Wiederaufnahme im Fall Sabolic unzulässig?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 12.11.2018
51|8155 Aufrufe

Im Juli hatte ich hier im Blog den Fall Sabolic zum Gegenstand eines Beitrags gemacht.

Nachdem das HansOLG Hamburg den Wiederaufnahmeantrag Ende September als unzulässig verworfen hat, erwägt die Strafverteidigung nun wohl eine Verfassungsbeschwerde.

Noch einmal zum Ausgangsfall: 
Es geht um eine Frau, die in ihrer Kleingartenlaube in Hamburg durch Feuer ums Leben kam. In den Morgenstunden war das Feuer in dem Raum ausgebrochen, in dem sie sich schlafen gelegt hatte. Brandsachverständige kamen zu der Schlussfolgerung, der Brand sei gelegt worden, indem jemand Brandbeschleuniger (Spiritus) auf die Schlafende geschüttet und sie angezündet habe. Ein Bekannter der Toten, der sich in der Nacht und am frühen Morgen verdächtig verhalten hatte, wurde beschuldigt und schließlich aufgrund von Indizien wegen Mordes verurteilt. Er habe Bargeld der Toten (etwa 110 Euro) stehlen wollen und die heimtückische Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln zur Ermöglichung dieser Tat begangen. Er wurde vom LG Hamburg wegen Mordes, Raubes mit Todesfolge und Brandstiftung mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, die er nunmehr seit gut 13 Jahren verbüßt. (LG Hamburg 621 Ks 12/04 vom 2. Februar 2005). 

Grundlage des diesjährigen Wiederaufnahmeantrags war die zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht verbreitete Erkenntnis, dass der Stoff 2-Butanon nicht nur in Brennspiritus enthalten ist, sondern auch beim Abbrand von Nadelhölzern auftritt. Mit einem Gutachten, das zudem eine völlig neue Beschreibung des (wahrscheinlichen) Brandablaufs ohne Brandbeschleuniger beinhaltet, wolltel die Verteidigung belegen, dass die tatgerichtliche Annahme, es liege eine Brandstiftung vor, von falschen Voraussetzungen ausging. Sowohl das LG Hamburg als auch das HansOLG verneinten jedoch die Schlüssigkeit des Wiederaufnahmeantrags. Die Erkenntnis, dass 2-Butanon auch ohne Brennspiritus auftreten könne, sei nicht erheblich.

Zitat (HansOLG Hammburg vom 27.09.2018):

„Zunächst noch nachvollziehbar stellt zwar der Sachverständige Prof. Dr. Goertz dar (Gutachten Seite 13), dass die unter anderem zur Vergällung von Ethanol bei der Verwendung als Brennspiritus verwendete Verbindung „2- Butanon" auch bei der Verbrennung von Holz als natürliches Zersetzungsprodukt auftrete. Dies belegt der Sachverständige insbesondere mit den Ergebnissen einer Dissertation von Albert Lingens aus dem Jahr 2003 (vgl. zur Quellenangabe: Gutachten Seite 43), die der Verteidiger des Verurteilten über einen Verweis im Wiedereinsetzungsantrag auch dem Senat zugänglich gemacht hat.  Für die daraus abgeleitete Folgerung des Sachverständigen, der Nachweis von Ethanol und 2-Butanon an Kleidungsresten der Verstorbenen lasse „definitiv" nicht den Schluss zu, dass die Bekleidung der Verstorbenen mit einer brennbaren Flüssigkeit in Form von Brennspiritus in Kontakt gewesen oder „gar" getränkt worden sei, bieten die Ausführungen des Sachverständigen gleichwohl keine plausible Begründung. Der Sachverständige setzt sich nicht mit der sich aufdrängenden Frage auseinander, auf welche Weise durch Verbrennung von Holz entstandenes 2-Butanon auf die Kleidung der Verstorbenen, an der die Substanz nach den Urteilsgründen nachgewiesen worden ist, geraten sein könnte.  Dessen hätte es, um eine plausible Alternativursache für den Nachweis der Substanz an Bekleidungsresten der Verstorbenen zu begründen, jedoch ersichtlich bedurft, da die Substanz 2-Butanon nach den Gründen des rechtskräftigen Urteils sowohl flüchtig als auch brennbar ist (UA BI. 40 f.). Nichts anderes ergibt sich auch aus der im Wiederaufnahmeantrag und im Gutachten in Bezug genommenen Dissertation von Lingens aus dem Jahr 2003, da·in den Versuchen von Lingens das als Produkt der Holzverbrennung entstandene 2-Butanon in gasförmigem Zustand gewonnen wurde.  Da die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Goertz nicht zu erklären vermögen, dass die Substanz 2-Butanon inmitten des mit hoher Temperatur brennenden Anbaus der Gartenlaube der Verstorbenen weder verbrannte noch sich verflüchtigte, sondern sich auf der Bekleidung der Verstorbenen absetzte oder anreicherte, bietet der bloße Hinweis darauf, dass die Substanz ganz allgemein auch bei der Verbrennung von Holz entstehen kann, keine die Urteilsausführungen in Frage stellende alternative Erklärung für den Nachweis von Ethanol und 2-Butanon auf Bekleidungsresten der Verstorbenen.“ 

Für den Senat wird nun die Frage, wie der Stoff 2-Butanon als Spur an die Kleidung der Toten geraten ist, zur entscheidenden: Weil sich der neue Sachverständige dazu nicht geäußert habe, soll die Schlussfolgerung des Tatgerichts, Brennspiritus als Brandbeschleuniger sei über dem Opfer ausgegossen worden, immer noch als wahrscheinlich(st)er Ablauf gültig sein. Die neue Tatsache bzw. das neue Beweismittel Sachverständiger führe nicht zur Erschütterung der das Urteil tragenden Feststellungen.  In rechtlicher Hinsicht steht dahinter auch die Frage, inwieweit die Beweiswürdigung in der Zulässigkeitsprüfung der Wiederaufnahme vorweggenommen werden soll bzw. darf. Über die Grenzziehung besteht Streit zwischen Praxis und Schrifttum. Hier im Auszug die Darstellung von Schmidt im Karlsruher Kommentar (Hervorhebungen von mir).   

„Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 17, 303, 304 = NJW 1962, 1520; NJW 1977, 59; NJW 1993, 1481, 1484) ist die Einengung auf eine abstrakte Schlüssigkeitsprüfung weder dem Gesetz zu entnehmen, noch vom Gesetzgeber gewollt. Dabei ist § 244 Abs. 3 nicht entsprechend anzuwenden (Meyer-Goßner Rn 9; aA Eisenberg JR 2007, 360, 365). Das Gericht darf die Beweiskraft der beigebrachten Beweismittel werten, soweit das ohne förmliche Beweisaufnahme möglich ist (BVerfG EuGRZ 2007, 586, 588: BGHSt 17, 303, 304; […]). Dabei ist nach hM vom Standpunkt des erkennenden Gerichts ([…] stRspr), zu prüfen, ob das Urteil bei Berücksichtigung der neuen Beweise anders ausgefallen wäre (…). Zu diesem Zweck muss das Antragsvorbringen zu dem gesamten Inhalt der Akten und zu dem früheren Beweisergebnis in Beziehung gesetzt werden (…)  Erheblich ist das Wiederaufnahmevorbringen, wenn die neuen Tatsachen oder Beweise geeignet sind, die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Urteils zu erschüttern (…). Der Wiederaufnahmeantrag ist demnach unzulässig, wenn die erstrebte Beweiserhebung nach dem bisherigen Erkenntnisstand als nicht Erfolg versprechend oder nutzlos erscheint. Es müssen ernste Gründe für die Beseitigung des Urteils sprechen (…)  Demgegenüber wird in der Literatur eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung vielfach für gänzlich unzulässig (von Hentig, Wiederaufnahmerecht, S. 223; EbSchmidt Rn 1; Eisenberg JZ 2007, 360, 365; SK-Frister/Deiters § 359 Rn 61) oder doch für zu weitgehend (Günther MDR 1974, 98 ff. mwN; Peters, Fehlerquellen, Bd. 3 S. 135 und JR 1975, 167; 1977, 219 und FS Dünnebier, 1982, S. 71 ff.; von Stackelberg, Festgabe für Peters, 1984, S. 459; vgl auch OLG Köln NJW 1963, 967) gehalten. De lege ferenda wird gefordert, die entscheidende Prüfung des Wiederaufnahmeantrags erst im Begründetheitsverfahren vorzunehmen (Peters, Fehlerquellen, Bd. 3 S. 134f) und im Zulässigkeitsverfahren die Möglichkeit einer reformatio in melius ausreichen zu lassen (J. Meyer, Wiederaufnahmereform, S. 111f).  Das geltende Recht verlangt aber bewusst die – nicht nur abstrakte – Geeignetheit des Beweismittels. Der Gesetzgeber wollte damit den Gerichten das Begründetheitsverfahren bei offenkundig erfolglosen Wiederaufnahmeanträgen ersparen und so beispielsweise Zeugen, denen keine Glaubwürdigkeit zugemessen werden kann, bereits hier als geeignete Beweismittel ausschließen (vgl zur Entstehungsgeschichte Günther MDR 1974, 93, 96); er hat deshalb für den Beschluss nach § 370 nur auf die Bestätigung der aufgestellten Behauptung abgestellt und somit für die Zulässigkeit keine leichteren Voraussetzungen als für die Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags geschaffen (Peters, Fehlerquellen, Bd. 3, S. 84). Daher rechtfertigen nur solche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, die nicht nur „theoretisch“ (Bottke NStZ 1981, 135, 137), sondern konkret und „vernünftig“ (Schöneborn, Strafprozessuale Wiederaufnahmeproblematik, S. 198) sind, die Zulassung des Wiederaufnahmeantrags. Die behaupteten – und als richtig zu unterstellenden – Tatsachen müssen in die Urteilsgründe gedanklich eingefügt werden (KG JR 1975, 166 m. Anm. Peters; Günther MDR 1974, 96); werden dadurch die den Schuldspruch tragenden tatsächlichen Feststellungen ernstlich erschüttert, so ist die Wiederaufnahme zuzulassen (…)“

Die Verteidigung hat (mit Unterstützung des Sachverständigen) geantwortet, es sei mit einfachen Physik-Kenntnissen erklärbar, wie eine Spur des Stoffs 2-Butanon an die Kleidung des Brandopfers gelangt sei.
Der Brandsachverständige:

„Die Betroffene hat während eines Flash-Over, selbst brennend oder in Brand geratend, ihre vollständig aus Holz bestehende, durchzündende Gartenlaube verlassen. Diese Brandraum-Atmosphäre enthält eine Vielzahl chemischer Substanzen, und in ihr laufen unübersehbar viele chemische Reaktionen ab. Die Betroffene hat diese von chemischen Zersetzungsprodukten geradezu gesättigte Atmosphäre durchschritten. Es ist eine triviale Selbstverständlichkeit, dass beim Aufenthalt in einer solchen Atmosphäre diese Substanzen auch auf die Oberfläche des Körpers gelangen und anschließend als Spuren analytisch nachgewiesen werden können. Das liegt u. a. auch daran, dass der menschliche Körper deutlich kühler ist, als die Brandraumatmosphäre, und dass Substanzen auf der Körperoberfläche auskondensieren.“  

Die Verteidigung:

„Die weitere Argumentation folgt unmittelbar dieser sinnberaubten Eingangsüberlegung, der Sachverständige hätte nicht erklärt, wie es zur Antragung von Spuren des 2-Butanons auf der Kleidung der Frau Schmadtke gekommen sei. Fast alles, was das Oberlandesgericht sonst auf den weiteren 16 Seiten seines Beschlusses als angebliche Plausibilitätsmängel ausbreitet, hätte sich bei einer Befragung des Sachverständigen unschwer auflösen lassen. Eine solche Befragung – im Probationsverfahren oder gar in einer erneuerten Hauptverhandlung – war aber nicht erwünscht.“

Insbesondere wenn man die Perspektive des Ausgangsgerichts einbezieht, lässt sich die Auffassung des HansOLG kaum vertreten: Bis 2005 galt es tatsächlich als ausgemacht, dass (u.a.) der Stoff 2-Butanon, am Brandort gefunden, ein deutlicher Hinweis auf Brandbeschleuniger und damit auf Brandstiftung sei. Erst nach dem Skandal um das LKA Berlin und den Fall Montgazon hat man sich eines anderen besonnen. Hineinversetzt in die Beweiswürdigung des LG Hamburg vor 13 Jahren lag zwar auf der Hand, dass der Tatverdächtige aufgrund der Indizien als einziger für eine Brandstiftung in Frage kam. Aber dies hatte natürlich zur Voraussetzung, dass eine Brandstiftung überhaupt (zweifelsfrei) vorlag. Wenn nun 2005 schon bekannt gewesen wäre, dass 2-Butanon eben nicht nur in Brennspiritus, sondern auch beim Abbrand von Nadelholz auftritt, wäre die Frage, ob eine Brandstiftung vorlag, mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz anders beantwortet worden. Da es um das zentrale Beweismittel für eine Brandstiftung geht, kann man durchaus von einer "Erschütterung" der tatgerichtlichen Feststellungen ausgehen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

51 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

RA Dr. Strate kennt das Gutachten von Prof. Goertz wohl selber nicht so ganz genau, denn in seinem Wiederaufnahmeantrag vom 22.05.2018 schreibt er auf der Seite 6 oben: "Der Nachweis von Spuren [...] im Brandschutt der Gartenlaube ...", was doch denklogisch Spuren außerhalb der Oberfläche des Leichnams impliziert.

Aber bei Prof. Goertz steht es anders:

In dem Gutachten von Prof. Goertz vom 15.06.2004 auf der Seite 13 unten / Seite 14 oben heißt es:

"Von insgesamt 11 Asservaten, umfangreichen Brandschuttproben" diverser Örtlichkeiten "ließen sich lediglich bei einer, bei der thermisch veränderten Oberbekleidung von der Oberfläche des Leichnams, Spuren von Ethanol und 2-Butanon finden".

Auf der Seite 37 schlußfolgert Prof. Goertz:

"Frau Schmadtke muss während oder kurz nach einer Durchzündung des Raumes den geschlossenen Anbau brennend verlassen haben."

Das bedeutet m.E. denklogisch, sie war selber eingehüllt / umhüllt von Flammen bzw. von heißen Brandgasen, während es in der Stellungnahme von  Prof. Goertz vom 13.10.2018 auf der Seite 2 unter der Ziffer (2) heißt:

"Die Betroffene hat während eines Flash-Over, selbst brennend oder in Brand geraten, ihre [...] durchzündende Gartenlaube verlassen. [...] Das liegt u. a. auch daran, dass der menschliche Körper deutlich kühler ist, als die Brandraumatmosphäre, und dass Substanzen auf der Körperoberfläche auskondensieren."

Darin sehe ich jedenfalls noch einen inneren Widerspruch, wie das oberhalb von 80°C gasförmige 2-Butanon an die kühlere Körperoberfläche bzw. an ein Stoffstück darauf gelangte und dort auskondensieren konnte.

Die Stellungnahmen von  Prof. Goertz vom 29.08.2018 und  vom 18.07.2018 hatte ich auch gelesen.

Eine Anmerkung aber noch zu dem Gutachten von Prof. Goertz vom 15.06.2004:

Auf der Seite 13 heißt es, die vorhandenen Alkoholvorräte in der Nähe des Sofas bestanden nur aus Bier, das hat ja einen relativ geringen Ethanolgehalt, ob die aufgefundenen Bier-Flaschen nach dem Brand unversehrt waren oder geborsten sind und dann auch das Ethanol darinnen verdampft ist, das konnte ich nirgends erkennen.

Ein paar Daten noch:

Reines Ethanol verdampft bei 78,4°C und hat einen Flammpunkt bei 11°C und Normalluftdruck.

Die Vergällungsmittel für Ethanol bei Spiritus:

2-Butanon verdampft bei ca. 80°C und hat einen Flammpunkt bei -4°C und Normalluftdruck.
3-Methylbutanon verdampft bei 94-95°C und hat einen Flammpunkt bei -1°C und Normalluftdruck.
5-Methyl-3-heptanon verdampft bei 157-162°C und hat einen Flammpunkt bei 43°C und Normalluftdruck.

In der Literatur variieren manche Werte aber auch noch leicht.

Da Herr RA Dr. jur. h.c. Gerhard Strate ja in seinen vielen Schreiben in dieser Sache es sich nicht verkneifen konnte, einige spöttische Bemerkungen über manche seiner Juristen-Kollegen auf Seiten der Gerichte oder der Staatsanwaltschaften in Bezug auf deren naturwissenschaftliche Kenntnisse oder deren logische Schlüssigkeit einzuflechten, sind seine eigenen Darlegungen, auch im Fall Andreas Darsow, m.E. ebenfalls noch verbesserungsfähig in diesen Punkten.

(Das Urteil eines hanseatischen LGs im Fall Sabolic jedenfalls hat m.E. in erfreulicher Weise mit 68 Seiten nicht diese lyrische Breite wie das eines hessischen LGs aufzuweisen im Fall Darsow mit seinen 292 Seiten, das ist  das 4,3-fache. Dort wurde auch nicht versucht, nicht endgültig in der HV aufgeklärte Sachverhalte als vollkommen klar darzustellen.)

Ich verstehe kein Wort von Ihrer Kritik an Strate ("Strate kennt das Gutachten von Prof. Goertz wohl selber nicht so ganz genau").

Was für ein "Gutachten von Prof. Goertz vom 15.06.2004"? Der Wiederaufnahmeantrag an der von Ihnen zitierten Stelle bezieht sich auf das "Gutachten vom 30.04.2018":

"Sein insgesamt 54 Seiten umfassendes Gutachten vom 30.04.2018 überreiche ich als Anlage 3".

Und in diesem Gutachten ist von "elf Asservaten" die Rede und nicht wie Sie zitieren, um es mal genau zu nehmen. Alle diese Asservate werden offensichtlich als "Brandschuttproben" bezeichnet. Auch im Urteil steht (S. 40): "Hiergegen spricht schließlich auch nicht die Tatsache, dass nach den Bekundungen des Sachverständigen Dr. Stoffregen im übrigen Brandschutt keine entsprechenden Spuren festgestellt werden konnten". Also: "im übrigen Brandschutt"! Und nicht einfach: im Brandschutt. Wenn von Brandschuttspuren im Urteil oder im WA-Antrag die Rede ist, dann sind damit (auch) Spuren an Bekleidungsresten gemeint.

"Der Nachweis von Spuren einer 'Kombination von Ethanol und 2-Butanon' im Brandschutt der Gartenlaube von Frau Schmadtke besagt also nichts über den Einsatz von Brennspiritus als Brandbeschleuniger" (WA-Antrag S. 6). Dieser von Ihnen aufgegriffene Satz hat doch eine unmissverständliche Aussage und ist auch im Übrigen doch nicht zu beanstanden. Nur weil das Gutachten an einer Stelle eine etwas davon (irrelevant) abweichende Einteilung der Brandschuttproben vornimmt, können Sie doch nicht einfach behaupten: "Strate kennt das Gutachten von Prof. Goertz wohl selber nicht so ganz genau".

Auch die "Stellungnahme von  Prof. Goertz vom 13.10.2018" ist nicht widersprüchlich, sondern allenfalls nicht für jedermann so ohne Weiteres nachvollziehbar und daher noch erklärungsbedürftig. Das ist aber etwas für die erneuerte HV und nicht Zulässigkeitsvoraussetzung des WA-Antrags.

0

Ich habe vollkommen korrekt zitiert, Herr Kolos, wenn Sie aber anderes behaupten, dann müssen Sie das belegen durch Zitat-Vergleiche,  ich hatte lediglich das Datum des Gutachtens gestern in der Nacht falsch angegeben nach vielen Stunden des Lesens.

Diesen Fehler habe ich mir zuzuschreiben.

Im übrigen können Sie bei RA Strate ja selber alle dortigen Dokumente aufrufen und lesen, so wie ich es auch getan hatte.

Ersetzen Sie das falsche Datum 15.06.2004 einfach durch das richtige Datum 30.04.2018.

Und dort heißt es ganz genau so, wie von mir zitiert:

Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Roland Goertz vom 30. April 2018

Sie sind nun an der Reihe, Herr Kolos!

Seite 13 des Gutachtens, letzter Absatz:

"Von insgesamt elf Asservaten, [...]"

Also "elf" und nicht "11" wie Sie zitiert haben.

0

Nachtrag: Aus elf hatte ich 11 gemacht, auch diesen Fehler rechne ich mir zu.

Was ändert das an den Inhalten, daß es

a) nur eine Probe gab mit Spuren, die nicht quantifiziert wurden zum Verhältnis Ethanol / 2-Butanon?

b) offenbar keinen Aufschluß über die Bierflaschen gab?

c) daß das Ethanol lediglich über Quellen aus dem Leichnam selber erklärt wurde?

d) daß auch einige andere Szenarien des Brandes noch mit Hilfe von Spiritus als beschleunigende Substanz denkbar sind?

e) die Auskondensierung von 2-Butanon aus dem Holzbrand als Hypothese an einem ja selber dann brennenden Körper beim Verlassen des inneren Brandraumes mit dem Sofa noch nicht genau und auch nachvollziehbar dargelegt wurde?

Das ansonsten m.E. sehr gute Gutachten von Prof. Goertz versucht doch eine Tathypothese des Gerichts zu widerlegen.

In die Gesamtwürdigung flossen aber auch u.a. Brandspuren beim Verurteilten selber ein.

Wie das juristisch alles zu bewerten ist, das überlasse ich berufeneren Leuten.

Ich kann Ihren Einwänden nicht ganz folgen. Ist das jetzt Kritik an dem Urteil oder an dem WA-Antrag?

Eine "Tathypothese des Gerichts" ist sicher keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung. Deswegen versucht und braucht auch niemand im WA-Verfahren Tathypothesen des Gerichts zu widerlegen, um das Urteil zu erschüttern. Er sollte auch nicht daran gemessen werden. Es geht um alte und neue Tatsachen und um alte und neue Beweismittel.

0

Herr Kolos, wie weit die Geschädigte übergossen wurde mit Spiritus, sowohl in der Menge als auch an welchen Teilen der Kleidung selber oder auch noch das Sofa, das beschreibt die UA nicht in allen Details erschöpfend und damit wird eine konkrete Widerlegung schwieriger.

Für mich persönlich wäre durchaus auch eine billigende Inkaufnahme des Todes denkbar gewesen, aber das Tatgericht hatte das offenbar anders gesehen.

Was ich gerne wüßte, wäre, was der damalige Angeklagte und seine Verteidigung vom Prozeß evtl. erwartet hatten und worauf die Verteidigung plädiert hatte.

Prof. Goertz stellt selber Wahrscheinlichkeitsüberlegungen an.

Dazu gehört es aber auch, sich diese anderen Wahrscheinlichkeiten oder Zufälligkeiten ebenfalls zu überlegen:

Der Verurteilte hatte offenbar die Tote bestohlen, vermutlich rauchte sie öfters noch vor dem Einschlafen.

a) Wie wahrscheinlich ist es, daß genau an diesem Tag dann die Laube voll abbrennt?

b) Wie wahrscheinlich ist es, daß der Verurteilte auch noch genau an diesem Tag selber Brandwunden hat?

c) Wie wahrscheinlich ist es, daß der Verurteilte dann auch noch bei der brennenden Laube selber als Zuschauer auftaucht?

Das alles zusammengenommmen dürfte doch m.E. als eine Kette reiner Zufälligkeiten ziemlich unwahrscheinlich sein.

Wenn jemand sich auch selber gut mit Bränden und mit Rauchern auskennt, aber auch was beim Übergießen von Menschen mit brennbaren Flüssigkeiten passiert, bis sie das Bewußtsein völlig verlieren und zusammenbrechen, dann liegt es für mich schon ziemlich nahe, einen solchen Brand evtl. als Unfall eines Rauchers erscheinen zu lassen und dabei etwas nachzuhelfen.

"Ich kann Ihren Einwänden nicht ganz folgen. Ist das jetzt Kritik an dem Urteil oder an dem WA-Antrag?"

Günther,

können Sie nicht dieser einfachen Frage eine simple Antwort zuführen?

0

Nick, alter Freund, Ihnen sei es verraten: Meine Kritik gilt beidem.

Denn für mich sind fast alle "Feststellungen" in einem Urteil Hypothesen, selbst bei Geständnissen.

Folgende Tatversion stünde doch offensichtlich nicht im Widerspruch zum Gutachten von Prof. Goertz:

Der Angeklagte nahm die fehlenden Gegenstände zuerst an sich, als er die eingeschlafene Geschädigte sah, danach benetzte er ein Stück Stoff mit etwas Spiritus, zündete es an und warf es in Richtung Kopfende des Sofas, da er der Geschädigten ja nur einen kleinen Denkzettel verpassen wollte, und verließ die Parzelle, ohne sich viel dabei mehr zu denken für den Augenblick.

(Günter aber bitte ohne h)

 

Ich stimme dem HansOLG insoweit zu, dass sich auch mir die Frage aufdrängt, "auf welche Weise durch Verbrennung [...] entstandenes 2-Butanon auf die Kleidung der Verstorbenen, an der die Substanz nach den Urteilsgründen nachgewiesen worden ist, geraten sein könnte". Das gilt aber für Verbrennung von Brennspiritus wie auch von Holz oder von was auch immer gleichermaßen. Mag die Erklärung auch banal sein und mag man sich das auch denken können. Jeder, der mal am Lagerfeuer gesessen hatte oder sich in der Nähe des Maifeuers schon mal aufgehalten hatte, der wird vielleicht die Vorwürfe seiner Mutter, Familie oder seines sonstigen Umfelds kennen, dass er stinke wie ein Räucherschinken. Und mag er auch die Erfahrung haben, dass es auch etwas mit der Art der Bekleidung zu tun haben kann. Ich wollte in einem Strafprozess das aber von einem Sachverständigen genau erklärt bekommen, soweit es überhaupt möglich ist.

Das Strafurteil verliert darüber aber kein einziges Wort. Der erkennenden Kammer hatte sich diese Frage also keinesfalls aufgedrängt. Was das Urteil aber nicht enthält, das kann man auch nicht von dem WA-Antrag verlangen, um das Urteil zu erschüttern. Entscheidend ist daher der Standpunkt des erkennenden Gerichts.

0

Sehr geehrter Herr Rudolphi,

Ihren Vorwurf, Herr Strate habe selbst das Gutachten nicht gelesen oder nicht richtig wiedergegeben, kann ich nicht nachvollziehen.

Ihr Begehren, der Brandsachverständige müsse sich auch Wahrscheinlichkeiten dazu überlegen, dass der Verurteilte möglicherweise trotzdem der Täter gewesen sei, erscheint mir, jedenfalls in diesem Stadium (Zulässigkeit der Wideraufnahme!) nicht tragfähig. Natürlich kommen dann, wenn man 2-Butanon auch auf den Holzabbrand zurückführen kann, immer noch alternative Tatabläufe in Betracht, die den Verurteilten belasten: Etwa, dass er zum Brand hinzukam und mit oder ohne Spiritus "nachgeholfen" hat oder dass er den Brand gelegt haben könnte (mit anderen Mitteln) und diesen als "Unfall" tarnen wollte etc. Aber solche Hypothesen wären ja auch für das Ausgangsgericht erst in Betracht gekommen, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass dieser Stoff nicht unbedingt auf Brennspiritus hinweist. Man hat sich aber bei der tatgerichtlichen  Aufklärung mit dem damals "eindeutigen" Hinweis auf Brennspiritus zufrieden gegeben und deshalb solche Alternativhypothesen nicht in Betracht ziehen müssen. Während es für die Zulässigkeit der Wiederaufnahme genügt, die Beweiswürdigung des Tatgerichts zu erschüttern, kann es nicht die Aufgabe (im Rahmen der Zulässigkeit) sein, zusätzlich denkbare den Täter belastende Alternativhypothesen zu widerlegen, die bislang weder aufgestellt noch geprüft wurden.

Dementsprechend stimme ich der Verteidigung zu, wenn sie (auf S. 30 der Verfassungsbeschwerde) ausgführt:

Es geht in diesem Stadium des Verfahrens nicht darum, den vollen Beweis zu führen, dass
kein Brandbeschleuniger in Form von Brennspiritus  zum Einsatz kam. Niemand würde sich
dagegen wehren, im Probationsverfahren nicht nur den Gutachter des Angeklagten, Prof. Dr.
Roland Goertz, zu hören, sondern von Gerichtsseite einen weiteren Gutachter, z.B. von dem
Kriminaltechnischen Institut des Bundeskriminalamts, zu bestellen.

Auch im älteren Fall des Bauern Rupp (Beck-Blog-Beitrag) war es nicht Pflicht der Wiederaufnahmeantragsteller, nach Erschütterung der tatgerichtlichen Annahme (Tod durch Schläge auf den Kopf, Fahrzeug in Schrottpresse entsorgt etc.) nach Auffinden der Leiche/des Skeletts im Fahrzeug, zu widerlegen, dass der Bauer von seiner Familie dann eben auf andere Weise zu Tode gebracht worden sei (wie es das LG Landshut nach erfolgreicher Wiederaufnahme in der neuen Hauptverhandlung annahm, jedoch nicht mehr die Beteiligung der einzelnen Angeklagten als nachweisbar ansah).

Die Bewertung solcher Alternativtatbabläufe muss dann einer neuen gerichtlichen Wertung überlassen bleiben, so jedenfalls dei Wertung des Bundesverfassungsgerichts in BVerfG-2 BvR 93/07.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Müller,

in jedem Ihrer obigen Punkte stimme ich Ihnen uneingeschränkt zu, auch darin, daß eine neue HV zu anderen Ergebnissen führen könnte. Sie kennen aber auch alle Erwiderungen der Gerichte auf den Wiederaufnahmeantrag in dieser Sache, die ja diese entscheidende Erschütterung der Beweiswürdigung des Tatgerichts nicht sehen, da ja auch andere Indizien noch dazu gehören.

Als retrospektiver Betrachter solcher Indizienprozesse wünsche ich mir viel mehr Messungen, auch an so einem Brandort bzw. Tatort, auch an Stellen, an denen z.B. ein Auskondensieren flüchtiger Substanzen m.E. eher zu erwarten gewesen wäre, als bei einem brennenden Körper.

Das Tatgericht hätte aber auch noch selber einen Gutachter beauftragen können, wie verschiedene Menschen (auch alkoholisiert) auf das Übergießen mit Spiritus reagieren, der erstens stark riecht, zweitens einen starken Abkühlungsreiz auf die Haut ausübt, so daß meiner Meinung nach ein Mensch bereits ohne Feuer davon aufwachen müßte. Auch eine Erklärung der gefüllten Blase der Toten habe ich noch vermißt. Spiritus als Brandbeschleuniger wirkt viel schwächer von der Hitzeeinwirkung als Benzin, aber selbst bei Selbstverbrennungen mit Benzin konnten Menschen noch eine Zeitlang als lebende Fackeln herumlaufen, wie der Pfarrer Oskar Brüsewitz. Auch tibetanische Mönche blieben zwar meistens auf der Stelle des sich Anzündens stehen, brachen auch erst einige Zeit später dann zusammen.

Mich überzeugt die Version des Tatgerichts zwar nicht besonders, aber sie scheint doch möglich gewesen zu sein. Was ganz genau wirklich geschehen ist, wird sich aber auch in einer neuen HV nicht aufklären lassen, egal, wie dann entschieden wird.

Daß die Justiz generell der Einführung einer zweiten Tatsacheninstanz bei Urteilen von Landgerichten über die Wiederaufnahme eher ablehnend gegenübersteht, weil auch Zeugenaussagen verblassen mit der Zeit, oder später völlig überdeckt werden, darüber dürfte auch kein großer Dissens vorhanden sein.

Besten Gruß

Günter Rudolphi

Ich verstehe nur nicht ganz, warum Herr Strate meint, im WA-Verfahren überhaupt den Beweis führen zu müssen, "dass kein Brandbeschleuniger in Form von Brennspiritus  zum Einsatz kam", obwohl es doch erheblich schwieriger und aufwendiger sein dürfte, als bloß der Beweis, dass es Alternativen gibt, "die nicht nur „theoretisch“ (Bottke NStZ 1981, 135, 137), sondern konkret und „vernünftig“ (Schöneborn, Strafprozessuale Wiederaufnahmeproblematik, S. 198) sind".

2-Butanon wird im Urteil so behandelt, als sei es der chemische "Fingerabdruck" von Brennspiritus. Wenn man im WA-Verfahren aber beweisen kann, dass es kein "Fingerabdruck", sondern allenfalls "Blutgruppe" sei, dann sollte das wohl doch genügen, um die den Schuldspruch tragenden tatsächlichen Feststellungen ernstlich zu erschüttern.

0

RA Strate versucht inzwischen nach meinem Eindruck, seine juristischen "Gegner" bei den widerständigen Gerichten zu demütigen, auch durch einige ironische Bemerkungen, das ist immer gefährlich, wenn man selber offene Flanken hat.

Aber solche "Gegnerschaften" oder Frotzeleien gibt es auch unter den Sachverständigen, auch zwischen Richtern und anderen Prozeßbeteiligten. Ein Beispiel bei einem Vorsitzenden Richter: "Der SV XY ist ein ganz berühmter Mann ....."
 

0

Ja, und das wirkt besonders peinlich, wenn man dann wie etwa im Falk-Prozess massiven Schiffbruch erleidet oder wie bei der Münchner Messerstecherin einen Zeugen präsentiert, den man selbst persönlich befragt (gecoacht war ja nicht belegbar) hat,  und bei dem sich herausstellt, dass er vom Lebensgefährten (und Anwaltsrechnungsbezahler?) gekauft wurde und alles erstunken und erlogen war. Pikanterweise soll der Zeuge von Strates Ex-Mandanten, dem Anlagebetrüger Harksen, vermittelt worden sein. Zufälle gibt es.....

https://www.welt.de/regionales/hamburg/article159563771/Hat-Hochstapler-Harksen-den-falschen-Zeugen-organisiert.html

0

Daß die Justiz generell der Einführung einer zweiten Tatsacheninstanz bei Urteilen von Landgerichten über die Wiederaufnahme eher ablehnend gegenübersteht, weil auch Zeugenaussagen verblassen mit der Zeit, oder später völlig überdeckt werden, darüber dürfte auch kein großer Dissens vorhanden sein.

Günter,

was meinen Sie mit einer zweiten Tatsachen(!)instanz bei Urteilen von Landgerichten über die Wiederaufnahme(!)?

Eine Wiederaufnahmeverfahren ist keine Tatsacheninstanz.

Oder üben Sie generelle Kritik an dem Umstand, dass gegen Strafurteile(!) von großen Strafkammern oder Schwurgerichten keine Möglichkeit der Berufung besteht?

0

In wiederaufgenommenen Verfahren werden auch vermeintliche Tatsachenfeststellungen im ersten Verfahren evtl. neu bewertet, oder auch nicht. Siehe den Fall Weimar.

Daher meine Wortwahl von der "zweiten Tatsacheninstanz".

Die Kriminalistik und die Qualität der Rechtsmedizin bei der Spurenerfassung und Spurenauswertung verbessern sich doch ständig im Lauf der Zeit, aber nicht die Qualität der Zeugenerinnerungen.

Das ist richtig, ist ein "Wiederaufnahmeverfahren" erfolgreich für den Antragsteller in Addition und Probation abgeschlossen worden, dann kommt es zu einem "wiederaufgenommenen Verfahren".

Also setzt die Justiz gleich die Hürden hoch, nennt sich Justiz-Ökonomie zum effektiven Einsatz der Arbeitszeiten des Justizpersonals.

Bei Frank Plasberg am Montag habe ich einen heutigen Arbeitsplatz einer Staatsanwältin ja auch gesehen.

Der Anwalt in der Sendung konnte da nur lächeln.

Was hat denn jetzt der Arbeitsplatz einer Staatsanwältin mit Ihren obigen (etwas wirren) Ausführungen zu tun?

Und gehen Sie davon aus, dass eine zweite Tatsacheninstanz bei LG-Urteilen in Strafsachen aus reinen ökonimischen Gesichtspunkten nicht möglich ist?

Wie viele Instanzen hätten Sie denn gerne, wenn es ökonomisch möglich wäre? Zwei oder drei? Und wie viele Richter sollten in der zweiten Tatsacheninstanz entscheiden? Mehr oder weniger, als in der ersten Instanz? Ab der wievielten Instanz meinen Sie, wird absolute Gewissheit hergestellt?

0

Nick Knatterton schrieb:

Was hat denn jetzt der Arbeitsplatz einer Staatsanwältin mit Ihren obigen (etwas wirren) Ausführungen zu tun?

Das liegt doch völlig auf der Hand, auch bei Gerichten und Staatsanwälten sind die materiellen (sächlichen) und personellen Ressourcen beschränkt. Was daran wirr sein soll, bleibt allein Ihr eigenes Geheimnis.

Nick Knatterton schrieb:

Und gehen Sie davon aus, dass eine zweite Tatsacheninstanz bei LG-Urteilen in Strafsachen aus reinen ökonimischen Gesichtspunkten nicht möglich ist?

Möglich ist viel, wenn eine gute Fee Sterntaler regnen läßt, oder nur noch Juristen im öffentlichen Dienst beschäftigt werden sollen als Richter oder Staatsanwälte.

Nick Knatterton schrieb:

Wie viele Instanzen hätten Sie denn gerne, wenn es ökonomisch möglich wäre? Zwei oder drei? Und wie viele Richter sollten in der zweiten Tatsacheninstanz entscheiden? Mehr oder weniger, als in der ersten Instanz? Ab der wievielten Instanz meinen Sie, wird absolute Gewissheit hergestellt?

Ich sehe keinen Grund, an der bisherigen Praxis etwas zu ändern in Bezug auf Urteilen von Landgerichten.

Und wenn auch auf den Bauern Rupp erneut verwiesen wurde von Herrn Prof. Dr. Müller, dann ist ein Totschlagsurteil eines Schwurgerichts mit Zerstückelung einer Leiche und anschließender Verfütterung an Tiere selbstverständlich nach Auffinden der kompletten Leiche später in einem PKW völlig haltlos geworden und in der Wiederaufnahme auch aufzuheben. Das kann für einen vernünftigen Menschen doch überhaupt keine Frage sein.

Daß sich ein OLG erst dagegen sperrte, das ist in der Tat ein echter Justizskandal.

Aber was hat das mit dem Fall Sabolic konkret zu tun?

Einmal falsch, immer falsch, wenn OLGs einen Wiederaufnahmeantrag verwerfen, werter Nick Knatterton und legendärer Meisterdetektiv, zurecht aber nur eine Figur aus alten Comics?

Auch wenn ich vorher dafür eingetreten bin, Spurensicherungen und Spurenauswertungen zu verstärken und die wissenschaftlichen Grundlagen dafür ebenso, so sind auch dafür die materiellen (sächlichen) und personellen Ressourcen beschränkt. Auch wichtige Asservate, wie eine Strumpfhose als mutmaßliches Tatwerkzeug, nämlich verschwinden passender Weise mal aus den Archiven dafür, ein Schelm, wer da Böses dabei denkt. Ich denke da aber an den Mordfall Markus Kern.

Aber ich denke auch an den Mordfall Weimar, denn die Patientenakten des Herrn Weimar wurden den Ermittlungen und der Verteidigung von Frau Weimar ja entzogen, wobei auch dabei noch die korrekte Führung dieser Dokumente durch seine Ärzte ja SEHR ZU BEZWEIFELN ist.

Er soll ja auch gegenüber Mitpatienten sich so eingelassen haben (Zitat aus DIE ZEIT):

Auf dem Flur des psychiatrischen Krankenhauses Marburg wird Reinhard Weimar 1990 von einer Mitpatientin wiedererkannt und gefragt, ob er seine Töchter umgebracht habe. "Ja", soll er gesagt haben, "ich habe die Kinder umgebracht, und wäre diese Alte nicht bei dem Bimbo gewesen, so hätte ich sie auch noch umgebracht."

Quelle: https://www.zeit.de/1995/51/Schuldig_auf_Verdacht/seite-6

Auch da sehe ich rein theoretisch durchaus noch die Möglichkeit einer erneuten Wiederaufnahme mit erstmaligen Auswertungen der Patientenakten und Verhören seiner ehemaligen Ärzte dazu.

Aber so (viel) altes Holz wird wohl keiner mehr in einen ganzen Wald zurücktragen wollen, selbst ein Dr. Strate inzwischen nicht mehr.

Diese Fragen stelle ich jetzt auch mal Ihnen, Nick:

Wie viele Instanzen hätten Sie denn gerne, wenn es ökonomisch möglich wäre? Zwei oder drei? Und wie viele Richter sollten in der zweiten Tatsacheninstanz entscheiden? Mehr oder weniger, als in der ersten Instanz? Ab der wievielten Instanz meinen Sie, wird absolute Gewissheit hergestellt?

Ergänzt noch um diese Frage:

Wie viele Gutachter hätten Sie denn gerne bereits in der ersten Instanz? Zwei oder drei? Und wieviele dann in den nächsten Instanzen?

Dann mal los, Nick.

 

Die "zweite Tatsacheninstanz" zu ermöglichen durch einfache Einlegung einer Berufung bei allen großen Prozessen vor LGs als neue Änderung in der StPO ist für mich eine absurde Vorstellung, Nick Knatterton.

Für Sie scheint das wohl anders zu sein, aber Sie sind auch nur eine witzige Figur aus alten Comics aus der deutschen Nachkriegszeit, als 1984 noch sehr weit weg war und auch noch alte Backsteine des Reichsformats abgeklopft wurden für neue Häuser, und Menschen mit Hüten auf dem Kopf im Käfer mit dem Brezelfenster noch fuhren ......

Wer als Jurist auch große Lust noch auf Chemie hat, für den ist diese Dissertation von Albert Lingens mit gerade mal 206 Seiten eine gute Abwechslung.

Das 2-Butanon findet der geneigte Leser als Peak 127 von insgesamt 294 anderen Peaks bei der eigenen Methodik des Herrn Lingens mit Adsorptionsröhrchen und Mikrowellen-Thermodesorber, Ethanol wurde von ihm nicht nachgewiesen bei seinen Versuchen.

Warum aber kein Nachweis dieser einen Substanz 2-Butanon bei keinem der anderen 10 Asservate im SV-Gutachten für das Tatgericht in der HV vorhanden war, bei denen evtl. ja ähnliche Einwirkungen der Brandgase aus dem großen Holzbrand wie beim Stoffstück am Leichnam mit dieser einzigen Spur mit einer Kombination von Ethanol und 2-Butanon aus Auskondensierung vorlagen, das müßte von einem anderen Sachverständigen für einen Wiederaufnahmeantrag doch m.E. auch plausibel erklärt werden, um eine damalige Beweiswürdigung des Tatgerichts ernsthaft erschüttern zu können.

Denn aus diesem umfangreichen Holzbrand vieler Holzmassen in Kilogramm müßte ja auch viel gasförmiges 2-Butanon entstanden sein, evtl. mehr als aus Spiritus als Brandbeschleuniger, selbst bei einem Liter.

Aber dazu ist doch überhaupt nichts zu finden in den Schriftstücken und Erklärungen bei RA Strate als plausible und quantifizierte Abschätzung und auch als Begründung.

Herr Prof. Goertz kann es sicher noch quantifizieren, wieviel 2-Butanon bei diesem Holzabbrand insgesamt entstanden ist und wie bei der Spurensicherung und Spurenauswertung bei Brandherden in Zukunft genau zu verfahren ist zum Nachweis dieser flüchtigen Substanz.

Inzwischen haben sich die Vorschriften ja geändert für den Zusatz von Vergällungsmitteln beim Spiritus.

Der Brandstifter, der reines Ethanol unvergällt verwendet, der ist ja sowieso im Vorteil. Da Prof. Goertz ja als Herkunft der Ethanol-Spur Bier angenommen hatte, würde mich auch mal die forensische und quantifizierbare Spuren-Analytik für Bier bei einem Brandopfer interessieren, auch noch für erbrochenes Bier aus dem Magen, das dann auch nicht mehr so wie in der Flasche vorhanden ist, wie wenn es lediglich verschüttet wurde.

---- Der Brandstifter, der reines Ethanol unvergällt verwendet, der ist ja sowieso im Vorteil. ----

Wieso?? Brennt es dann besser oder weniger nachweisbarer denn ja auch?

0

Reines Ethanol als Brandbeschleuniger ist eine Substanz, die auch in allen alkoholischen Getränken und auch in vielen haushaltsüblichen Desinfektionsmitteln vorkommt, bei letzterem sogar in sehr hohen Konzentrationen bis zu 99%, aber ohne sämtliche Vergällungsmittel, bei deren Nachweis eben auf Spiritus geschlossen werden kann, in der Apotheke aber auch noch reiner erhältlich. Deshalb ist es sehr einfach, eine vorsätzliche Tat als Unfall darzustellen, vor allen Dingen, wenn man nur einen Schwelbrand damit auslöst. Damit dürfte das perfekte Verbrechen schon sehr nahe gerückt sein, wenn man als Täter so vorgeht. Wie es auch aus dem Fall Montgazon durchaus zu schließen wäre.

Wenn Sie einmal dieses PDF genau studieren, dürfte Ihre Frage doch geklärt sein:

http://www.rudimarion.de/media/Hypothese_Katastrophe.pdf

Darin sind auch quantitative Angaben gemacht worden über ausgasende Substanzen bei Holzbränden, die in der Dissertation von Albert Lingens ja fehlen.

Meines Wissens wurde aus 16 von 17 Proben  in diesem Fall auf Spiritus geschlossen, siehe den Artikel in diesem Boulevard-Blatt:

https://www.bild.de/news/ausland/justizirrtum/verdaechtigt-verurteilt-fr...

Weil RA Strate also lediglich auf diese Dissertation von Albert Lingens verwiesen hatte und auch das Gutachten von Prof. Goertz keine quantitativen Angaben zu Ausgasungssubstanzen enthielt,  sehe ich auch keine sehr großen Chancen für einen erfolgreichen Wiederaufnahmeantrag einschließlich seiner Verfassungsbeschwerde in dieser Sache des Marijan Sabolic.

Wissenschaft ohne quantitative Angaben fehlt eben m.E. noch etwas.

 

Sie können sich ja bessere Quellen beschaffen als dieses Boulevard-Blatt, Zeit haben Sie doch sicher mehr als ich dafür.

Zum schwierigeren Nachweis von vorsätzlicher Brandstiftung bei reinem Ethanol als Brandbeschleuniger können oder wollen Sie also nicht sagen, Steffanie R.???

Ich überlasse das ganz Ihnen als Fachmann. Sie haben ja schon die angestaubten Seiten von oben gefunden. Ein echter Trüffel im Internetwald - kann man wohl sagen, nicht wahr?

0

Sie wissen also nichts Brandaktuelles oder aber Weitergehenderes dazu, danke, Steffanie R. für Ihren sehr erhellenden Beitrag.

Steffanie R. schrieb:

Wieso?? Brennt es dann besser oder weniger nachweisbarer denn ja auch?

Diese Frage (mit meiner eigenen Hervorhebung) hätte eine Fachfrau vermutlich auch so nicht gestellt.

Nach der Dissertation von Albert Lingens entstand beim Abbrand allen Holzarten in seinen Versuchen übrigens Aceton (Peak Nr. 7 in der Anhangtabelle S. 199), bei Fichte, Kiefer Splintholz, Buche, Ahorn, Eiche Kernholz gab es Methanol (Peak Nr. 15 in der Anhangtabelle S. 199).

Mit Aceton oder Methanol wäre es also offenbar noch einfacher, eine vorsätzliche Brandstiftung als Unfall zu verschleiern.

Dafür dass Strate ganz schön groß dahergeredet hat wie furchtbar verfassungswidrig, rechtswidrig, willkürlich und gehörsverletzend  LG und OLG agiert haben ist er beim BVerfG jetzt doch sehr zurückhaltend bis kleinlaut.

0

Seiten

Kommentar hinzufügen