Diskussionstipp von Alexander Würdinger: Das BVerfG und der Inhalt des Klageerzwingungsantrags

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.09.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1738|98827 Aufrufe

Alexander Würdinger ist ja den Bloglesern schon bekannt. Er ist einer der wenigen Juristen, die sich seit langem und regelmäßig kritisch mit der Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren befassen. Er hat mich nun gebeten, doch einmal zu  BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17  eine Diskussion im Blog anzustoßen. Mach ich doch gerne!

Das BVerfG befasst sich in der Entscheidung mit der Frage, ob die Rechtsprechung der OLGe zum Klageerzwingungsverfahren noch verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsbeschwerde war zwar erfolglos - das BVerfG lässt aber durchblicken: "Die OLGe sind zuuuuuu streng, was die Antragsprüfung angeht!"

 

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Oberlandesgericht Rostock habe seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen und überspitzte Anforderungen an die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 StPO gestellt. Es setze sich nur pauschal mit dem Klageerzwingungsantrag auseinander, der den gesetzlichen Anforderungen an dessen Zulässigkeit genüge. Dieser enthalte insbesondere eine aus sich heraus verständliche Sachverhaltsdarstellung. Dem Antrag könnten auch die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel entnommen werden, ohne dass die staatsanwaltlichen Akten hätten beigezogen werden müssen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Zwar verletzt der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (1.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung seiner in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Tat möglicherweise verjährt ist (2.).

1. Der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil das Gericht überspannte Anforderungen an den Inhalt des Klageerzwingungsantrags gestellt hat.

a) Nach Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 13). Dies muss auch der Richter bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 96, 27 <39>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Formerfordernisse dürfen nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (vgl. BVerfGE 88, 118 <125>; BVerfGK 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.).

Es begegnet vor diesem Hintergrund keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO so auszulegen, dass der Klageerzwingungsantrag in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergeben und eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Die Darlegungsanforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden, sondern müssen durch den Gesetzeszweck geboten sein (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 15). Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO erfordert zwar nur die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der angegriffenen Bescheide sowie der Einlassung des Beschuldigten (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>, m.w.N.), soweit diese im Einstellungsbescheid mitgeteilt wird (vgl. BVerfGK 14, 211 <216>). Eine Obliegenheit des Antragstellers, sich durch Akteneinsicht Kenntnis von der vollständigen Einlassung des Beschuldigten zu verschaffen und diese sodann auch vollständig mitzuteilen, besteht grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>). Etwas Anderes gilt aber, wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten aus den Ermittlungsakten begründet. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer gehalten, soll die vom Gesetzgeber implizit vorgesehene und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>) nicht unterlaufen werden, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Denn bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe von Teilen der Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann. Soweit dies den Antragsteller verpflichtet, gegebenenfalls auch Umstände vorzutragen, welche den Beschuldigten entlasten könnten, ist dies hinzunehmen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15).

Der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens darf nicht darauf verkürzt werden, den Oberlandesgerichten eine bloße Aufsicht über die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheide zu überantworten. Für die gerichtliche Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren kommt es vielmehr darauf an, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung aus der Sicht des Oberlandesgerichts genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 19).

Das Gericht darf deshalb im Hinblick auf die norminternen Direktiven des Art. 19 Abs. 4 GG einen Klageerzwingungsantrag nicht vorschnell aufgrund der formellen Hürden des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verwerfen. Es hat insbesondere zu beachten, dass das Bestehen eines genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage keine Voraussetzung für den Zugang des Antragstellers zu Gericht ist, sondern für die Anklageerhebung (§§ 170 Abs. 1, 174 Abs. 1 StPO). Die Zulässigkeit des Antrags gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO erfordert nicht das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 22). Dessen Vorliegen ist vom Gericht erst im Verfahren gemäß § 173 StPO zu prüfen, wobei es lückenschließende Ermittlungen anordnen kann. Die formalen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangen lediglich, dass der hinreichende Tatverdacht schlüssig dargelegt wird.

b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 - 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 - 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 - VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 - 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 - 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das - anderenfalls notwendige - vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben - gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift - einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.

dd) Aus diesem Grund ist es auch unbeachtlich, dass die Anlagen erst nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen sind. Nach Fristablauf ist eine inhaltliche Nachbesserung des Antrags nur dann nicht mehr möglich, wenn die Ausgangsfassung des Antrags nicht ausreichend und deshalb unzulässig war (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. November 1997 - Ws 1078/97 -, juris, Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 Ws 213/02 -, juris, Rn. 4; Kölbel, a.a.O., Rn. 58; Graalmann-Scheerer, a.a.O., Rn. 128). Der hier zur Beurteilung stehende Antrag war jedoch bereits vor Fristablauf in einer den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Weise beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass sein Klageerzwingungsantrag auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 211/12 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2016 - 1 BvR 1225/15 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2017 - 2 BvR 2157/15 -, juris, Rn. 32). Soweit sich aus dem Klageerzwingungsantrag schlüssig dargelegte Anhaltspunkte für eine fahrlässige Tötung ergeben könnten, wäre die Tat unter Zugrundelegung der im Antrag enthaltenen Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens verjährt.

 

a) Fahrlässige Tötung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht (§ 222 StGB). Die Verfolgung der Tat verjährt somit gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB mit der Beendigung der Tat, vorliegend mit dem Tod der Ehefrau des Beschwerdeführers am 1. Juni 2010.

b) Als verjährungsunterbrechende Maßnahmen lassen sich dem Klageerzwingungsantrag lediglich die richterlichen Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 3. Juni 2010, 9. August 2010 und 29. September 2010 entnehmen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).

Die eingeholten rechtsmedizinischen Gutachten haben den Lauf der Verfolgungsverjährung dagegen nicht unterbrochen. Aus dem Klageerzwingungsantrag ergibt sich nicht, dass die Beauftragung der Sachverständigen erfolgte, nachdem die Beschuldigten vernommen oder ihnen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wurden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB). Die Erfassung eines oder mehrerer Beschuldigter in einem staatsanwaltlichen Verfahren oder die Umschreibung eines UJs-Verfahrens in ein Js-Verfahren am 22. Oktober 2013 (vgl. Bl. 38 d. A.) stellen interne Akte innerhalb der Strafverfolgungsbehörde dar und stehen nach dem klaren Wortlaut von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB einer Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an die Beschuldigten nicht gleich.

Damit konnte die angezeigte Tat nach Ablauf des 28. September 2015 nicht mehr verfolgt werden.

3. Dass die Strafverfolgungsorgane keine Maßnahmen getroffen haben, die Verjährung zu unterbrechen, begegnet für sich genommen noch keinen Bedenken.

Zwar verpflichten Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>), wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht dazu in der Lage sind. Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt allerdings eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>), die Grundlage subjektiver öffentlicher Rechte sein kann. Insoweit besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe auch mit den Mitteln des Strafrechts verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015, a.a.O., Rn. 19 f.).

Die Landesjustizverwaltungen haben daher zum Schutz des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Ermittlungsverfahren zeitnah abgeschlossen werden, so dass es dem Antragsberechtigten grundsätzlich noch innerhalb der Verjährungsfristen möglich ist, rechtzeitig einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 StPO zu stellen. Dass sie diese Pflicht verletzt haben, ist vorliegend jedoch nicht dargelegt.

 

BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17

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Grüß Gott, Herr Würdinger. So wie ich das schon vermutet habe und Sie das inzwischen ausdrücklich eingeräumt haben, geht es Ihnen darum, mit der analogen Anwendung der VwGO auf das Ermittlungs- und Klageerzwingungsverfahren vor allem in Fällen der Untätigkeit der STA, das in 172 StPO ausdrücklich geregelte und dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung zwingend vorgeschaltete Beschwerdeverfahren entfallen zu lassen. Sie haben in Ihrer eigenen Rechtssache damit experimentiert und sind gescheitert, was sich m.E. möglicherweise zumindest im Ergebnis hätte vermeiden lassen, wenn Sie vorsorglich doppelspurig verfahren und nicht alles auf eine Karte gesetzt hätten. Das OLG hatte Ihnen wohlwollend sogar eine goldene Brücke gebaut und Ihren Antrag nicht ins Verfahrensregister eingetragen, was man ihm auch nicht hätte verübeln können, sondern in das Allgemeine Register, sodass Ihr Antrag dann an die GStA weitergeleitet wurde. Weil an die Beschwerde keine so besonderen Anforderungen gestellt sind, wäre es doch naheliegend gewesen darauf hinzuwirken, dass Ihre Eingaben an das OLG, die an die GStA (zur weiteren Veranlassung?) weitergeleitet wurden, rein vorsorglich als die sogenannte Vorschaltbeschwerde zu behandeln sind.

Wenn die GStA dann immer noch untätig geblieben wäre, dann wäre ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung in Betracht gekommen. Die Begründung des Antrags wäre in diesem Fall keineswegs einfacher als sonst. Denn das Gesetz knüpft die Zulässigkeit des Antrags an den Ablehnungsbescheid der GStA. Man müsste dann also zusätzlich zur Zulässigkeit ohne Ablehnungsbescheid wegen Untätigkeit vortragen. Aber Sie hätten zumindest schon mal darlegen können, dass Sie Beschwerde eingelegt hätten, wenn Sie auch der Meinung sind, dass sie eigentlich entbehrlich wäre. Das Krähen-Argument sollte man sich an dieser Stelle aber dann doch verkneifen, denn manche - zu denen ich mich zuweilen auch zähle - reagieren darauf manchmal allergisch.

Ganz davon abgesehen, dass der (vorkonstitutionelle) Gesetzgeber das Beschwerdeverfahren als zwingend vorgesehen hat, das nur mittels (teleologischer) Reduktion und nicht durch VwGO-Analogie entfallen könnte - so z.B. bei Ermittlungsverfahren der GStA oder GBA, halte ich das Beschwerdeverfahren keinesfalls für sinnlos und entbehrlich - und schon gar nicht wegen des Krähen-Arguments. Versuchen Sie sich doch mal in die Lage eines Mandanten zu versetzen, der sich an einen Ihrer Kollegen mit der Bitte wendet, ihn in einem  Klageerzwingungsverfahren zu vertreten und mit dem zu erwartenden Honorar von ca. 15 000 Euro rechnen muss, vor allem deswegen, weil eben der Antrag auf gerichtliche Entscheidung so aufwändig ist. Gleich nach Antragstellung aber teilt die GStA sinngemäß mit, dass sie die STA mit Aufnahme der Ermittlungen nach Antrag angewiesen habe und das Verfahren deswegen erledigt sei. Hätte sie bloß davon nur vorher gewusst ... .

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Grüß Gott Herr Kolos,

bis gerade eben hatte ich von Ihren Texten noch relativ viel gehalten, aber mit diesem Text haben Sie jetzt doch meine Zweifel an Ihrer fachlichen Kompetenz geweckt. Dann erkläre ich Ihnen das Ganze halt nochmal von vorne, ich beschränke mich dabei auf Stichworte, um Wiederholungen so weit wie möglich zu vermeiden: 

1) Ausgangspunkt - so weit liegen Sie richtig -  ist in der Tat die analoge Anwendung der VwGO auf das Ermittlungs- und Klageerzwingungsverfahren.

2) Dies hat u.a. zur Folge, dass z.B. die §§ 68 und 75 VwGO anwendbar sind. Das hat im übrigen nichts damit zu tun, ob ich irgend etwas "beabsichtige" - wie Sie mir unterstellen - oder nicht.  

3) Sie unterschlagen bei Ihrer farbigen Schilderung u.a. vollständig das Sachverhalts-Detail, dass die Münchner GenStA in jedem Fall Gelegenheit hatte, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren und Recht und Gesetz anzuwenden. Die arme Münchner GenStA wurde in keinem Fall "übergangen".

4) Und ja, die ganze Sache ist das Paradebeispiel schlechthin für das Krähenprinzip, und zwar unabhängig davon, ob das Krähenpinzip in den politischen Horizont des Herrn Kolos passt oder nicht.  
5) Bemerkenswert ist an Ihrem Text auch Ihre völlige Naivität, Sie schreiben Sätze wie "Das OLG hatte Ihnen wohlwollend sogar eine goldene Brücke gebaut". Daraus schließe ich, dass Sie über keine oder über eine nur sehr eingeschränkte forensische Erfahrung verfügen. Zumindest fehlt Ihnen augenscheinlich jede forensische Erfahrung mit der bayerischen Justiz. Oder glauben Sie allen Ernstes, Vertreter der bayerischen Justiz bringen Ihnen irgend ein "Wohlwollen" entgegen, wenn es um die Interessen ebenjener bayerischen Justiz geht? 

6) Das ist jetzt nur die Kurzfassung meiner Erwiderung. Bevor Sie nochmal einen solchen Text verfassen wie gerade eben, lesen Sie sich bitte vorher sorgfältig in die Materie ein, das erspart mir überflüssige, vermeidbare Arbeit bei der Ausformulierung einer Erwiderung. 

bis gerade eben hatte ich von Ihren Texten noch relativ viel gehalten...

Wie gut, dass Sie das von mir noch nie gesagt haben. Dann hätte ich nämlich etwas ganz gravierend falsch gemacht, Von Ihnen dauerhaft bewundert zu werden, setzt voraus, von Recht und Gesetz keine eingermaßen tragfähige Vorstellung zu haben und in einer alternativen Vorstellungswelt zu leben...

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Vor allem darf man bei der Kritik an meiner Rechtsmeinung nicht vergessen, dass die Karten exakt am 26. Juni 2014 neu verteilt wurden durch die Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, und die nachfolgenden gleichlautenden Entscheidungen:

"Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann auch dort in Betracht kommen, wo der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben, weil ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann. In diesen Fällen muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden." (Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, Rn. 11) 

Vor diesem Hintergrund macht es nicht so sehr viel Sinn, Reichsgerichts-Entscheidungen als Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde oder für Ähnliches anzuführen.  Denn Reichsgerichts-Entscheidungen liegen zeitlich kaum merklich vor dem 26. Juni 2014 und taugen deshalb nicht so sehr als Beleg für die aktuelle Rechtslage des Jahres 2018. Deswegen taugen Reichsgerichts-Entscheidungen auch nicht so sehr als  Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde. 

Das Bundesverfassungsgericht sagt mit keinem Wort, dass man das Gesetz schlicht schnöde zu ignorieren hat, wie Sie es tun oder dass es gar verfassungswidrig wäre. Es sagt nur, dass das Gesetz effektiv auszulegen und anzuwenden ist, was ohne weiteres auch mit einem zwingenden Vorschaltverfahren für das nachgeschaltete Klageerzwingungsverfahren möglich ist. Das hat das Bundesverfassungsgericht Ihnen auch klar dadurch zu erkennen gewesen, dass es bekanntlich Ihre Verfassungsbeschwerde gar nicht zur Entscheidung angenommen, geschweige denn, in Ihrem Sinne entschieden hat. Sie sollten aufhören, Ihre anwaltlichen Kunstfehler durch aufgeplusterte Überlegungen zum Verfassungsrecht rechtfertigen zu wollen. Das Verfassungsrecht hilft nicht gegen Kunstfehler. Dagegen hilft nur Fortbildung und eine gehörige Portion selbstkritischen Intellekts.

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Das Bundesverfassungsgericht sagt, dass das Gesetz effektiv auszulegen und anzuwenden ist, was ohne weiteres auch mit einer Anwendung der VwGO auf das Klageerzwingungsverfahren möglich ist.

...aber eben gesetzwidrig und eine Rechtsbeugung wäre. So schwer ist das doch alles nicht!

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Naja, Sie können ja die drei Berufsrichter eines OLG-Strafsenats wegen Rechtsbeugung anzeigen, sobald ein OLG zum ersten Mal so verfährt.  

...sobald ein OLG zum ersten Mal so verfährt.

Darauf können Sie lange warten. So wird kein OLG verfahren, da das geltende Recht dafür überhaupt nichts hergibt, an das sich Richter (und andere Organe der Rechtspflege) bekanntlich aus Verfassungsgründen gebunden zu halten haben.

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Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die OLGe so verfahren werden, da das geltende Recht gerade aus Verfassungsgründen, Art. 19 IV, Art. 103 I GG, die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, KlEV und EEV, gebietet. 

Sie sind so unbelehrbar wie eine Horde von Lemmingen, die immer wieder über die selbe Klippe stürzt! Dabei wäre Ihr Thema gar nicht so uninteressant, wenn es sich von Ihrem schlimm-vergeigten persönlichen Fall lösen ließe und klargestellt würde, dass man nicht de lege lata, sondern de lege ferenda argumentiert...

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Art. 19 IV, Art. 103 I GG rechnen durchaus zum geltenden (Verfassungs-)Recht, weshalb die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO durchaus de lege lata geschieht. 

Sie sind wie Sisyphos, nur dass der keinen Spass daran empfindet, immer wieder ohne Erfolg den gleichen Stein den Berg hinaufzurollen, aber als angemessene Strafe in seltenen Fällen durchaus vorstellbar...

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Ach, da kennen Sie das berühmte Camus-Diktum nicht, wonach man sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorzustellen habe. 

Soviel Borniertheit erstaunt. Wollen Sie z.B. jetzt auch §§ 68 ff. VwGO auf den Haftbefehl anwenden?

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Nein, natürlich nicht: Beim Haftbefehl geht es um den Angeklagten, um den sich auch sonst die StPO dreht. Aber beim KlEV und beim EEV dreht sich eben gar nichts um den Angeklagten, sondern Parteien sind dort der Bürger, der Verletzte, der von einer Behörde, der StA, etwas will. Also völlig andere Konstellation als beim Haftbefehl.  

Es gibt aber nun mal die Grundsätze, dass Spezielles dem Allgemeinen vorgeht und Analogien nur da in Betracht kommen, wo eine Regelungslücke besteht.

Hier haben eine spezielle Regelung (§ 172 StPO). Und es gibt auch keine Regelungslücke, sondern nur eine Regelung, die Ihnen nicht passt.

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XIV. Planwidrigkeit als Merkmal der Analogie

Zum Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie sind an dieser Stelle fo1gende Anmerkungen veranlasst:

Bei der Planwidrigkeit als Voraussetzung der Analogie geht es darum, welche Pläne der historische Gesetzgeber bei der Abfassung der ursprünglichen Fassung der §§ 172 ff StPO verfolgt hat. Der deutsche Gesetzgeber hat in den Jahren 1877-1879 die vier Reichsjustizgesetze geschaffen: Die Zivilprozessordnung (ZPO), die Strafprozessordnung (StPO), das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die Konkursordnung (heute Insolvenzordnung). Aus dieser Zeit stammt auch das Klageerzwingungsverfahren. Das Klageerzwingungsverfahren hat seither keine wesentliche Änderung erfahren. Dies betrifft sowohl den Gesetzestext als auch seine Umsetzung in der gerichtlichen Praxis.

In der ursprünglichen Fassung der Strafprozessordnung vom 1. Februar 1877 war das Verfahren, das heute in den §§ 172 ff StPO geregelt ist, noch inhaltsgleich in den §§ 170 ff der Strafprozessordnung i.d.F. vom 1. Februar 1877 geregelt. § 170 StPO i.d.F. vom 1. Februar 1877 lautete:[54]

"Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft und gegen dessen ablehnenden Bescheid binnen einem Monat nach der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Der Antrag muß die Thatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben, auch von einem Rechtsanwalte unterzeichnet sein. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gerichte einzureichen. Zur Entscheidung ist in den vor das Reichsgericht gehörigen Sachen das Reichsgericht, in anderen Sachen das Oberlandesgericht zuständig."

Der historische Gesetzgeber des Jahres 1877 konnte sich noch keine Gedanken über die Anwendbarkeit des § 86 Abs. 3 VwGO auf das Verfahren nach den § § 170 ff StPO machen, weil § 86 Abs. 3 VwGO erst in der Bundesrepublik durch die Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. vom 21. Januar 1960 geschaffen wurde.[55] Das Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie ist also gegeben.

Aufgrund der planwidrigen Regelungslücke der StPO in Richtung auf das Verfahren der §§ 172 ff StPO ist die analoge Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsprozessrechts auf das Verfahren der §§ 172 ff StPO prozessual angebracht. Es muss also u.a. auch die für den Verwaltungsprozess charakteristische Vorschrift des § 86 Abs. 3 VwGO über die richterliche Aufklärungs- und Erörterungspflicht auf das Verfahren gem. §§ 172 ff StPO analoge Anwendung finden.[56]

Quatsch! Nur weil es Jahre später ein ganz anderes Gesetz mit einem anderen Regelungsgegenstand gibt, wird dadurch kein früheres (vollständiges und lückenfreies) Gesetz mit lückenhaft.  Es gibt weder einen Grund noch eine Rechtfertigung für eine Analogie, nur weil Sie aufgrund einer ganz individuellen und vorwerfbaren Fehlleistung § 172 StPO nicht gelesen haben oder lesen können.

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Bisher verfährt das OLG nach freiem Belieben. Stattdessen vertrete ich bekanntlich die Rechtsmeinung, dass auf das Verfahren nach den §§ 172 ff StPO ergänzend Verwaltungsprozessrecht angewendet werden muss. Die Anwendung der VwGO hätte prozessual vor allem zur Folge, dass

  • die Beschuldigten beizuladen wären, § 65 VwGO
  • das Gericht dem Verletzten vor Erlass einer Entscheidung ggf. richterliche Hinweise gemäß § 86 Abs. 3 VwGO analog erteilen müsste und anderenfalls das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzte.

Bisher verfährt das OLG nach freiem Belieben...

Wer sich an das Gesetz hält, wo die Vorschaltbeschwerde ausdrücklich zwingend vorgesehen ist, verfährt doch nicht "nach freiem Belieben", sondern handelt nach Buchstaben und Sinn des Gesetzes! Wie kann man als eigentlich gelernter Jurist nur ständig solchen Unsinn daherschwurbeln?

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Vor allem darf man bei der Kritik an meiner Rechtsmeinung nicht vergessen, dass die Karten exakt am 26. Juni 2014 neu verteilt wurden durch die Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, und die nachfolgenden gleichlautenden Entscheidungen:

"Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann auch dort in Betracht kommen, wo der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben, weil ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann. In diesen Fällen muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden." (Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, Rn. 11) 

Vor diesem Hintergrund macht es nicht so sehr viel Sinn, Reichsgerichts-Entscheidungen als Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde oder für Ähnliches anzuführen.  Denn Reichsgerichts-Entscheidungen liegen zeitlich kaum merklich vor dem 26. Juni 2014 und taugen deshalb nicht so sehr als Beleg für die aktuelle Rechtslage des Jahres 2018. Deswegen taugen Reichsgerichts-Entscheidungen auch nicht so sehr als  Beleg für die angebliche Unentbehrlichkeit der sog. Vorschaltbeschwerde. 

Genau das - im gleichen Wortlaut - haben Sie doch heute, vgl. oben,  schon einmal gesagt! Ich glaube langsam wirklich, Sie wollen uns nur veräppeln und bereiten einen Zirkusauftritt als Clown vor...

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Die  sog. "Vorschaltbeschwerde" ist entbehrlich. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass die Münchner GenStA von dem einmal eingeschlagenen Krähenprinzip in irgendeiner Weise abweicht, zudem: Schauen Sie sich mal die ständige Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO an: Den Rechtsbehelf zu der vorgesetzten Behörde kann man sich sparen, wenn er keinerlei Aussicht auf Erfolg verspricht. So liegen die Dinge hier: Auch die Münchner GenStA zeigt nach aller Erfahrung ersichtlich keinerlei Neigung, strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Münchner Richter zu forcieren. Und das mit dem "Krähenprinzip" hatten wir ja schon.   

Die Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO enthält allgemeine Grundsätze, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Diese Grundsätze müssen deshalb auch im Rahmen der §§ 172 ff StPO Anwendung finden. 

Vgl. hierzu z.B. https://juraeinmaleins.de/entbehrlichkeit-des-vorverfahrens-widerspruchv...

Auch das haben Sie, z. B. gestern, schon mehrfach gesagt. Sie hätten eine Mißbrauchsgebühr verdient, wenn es eine solche hier gäbe.

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In bestimmten Fällen kann von einem Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO abgesehen werden. Insofern wird von „Entbehrlichkeit“ eines Vorverfahrens gesprochen. Damit ist gemeint, dass ein Vorverfahren nicht erforderlich ist.1 Das Vorverfahren ist u.a. dann entbehrlich, wenn aus dem Verhalten der Behörde zu entnehmen ist, dass ein Widerspruch erfolglos wäre.

Vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 23. Auflage 2017, § 68, Rn. 16 ff., 22 ff..

"Der historische Gesetzgeber des Jahres 1877 konnte sich noch keine Gedanken über die Anwendbarkeit des § 86 Abs. 3 VwGO auf das Verfahren nach den § § 170 ff StPO machen, weil § 86 Abs. 3 VwGO erst in der Bundesrepublik durch die Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. vom 21. Januar 1960 geschaffen wurde. Das Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie ist also gegeben."

Also? Also? Das ist völliger Unsinn ohne einen Hauch von Logik. Eine Regelungslücke in einem speziellen Gesetz entsteht nicht durch ein späteres Gesetz, das nicht einmal in diese Regelung eingreift, sondern etwas anderes regelt.

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Das freie Belieben aus Kaisers Zeiten muss selbstverständlich durch ein rechtsstaatliches Verfahren, das dem Jahr 2018 angemessen ist, ersetzt werden:

XIV. Planwidrigkeit als Merkmal der Analogie

Zum Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie sind an dieser Stelle fo1gende Anmerkungen veranlasst:

Bei der Planwidrigkeit als Voraussetzung der Analogie geht es darum, welche Pläne der historische Gesetzgeber bei der Abfassung der ursprünglichen Fassung der §§ 172 ff StPO verfolgt hat. Der deutsche Gesetzgeber hat in den Jahren 1877-1879 die vier Reichsjustizgesetze geschaffen: Die Zivilprozessordnung (ZPO), die Strafprozessordnung (StPO), das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die Konkursordnung (heute Insolvenzordnung). Aus dieser Zeit stammt auch das Klageerzwingungsverfahren. Das Klageerzwingungsverfahren hat seither keine wesentliche Änderung erfahren. Dies betrifft sowohl den Gesetzestext als auch seine Umsetzung in der gerichtlichen Praxis.

In der ursprünglichen Fassung der Strafprozessordnung vom 1. Februar 1877 war das Verfahren, das heute in den §§ 172 ff StPO geregelt ist, noch inhaltsgleich in den §§ 170 ff der Strafprozessordnung i.d.F. vom 1. Februar 1877 geregelt. § 170 StPO i.d.F. vom 1. Februar 1877 lautete:[54]

"Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft und gegen dessen ablehnenden Bescheid binnen einem Monat nach der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Der Antrag muß die Thatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben, auch von einem Rechtsanwalte unterzeichnet sein. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gerichte einzureichen. Zur Entscheidung ist in den vor das Reichsgericht gehörigen Sachen das Reichsgericht, in anderen Sachen das Oberlandesgericht zuständig."

Der historische Gesetzgeber des Jahres 1877 konnte sich noch keine Gedanken über die Anwendbarkeit des § 86 Abs. 3 VwGO auf das Verfahren nach den § § 170 ff StPO machen, weil § 86 Abs. 3 VwGO erst in der Bundesrepublik durch die Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. vom 21. Januar 1960 geschaffen wurde.[55] Das Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie ist also gegeben.

Aufgrund der planwidrigen Regelungslücke der StPO in Richtung auf das Verfahren der §§ 172 ff StPO ist die analoge Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsprozessrechts auf das Verfahren der §§ 172 ff StPO prozessual angebracht. Es muss also u.a. auch die für den Verwaltungsprozess charakteristische Vorschrift des § 86 Abs. 3 VwGO über die richterliche Aufklärungs- und Erörterungspflicht auf das Verfahren gem. §§ 172 ff StPO analoge Anwendung finden.[56]

"Der historische Gesetzgeber des Jahres 1877 konnte sich noch keine Gedanken über die Anwendbarkeit des § 86 Abs. 3 VwGO auf das Verfahren nach den § § 170 ff StPO machen, weil § 86 Abs. 3 VwGO erst in der Bundesrepublik durch die Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. vom 21. Januar 1960 geschaffen wurde. Das Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie ist also gegeben."

Nein, es gibt keine planwidrige Regelungslücke. Die Regelung in der StPO war vollständig. Sie konnte und kann nicht durch ein späteres Gesetz (das ohnehin einen anderen Bereich regelt) unvollständig geworden sein.

Die Regelung in der StPO galt, gilt und wird solange gelten, bis sie durch Änderungsgesetz geändert oder aufgehoben wird. Und daran wird die jedweder Logik und Systematik entbehrende Würdinger-Theorie nichts ändern.

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Wie oft muss ich Ihnen ein und dasselbe noch erklären? Kann es sein, dass Sie komplett beratungsresistent sind? Also noch einmal: Das freie Belieben aus Kaisers Zeiten muss selbstverständlich durch ein rechtsstaatliches Verfahren, das dem Jahr 2018 angemessen ist, ersetzt werden:

XIV. Planwidrigkeit als Merkmal der Analogie

Zum Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie sind an dieser Stelle fo1gende Anmerkungen veranlasst:

Bei der Planwidrigkeit als Voraussetzung der Analogie geht es darum, welche Pläne der historische Gesetzgeber bei der Abfassung der ursprünglichen Fassung der §§ 172 ff StPO verfolgt hat. Der deutsche Gesetzgeber hat in den Jahren 1877-1879 die vier Reichsjustizgesetze geschaffen: Die Zivilprozessordnung (ZPO), die Strafprozessordnung (StPO), das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die Konkursordnung (heute Insolvenzordnung). Aus dieser Zeit stammt auch das Klageerzwingungsverfahren. Das Klageerzwingungsverfahren hat seither keine wesentliche Änderung erfahren. Dies betrifft sowohl den Gesetzestext als auch seine Umsetzung in der gerichtlichen Praxis.

In der ursprünglichen Fassung der Strafprozessordnung vom 1. Februar 1877 war das Verfahren, das heute in den §§ 172 ff StPO geregelt ist, noch inhaltsgleich in den §§ 170 ff der Strafprozessordnung i.d.F. vom 1. Februar 1877 geregelt. § 170 StPO i.d.F. vom 1. Februar 1877 lautete:[54]

"Ist der Antragsteller zugleich der Verletzte, so steht ihm gegen diesen Bescheid binnen zwei Wochen nach der Bekanntmachung die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft und gegen dessen ablehnenden Bescheid binnen einem Monat nach der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu. Der Antrag muß die Thatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben, auch von einem Rechtsanwalte unterzeichnet sein. Der Antrag ist bei dem für die Entscheidung zuständigen Gerichte einzureichen. Zur Entscheidung ist in den vor das Reichsgericht gehörigen Sachen das Reichsgericht, in anderen Sachen das Oberlandesgericht zuständig."

Der historische Gesetzgeber des Jahres 1877 konnte sich noch keine Gedanken über die Anwendbarkeit des § 86 Abs. 3 VwGO auf das Verfahren nach den § § 170 ff StPO machen, weil § 86 Abs. 3 VwGO erst in der Bundesrepublik durch die Verwaltungsgerichtsordnung i.d.F. vom 21. Januar 1960 geschaffen wurde.[55] Das Merkmal der "Planwidrigkeit" als Voraussetzung der Analogie ist also gegeben.

Aufgrund der planwidrigen Regelungslücke der StPO in Richtung auf das Verfahren der §§ 172 ff StPO ist die analoge Anwendung der Vorschriften des Verwaltungsprozessrechts auf das Verfahren der §§ 172 ff StPO prozessual angebracht. Es muss also u.a. auch die für den Verwaltungsprozess charakteristische Vorschrift des § 86 Abs. 3 VwGO über die richterliche Aufklärungs- und Erörterungspflicht auf das Verfahren gem. §§ 172 ff StPO analoge Anwendung finden.[56]

In Verfahren nach 172 ff StPO geht es um die gerichtliche Überprüfung bzw. Erzwingung einer Prozesshandlung und in der VwGO um die eines VA. Zwei gänzlich verschiedene Gegenstände.

Zur "Bescheidung einer Strafanzeige":
"Vielmehr ist darin nach einhelliger Rechtsprechung [...] eine sogenannte Prozesshandlung der Staatsanwaltschaft zu sehen, die den besonderen Verfahrensvorschriften der §§ 172 ff. StPO unterliegt" (OLG Hamm Beschluss vom 8.3.2007 - 1 VAs 14/07)

Sie schreiben aber, Herr Würdinger:

"Die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO, KlEV und EEV, sind eben gar keine "Strafverfahren" - allein schon, weil es gar keinen Angeklagten gibt - sondern eben der Sache nach Verwaltungsprozesse zwischen einem Bürger, dem Verletzten, und einer Behörde, der StA. Das sind die zwei Parteien des Rechtsstreits."

Diesen Satz sollten Sie aber einmal überdenken. Mit welcher Handlung beginnt wohl das Strafverfahren und was ist in der Regel Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens und was hat das eine mit dem anderen zu tun?

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"Gegenstand eines Verwaltungsgerichtsverfahrens" muss es heißen.

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Grüß Gott Herr Kolos,

der Oberbegriff lautet in beiden Fällen, die Sie ansprechen, "Handeln einer Behörde". Der Bürger begehrt in beiden Fällen, die Sie ansprechen, ein Handeln einer Behörde. Es spielt dabei keine Rolle, wie Sie dieses Handeln einer Behörde nennen. Das Handeln einer Behörde kann heißen "Verfügung" oder "Bescheid" (die GenStA z.B. erlässt "Bescheide") oder auch "Verwaltungsakt" oder von mir aus auch "Prozesshandlung". Es macht aber in der Sache keinen Unterschied, es ist immer dasselbe - als Oberbegriff - "Handeln einer Behörde". Und ja, das Handeln einer Behörde, von dem wir hier sprechen, ist immer ein "obrigkeitliches Handeln", also nicht der aus unserer Ausbildung bekannte Fall "Die Behörde kauft Bleistifte beim Schreibwarenhändler". Habe ich Ihre Frage damit beantwortet? 

Grüß Gott Herr Kolos,

noch ein Nachtrag: Nehmen wir doch die GenStA als Beispiel: Sehen Sie irgend einen Unterschied zwischen der GenStA und der "Widerspruchsbehörde" i.S.d. § 73 VwGO? Also ich sehe den Unterschied nicht. Die GenStA bestätigt eigentlich immer die Verfügungen der StA - so ist jedenfalls die ständige Praxis in München - und von Ausnahmen von dieser ständigen Praxis hört man sehr, sehr wenig. Genauso ist es die ständige Praxis in München, dass die Regierung von Oberbayern die Bescheide der Landratsämter aufrechterhält, auch hier hört man von Ausnahmen von dieser Regel sehr, sehr wenig.   

Grüß Gott, Herr Würdinger.

Das von Ihnen angesprochene Über- und Unterordnungsverhältnis ist nur bei VA wegen des Regelungscharakters von erheblicher Bedeutung. Es kann konstitutiv oder deklaratorisch sein. Ein VA kann widerrufen, zurückgenommen oder angefochten werden, rechtmäßig oder rechtswidrig sein. Für Prozesshandlungen gelten dagegen völlig andere Regel, und erst Recht für die Prozesshandlungen des Strafprozesses. Sie sind nicht rechtmäßig oder rechtswidrig, sondern in der Regel zulässig oder unzulässig. Bei der Entscheidung darüber, ob Anfangsverdacht (zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat) oder hinreichender Tatverdacht (Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung) vorliegt gibt es kein Über- und Unterordnungsverhältnis und es wird auch nichts geregelt. Diese Entscheidung kann auch nicht wie ein VA widerrufen oder zurückgenommen werden. Trotz der Entscheidung über den jeweiligen Verdachtsgrad hat die Unschuldsvermutung eine wichtige Bedeutung im Verfahren und ist stets zu beachten. Etwas, was der VwGO völlig fremd ist.

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Grüß Gott Herr Kolos,

vielleicht reden wir aneinander vorbei: Sie müssen sich zunächst von Ihrem gedanklichen Ausgangspunkt lösen: Es liegt der Sache nach überhaupt kein Strafprozess vor. Sie müssen bei den Dingen immer darauf achten, was die Dinge tatsächlich sind, und nicht, wo sie geregelt sind. Kleines Beispiel: Auch wenn die Prozesskostenerstattung in den §§ 91 ff ZPO geregelt ist, sind es doch der Sache nach materiellrechtliche Ansprüche, keine Prozesshandlungen. Aber wieder zurück: Also macht es auch hier von vornherein keinen Sinn, auf der Grundlage zu diskutieren, was alles in einem Strafprozess passiert. Wenn Sie sich also erst einmal von Ihrem gedanklichen Ausgangspunkt gelöst haben, wird unsere Diskussion, denke ich, einfacher.  

Es liegt der Sache nach überhaupt kein Strafprozess vor

Sie irren! Ein Strafprozess istr ein Strafprozess ist ein Strafprozess. Und im Strafprozess geht es zuallerst um den Angeklagten. Zeugen, Nebenkläger und Verletzte etc. und andere mit eigenen Rechten ausgestattete Dritte sind Nebenfiguren, um die es zwar auch geht, aber nur zweit- und nachrangig. Das alles gilt auch für das Klageerzwingungsverfahren.

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Das Klageerzwingungsverfahren ist ein eigenständiges, separates, klar abgegrenztes Verfahren. Ein eigenständiges, separates, klar abgegrenztes Verfahren benötigt ebensolche prozessuale Vorschriften und ist kein bloßes "Anhängsel" zu irgendwas. 

Darüber kann man streiten. Man könnte auch sagen, dass das Klageerzwingungsverfahren nichts anderes als ein besonders ausgestaltetes spezielles Beschwerdeverfahren ist.

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Wobei die Bezeichnung als "spezielles Beschwerdeverfahren" Ihrer Fantasie entspringt. Sie können jedes Lehrbuch, jeden Kommentar aufschlagen und werden feststellen, dass das  Klageerzwingungsverfahren ein selbständiges Verfahren darstellt, kein "Anhängsel". 

Der "Antrag auf gerichtliche Entscheidung" ist in der StPO ein Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, also keine "Fantasie". Wo steht angeblich etwas anderes, wie Sie sagen?

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Der "Antrag auf gerichtliche Entscheidung" ist der Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, also der Sache nach nichts anderes als die Klage zum VG gegen das Handeln einer Behörde. 

"Wie oft muss ich Ihnen ein und dasselbe noch erklären? Kann es sein, dass Sie komplett beratungsresistent sind? Also noch einmal: Das freie Belieben aus Kaisers Zeiten muss selbstverständlich durch ein rechtsstaatliches Verfahren, das dem Jahr 2018 angemessen ist, ersetzt werden:"

Wir haben eine spezielle gesetzliche Regelung. Sie gilt (und ist entgegen Ihrer Polemik durchaus sachgerecht). Es ist kein Grund, eine planwidrige Regelunghslücke anzunehmen, dass Ihnen die Regelung nicht passt. Herr Würdinger, Sie liegen völlig daneben und wollen offenbar uneinsichtig bleiben. Viel Spass dabei. Trashen Sie ruhig weiter Foren etc ....

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Was das Verfahren der §§ 172 ff StPO betrifft, haben wir eben gerade nicht "eine spezielle gesetzliche Regelung". Bzgl. des Verfahrens gibt es nur die rudimentäre Vorschrift des § 173 StPO. Diese Vorschrift gibt aber nur einzelne Bruchstücke im Telegrammstil vor, im übrigen steht das Verfahren seit dem Jahr 1877, das ist seit mittlerweile 140 Jahren, schlicht im freien Belieben des OLG. Und Sie können mir nicht erzählen, dass diese Vorschrift und die ihr folgende Praxis seit Kaisers Zeiten aktuellen rechtsstaatlichen Mindeststandards (Art. 19 IV, Art. 103 I GG) entspricht! 

Und Sie können mir nicht erzählen, dass diese Vorschrift und die ihr folgende Praxis seit Kaisers Zeiten aktuellen rechtsstaatlichen Mindeststandards (Art. 19 IV, Art. 103 I GG) entspricht!

Der BayVerfGH und das Bundesverfassungsgericht haben daran jedenfalls nichts auszusetzen. Insoweit kann ich Ihnen also sehr gut und mit einigen wesentlichen Kohorten in der Hinterhand erzählen, dass diese Vorschrift  aktuellen rechtsstaatlichen Mindeststandards (Art. 19 IV, Art. 103 I GG) entspricht. Dass Würdinger wegen seiner eigenen selbstverkorksten Sache natürlich anderer Meinung ist, ist so selbstverständlich wie der berühmte "Fliegenschiss" auf dem Eiffelturm...

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Die Entscheidungen des BayVerfGH und des Bundesverfassungsgerichts sind falsch.

Ihre Haltung ist natürlich nicht neu. Jeder Strafgefangene ist bekanntlich der Meinung, dass sein Urteil falsch ist, bzw. sogar immer wieder eine "Rechtsbeugung" oder "korrupt und kriminell" wie gerade auch Sie immer wieder gerne zu Entscheidungen und Institutionen sagen, die Ihnen nicht passen...

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Sie sind ekelhaft.

§ 171 StPO i.d.F. vom 1. Februar 1877 lautete übrigens: 

"Auf Verlangen des Gerichts hat demselben die Staatsanwaltschaft die bisher von ihr geführten Verhandlungen vorzulegen. Das Gericht kann den Antrag unter Bestimmung einer Frist dem Beschuldigten zur Erklärung mittheilen. Das Gericht kann zur Vorbereitung seiner Entscheidung Ermittelungen anordnen und mit deren Vornahme eines seiner Mitglieder, den Untersuchungsrichter oder den Amtsrichter beauftragen."   

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