Lesetipp: Aufsatz zum Klageerzwingungsverfahren

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 18.12.2017
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht218|28001 Aufrufe

Gerade habe ich entdeckt, dass Nomos einen schon etwas zurückliegenden Beitrag von mir frei zugänglich online gestellt hat. Es handelt sich um einen Beitrag zum Klageerzwingungsverfahren in der NJ aus 2016. Den Beitrag finden Sie H I E R.

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Aber auch bei "pflichtgemäßem Ermessen" müssen doch bestimmte rechtsstaatliche Mindeststandards eingehalten werden, u.a. eben auch die Mindestanforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs, an die Wahrung von Mindestanforderungen der prozessualen Fairness,  etc. etc. Von all dem kann in der gegenwärtigen Praxis der Verfahren nach den §§ 172 ff StPO auch nicht ansatzweise die Rede sein.  

Das Bundesverfassungsgericht hat Ihre Rechtsansichten bekanntlich nicht einmal zur Entscheidung angenommen, was vermuten läßt, dass ein Verstoss gegen die "Mindestanforderungen an die Gewährung rechtlichen Gehörs, an die Wahrung von Mindestanforderungen der prozessualen Fairness, etc. etc" eben nicht vorlag, was Sie langsam akzeptieren sollten. Roma locuta, causa finita.

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Was ist maßgeblich? Ist maßgeblich die objektive Rechtslage oder ist maßgeblich die Entscheidung eines Gerichts, die zu der objektiven Rechtslage in Widerspruch steht? Was ist weiter maßgeblich? Ist maßgeblich das juristische Argument oder ist maßgeblich die Entscheidung an sich, auch wenn die Entscheidung keinerlei juristisches Argument enthält? Zudem: Das Blatt aus Karlsruhe, das Sie meinen, stellt eine, sehr vorsichtig ausgedrückt, unrichtige Gerichtsentscheidung dar: Sowohl meiner Verfassungsbeschwerde als auch meinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hätte ganz offensichtlich stattgegeben werden müssen. Die Einzelheiten entnehmen Sie bitte dem betreffenden Abschnitt in meinem Profil, dort können Sie alles im Zusammenhang ohne weiteres nachlesen. Im übrigen sind noch eine ganze Reihe weiterer, ähnlich gelagerter Verfahren beim OLG München anhängig und dort mittlerweile seit Monaten unbearbeitet.    

Dort wird vor allem hingewiesen auf die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungerichts in den beiden Fällen Tennessee Eisenberg und Gorch Fock mit den einführenden Worten: "Klageerzwingungsverfahren bei tödlichem Schusswaffeneinsatz durch Polizei (BVerfG, Beschluss vom 26.06.2014, Az.  2 BvR 2699/10 und Beschluss vom 06.10.2014, Az. 2 BvR 1568/12)."

Wollen Sie jetzt alle - geschätzt - 3265 Literaturstellen zum Klageerzwingungsverfahren abarbeiten, salamimäßig-häppchenweie jeden Tag eine neue?

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Die relevanten Literaturstellen zum Klageerzwingungsverfahren sind deswegen abzählbar endlich, weil alle Literaturstellen zum Klageerzwingungsverfahren vor der Tennessee Eisenberg-Entscheidung vom 26. Juni 2014 schon mal unberücksichtigt bleiben können. Damit sollte Ihre Sorge zerstreut sein. 

Nicht umsonst markiert der 26. Juni 2014 die Zeitenwende, was die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO betrifft. 

Der Begriff "Zeitenwende" ist völlig übertrieben. Das Bundesverfassungsgericht selbst spricht gegen "Zeitenwende". Es sagt, dass "über die Beantwortung der verfassungsrechtlichen Fragen keine ernsthaften Zweifel bestehen" und nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an (BVerfG, B. v. 26.6.2014 - 2 BvR 2699/10, Rdnr. 7). So lautet keine "Zeitenwende". Diese großsprecherische Wortwahl liegt also völlig neben der Sache, ganz abgesehen davon, dass Sie mit diesem Begriff vermutlich wieder einmal nur in eigener Sache "provozieren" wollen, wie Sie es mit Ihrem Freisler-Vergleich getan haben, weil sich sonst nämlich niemand für Ihren persönlichen Fall interessieren würde.

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"Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann auch dort in Betracht kommen, wo der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben, weil ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann. In diesen Fällen muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden." (Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, Rn. 11)

Das ist eine konsequente Anwendung, bzw. Weiterentwicklung, einer vom Bundesverfassungsgericht dargelegten und ausführlich belegten ständigen Rechtsprechung (Rdnr.10), aber keine "Zeitenwende", die einen tiefergehenden Bruch mit irgendwelcher Vergangenheit voraussetzen würde, was, wie gesagt, hier nicht der Fall ist. Dann wäre jegliches Urteil eines Obergerichts, das irgendeine weiterentwickelte Neuigkeit bringt, eine "Zeitenwende", also ca. 20 "Zeitenwenden" je NJW und 1000 "Zeitenwenden" im Jahr, mindestens...

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II. Vier Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts

Durch vier gleichlautende Entscheidungen des BVerfG ändert sich die Bedeutung des Klageerzwingungsverfahrens grundlegend: Erst vier gleichlautende Entscheidungen des BVerfG normieren einen echten Rechtsanspruch des Verletzten gegen die Staatsanwaltschaft auf effektive Strafverfolgung und damit auf ernsthafte Ermittlungstätigkeit.[2] Diese vier gleichlautenden Entscheidungen des BVerfG sind die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts

vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10 im Fall Tennessee Eisenberg;[3]

vom 6. Oktober 2014, 2 BvR 1568/12 im Fall Gorch Fock;[4]

vom 23. März 2015, 2 BvR 1304/12 im Fall Münchner Lokalderby[5] und

vom 19. Mai 2015, 2 BvR 987/11 im Fall Luftangriff bei Kundus.[6]

Der Verletzte hat insbesondere einen echten Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungstätigkeit gegen die Staatsanwaltschaft in folgender Fallgruppe: Steht ein Amtsträger im Verdacht, im Rahmen der Ausübung der ihm anvertrauten Amtstätigkeit eine Straftat begangen zu haben, hat der Verletzte einen echten Rechtsanspruch gegen die Staatsanwaltschaft auf die förmliche Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Amtsträger und auf sorgfältige Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen, sofern ein Anfangsdacht i.S.d. § 152 StPO gegen den Amtsträger besteht.[7]

Mit diesen vier gleichlautenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts wurde die "seit Menschengedenken" bestehende einhellige Rechtsprechung über den Haufen geworfen, wonach dem Verletzten hinsichtlich der Strafverfolgung lediglich ein sog. Reflexrecht zur Seite steht.[8]

Es kann gar nicht genug herausgestellt werden, dass durch diese vier gleichlautenden Entscheidungen des BVerfG – beginnend mit dem Beschluss vom 26. Juni 2014 im Fall Tennessee Eisenberg – eine richtiggehende "Zeitenwende" eingetreten ist: Erst seit diesen Beschlüssen des BVerfG kann der Verletzte einen echten Rechtsanspruch auf Strafverfolgung gegen Dritte – gegenständlich beschränkt auf die dort normierten Fallgruppen – für sich geltend machen. Erst beginnend mit dem Beschluss vom 26. Juni 2014 im Fall Tennessee Eisenberg wird also dem Verletzten ein subjektiv-öffentlich-rechtlicher Rechtsanspruch zugebilligt.[9]

In den vier Beschlüssen des BVerfG vom 26. Juni 2014 (Tennessee Eisenberg), vom 6. Oktober 2014 (Gorch Fock), vom 23. März 2015 (Münchner Lokalderby) und vom 19. Mai 2015 (Kundus) wird postuliert, dass der Verletzte dann einen echten Rechtsanspruch auf Strafverfolgung gegen Dritte, d.h. auf ernsthafte Ermittlungsbemühungen der Strafverfolgungsbehörden hat, wenn es um Straftaten von Amtsträgern bei der Ausübung des ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes geht. Das ist z.B. auch bei richterlicher Spruchtätigkeit der Fall.[10]

Erst vier gleichlautende Entscheidungen des BVerfG normieren einen echten Rechtsanspruch des Verletzten gegen die Staatsanwaltschaft auf effektive Strafverfolgung und damit auf ernsthafte Ermittlungstätigkeit

Ihr angeblich zeitenwendischer "echter Rechtsanspruch auf effektive Strafverfolgung" manifestiert sich in Wirklichkeit in vier gescheiterten Verfassungsbeschwerden, bzw. fünf, wenn man Ihre eigene mitzählt. Sehr weit scheint es mithin mit ihrem angeblich zeitenwendischen "echten Rechtsanspruch"  in Wirklichkeit nicht her zu sein, anders als in Ihrer Phantasiewelt.
 

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Zwar hat das BVerfG die VBn in den vier konkreten Fällen als unbegründet zurückgewiesen, in diesen vier Entscheidungen aus den Jahren 2014 und 2015 aber gleichwohl etwas seinerzeit völlig Neues judiziert. 

Zwar hat das BVerfG die VBn in den vier konkreten Fällen als unbegründet zurückgewiesen...

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht "als unbegründet zurückgewiesen", sondern sie nicht zur Entscheidung angenommen. Eine Zurückweisung als unbegründet kommt erst dann in Frage, wenn vorher das Annahmeverfahren (§§ 93a ff. BVerfGG) erfolgreich war. Schon diese erste Hürde haben die Verfassungsbeschwerden aber nicht genommen, so dass sie deshalb nicht "als unbegründet zurückgewiesen" werden konnten.

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Gast hat völlig Recht. Da ist nichts grossartig Neues.

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Na dann lesen Sie doch einfach mal nach, anstatt einfach nur die Realität zu negieren. 

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