Kostenrechnung-Controlling bei der Flüchtlingsunterbringung

von Prof. Dr. Claus Koss, veröffentlicht am 22.05.2018

Nach der Bayerischen Asyldurchführungsverordnung (BayDVAsyl) vom 16. August 2016 (BayGVBl. S. 258, BayRS 26-5-1-A/I) verlangt der Freistaat Bayern EUR 278 monatlich für die Unterkunft eines allein stehenden bzw. EUR 97 für Haushaltsangehörige (§ 23 BayDVAsyl) sowie zwischen EUR 78 und EUR 128 monatlich für Verpflegung und zwischen EUR 5 und EUR 28 für Haushaltsenergie (§ 24 BayDVAsyl). Im Rahmen einer Normenkontrollklage stellte der BayVGH die Ungültigkeit dieser Gebühren fest (BayVGH, Beschluss v. 16.05.2018 - 12 N 18.9).

Die Begründung:

  1. Die nach Art. 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 KG dem Verordnungsgeber zugestandene Ermessensausübung setze eine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation vor Festlegung der Gebühren voraus - in der Sprache der Betriebswirte: "Vorkalkulation". Liege eine solche nicht vorab vor oder enthalte wesentliche Mängel, habe dies die Ungültigkeit der Gebührensatzregelung zur Folge.
  2. Der Verordnungsgeber müsse die gleichermaßen dem Kostendeckungsprinzip wie der Bedeutung der Leistung für den Benutzer (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Äquivalenzprinzips) Rechnung tragen. Außerdem müsse er Ausnahmen von der Gebührenerhebungspflicht vorsehen, wenn dies aufgrund des Sozialstaatsprinzips geboten ist. Damit zeigt die Rechtsprechung Grenzen der betriebswirtschaftlichen Kostenrechnung für staatliche Leistungen auf. In der Kostenrechnung gilt üblicherweise ausschließlich das Kostenverursachungsprinzip.
  3. Die Gebühren sollen durch Divisionskalkulation der landesweiten Gesamtkosten für diese Leistungen durch Zahl der potentiellen Leistungen ermittelt werden. Diese können ggfs. durch Durchschnittswerte ermittelt werden.
  4. Leerkosten dürfen bei der Kalkulation ebenso wenig eingerechnet werden wie - bei Unterkunft und Verpflegung - personenbezogene Kosten für die Betreuung.
  5. Die Kalkulation staatlicher Leistungen kann auch nicht durch den Ansatz von Vergleichswerten ersetzt werden.

Die Entscheidung des VGH zeigt das sachgerechte Vorgehen bei der Anwendung der Kosten- und Leistungsrechnung bei der Kalkulation staatlicher Gebühren: in einem ersten Schritt ist das betriebswirtschaftliche Instrumentarium anzuwenden, in einem zweiten Schritt sind die Ergebnisse der rechtsstaatlichen Kontrolle zu unterziehen und ggfs. vor Umsetzung zu korrigieren.

Den streitgegenständlichen §§ 23, 24 BayDVAsyl wurde in der öffentlichen Diskussion der Vorwurf gemacht, hier würden Gebühren aus politischen Gründen 'hochgerechnet'.

Dazu möchte sich der betriebswirtschaftlich vorgebildete Verfasser nicht äußern: Aber er sieht - soweit dies aus der Darstellung im Beschluss nachvollziehbar ist - ein großes Verbesserungspotential bei der Anwendung des betriebswirtschaftlichen Instrumentariums.

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10 Kommentare

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Hallo Herr Prof. Koss,

Sie wollen sich zum Sachverhalt (oder der Berechnung) nicht äußern. Sie sehen dennoch ein "großes Verbesserungspotential".

Was wollen Sie damit (oder auch nicht) sagen?

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Hallo, Herr Beckhaus,

ich halte die Besprechungsentscheidung für eine gute: der BayVGH sagt nicht, dass der Freistaat   k e i n e   Gebühren erheben darf (wie das aus einem bestimmten Spektrum manchmal gefordert wird), die Münchener Richter sagen aber gleichzeitig: die Staatsverwaltung muss diese   n a c h w e i s e n. Gerade der Freistaat Bayern kann auf eine jahrhundertelange Verwaltungstradition im ganzen Land zurückblicken. Da sollte es nach meiner Einschätzung möglich sein, auch einen landeseinheitlichen Kostensatz für die Unterkunft, Verpflegung und die Nebenkosten zu ermitteln.

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Verwaltungsjuristen sollten auch Kostenrechnung beherrschen.

Meinen Sie das im Ernst? Kein Jurist ist universalgelehrt und muss es auch nicht sein. Wofür gabe es dann die anderen Wissenschaften, insbesondere die Wirtschaftswissenschaft, die hier zuständig ist? Rhabanus Maurus gilt als der letzte Universalgelehrte. Wer sich heute als solcher versteht oder sich so benimmt oder solche Ansprüche stellt, ist ein Scharlatan.

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Lieber Anonymus, liebe Anonyma,

Verwaltungsjuristen sollten auch Kostenrechnung beherrschen. Meinen Sie das im Ernst?

Ja, ich meine das ernst. 

Wer das 'Handwerkszeug' des Haushaltsrechts nicht beherrscht, sollte kein/e Beauftragte/r für den Haushalt werden. Wer das betriebswirtschaftliche Instrumentarium nicht beherrscht, sollte (a) entweder keine Gebührensatzungen machen oder (b) sich sachkundigen Rat holen.

Ansonsten passiert genau das gleiche wie bei § 23 und § 24 BayDVAsyl: die Gebühren werden der Höhe nach ein Ratespiel.

Vielen Dank für den Hinweis.

Mein Erfahrungswert aus der Praxis ist ein anderer. Ich habe hier Planstelleninhaber mit der Befähigung zum Richteramt als Beauftragte für den Haushalt erlebt. Ich kann allerdings nicht beurteilen, ob das ein Einzelfall war, möglich oder die Regel ist.

Ich kehre daher wieder in meine 'Schusterwerkstatt' zurück.

Die Betriebs-, Volks- und Finanzwirtschaftslehren entwickelten sich zwar (wie viele andere Fächer) aus der Juristerei, sind aber zwischenzeitlich eigene Disziplinen mit speziellen Kenntnissen, andernfalls man diese Fächer wg. Überflüssigkeit auch gleich wieder abschaffen und erneut der Juristerei zuordnen könnte.

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Sind eigentlich die Kosten für die Ermittlung der Kosten in den Scholz'schen 78 Milliarden € bis 2022 mit drin? 

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