam, also sowohl die dafür entscheidenden Aussagen von Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen wiedergeben als auch die Argumente, die es bewogen haben, die einen für richtig, die anderen für unrichtig zu halten. Zugleich aber ist die einzige Beweisquelle dafür, dass diese Aussagen so gemacht wurden, wie sie im Urteil wiedergegeben sind, dieses Urteil selbst. Anders gesagt: Der Richter schreibt sich die Wahrheit, die er anschließend würdigt, selbst. 

Das tut er ganz überwiegend in gutem Glauben und nach bestem Willen. Die Psychologie der Kognition und der Rechtfertigung von Entscheidungen sagt uns freilich, dass dies ein fast unmögliches Unternehmen ist: Niemand kann zugleich allein die Wirklichkeit definieren und über diese Feststellung und sich selbst als Kontrollinstanz zuverlässig Aufsicht führen. Die Fehler, die sich daraus ergeben, sind nicht Ausdruck bösen Willens, sondern schlichte Gegebenheiten der menschlichen Natur; der böse Wille kommt nur gelegentlich noch als schwarzes Sahnehäubchen obendrauf.

und

Seit Langem wird gefordert, die Hauptverhandlungen in Strafsachen technisch aufzuzeichnen. Die Inhaltsprotokolle, die beim Amtsgericht geführt werden, sind nicht ganz selten Demonstrationen der inhaltlichen Inkompetenz von Protokoll-Führer_innen, die überhaupt nicht in der Lage sein können (!), hochkomplexe Aussageinhalte sinnvoll verwertbar mitzuschreiben. Und beim Landgericht besteht das Protokoll einer zehnstündigen Aussage aus dem Satz: "Der Zeuge machte Angaben zur Sache."

Warum soll die Justiz nicht die Möglichkeiten und offenkundigen Vorteile der Aufzeichnungstechnik nutzen, wie es in vielen anderen Staaten die Regel ist? Der BGH zittert vor dieser Möglichkeit und behauptet, sie wäre das Ende eines gottgegebenen Revisionsverfahrens, weil der Revisionsrichter sich dann am Ende Videoaufzeichnungen von Zeugenaussagen anschauen und entscheiden müsse, ob deren Würdigung durch das Landgericht "vertretbar" war. 

Eine schreckliche Herausforderung! Also erst mal überlegen: 1) Das haben wir ja noch nie gemacht! 2) Das ist personell überhaupt nicht zu schaffen. 3) Karl Peters war vermutlich auch dagegen. 4) Wahrscheinlich ist das verfassungsrechtlich unzulässig! Denn die Zuschauer eines erstinstanzlichen Verfahrens, die auf einer Videoaufzeichnung abgebildet sein könnten, sind bestimmt in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. 5) Lösung: Vielleicht mal eine Expertenkommission einsetzen. Im Strafrecht ist, wie wir wissen, jeder überstürzte Schnellschuss von Übel. Und die nächsten vier Reformen zur Beschleunigung und Bekämpfung gehen ja nun wirklich vor! 

 Damit ist wiederum nichts gesagt, aber der geneigte Leser wird sich schon so seine Gedanken machen, ob diese Gemengenlage den Idealen zuträglich ist, mit denen wir den Unsinn solcher Verfahren rechtfertigen.

Das das Ganze aber nicht eine Ausgeburt des bösen Willens der Akteure ist, weiss auch Fischer:

Vor ein paar Jahren habe ich einmal bei einer Tagung ein paar Argumente für die technische Aufzeichnung der Beweisaufnahme im Strafprozess vorgetragen. In der lebhaften Diskussion darüber meldete sich der Vorsitzende einer Strafkammer zu Wort und führte aus: Er sei aus Kapazitätsgründen ganz dagegen. Denn: "Dann müsste die Kammer bei der Urteilsabfassung ja dauernd die Aufzeichnung anschauen. Die Mitschriebe in der Hauptverhandlung sind ja häufig so fehlerhaft, dass man sich darauf kaum verlassen kann." Der Kollege meinte dies ganz ernst und war um die Leistungsgrenzen der Strafkammern besorgt. Und er meinte selbstverständlich damit nicht etwa, es sei ihm "egal", ob man die Wahrheit oder die Unwahrheit feststelle. Sondern er verstrickte sich auf anrührende Weise ins Geflecht von Empirie und Normativität.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-03/strafprozess-justi...

 

Was für Fischer "anrührend" ist, ist für mich halt "Schande". Die Freiheit nehm ich mir. 

Dazu schildere ich Ihnen einen wahren Fall. Meine Aussagen wurden einmal protokolliert, ich wurde mit einem Sachverhalt konfrontiert.

Meine Aussage endete mit einer Frage: "...... und Herr XYZ weiß darüber Bescheid?" (Dieser Herr war auch dabei anwesend gewesen.) Das Fragezeichen ergab sich klar aus der Sprachmelodie bei Fragen. Im Protokoll stand dann: "...... und Herr XYZ weiß darüber Bescheid!" Auf meine Beanstandung nach Erhalt des Protokolls wollte ich zur Berichtigung das Band eines vom Richter verwendeten Diktiergeräts abhören (lassen), eine Berichtigung wurde aber abgelehnt und auch das Band sei ja längst gelöscht worden.

Wow ......

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Ich halte dafür, dass es im Ergebnis wieder einmal darum geht, den in seiner gesetzlich geprägten Form bewährten Strafprozess durch "Ausnahmen" in Richtung einer der Wahrheitsfindung schädlichen Totalaufzeichnung der Gerichtsverhandlung zu verändern.

Die im deutschen (Strafprozeß-)Recht verankerte Pest, in der Regel keine Wortprotokolle zu führen, bedarf einer grundsätzlichen Revision. Das, was gesagt wurde und das, was die Richter verstanden haben oder verstehen wollen, weicht oft diametral voneinader ab, bis hin zu (selbst erlebten) Situationen, in denen Vorgänge und Aussagen vom Gericht schlicht nur noch erfunden und erdichtet werden.

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Aber dann bitte alles auf Tonträger oder Video aufnehmen (lassen) und / oder simultan übertragen in einen Presseraum daneben.

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Leser schrieb:

Die im deutschen (Strafprozeß-)Recht verankerte Pest, in der Regel keine Wortprotokolle zu führen, bedarf einer grundsätzlichen Revision. Das, was gesagt wurde und das, was die Richter verstanden haben oder verstehen wollen, weicht oft diametral voneinader ab, bis hin zu (selbst erlebten) Situationen, in denen Vorgänge und Aussagen vom Gericht schlicht nur noch erfunden und erdichtet werden.

Durch Stenographen wäre eine genaues Protokollieren ja unabhängig möglich. Das könnte nachfolgende Unklarheiten doch verhindern und wäre deshalb auch für die Justiz m.E. nicht so kostentreibend, wenn nachfolgende Sitzungen und Verfahren dadurch vermeidbar wären. Nur mal als eine Anregung gedacht.

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Wenn mir eine Ergänzung gestattet ist, das sog. "Filibustern" von Verfahrensbeteiligten ist m.W. auch in deutschen Gesetzgebungsorganen nicht möglich, wohl aber in den USA.

Viele Anträge der Verteidigung im NSU-Prozeß würde ich aber doch als reinste Filibusterei betrachten.

Aber bald wird auch in diesem Prozeß das ja auch immer - rein theoretisch natürlich - mögliche Heraus-Schinden von Honoraren und abrechenbaren Gebühren für Wahl- und Pflichverteidigungen vorüber gehen.

Da ich ja kein diplomatisches Amt ausübe, bitte ich mir eine deutliche Meinung - oder Aussprache - noch einmal gnädigst zu verzeihen. Ansonsten aber trete ich nie jemandem persönlich zu nahe.

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Ich meine auch: Entscheidungsgrundlage für das Gericht und somit auch Grundlage des eigenen Plädoyers der Verteidiger ist primär die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung (261 StPO) und nicht das Plädoyer des "Gegners". 

Wesentlich wäre eine Aufzeichnung der Hauptverhandlung (wie auch in der BRAK-Initiative) bis zum Schluss der Beweisaufnahme und nicht der Plädoyers. 

Wobei dann die Frage ist, wie man sicherstellt, dass nicht irgendwelche "Legal fails 2017"- Compilations mit den besten Versprechern oder interessantesten Stellen auf youtube oder sonstwo landen. Oder Aussagen von (mutmaßlichen)Tätern und Opfern von Sexualdelikten, Wenn man einerseits Angeklagte und Zeugen uU durch Ausschluss der Öffentlichkeit schützt, dann aber ein im Digitalzeitalter beliebig vervielfältigbares Audiofile an Verteidiger, Nebenklagevertreter, Adhäsionsvertreter, Zeugenbeistände (falls man die nicht wie bei der Akteneinsicht außen vor lässt) verbreitet  und keine Kontrolle mehr über gezielte oder aber versehentliche Leaks hat, ist das mE problematisch.  

Mir geht es dabei weniger um den Schutz der Verfahrensbeteiligten (Richter, Anwälte ....), die damit leben müssen, dass ihre verschwurbelten Fragen und gelegentlichen Aussetzer für die Nachwelt erhalten werden ("können Sie ausschließen, dass"; "habe ich Sie richtig verstanden, sie haben also gesagt, wenn ich das nochmals zusammenfassen darf, ähm, also stimmt das jetzt so oder war das nicht vielmehr so, dass....") sondern um den der Angeklagten, Zeugen und Sachverständigen.

Angesichts der im NSU_Verfahen auftauchenden Sumpfblüten wie etwa einem Nebenklagevertreter ohne Mandantin, eines ehemaligen Vorsitzenden der Wikingjugend als Verteidiger und  den etwas eigenartigen Rekrutierungsmethoden mancher Anwälte (google den Bericht auf RP-online: nsu-prozess-anwaelte-suchen-weitere-nebenklaeger) sowie  der üppigen Rechtsprechung v.a. der Zivilgerichte zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den dort zu findenden vielfältigen Fehlern der "sorgfältig ausgewählten und überwachten" RechtsanwaltsgehilfInnen oder nicht so sorgfältig auswählenden und überwachenden Anwälte meine ich, dass da durchaus ein gewisses Risiko für fahrlässige oder gezielte Verbreitung von Audio-Schnipseln besteht.

Löschungspflichten kann man bei Anwälten nicht durchsetzen, da marschiert nicht alle paar Jahre wie bei der Polizei oder StA der Landesdatenschutzbeauftragte durch, sondern man muss sich immer brav auf die "anwaltliche Versicherung" verlassen.

Ach so: wenn man mit der Aufzeichnung der GBA-Plädoyers anfängt kommt dann mit derselben Argumentation (so viele, so lange, kann man sich nicht merken) der Antrag, auch noch die Plädoyers der X Nebenklagevertreter aufzuzeichnen, mal sehen, wie sich die NKl-Vertreter dazu stellen (werden).

 

 

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Den Wert von nachvollziehbaren Aufzeichnungen des Prozessgeschehens konnte man durch die Strate-Dokumentation im Mollath-Fall erkennen. Belegbar sind dadurch z.B. Widersprüche zwischen den Ergebnissen der Beweisaufnahme und der späteren Darstellung des Gerichts im Urteil. Auch aus psychologischer Sicht und allgemeinen Erfahrungswerten ist doch offensichtlich, dass das Ansinnen, 22h Sachvortrag  mit simultan erstellten Notizen erfassen und speichern zu wollen, übermenschliche Fähigkeiten erfordert. Abgesehen noch von mehrdeutigen oder ungenauen Aussagen, die insbesondere in emotional belasteten Situationen zu Fehldeutungen und Missverständnissen führen. Mich würde schon mal interessieren wie häufig das Wort "in der Gesamtschau" und deren Abwandlungen auftreten wird.

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Risiken einer unauthorisierten Verbreitung von Aufzeichnungen kann man doch durch restriktiven Umgang mit den Aufzeichnungen ausschließen. So könnten die Aufzeichnungen beim Gericht sicher verwahrt werden und nur dort und auf konkret begründeten Antrag hin angehört, angesehen und verschriftlicht werden. Als Grund zum Beispiel: "zum Beweismittel A bestanden Widersprüche/Unklarheiten in den Aussagen ab Uhrzeit X gegenüber den Aussagen ab Uhrzeit Y, die zu entscheidungserheblichen Fehldeutungen führen oder geführt haben".

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Der deutsche Strafprozess ist alles andere als bewährt, sondern eigentlich in jeder Hinsicht total ineffektiv. Prozesse, die Jahre dauern, dürfte es überhaupt nicht geben. Es müsste vielmehr eine Beschränkung auf das Wesentliche geben. Die Richter müssten die in anderen Ländern üblichen Verhandlungsfreiheiten haben. Natürlich wäre es - nicht nur für die Verteidigung, sondern auch für das Gericht- sinnvoll, wenn der Wortlaut der Verhandlung komplett aufgezeichnet würde. Und es müssste auch die Möglichkeit zu unkomplizierten das Verfahren wirklich abschließenden Deals geben. Schließlich wäre eine Beschränkung der Mündlichkeit wünschenswert.

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So wertvoll und wichtig diese Dokumentation auch war, Strate war doch selber Partei als Verteidiger und sein Honorar bzw. seine ganzen Unkosten holt er sich durch sein Buch darüber wieder herein. Das "pro bono" kann doch auch der sehr geschätzte Dr. jur. hc. Gerhard Strate nicht andauernd nur machen.

Auch ich betrachte das dann ebenfalls mal "in der Gesamtschau" mit Verlaub.

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Was wollen Sie damit sagen? Hätte es offiziell eine Aufzeichnung der HV bei Mollath gegeben, hätte Dr. Strate den Aufwand und die Unkosten der Dokumentatuon sparen können. Ein Anspruch auf Herausgabe der Aufzeichnungen für ein Buchprojekt könnte aber sehr restriktiv gehandhabt werden. Ich gehe davon aus, dass das Buch so oder ähnlich auch unbhängig vom offiziellen Umgang mit der Prozessdokumentation entstanden wäre.

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Lutz Lippke schrieb:

Was wollen Sie damit sagen?

Eine offizielle Protokollierung täte not und die ist dann auch die offizielle Protokollierung eben. Eigene Aufzeichnungen aber sind jedem der Beteiligten doch unbenommen. Bei Diskrepanzen soll dann ein anderes Gericht auf Antrag entscheiden innerhalb einer kurzen Frist, die Kosten bei einer Ablehnung für die unanfechtbare Entscheidung trägt der Antragsteller, sonst die Staatskasse.

Wäre sicher auch keine Lösung, die jeden Steit um das Protokoll völlig ausschließen würde, aber das entscheidende Gericht könnte evtl. auch dazu dann auf einen Tonträger zugreifen, der dann an der entscheidenden Stelle vorgespielt werden kann in einer Sitzung.

Tonträger bei der Justiz unterliegen ja noch Aufbewahrungsfristen, Zivil- und Familien-Richter benützen auch in Verhandlungen ja öfters Diktiergeräte.

Einwände gegen ein Protokoll müssen immer rechtzeitig vorgebracht werden, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben bekanntlich.

 

Das offizielle Gerichtsprotokoll wird laufend nach jedem Sitzungsstag erstellt und kann auch formlos ohne Antrag eingesehen werden von Beteiligen innerhalb einer engen Frist auf der Geschäftsstelle, und dagegen wäre  ein Einspruch auch nur innerhalb einer weiteren engen Frist dann mit einem schriftlichen und auch noch begründetem Antrag zulässig.

Nur wieder als Anregung gedacht.

Mit größter Hochachtung übrigens vor Herrn Dr. jur. hc. Gerhard Strate habe ich das so geschrieben, aber ein Spezialist für Wiederaufnahmen, so wie er es einer ist, der muß auch noch etwas verdienen können und seine viele Arbeit im Fall Gustl Mollath und nun im Fall Andreas Darsow kann ihm ja auch eigentlich keiner vergüten.

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Also beim RAF Prozess waren Tonbandaufnahmen zur Unterstützung der Gerichtsschreiber noch zulässig.

Mit einer Karenzfrist sollte man m.M. nach wichtige Prozesse von historischer Bedeutung schon veröffentlichen können dürfen sollen müssen.

http://www.zeithistorische-forschungen.de/2-2008/id%3D4444

Gründe für eine Aufzeichnung:

1. Revisionsfestigkeit über alles. Eine Revision auf diesen Punkt allein zu stützen, erschiene mir nicht aussichtsreich. Aber 374 Arbeitstage sollte man nicht auf's Spiel setzen.

2. Die StA mag mit gutem Beispiel vorangehen für eine Aufzeichnung von Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen bei der Polizei.

3. Wer in einer solchen Sache vor Publikum sprechen kann, kann auch auf Tonband vertretbar sprechen. R1 reicht als Schmerzensgeld; Pressesprecher des öD gehen für weniger Geld vor die Kamera.

4. Mit großen Ämtern kommt große Verantwortung. Transparenz staatlichen Handelns bringt mit sich, dass sich nicht nur der Staat, sondern auch der einzelne Staatsdiener gelegentlich exponieren muss.

5. Falls die Verteidiger die Aufnahmen veröffentlichen, dürften sie auf Unterlassung und ggf. Schmerzensgeld in Anspruch zu nehmen sein.

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@Leser (nicht de..)
zum Punkt Nr. 5: da müsste man erst einmal nachweisen, wer denn der Veröffentlicher war. Und das bei wenigstens 17 (?) Verteidigern im NSU-Prozess. Aus Gründen der Gleichbehandlung brauchen die Nebenklagevertreter auch eine Kopie, dann sind wir wohl bei mindestens 50 (?) Kopien. Dazu  gibt es dann den presserechtlichen Informantenschutz. Viel Spaß beim Herausfinden des richtigen Beklagten einer Unterlassungsklage.....

 

@Prof. Müller: Schön, dass die Jury in den USA ein Wortprotokoll bekommt. Aber dafür muss sie ihren Schuldspruch auch überhaupt nicht begründen und die 3x lebenslänglich stehen dann in einem Urteil, das so kurz und begründungsfrei ist wie ein oU-Beschluss des BGH.

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Sehr geehrter Herr OStA50,

Sie schreiben:

Der Verweis auf die z.T. wörtliche Protokollierung in anderen Rechtsordnungen halte ich für wenig hilfreich. Prozessordnungen sind strukturprägender Natur. Sie beruhen auf einem in der jeweiligen Rechtsordnung als fairer Interessenausgleich zwischen dem staatlichen Strafanspruch und den Rechten der Verfahrensbeteiligten gewerteten Verhältnis der die Aufklärung strukturierenden und zugleich begrenzenden Regelungen, die jeweils in ihrerer Gesamtheit gewürdigt werden müssen.

Das hört sich zwar toll an, ist aber kaum überzeugend. Der deutsche Strafprozess ist (jedenfalls seit ich das beobachte, also seit ca. 35 Jahren) durch viele Reformen so eklatant verändert worden, dass man kaum noch von derselben Struktur sprechen kann wie zuvor. Den Gedanken einer "Strukturprägung" und eines "fairen Interessenausgleichs" ist seit vielen Jahren keiner mehr nachgegangen, denn sobald man meinte durch mehr "Strenge" und weniger Rechtsstaat gegenüber den Beschuldigten Wählerstimmen gewinnen zu können, wurde dies so geregelt. Die größte Änderung der Struktur des Strafprozesses geschah allerdings (contra legem) durch die sich ausbreitende Absprachepraxis, die insbesondere von seiten der Justiz an jeglicher Strukturwahrung vorbei massiv gefördert wurde. Dieser "Deal"-Gedanke ist es, der - aus den USA kommend, wo er seit jeher die Struktur des Parteienstrafprozesses bestimmt - die traditionelle Ausrichtung des deutschen Strafprozesses auf Aufklärung (möglichst) der objektiven Wahrheit als Entscheidungsgrundlage untergraben hat und weiter untergräbt. Im Übrigen auch den "fairen Ausgleich" der Interessen. Eine Protokollierung/Aufzeichnung des im Prozess mündlich Gesagten hingegen entspricht vielmehr der traditionellen Ausrichtung zur objektiven Wahrheitsfindung, dem Mündlichkeitsprinzip und dem fairen Interessenausgleich. 

Sie haben Recht, als die USA nicht das beste Beispiel ist. Aber die Schweiz kann man als Rechtsordnung hervorheben, die sich strukturell wenig von der deutschen unterscheidet. Art. 78 Schweiz. StPO sieht die Protokollierung vor. Nach Richtlinien des Kantons St. Gallen etwa soll sogar eine Tonaufzeichnung vorgenommen werden NEBEN der schriftlichen Protokollierung. Eine solche Aufzeichnung hat mit der TV-Show eines OJ Simpson-Prozesses nichts zu tun. Ihre Einwände sind m. E. einfach nicht tragfähig.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

Man sollte die einzelnen Aspekte und Argumente nicht einfach vermengen. Das Festlegen von Aufzeichnungen für bestimmte Verfahrenssituationen bestimmt weder uferloses Aufzeichnen, noch stundenlanges Anhören oder den Zwang zur unkontrollierbaren Weitergabe.  Es gibt Wege aus solchem verquirlenden Gesamtschau-Denken, die zu differenzierter Erkenntnis führen kann.

1. Die mangelnde Qualität der Rezeption des mdl. Vortrags in Verhandlungen und bei Zeugenbefragungen wird kaum bestritten, dem könnte Aufzeichnung entgegen wirken - sowohl vorbeugend, als auch nachträglich korrigierend

2. Aufnahmen könnten zwar, müssten aber nicht zwangsläufig das Gerichtsgebäude verlassen. Eine Veröffentlichung kann also wirksam verhindert werden.

3. Der Zugriff kann auf begründete Anträge wie z.B. auf Protokollberichtigung beschränkt werden, als letztes Mittel der Prüfung sozusagen. Die Verwendung würde dann nur relevant, wenn zu entscheidungserheblichen Sachverhalten Differenzen zum Inhalt der HV bestehen.

4. Der Schutz vor unberechtigter Veröffentlichung könnte auch durch technische Vorkehrungen (Daten-DNA) erfolgen, in dem die Version mit dem Empfänger/Inhaber der Aufzeichnung manipulationssicher verknüpft wird.

Ich denke, damit zeigt sich, dass die Argumente gegen eine Aufzeichnung nicht wirklich punkten können, weil sie sich fast ausschließlich auf lösbare Aspekte einer nachträglichen Verwendung beziehen.

 

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An dem konkreten Mammut-Prozess bin ich nicht beteiligt und ich verfolge ihn auch nicht, weshalb ich mich einer Stellungnahme dazu enthalte.

In meiner früheren Zeit als Strafverteidiger habe ich mich jedoch oft darüber gewundert wie frei die Gerichte Zeugenaussagen interpretieren und zusammenfassen, und ich habe oft bedauert, daß hierzulande keine Wortprotokolle geführt werden.

Nicht übereinstimmende Aussagen von Zeugen werden durch Verkürzung und Zusammenfassung und Interpretation manchmal übereinstimmend gemacht, und dies hilft nicht bei der Wahrheitsfindung, sondert erschwert sie, und es erschwert auch die Wahrnehmung der Rechte der Beteiligten.

Die Beschwerdemöglichkeiten die es heute gibt sind unzureichend und ineffektiv, und wenn die Erfolgsaussichten gering sind, überlegt es sich zweimal ob man vom Gericht eine Nachbesserung oder Korrektur verlangen und das Gericht damit verärgern möchte.

Wortprotokolle wären bei der Wahrheitsfindung und bei der Wahrnehmung der Beschuldigten- und Verteidigerrechte (aber auch der Nebenklägerrechte) in vielen Fällen sehr hilfreich.

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Die Aufzeichnung sollte das Protokoll ersetzen. Eine Tonaufzeichnung ist unproblematischer als eine Videoaufzeichnung (v.a. in technischer Hinsicht). Bei Normierung des Tonaufnahmeformats könnte jeder Prozessbeteiligte sich mittels Dragon o.ä. auch Ausdrucke herstellen.

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Diese Diskussion mäandert.

Die Argumente, die hier pro Aufzeichnung aufgeführt werden beziehen sich alle auf Zeugenaussagen. Da hat sicher jeder Verteidiger und jeder StA eine Schnurre, dass ein Gericht die Aussage seines Erachtens falsch wiedergegeben hat. Mag sogar so sein. Und was würde das Wortprotokoll insofern ändern? Es geht dabei doch idR um Verhandlungen vor der Großen Strafkammer und dem Staatsschutz-Senat des OLG, angreifbar mit der Revision. Ein Wortlautprotokoll impliziert doch einen Paradigmenwechsel im Verfahren: Der BGH soll damit zur Berufungsinstanz werden, weil urteilsfremde Ausführungen eingebracht werden sollen. Im Ergebnis soll der BGH die Hauptverhandlung rekonstruieren. Und bevor hier jemand -wie leider im Internet manchmal üblich- über mich herfällt: Das kann man ja vertreten, ich will beileibe niemandem seine Meinung verbieten, aber dann bitte auch mit der Erläuterung, dass dies die Folge sein soll. Ganz konkret würde es doch darauf hinauslaufen, dass der revisionsführende Verteidiger schreibt: "Auf UA S. 78 wrid die Aussage des Zeugen Müller wiedergegeben wie folgt: [...] Aus Prot-Band Bl. 3586 des Wortprotokolls ergibt sich aber [...]." Gegenerklärung StA: "Beides ist zutreffend, aber aus Prot-.Band Bl. 3679 ergibt sich, dass der Zeuge dies später relativiert hat. Er erklärt dort ausdrücklich, er habe auf Bl. 3586 damit gemeint..." Das ist Rekonstruktion. Und noch einmal: Das kann man gut oder schlecht finden. Aber man muss sich und anderen sagen, dass dann darum geht.

Und warum behaupte ich, die Diskussion mäandere? Weil es in München um etwas ganz anders geht, und dass hat Kommentator Nr. 1 ja schon eingang gesagt: Die Verteidiger wollen ein Plädoyer aufzeichnen / aufgezeichnet wissen, nachdem das über 300 Tage bei Zeugenaussagen nicht nötig war. Und ihren Antrag stellen sie -offenbar, ich war nicht dabei- und angekündigt und als der GBA-Vertreter gerade aufsteht. Dazu kann man die eine oder andere Meinung haben, aber die Diskussionsbeiträge beziehen sich zu geschätzt 90% auf Zeugenaussagen und gehen damit am Gegenstand der Münchener Auseinandersetzung vorbei.

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Dem kann man entgegenhalten:

Dass ein Plädoyer einen anderen Charakter hat als eine einfache Zeugenaussage, wird keiner bestreiten wollen, oder? 

Insofern gibt es eben doch sachliche Gründe, die den Antrag eben gerade nicht als taktisches Manöver desavouiert.

Aber da nun die Argumente des fairen Sportsmannes ins Feld geführt werden:

Warum übergibt die Gegenseite nicht einfach eine Kopie ihres Redesmanuskriptes an die Verteidigung und erspart uns diese Diskussion? Weil sie nicht dazu gezwungen ist?

Mustermann schrieb:

Warum übergibt die Gegenseite nicht einfach eine Kopie ihres Redesmanuskriptes an die Verteidigung und erspart uns diese Diskussion? Weil sie nicht dazu gezwungen ist?

Sie meinen also, die eine Seite liest dann später ihr Redemanuskript nur noch ab, die andere Seite kennt dann aber jedes einzelne Argument ganz genau, auf das sie dann antworten könnte und diese Antwort später hätte sie aber dann ja auch schriftlich ausarbeiten müssen und später nur ablesen, aber gleichzeitig das eigene Redemanuskript der Gegenseite durch eine relativistisch zeitverschiebende Telepathie nun der anderen Seite auch zur Kenntnis noch gebracht haben? Das wäre dann nämlich wahre Waffengleichheit fairer Sportsleute, aber absurd. Die Verteidigung hat doch sowieso immer den Vorteil der Reaktion in ihrem Plädoyer auf die Vorbringungen der Staatsanwaltschaft in deren Plädoyer.

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Ist das eine Anwort oder Ausdruck Ihrer Verwirrung?

Sie sagen es doch selbst:

Die Verteidigung hat doch sowieso immer den Vorteil der Reaktion in ihrem Plädoyer auf die Vorbringungen der Staatsanwaltschaft in deren Plädoyer.

Eben!

Was hindert die StA denn, einfach das Skript zu übergeben? Können ja eh nicht mehr zurück. 

 

Mustermann schrieb:

Ist das eine Anwort oder Ausdruck Ihrer Verwirrung?

Sie sagen es doch selbst:

Die Verteidigung hat doch sowieso immer den Vorteil der Reaktion in ihrem Plädoyer auf die Vorbringungen der Staatsanwaltschaft in deren Plädoyer.

Eben!

Was hindert die StA denn, einfach das Skript zu übergeben? Können ja eh nicht mehr zurück. 

 

Sie haben es leider nicht verstanden, denn es gibt auch alle im Gerichtssaal noch überraschende frei vorgetragene Plädoyers, die neue Schwerpunkte noch  setzen, auch mal verstärken, oder andere abschwächen usw. oder aber weglassen.

Wenn dann auch noch große rhetorische Kunst und Überzeugungskraft dazu kommt, kann das den Ausschlag geben bei einer Kammer in deren Abstimmung vor dem Urteil.

War das denn völlig neu für Sie?

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Aber auch so könnte ich es ausdrücken: Der taktische Vorteil der Reaktion für die Verteidigung plus den letzten Worten der/des Angeklagten braucht m.E. nicht auch noch extra verstärkt zu werden, wenn man schon von fairen Sport und Waffengleichheit schreibt.

 

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Nun auf die Idee mit dem fairen Verfahren bin nicht ich gekommen. Das waren andere.

Die Abfolge in der Prozessordnung sollte diesen Leitsatz ja stützen.

Dass Sie allerdings der Meinung sind, den taktischen Nachteil der Anklägerrolle dadurch zu kompensieren, dass man einfach in Überlänge tagelang vor sich hin doziert, zeigt Ihre unlautere Motivation einen Mitschnitt nicht zulassen zu wollen. 

Die objektivste Behörde der Welt braucht sich solch schmuddeliger Massnahmen zum "Chancenausgleich" nicht zu bemühen.

 

Neu scheint mir nur Ihre Argumentation im Vergleich zu Ihrem vorherigen Post.

Anstatt dass Sie eine  Antwort auf meine Frage geben, tragen Sie unbewusst die Argumente der Verteidigung vor.

Gerade wenn Sie anführen, dass Plädoyer wäre nicht tatsachenorientiert, sondern würde unter Umständen maßgeblich auf die blendende Wirkung rhetorischer Kunstgriffe aufbauen, unterstreicht das ja die Notwendigkei einer Mitschrift.

Die Angeklagte muss die Vorwürfe ja vertstehen können und sollte nicht einfach durch die schiere Schlagzahl rhetorischer Spielereien erschlagen werden. Oder soll die Angeklagte keine Stellung zu den einzelnen Vorwürfen nehmen dürfen?

 

 

Sie irren sich aber schon wieder, verehrter Mustermann, ich unterscheide doch lediglich Beweisaufnahme und die Beweiswürdigung.

Die Beweisaufnahme besser und nachprüfbarer zu dokumentieren für alle Beteiligten, ist eine Sache. In der Beweisaufnahme hat die Verteidigung schon sehr viele Gelegenheiten, alles anzuzweifeln, was an Zeugenaussagen vorher bereits verschriftlicht wurde und Widersprüche zu entdecken, oder gar zu konstruieren.

Auch nach den Modalitäten der Verschriftlichungen in den Verhören zu fragen, um weitere Zweifel zu sähen. Angeklagte werfen den Beamten aus den Verhören auch gelegentlich bewußtes Lügen vor, alles schon öfters erlebt.

Die Beweiswürdigung aber machen zuerst mal selber doch Ankläger, Nebenkläger, Verteidiger mit ihren Anträgen zu Schuld und Strafmaßen (Tat und Schuld angemessen aus ihrer jeweiligen Sicht und auch im Hinblick noch auf eine Schuldfähigkeit).

Jetzt aber geht es ja um einen möglichen Präzedenzfall und das hat doch Relevanz für die StPO und ihre Prinzipien und für andere Verfahren außerdem noch, das könnte eine grundsätzliche Wende bedeuten für die Staatsanwaltschaften.

Das Gericht als kleine oder große Straf-Kammer oder als Schöffengericht oder als Einzelrichter wird im (nach Beratung ggf.) abgegebenen Urteil nach allen vorherigen Plädoyers mal seine eigene Beweiswürdigung darlegen und verschriftlichen müssen, aber die Verteidigung braucht das ebenso wenig zu machen wie die Ankläger des Staates und der Nebenklage. Warum denn das auch noch?

Es gibt ja nicht nur Mammutprozesse wie den jetzigen NSU-Prozeß in München.

Wenn zum Beipiel die Beweisaufnahme doch sehr dünn geblieben ist bei einer KV, und die StA sogar auf Freispruch dann plädiert, was sollte denn da ein vorheriges schriftlich ausgearbeitetes Konzept bringen, daß der Verteidigung vorher zu überbringen wäre? Absurdes Theater doch!

Ich denke auch da mehr strukturell eben noch dabei,  und nicht nur an diesen Einzelfall in München.

Absolute Wahrheiten über Sachverhalte und Taten und Schuldfähigkeit erwarte ich auch nie in einem Prozeß und die kann es meistens dort nicht geben, die bilden sich doch in Köpfen der Richter und dann halten sie etwas für erwiesen. Meistens stimmt es sogar, auch nach meiner Meinung, aber doch auch nicht immer.

Bei einem reinen Indizienverfahren zu einem undurchsichtigen Mordfall z.B. hätte ich mal gewettet, das Schwurgericht kommt doch noch zu einer Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts, die beiden Verteidiger spielten sogar ein Rollenspiel auf in ihren Plädoyers, wie in einem Theater als Schauspieler.

Urteil Freispruch in dubio pro reo, das Schwurgericht hatte so entschieden nach langen Beratungen, viele Beobachter verstanden das nicht.

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Jens schrieb:

Und warum behaupte ich, die Diskussion mäandere? Weil es in München um etwas ganz anders geht, und dass hat Kommentator Nr. 1 ja schon eingang gesagt: Die Verteidiger wollen ein Plädoyer aufzeichnen / aufgezeichnet wissen, nachdem das über 300 Tage bei Zeugenaussagen nicht nötig war. Und ihren Antrag stellen sie -offenbar, ich war nicht dabei- und angekündigt und als der GBA-Vertreter gerade aufsteht. Dazu kann man die eine oder andere Meinung haben, aber die Diskussionsbeiträge beziehen sich zu geschätzt 90% auf Zeugenaussagen und gehen damit am Gegenstand der Münchener Auseinandersetzung vorbei.

Da Sie hier damit ja vollkommen recht haben, werde ich auf einige Argumente zum "Deal" gemäß § 257c StPO im Kommentar von Prof. Dr. H.E. Müller hier jetzt nicht mehr eingehen.

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Sehr geehrte Leser und Kommentatoren,

ich habe den Einwand, die Aufzeichnung des Plädoyers sei mit der Struktur und Fairness des Verfahrens nicht vereinbar, auch mit Argumenten zurückgewiesen, die über den hiesigen Diskussionsgegenstand hinausgingen (insbes. zum "Deal").  Ich wollte damit nicht mäandern und (anders als manches Mal sonst) begrüße ich die disziplinierte Diskussion insoweit.

Ein paar Punkte noch zu den weiteren genannten Argumenten: Während die geforderte nicht-öffentliche Aufzeichnung mit dem Mündlichkeitsprinzip völlig vereinbar ist und es keinerlei Vorschrift in der StPO bzw. im GVG gibt, die das untersagt, erschiene die Weitergabe einer vorab erstellten schriftlichen Version eher problematisch. Es würde dann nicht mehr auf das im Prozess mündlich Vorgetragene reagiert, sondern auf das schriftlich vorbereitete Plädoyer - dies wäre eine (weitere) Abweichung vom Mündlichkeitsprinzip, die ich nicht für sinnvoll halte.

Eine befürchtete "Wende" durch eine ausnahmsweise durch Gerichtsbeschluss ermöglichte Tonaufzeichnung des Plädoyers sehe ich nicht. Unter den besonderen Umständen eines mehrjährigen Großverfahrens oder bei historischer Bedeutung (im NSU-Verfahren trifft wohl beides zu) lässt sich eine entsprechende Ausnahme formulieren, die sich eben nicht auf alle anderen Strafverfahren auswirken muss.

Folgendes schweift wieder ein bisschen ab: Notwendiger erscheint mir, dass nicht nur Plädoyers, sondern eben die gesamte Beweisaufnahme aufgezeichnet wird. Ja, das würde tatsächlich die Rechtsmittelstruktur verändern - übrigens nicht nur im Sinne der Angeklagten/Verurteilten, sondern im Sinne der Wahrheitsfindung. Es würde die Revision, die in den letzten Jahrzehneten immer weiter eingeschränkt wurde, etwas in die Richtung einer zweiten Tatsacheninstanz verändern und deutlich aufwerten: Die heutige Regelung führt dazu, dass sich Kammern und Senate überhaupt keine große Mühe geben müssen,  sich bei der Beweiswürdigung an die Aussagen in der Hauptverhandlung zu halten. Stattdessen beziehen sie sich zB auf Akteninhalte. Sie können bei der Tatsachenwürdigung ja ohnehin nicht vom BGH korrigiert werden. Und hier liegt eben doch ein wesentlicher Grund für Fehlurteile.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Eine befürchtete "Wende" durch eine ausnahmsweise durch Gerichtsbeschluss ermöglichte Tonaufzeichnung des Plädoyers sehe ich nicht. Unter den besonderen Umständen eines mehrjährigen Großverfahrens oder bei historischer Bedeutung (im NSU-Verfahren trifft wohl beides zu) lässt sich eine entsprechende Ausnahme formulieren, die sich eben nicht auf alle anderen Strafverfahren auswirken muss.

Wäre das denn so zu verstehen, daß

a) die Aufzeichnung der Plädoyers für spätere gerichtliche Untersuchungen nach dem Urteil vorgesehen ist, aber nicht mehr in diesem Prozeß vor dem Urteil verwendet werden darf? Also auch erst in der Revision wieder herangezogen werden kann?

b) die Aufzeichnung der Plädoyers für spätere zeitgeschichliche oder ahnliche  Untersuchungen nach einem rechtskräftigen Urteil vorgesehen ist?

c) die Aufzeichnung der Plädoyers den Beteiligten vor dem Urteil zugänglich gemacht wird und auch von ihnen verwertet werden darf, das würde aber ja lediglich nur noch die Verteidigung betreffen. Aber wenn dann nach allen Plädoyers noch einmal die Beweisaufnahme vom Gericht eröffnet werden würde / müßte, könnte  alles dann noch einmal von vorne losgehen, denn danach muß ja noch einmal von der StA, der Nebenklage und der Verteidigung plädiert werden.

Wie ist es denn gedacht von Ihnen, sehr geehrter Herr Prof. Dr. H. E. Müller?

Mit bestem Gruß

GR

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Sehr geehrter Herr GR,

ich denke, dass aus meinem Beitrag hervorgeht, dass jedenfalls c) in Betracht kommt. Ihren Einwand, dass dann evtl. nach einer Rückkehr in die Beweisaufnahme noch einmal aufgezeichnet werden muss, kann ich nicht nachvollziehen. Gegenüber der Mühe, noch einmal plädieren zu müssen, ist das erneute Drücken eines Schalters zur Aufnahme des zweiten Plädoyers doch der wesentlich geringere Aufwand.

Zu b): Ich sehe nicht, aus welchem Grund  ein in öffentlicher Verhandlung abgegebenes Plädoyer der Staatsanwaltschaft geheimhaltungswürdig sein soll. Nach rechtskräftiger Entscheidung kann es (ebenso wie Urteile selbst) doch rechtswissenschaftlcih und historisch ausgewertet werden, genauso, wie das heutzutage mit Plädoyers-Mitschriften der Prozessbeteiligten und Journalisten ja auch geschehen kann.

zu a) Inwieweit das Plädoyer der Staatsanwaltschaft für eine Revision überhaupt relevant sein kann, habe ich im Moment nicht im Blick. Bisher jedenfalls können nur Rechtsfehler des Gerichts, nicht aber solche der Staatsanwaltschaft mit Rechtsmitteln angegriffen werden.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

ich denke, dass aus meinem Beitrag hervorgeht, dass jedenfalls c) in Betracht kommt. Ihren Einwand, dass dann evtl. nach einer Rückkehr in die Beweisaufnahme noch einmal aufgezeichnet werden muss, kann ich nicht nachvollziehen. Gegenüber der Mühe, noch einmal plädieren zu müssen, ist das erneute Drücken eines Schalters zur Aufnahme des zweiten Plädoyers doch der wesentlich geringere Aufwand.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,

ich kann es nicht ausschließen, daß Sie mich etwas mißverstanden haben. Nach Plädoyers ergeben sich manchmal noch offene Fragen zu Sachverhalten oder Gutachten usw., oder es werden auch noch Beweisanträge gestellt, jedenfalls habe ich solches schon erlebt, die auch das Gericht dann noch für bedeutsam hält, und wieder in die Beweisaufnahme geht. Dann sind auch noch Änderungen der Plädoyers möglich, nach erneutem Abschluß der Beweisaufnahme.

Zu b): Ich sehe nicht, aus welchem Grund  ein in öffentlicher Verhandlung abgegebenes Plädoyer der Staatsanwaltschaft geheimhaltungswürdig sein soll. Nach rechtskräftiger Entscheidung kann es (ebenso wie Urteile selbst) doch rechtswissenschaftlcih und historisch ausgewertet werden, genauso, wie das heutzutage mit Plädoyers-Mitschriften der Prozessbeteiligten und Journalisten ja auch geschehen kann.

Da haben wir auch überhaupt keinen Dissens und das wurde nun auch so klargestellt.

zu a) Inwieweit das Plädoyer der Staatsanwaltschaft für eine Revision überhaupt relevant sein kann, habe ich im Moment nicht im Blick. Bisher jedenfalls können nur Rechtsfehler des Gerichts, nicht aber solche der Staatsanwaltschaft mit Rechtsmitteln angegriffen werden.

Da dürfte das eventuelle Mißverständnis herrühren, da es mir ja nicht um den Inhalt des Plädoyers der Staatsanwaltschaft ging, sondern nur um das Verfahren und das Procedere damit, denn wenn es durch Ungleichbehandlungen von Beteiligten, wie ausgeführt von mir, oder auch dann noch möglichen anderen Verfahrensfehlern durch das Gericht selber zu einem Rechtsfehler gekommen wäre, dann ist das natürlich sehr relevant für eine Revision.

Das waren ja meine Punkte, die ich im Blick dabei hatte.

Besten Gruß

Günter Rudolphi

Korrektur:

"da es mir ja nicht um den Inhalt der Plädoyers der Staatsanwaltschaft ging,"

...... das wären dann evtl. das erste und das zweite ergänzte oder abgeändertesondern nur um das Verfahren und das Procedere damit, ......

Ich gebe aber mal eine Prognose ab:

Die Bundesanwaltschaft wird keiner Aufnahme ihrer Plädoyers mit einer Verwertung innerhalb des laufenden Prozesses aus grundsätzlichen Erwägungen zustimmen, wenn sie überhaupt einer Tonaufnahme jetzt noch zustimmt, was ich aber auch noch etwas bezweifle, daß sie da jetzt zurückrudert.

Wir werden aber sehen, wie es dann kommt .....
 

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,

Sie haben den Zirkelschluss verschriftet, aber offenbar, ohne dessen gewahr zu sein:

"Inwieweit das Plädoyer der Staatsanwaltschaft für eine Revision überhaupt relevant sein kann, habe ich im Moment nicht im Blick."

Die Antwort ist: Nein, natürlich kann es aktuell nicht relevant sein. Warum? Weil es urteilsfremd ist. Aber die Abgründe, die sich auftäten, wenn in gerade diesem Prozess der GBA-Schlussvortrag auf Protokollebene gehoben würde (wird er das!?) und damit (möglicherweise, ist ja noch nie da gewesen) Wertungen des Schlussvortrages für das Revisionsverfahren binden. Das ist doch vermutlich die Sorge, die dahintersteht.

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Sehr geehrter Jens,

nein, ein Zirkelschluss ist das nicht: Wenn das Plädoyer der StA  aufgezeichnet wird, um der Verteidigung und den Angeklagten eine Antwort zu erleichtern/ermöglichen, wird der Inhalt dieses Plädoyers doch nicht dadurch plötzlich revisionsrechtlich als möglicher Rechtsfehler des Gerichts relevant (das wäre eine andere Sache, wenn es um Beweismittel ginge, wie oben angedeutet). "Wertungen des Schlussvortrags" sollen "für das Revisionsverfahren binden"? Wen denn? Die Handlungen und Wertungen der Staatsanwaltschaft sind überhaupt nicht Gegenstand der Revision. Dadurch, dass es nicht nur mitnotiert werden kann, sondern auch eine Aufzeichnung existiert, soll sich das ändern? Das ist nun wirklich ziemlich abwegig. Die Aufzeichnungen in den berühmten Prozessen in Frankfurt (Auschwitz) und in Stuttgart Stammheim (RAF) hatten übrigens nichts dergleichen zur Folge. Und da wurde ja viel mehr aufgezeichnet als nur die Plädoyers.

Und das ist auch nicht "die Sorge, die dahintersteht". Eher umgekehrt: Das Gericht hatte den Antrag doch schon abgelehnt. Dabei hätte es bleiben können, wenn nicht jetzt doch die Sorge bestünde, dass die Ablehnung (nicht die Zustimmung) in der Revision Schwierigkeiten machen könnte. Der Senat hat sich die ganzen vier Jahre lang bemüht, keine Rechtsfehler zu machen, um einer Revision keine Gründe zu liefern. Das will das Gericht nicht auf den letzten Metern verbaseln, indem es einen möglcherweise doch nicht so unberechtigten Antrag der Verteidigung ablehnt. Das ist, wenn überhaupt, die Sorge.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

 

 

 

Ein Gedanke sollte m.E. aber noch eingebracht werden, auch weil die Worte vom "nicht zurückrudern" oft nur negativ konnotiert sind und als Unflexibilität verstanden werden, aber die Prinzipienfestigkeit ist eine positive Eigenschaft. Über diesen einen Prozeß hinaus ist doch den Entscheidungen zum Procedere durchaus schon eine gewisse Bindungswirkung zuzumessen für andere Verfahren.

Um es noch einmal zu präzisieren: Auch verschiedene Nebenkläger untereinander vertreten nicht immer gleiche Positionen in anderen Verfahren, der erste Nebenkläger nach der Staatsanwaltschaft und deren aufgenommenen Plädoyer kann das dann genau studieren, kennt aber auch die aufgenommenen Plädoyers weiterer und des letzten Nebenklägers nicht, aber umgekehrt schon, dieser letzte Nebenkläger kann damit alle Plädoyers mit Hilfe der dann ihm vorliegenden Aufnahmen genau auswerten und bestens darauf reagieren.

Als Vertreter der Nebenklage, der das nicht konnte, wäre ich darüber aber sehr verärgert. Reihenfolgen sind aber doch wichtig, auch bei Zeugenbefragungen, und in einem Berufungsverfahren, das die Verteidigung für einen vorinstanzlich Verurteilten angestrengt hatte, muß sie auch zuerst plädieren,  und auch das Fragerecht hat sich ebenfalls umgedreht in der Reihenfolge.

Beim Frankfurter Auschwitzprozeß war m.W. von vorne herein auch der Rundfunk zugelassen für Aufnahmen aus dem Gerichtssaal, aber das ist so im Münchner NSU-Prozeß ja nicht geschehen. Von daher erwarte ich auch die Ablehnung der Aufzeichnungen der Plädoyers durch die Bundesanwaltschaft.

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Was hat der historische "Auschwitz-Prozesss" jetzt wieder mit dem aktuellen und uns hier interessierenden NSU-Prozess zu tun, speziell mit dem hier interessierenden Problem der Aufzeichnung des staatsanwaltlichen Plädoyers?  PS: Hier ist noch ein Prozeß, zu dem Sie sich sicher höchst interessante, aber völlig unmotivierte Parallelen einfallen lassen könnten, mit denen Sie uns beglücken könnten.

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Der "Sokrates-Prozeß" wurde nicht von der deutschen Nachkriegsjustiz verhandelt und auch das GVG hatte darin keine Bedeutung, anders als beim Frankfurter Auschwitz-Prozess, dem Stuttgarter RAF-Prozeß und dem Münchner NSU-Prozeß.

Soviel systematische Einordnung und Unterscheidung von Prozessen ist doch nicht schwer.

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