Wie objektiv, unabhängig und neutral sind medizinische, psychologische und psychiatrische Gerichtsgutachter?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 09.02.2014
Rechtsgebiete: StrafrechtStrafverfahrensrecht84|33320 Aufrufe

Diese Frage beantworten Benedikt Jordan und Prof. Dr. med. Ursula Gresser im Ärzteblatt 2014, 111(6): A-120 mit der Überschrift "Gerichtsgutachten: Oft wird die Tendenz vorgegeben.“

In diesem Beitrag veröffentlichen die beiden Autoren erste Ergebnisse einer Studie, die die Neutralität fast jedes vierten medizinischen, psychologischen oder psychiatrischen Gutachtens infrage stellt! Hierüber wird zwar seit einiger Zeit schon vereinzelt diskutiert. Jedoch ging es bislang um Einzelfälle, bei denen die Diskussion schnell beendet werden konnte, aber nicht um eine breiter angelegte Untersuchung.

Der Fall Mollath löste eine kritische Auseinandersetzung mit der Begutachtungspraxis aus. Um dafür eine wissenschaftliche Grundlage zu schaffen, wurde im November 2013 eine Studie zur "Begutachtungsmedizin in Deutschland am Beispiel Bayern" im Rahmen der Dissertation von Benedikt Jordan an der Ludwig-Maximilian-Universität München durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung stellen die beiden Autoren erstmals im Ärzteblatt vor:

  • Nahezu jeder vierte Sachverständige gab an, bei einem vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachten "in Einzelfällen" eine Tendenz signalisiert bekommen zu haben.
  • Mehr als 50 % ihrer Einnahmen erzielen 53 von den 235Gutachtern, die an der Befragung teilgenommen haben. Bei rund einem Fünftel der Gutachter könnte also allein schon aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Neutralität gefährdet sein.

Wenn Richtern die medizinische, psychologische oder psychiatrische Sachkunde fehlt, sind sie gezwungen, einen Gutachter beauftragen, dessen Ergebnisse sie sich mangels eigener Sachkunde überwiegend anschließen – wenn das Gericht dabei aber die Tendenz vorgibt und vielleicht sogar noch eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Sachverständigen von Gutachteraufträgen besteht, dann stehen wir vor dem Scherbenhaufen einer fatalen Entwicklung.

Unter dem Titel „Die Befangenen“ auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung vom 7.2.2014 hat bereits die Journalistin Annette Ramelsberger das Thema aufgegriffen und berichtet von einem der wissenschaftlich renommiertesten deutschen Psychiater, der deshalb nicht mehr beauftragt wird, weil er dem Münchner Schwurgericht zu häufig Gutachten vorlegte, in denen er statt zu Haft zur Psychiatrie riet.

Die Studie löst hoffentlich eine breite Diskussion zwischen Juristen und Gutachtern darüber aus, wie künftighin die Neutralität der Gutachter gewahrt bleiben kann.

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84 Kommentare

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Nochmal das Diktum des BVerfG, es lautet:

"Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann auch dort in Betracht kommen, wo der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben, weil ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann. In diesen Fällen muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden."

​Genau dieses Diktum wird dadurch konterkariert, dass die StA in vorliegendem Fall die Schwelle für die Annahme eines Anfangsverdachts willkürlich in unerreichbarer Höhe ganz weit oben ansetzt.

Da wird gar nichts "konterkariert". Bei schweren Delikten (Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, die Freiheit der Person, bei Delikten von Amtsträgern oder bei Straftaten, bei denen sich die Opfer in einem besonderen Obhutsverhältnis zur öffentlichen Hand befinden) gibt es keine niedrigeren Anforderungen an den Verdacht. Es spricht einiges dafür, dass aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vielmehr sogar das Gegenteil folgt. Immer muss es konkrete Tatsachen für einen Verdacht geben; schlichte Vermutungen oder Unterstellungen reichen nicht.

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Genau dieses Konterkarieren liegt in Wahrheit für alle offen sichtbar auf der Hand. 

Zum Thema "Konterkarieren" bin ich auch auf diese ältere Äußerung von Thomas Fischer gestoßen, das hatte er in seiner Kolumne damals – ganz am Ende von Rechtsbeugung, Teil II – zur „Krähentheorie“ geschrieben:

"Im Rechtsstaat entsteht Recht allein durch Recht, und Recht kann nur Recht hervorbringen. Die äußerste Möglichkeit, die ein Bürger hat, um sein Interesse zu artikulieren, ist ein rechtsförmiges Verfahren. Er hofft – und kann nur darauf hoffen – dass dort ein Prinzip herrscht, das von „Kameradschaft“ so weit entfernt ist wie möglich, und das aus purer bürokratischer Sachlichkeit besteht. Deshalb (!) muss die Justiz mit anderen Maßstäben gemessen werden als die Installationswirtschaft."

RA Würdinger schrieb:

Die Krähentheorie fand auch Eingang in Fischers Aphorismen-Sammlung:

Richtig, das ist eine reine Theorie des Herrn Fischer, und er selber widerlegt auch da sich wieder einmal glänzend, auch wenn er meint (Zitat):

"Im Rechtsstaat entsteht Recht allein durch Recht, und Recht kann nur Recht hervorbringen."

Also haben wir entweder einen Rechtsstaat und alle rechtskräftigen Urteile (auch die bis in den höchsten Instanzen dann bestätigte) wären immer Recht in diesem Rechtsstaat.

Oder es gibt auch immer noch Fehlurteile, das ist aber ein Faktum, und dann hätten wir ja faktisch keinen Rechtsstaat mehr nach Fischers eigener Theorie.

Denn irgendwann muß in jedem Prozeß oder Verfahren mal ein Urteil gesprochen werden, und so gut wie niemals kann alles ausermittelt werden, was evtl. alles noch ändern könnte. Es kann ja immer ein ganz entscheidender Beweis nicht erhoben worden sein, weil er zurückgehalten wurde, auch durch Organe der Rechtsprechung, oder durch andere rechtsbeugende Maßnahmen, oder weil er niemals entdeckt wurde, oder nur verschlampt wurde, oder aus Zeitgründen nicht gewürdigt wurde und auch eine Revision oder eine Wiederaufnahme noch scheiterte, weil ihre Hürden so hoch gelegt sind, oder gegen die wahren Täter nicht mehr ermittelt und prozessiert werden kann aus vielen Gründen.

Nachfolgende Generationen finden das unter Umständen dann doch noch heraus.

Fischer fischt eben ohne die Mathematik und auch ohne Wahrscheinlichkeiten in einem Meer, das Bild kann ich ja später auch noch genauer malen, aber auch belegen, daß es heißen muß:

Recht und / oder Unrecht sind keine absoluten Begriff, sondern immer nur relative Begriffe und eben auch außerdem Variable, auch noch zeitabhängige.

Oder Fischer hätte so schreiben müssen:

"Im Rechtsprechungsstaat entsteht Rechtsprechung allein durch Rechtsprechung, und Rechtsprechung kann nur Rechtsprechung hervorbringen."

Das könnte ich dann akzeptieren, wenn Fischer das so formuliert hätte, wie oben, das wäre nämlich absolut / in sich widerspruchsfrei.

Besten Gruß an alle Juristen

GR

 

 

Ist aber nicht so ganz im Einklang mit der Rechtstheorie und Methodik, und zwar weder in Deutschland noch zB in den Common-Law Ländern. Durch Rechtsprechung entsteht nicht nur Rechtsprechung, sondern uU auch Recht, nämlich  in Form von Rechtsfortbildung, die dann zu "Richterrecht" oder - ggf., so die neuere Rechtstheorie -  Gewohnheitsrecht führt.

Jedenfalls entsteht dieses "Recht" eher durch Rechtsprechung als durch HRRS-Aufsätze zur analogen Anwendung der VwGO auf das Ermittlungserzwingungsverfahren.

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Klar, es gibt sog. "Richterrecht" als sog. "Rechtsfortbildung" betitelt.

Wenn a) der Gesetzgeber das aber nicht bestätigt, sondern  Gesetze ändert oder theoretisch b) eine neue Verfassung gemäß Art. 146 GG eingeführt wird oder auch c) die EU sich auflöst und damit auch dort keine Rechtsprechung mehr alter Art erfolgen würde?

Haben Sie daran auch gedacht, wie sich ja auch das sog. "Gewohnheitsrecht" wandelte in der Historie?

Das Problem von Juristen ist m.E. deren Denken in ihren ihnen bekannten und vertrauten (Rechts-)Systemen, mit dort sog. "herrschenden Meinungen".

Und so wäre metaphorisch die Erde heute noch eine Scheibe nach altem Recht, denn das war damals Kirchenrecht als "herrschende Meinung" und der sog. "Hexenhammer" wäre vermutlich auch immer noch gültig.

Das Römische Recht ist auch vorbei, in anderen Kulturkreisen außerhalb des Römischen Reichs galt es auch nicht.

Und Scharia und Fiqh sind auch heute ja noch vorhanden und werden auch angewendet auf dieser Erde.

Die Besetzung der Richterstellen selber in den Gerichten, auch natürlich bei den höchsten Gerichten, das ist außerdem immer der Ansatz für alle Machtpolitik, die neues Recht schaffen will über Richter.

Macht schafft dann das, was Recht genannt wird.

Erschreckend diese "Selbstverständlichkeit". Was Sie als Rechtstheorie bezeichnen ist die Carl Schmitt-Tradition. Dazu sollten Sie bei Ingeborg Maus nachlesen, die den verdrucksten Rechtfertigungstheorien zur Rettung der "Schnittchen vom Schmittchen" aus der Vor-NS-Zeit in die BRD eine ordentlich recherchierte Abreibung gab.

http://digi20.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb00040752_0...

Irgendwo hatte ich auch mal aufgeschnappt, dass sich der heute zwar verleugnete aber vielfältig benutzte Star-Theoretiker Schmitt von der Politikwissenschaftlerin Maus (noch) bei lebendigen Leibe seziert fühlte oder doch so ähnlich. Die Quelle finde ich notfalls auch noch auf.

Zur "Methodik" kann Ihnen neben Maus insbesondere Bernd Rüthers klar vermitteln, dass das was Sie meinen, häufiger als selten den Grenzbereich von legitim zu illegitim überschreitet und daher eigentlich Stoff für Untersuchungen zu struktureller Rechtsbeugung ist. Wenn man nun meint, dass man solch illegitimes Handeln unter eigennützigem Ausschluss jeder Widerspruchs- und Sanktionsmöglichkeiten als Gewohnheitsrecht "Rechtsfortbildung" legitimieren kann, dann befördert man damit entweder Totalitarismus oder wird irgendwann vom legitimierten Recht hart gestoppt. Ich setze auf das Letztere und habe die Hoffung darauf noch nicht aufgegeben. Deswegen kann ich mir auch einen Namen und eine Stirn leisten.     

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Hatte ich schon einmal erwähnt, dass ich Ihren rechtsphilosophischen Input sehr schätze?

Ich habe irgendwo den Satz gelesen "Da die Bundesrepublik Deutschland faktisch kein Rechtsstaat ist, bin ich durchaus der Meinung, dass ein Kampf gegen den Staat und seine Institutionen, der sich nicht auf das Führen von Gerichtsprozessen beschränkt, legitim sein kann."

In diesen Kontext könnte auch das Schreiben des OLG München vom 12.7.2018 passen, das ich zuletzt in meiner Angelegenheit erhielt, es lautet auszugsweise:

„Ebenso hat es [das Gericht] nicht über Beschwerden gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 152 II, 170 II StPO zu entscheiden. … Schriftsätze, die … Beschwerden gegen Nichteinleitungs-/Einstellungsverfügungen enthalten, wurden deshalb an die Ermittlungsbehörden zuständigkeitshalber weitergeleitet. … Im übrigen werden weitere gleichgestellte Eingaben Ihrerseits geprüft, aber nicht mehr beantwortet. Es bleibt Ihnen unbenommen, Verfassungsbeschwerde bei den Verfassungsgerichten einzulegen.“

Wie war das gleich wieder mit der Rechtsweggarantie und dem Art. 19 Abs. 4 GG?

Wie war das gleich wieder mit der Rechtsweggarantie und dem Art. 19 Abs. 4 GG?

Wie war das gleich wieder mit der Selbstbetroffenheit und der Verletzung eigener Rechte? Das neuerliche Unterliegen in den fünf Verfassungsbeschwerden, die Sie kürzlich im Hinblick auf diese Ihre mangelnde Kenntnis des Verfassungsrechts wieder einmal gepinselt haben, kann ich Ihnen so sicher wie das Amen in der Kirche prognostizieren. Und vielleicht bekommen Sie endlich einmal eine Missbrauchsgebühr aufgebrummt, weil Sie anders ja nicht zu lernen scheinen...

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Idealerweise ist der fortlaufende Text eines Blogs derart gestaltet, dass sich für einen Leser auch noch Jahre später eine fortlaufende sinnvolle Kommunikation ergibt. Angewendet auf diese Passage des Blogs heißt das also: Soweit der eine Teilnehmer der Kommunikation eine sinnvolle Frage aufwirft - hier die Frage nach der Selbstbetroffenheit und der Verletzung eigener Rechte - ist es angemessen, dem Leser des Blogs eine auch noch Jahre später lesbare sinnvolle Antwort zu bieten. Dies vorausgeschickt lautet die Antwort wie folgt:

Zur Selbstbetroffenheit und der Verletzung eigener Rechte vgl. die Kommentierung im Standardkommentar zur StPO. Im Meyer-Goßner/Schmitt, Rn. 1a zu § 172 StPO, lautet der diesbezügliche Text (ohne Fundstellen):

„Über § 172 hinaus gibt es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Strafverfolgung eines anderen. Nach neuerer Rechtsprechung des BVerfG besteht allerdings ein verfassungsrechtlicher Rechtsanspruch des Verletzten auf wirksame Strafverfolgung gegen Dritte in bestimmten Fallkonstellationen. Dies wurde angenommen bei erheblichen Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung und die Freiheit der Person, bei spezifischen Fürsorge- und Obhutspflichten des Staates ggü Personen, die ihm anvertraut sind sowie bei Vorwürfen, ein Amtsträger habe bei Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben Straftaten begangen.“

Dieses "Richterrecht" / "Gewohnheitsrecht" ist dann Ausfluß einer "herrschenden Meinung" in der Judikative und auch nicht direkt kodifiziert durch / in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren der Legislative. Sollte also doch nicht der Standard hier noch werden.

Es sind schon mehrfach Grundrechte des Bürgers durch die Rechtsprechung des BVerfG erst geschaffen worden, ohne dass dieses "Richterrecht" jemals Gegenstand einer Maßnahme der Legislative geworden wäre. Bestes Beispiel hierfür ist das "Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung". Um denselben Fall handelt es sich hier: Der "Anspruch auf Strafverfolgung Dritter" findet seine Grundlage in der Rechtsprechung des BVerfG, nicht in einer legislativen Maßnahme.    

RA Würdinger schrieb:

Es sind schon mehrfach Grundrechte des Bürgers durch die Rechtsprechung des BVerfG erst geschaffen worden, ohne dass dieses "Richterrecht" jemals Gegenstand einer Maßnahme der Legislative geworden wäre. Bestes Beispiel hierfür ist das "Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung". Um denselben Fall handelt es sich hier: Der "Anspruch auf Strafverfolgung Dritter" findet seine Grundlage in der Rechtsprechung des BVerfG, nicht in einer legislativen Maßnahme.    

So aber auch nicht ganz richtig, siehe a) "Informationelle Selbstbestimmung" und b) "Charta der Grundrechte der Europäischen Union" mit Zitaten aus WP:

a): "Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist im Recht Deutschlands das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen. Es ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Datenschutz-Grundrecht, das im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland nicht ausdrücklich erwähnt wird. Der Vorschlag, ein Datenschutz-Grundrecht in das Grundgesetz einzufügen, fand bisher nicht die erforderliche Mehrheit. Personenbezogene Daten sind jedoch nach Datenschutz-Grundverordnung und nach Art. 8 der EU-Grundrechtecharta geschützt."

 

b). "Der Europäische Rat (Biarritz 13./14. Oktober 2000) und das Europäische Parlament (14. November 2000) erklärten ihre Zustimmung. Der Deutsche Bundestag (28. November 2000) und der Bundesrat (1. Dezember 2000) verabschiedeten jeweils Anträge, die die Charta begrüßten und ihre Aufnahme in die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union empfahlen."

Und jetzt könnte man noch über die Grundlagen der ganzen EU nachdenken mit  formellen Zustimmungen des ganzen Parlaments hier in Abstimmungen zu einzelnen Verträgen der EU, wie:

Eine ganz strenge Trennung aller "Gewalten" gibt es ja sowieso nicht.

Schulze schrieb:

Was soll daran schlimm sein, wenn eine "Tendenz" mitgeteilt wird? Die Richter sind ja schließlich schon vor der Gutachtenbeauftragung tätig gewesen und haben sich mitunter eine -vorläufige- Meinung gebildet. Interesssant wäre doch allenfalls, ob die "Tendenz" falsch war. Solche oberflächlichen Untersuchungen gehören in die Tonne.

Und daraus erschließt sich fast messerscharf, daß auch Richter sich am liebsten in ihrer "vorläufigen" Meinung noch bestätigen lassen wollen, oder?

So funktionieren ja die meisten Menschen, denn eine wirklich intensive Auseinandersetzungen mit gegenläufigen Meinungen ist ja auch sehr anstrengend.

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Keine Frage, dass sich (auch) Richter freuen, wenn sie sich bestätigt sehen. Aber es gehört auch zum Beruf, dass man sich auf neue Erkenntnisse einstellt, was angesichts der Unparteilichkeit dem Richter natürlich leichter fallen muss als dem tätigkeitsbedingt parteilichen Rechtsanwalt. 

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Es ist schon wirklich erstaunlich. Da ist es fast schon unbestritten, dass die Sachverständigen- und Gutachtenpraxis kritisch geprüft werden muss und dann DAS. Es sollen nur Gutachten und Sachverständige prüfwürdig sein, die keine Entscheidungsbefugnis haben. Gutachter und Sachverständige mit Entscheidungsvollmacht werden grundsätzlich von der Prüfung ausgenommen. Das verstehe ich nicht.

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Gutachter und Sachverständige haben in keinem Strafprozeß eine "Entscheidungsvollmacht", sie sind lediglich Gehilfen für die Entscheidung durch das Gericht selber.

Wer es jedoch besser weiß, möge mich bitte da korrigieren.

GR

 

Also Begriffspositivismus ist nun sicher ein arg vernachlässigtes Teilgebiet des unbestimmte Rechtsbegriffe und Regeln anhäufenden Bereichs Jura. Wer könnte sozusagen materiell-rechtlich wohl sonst Gutachter/Sachverständiger mit Entscheidungsvollmacht sein, als der Richter selbst? Wenn man Studien und Analysen zu Mängeln in der Gutachterei nicht faktisch von vornherein gegen einen Berufsstand (z.B. Psychiater) oder deren Vertreter richtet, sondern die Methodik und das Umfeld der Erstellung von Gutachten berücksichtigt, dann kommt man um den Punkt "Richter als Chefgutachter" nicht herum. 

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Sie greifen damit eine Grund-Idee von Horst Herold auf, Herr Lippke.

Zitat:

"Ich erstrebe einen Strafprozess, der- lassen Sie es mich mal ganz extrem formulieren – frei ist von Zeugen und Sachverständigen. Der sich ausschließlich gründet auf dem wissenschaftlich nachprüfbaren, messbaren Sachbeweis. Nach meiner Theorie wäre, so schrecklich das klingt, auch der Richter entbehrlich."

Quelle: http://www.businesscrime.de/wann-hat-1984-angefangen-ueber-horrorvision-...

Bemerken Sie bitte, Herr Lippke, ich zitiere ihn ja ganz bewußt nicht ohne diesen 2. Satz. Aber bevor Sie, oder andere Leser jetzt auf ihn gleich losschlagen, bitte alles weitere aus der Quelle auch noch lesen, aber auch bitte noch diese 5 weiteren Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Herold

https://sz-magazin.sueddeutsche.de/geschichte/der-datenverarbeiter-80000

http://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-der-letzte-gefangene-de...

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.90-geburtstag-horst-herold-der...

http://www.dieterwunderlich.de/Horst_Herold.htm

http://www.tlaxcala-int.org/imp.asp?lg=&reference=1763

Und wie immer im Leben, auch er ist ein Kind seiner Zeit, aber ein enorm vielseitiges und m.E. ein Ideologie-freies Kind seiner Zeit. Auch sog. "Künstliche Intelligenz" ahnte er m.E. damals schon voraus.

 

Gerichtsverfahren ohne Menschen halte ich allerdings nicht für besonders erstrebenswert. Maschine vs. Mensch ist auch nicht gleich Akribie vs. Willkür. Sie sprechen die Künstliche Intelligenz an. Das ist ein heikles Thema. Bei echter KI geht das Wissen um die Herkunft der Daten, sowie um die Prozeduren der Herleitung und die Algorithmen verloren. Eine KI, die mit Mist gefüttert wird oder im evolutionären Training falsche Regeln "optimiert", spuckt ebenso willkürlichen Output aus, wie es willkürliche Menschen immer wieder tun. Bei Entscheidungssystemen, wo der Output einer sicheren Erfolgskontrolle unterliegt (Rückkopplung) ist das ein lösbares Problem. Aber in einer Struktur, die sich selbstreferentiell zu ihren Entscheidungen verhält, würde eine KI nur der Verantwortungsdiffusion und Verschleierung von willkürlichen Absichten und dem Hauptsache Irgendwas dienen. Da Sie sicher auch daran gedacht haben, werde ich Ihre 5 + 1 Links mal anschauen.

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Sorry, sind 5 + 1 weitere Links.

Nicht jeder Mensch der im Rahmen von Fachprüfungen bestimmte Kenntnisse nachweist, und zum Gutachter ernannt wird, ist auch zum Gutachter geeignet.

Viele Menschen sagen gerne jeweils daß, was man hören will.

Nicht jeder hat die Courage, etwas zu sagen, was man nicht hören will.

In Schulen und Universitäten sowie auf Fachlehrgängen wird man dazu auch nicht erzogen (sondern ganz im Gegenteil wird man meistens eher zur Gefälligkeit und zur Unterwürfigkeit und zur Anpassung erzogen).

Vielleicht sollten nicht die (oft von Sachverständigen und manchmal sogar von Rechtsanwälten Anpassung erwartenden) Richter die Gutachter auswählen, sondern ein Ausschuss fachkundiger Bürger?

Oder sollte man Richter regelmäßig zu Ethikschulungen schicken, auf denen sie zu Recht und Gerechtigkeit und Verantwortung und Neutralität und Fairness ermahnt werden, und wo klargestellt wird, daß eine Prozesspartei, auch wenn sie viel Arbeit macht oder unsympathisch ist, trotzdem gleichberechtigt zu behandeln ist?

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Die Rechtsprechenden Richter, aber auch die Staatsanwälte oder die Sachverständigen können nicht absolut alles das aufklären, was alle Verteidiger aufgeklärt haben wollen, damit keinerlei Widersprüche mehr bestehen.

Wer das fordert, der sollte besser Mathematik studieren, aber auch da wird er vermutlich nicht alles verstehen, was dieses Fach zu bieten hat.

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Anders ausgedrückt: Restrisiken bleiben bestehen, daß ein Urteil falsch ist.

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