OLG München: Zur gerichtlichen Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern und zur Wahl des Ortes einer Aufsichtsratssitzung

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 19.10.2018

Das OLG München hat mit Beschluss vom 28. August 2018 (31 Wx 61/17) zu den Voraussetzungen für die gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds sowie zu den Vorgaben für die Wahl eines zulässigen Sitzungsortes Stellung genommen.

Zu entscheiden hatte das Gericht über den Antrag auf Abberufung eines mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden zerstrittenen Aufsichtsratsmitglieds. Geäußert hatte sich der Streit u. a. im Fernbleiben des betreffenden Mitglieds bei mehreren Sitzungen, die der Vorsitzende in die Räume seiner ca. 230 km vom Sitz der Gesellschaft entfernten Kanzlei einberufen hatte.

§ 84 Abs. 3 S. 2 AktG gilt entsprechend für gerichtliche Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds

In seiner Entscheidung verneint das Gericht das Vorliegen der Abberufungsvoraussetzungen aus § 103 Abs. 3 S. 1 AktG. Danach ist ein Aufsichtsratsmitglied auf Antrag gerichtlich abzuberufen, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund vorliegt. Eine gesetzliche Konkretisierung dieses „wichtigen Grundes“ existiert nicht. In seiner Entscheidung schließt sich der Senat als – soweit ersichtlich – erstes Obergericht der überwiegenden Literaturansicht an, nach der insoweit auf die Konkretisierung des wichtigen Grundes für eine Vorstandsabberufung in § 84 Abs. 3 S. 2 AktG abzustellen ist. Zu bejahen sei ein wichtiger Grund i. S. d. § 130 Abs. 3 S. 1 AktG danach regelmäßig bei grober Pflichtverletzung des Aufsichtsratsmitglieds oder bei Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung. Das könne etwa der Fall sein, wenn das Mitglied die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat behindere oder wiederholt unentschuldigt den Sitzungen fernbleibe.

Kein wichtiger Abberufungsgrund bei Nichterscheinen an unzulässigem Sitzungsort

Das Fernbleiben von Sitzungen, so der Senat, komme aber nur dann als wichtiger Grund in Betracht, wenn es auf eine Boykotthaltung des Mitglieds schließen lasse. Vorliegend sei eine solche Haltung nicht erkennbar, da die Aufsichtsratssitzungen aufgrund der Entfernung nicht an einem geeigneten Sitzungsort abgehalten worden seien. Soweit die Satzung keine einschlägige Bestimmung enthalte, sei der ordnungsgemäße Sitzungsort entsprechend § 121 Abs. 5 AktG der Sitz der Gesellschaft. Sinn und Zweck dieser Regelung sei es, Aufsichtsratsmitglieder vor einer willkürlichen Wahl des Sitzungsortes und einer daraus folgenden Beeinträchtigung ihres Teilnahmerechts zu schützen. Ein anderer Ort könne nur ausnahmsweise gewählt werden – etwa wenn am Sitz der Gesellschaft keine geeigneten Räume vorhanden seien, wenn alle Mitglieder einverstanden seien oder wenn ein für die Mitglieder noch leichter erreichbarer Ort gewählt werde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen.

Darüber hinaus sei die Wahl der Kanzleiräume des Aufsichtsratsvorsitzenden für das ferngebliebene Aufsichtsratsmitglied unzumutbar gewesen. Denn das betreffende Mitglied hätte sich von vornherein in einer Umgebung wiedergefunden, in der es sich – im Gegensatz zu anderen Mitgliedern und dem Vorsitzenden – nicht hätte vertraut bewegen können.

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2 Kommentare

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Gemeint ist anscheinend OLG München, Beschluss v. 28.08.2018 – 31 Wx 61/17

Ob man dem Herausposaunen an die Presse so nachsichtig gegenüber stehen sollte? Man müsste wissen, ob gegenüber der Presse "als" AR-Mitglied oder Ratsmitglied. Nur - auch nach § 394 AktG dient die Berichtsberechtigung  nicht dazu, das an die Öffentlichkeit gehen zu lassen. Ok - wenn schon Geheimdienstausschüsse des BT plaudern - dann anscheinend  auch "Aufsichtsräte" bzw. deren Mitgliedern. Wer das hinnehmen will, fördert natürlich verschwiegene Hinterzimmerberedungen und  -entscheidungen. Die Dinge um Verschwiegenheit und Vertraulichkeit haben eine Entwickug genommen, die ich um 1982 nicht für möglich gehalten hätte. Allerdings - sie drohten schon damals.   

 

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