Diskussionstipp von Alexander Würdinger: Das BVerfG und der Inhalt des Klageerzwingungsantrags

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.09.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1738|99527 Aufrufe

Alexander Würdinger ist ja den Bloglesern schon bekannt. Er ist einer der wenigen Juristen, die sich seit langem und regelmäßig kritisch mit der Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren befassen. Er hat mich nun gebeten, doch einmal zu  BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17  eine Diskussion im Blog anzustoßen. Mach ich doch gerne!

Das BVerfG befasst sich in der Entscheidung mit der Frage, ob die Rechtsprechung der OLGe zum Klageerzwingungsverfahren noch verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsbeschwerde war zwar erfolglos - das BVerfG lässt aber durchblicken: "Die OLGe sind zuuuuuu streng, was die Antragsprüfung angeht!"

 

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Oberlandesgericht Rostock habe seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen und überspitzte Anforderungen an die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 StPO gestellt. Es setze sich nur pauschal mit dem Klageerzwingungsantrag auseinander, der den gesetzlichen Anforderungen an dessen Zulässigkeit genüge. Dieser enthalte insbesondere eine aus sich heraus verständliche Sachverhaltsdarstellung. Dem Antrag könnten auch die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel entnommen werden, ohne dass die staatsanwaltlichen Akten hätten beigezogen werden müssen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Zwar verletzt der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (1.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung seiner in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Tat möglicherweise verjährt ist (2.).

1. Der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil das Gericht überspannte Anforderungen an den Inhalt des Klageerzwingungsantrags gestellt hat.

a) Nach Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 13). Dies muss auch der Richter bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 96, 27 <39>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Formerfordernisse dürfen nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (vgl. BVerfGE 88, 118 <125>; BVerfGK 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.).

Es begegnet vor diesem Hintergrund keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO so auszulegen, dass der Klageerzwingungsantrag in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergeben und eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Die Darlegungsanforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden, sondern müssen durch den Gesetzeszweck geboten sein (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 15). Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO erfordert zwar nur die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der angegriffenen Bescheide sowie der Einlassung des Beschuldigten (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>, m.w.N.), soweit diese im Einstellungsbescheid mitgeteilt wird (vgl. BVerfGK 14, 211 <216>). Eine Obliegenheit des Antragstellers, sich durch Akteneinsicht Kenntnis von der vollständigen Einlassung des Beschuldigten zu verschaffen und diese sodann auch vollständig mitzuteilen, besteht grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>). Etwas Anderes gilt aber, wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten aus den Ermittlungsakten begründet. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer gehalten, soll die vom Gesetzgeber implizit vorgesehene und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>) nicht unterlaufen werden, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Denn bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe von Teilen der Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann. Soweit dies den Antragsteller verpflichtet, gegebenenfalls auch Umstände vorzutragen, welche den Beschuldigten entlasten könnten, ist dies hinzunehmen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15).

Der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens darf nicht darauf verkürzt werden, den Oberlandesgerichten eine bloße Aufsicht über die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheide zu überantworten. Für die gerichtliche Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren kommt es vielmehr darauf an, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung aus der Sicht des Oberlandesgerichts genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 19).

Das Gericht darf deshalb im Hinblick auf die norminternen Direktiven des Art. 19 Abs. 4 GG einen Klageerzwingungsantrag nicht vorschnell aufgrund der formellen Hürden des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verwerfen. Es hat insbesondere zu beachten, dass das Bestehen eines genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage keine Voraussetzung für den Zugang des Antragstellers zu Gericht ist, sondern für die Anklageerhebung (§§ 170 Abs. 1, 174 Abs. 1 StPO). Die Zulässigkeit des Antrags gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO erfordert nicht das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 22). Dessen Vorliegen ist vom Gericht erst im Verfahren gemäß § 173 StPO zu prüfen, wobei es lückenschließende Ermittlungen anordnen kann. Die formalen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangen lediglich, dass der hinreichende Tatverdacht schlüssig dargelegt wird.

b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 - 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 - 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 - VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 - 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 - 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das - anderenfalls notwendige - vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben - gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift - einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.

dd) Aus diesem Grund ist es auch unbeachtlich, dass die Anlagen erst nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen sind. Nach Fristablauf ist eine inhaltliche Nachbesserung des Antrags nur dann nicht mehr möglich, wenn die Ausgangsfassung des Antrags nicht ausreichend und deshalb unzulässig war (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. November 1997 - Ws 1078/97 -, juris, Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 Ws 213/02 -, juris, Rn. 4; Kölbel, a.a.O., Rn. 58; Graalmann-Scheerer, a.a.O., Rn. 128). Der hier zur Beurteilung stehende Antrag war jedoch bereits vor Fristablauf in einer den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Weise beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass sein Klageerzwingungsantrag auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 211/12 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2016 - 1 BvR 1225/15 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2017 - 2 BvR 2157/15 -, juris, Rn. 32). Soweit sich aus dem Klageerzwingungsantrag schlüssig dargelegte Anhaltspunkte für eine fahrlässige Tötung ergeben könnten, wäre die Tat unter Zugrundelegung der im Antrag enthaltenen Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens verjährt.

 

a) Fahrlässige Tötung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht (§ 222 StGB). Die Verfolgung der Tat verjährt somit gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB mit der Beendigung der Tat, vorliegend mit dem Tod der Ehefrau des Beschwerdeführers am 1. Juni 2010.

b) Als verjährungsunterbrechende Maßnahmen lassen sich dem Klageerzwingungsantrag lediglich die richterlichen Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 3. Juni 2010, 9. August 2010 und 29. September 2010 entnehmen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).

Die eingeholten rechtsmedizinischen Gutachten haben den Lauf der Verfolgungsverjährung dagegen nicht unterbrochen. Aus dem Klageerzwingungsantrag ergibt sich nicht, dass die Beauftragung der Sachverständigen erfolgte, nachdem die Beschuldigten vernommen oder ihnen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wurden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB). Die Erfassung eines oder mehrerer Beschuldigter in einem staatsanwaltlichen Verfahren oder die Umschreibung eines UJs-Verfahrens in ein Js-Verfahren am 22. Oktober 2013 (vgl. Bl. 38 d. A.) stellen interne Akte innerhalb der Strafverfolgungsbehörde dar und stehen nach dem klaren Wortlaut von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB einer Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an die Beschuldigten nicht gleich.

Damit konnte die angezeigte Tat nach Ablauf des 28. September 2015 nicht mehr verfolgt werden.

3. Dass die Strafverfolgungsorgane keine Maßnahmen getroffen haben, die Verjährung zu unterbrechen, begegnet für sich genommen noch keinen Bedenken.

Zwar verpflichten Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>), wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht dazu in der Lage sind. Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt allerdings eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>), die Grundlage subjektiver öffentlicher Rechte sein kann. Insoweit besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe auch mit den Mitteln des Strafrechts verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015, a.a.O., Rn. 19 f.).

Die Landesjustizverwaltungen haben daher zum Schutz des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Ermittlungsverfahren zeitnah abgeschlossen werden, so dass es dem Antragsberechtigten grundsätzlich noch innerhalb der Verjährungsfristen möglich ist, rechtzeitig einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 StPO zu stellen. Dass sie diese Pflicht verletzt haben, ist vorliegend jedoch nicht dargelegt.

 

BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17

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1738 Kommentare

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...sagt Würdinger, der notorische Rechthaber, über seine absurde Einzelmeinung.

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Jeder Diskurs lebt von den Argumenten. Wo sind Ihre Argumente?

Lesen Sie die Entscheidungen und lesen Sie hier. Da steht alles! im übrigen reicht es nicht, wie Sie zu sagen, "ich habe Recht und die anderen haben Unrecht"! Da gehört bei Oberlandesgerichten und Verfassungsgerichten schon etwas mehr dazu...

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Ich trage vor beim Oberlandesgericht und bei den Verfassungsgerichten:

Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Schriftsatz vom 26. September 2017 Stellung und vertrat die Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter eindeutig gegeben sei und es auf einen negativen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft eindeutig nicht ankomme. Es müsse dem Verletzten freistehen, auf welche Weise er sich gegen die Rechtsverweigerung der Staatsanwaltschaft München I zur Wehr setzen wolle. Sein Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG sei zu beachten, das Abwarten eines negativen Bescheids der Generalstaatsanwaltschaft nicht zumutbar gewesen. Eine Untätigkeitsklage sei gemäß § 75 VwGO, § 27 EGGVG statthaft und im weiteren Verfahren zwingend Verwaltungsprozessrecht anzuwenden. Grundsätzlich biete ein Ermittlungserzwingungsverfahren dem Verletzten einer Straftat analog zum Klageerzwingungsverfahren die Möglichkeit, eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft, kein Ermittlungsverfahren durchzuführen, gerichtlich überprüfen zu lassen.  

Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 2. November 2017, ergänzt durch mehrere Schriftsätze, rügt der Beschwerdeführer Verletzungen des Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV, da ihm die angebliche staatsanwaltschaftliche Verfügung vom 14. Juni 2017 nicht mitgeteilt worden sei, im weiteren Verfahren keine richterlichen Hinweise gemäß § 86 VwGO erteilt worden seien und das Oberlandesgericht entgegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, § 101 Abs. 1 VwGO keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Daneben rügt er eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Sein Ermittlungserzwingungsantrag sei - analog einem Klageerzwingungsantrag - nach §§ 172 ff. StPO aufgrund anzunehmender Untätigkeit der Staatsanwaltschaft München I und in entsprechender Anwendung von § 75 VwGO zulässig gewesen. Durch die Verwerfung seines Antrags als unzulässig sei ihm effektiver Rechtsschutz verweigert worden. Gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2014 Az. 2 BvR 2699/10 und nachfolgender bestätigender Rechtsprechung habe er als Verletzter einen echten Rechtsanspruch auf Strafverfolgung gegen Dritte, wenn es um Straftaten von Amtsträgern bei der Ausübung des ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehe. Ergänzend beruft sich der Beschwerdeführer insbesondere auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 2017 Az. 2 BvR 1453/16 und 2. Juli 2018 Az. 2 BvR 1550/17.

Und genau diese von Ihnen immer wieder neu variierte Anwendung der VwGO kommt nach eindeutiger Rechtslage eben nicht in Betracht, wie die Gerichte überzeugend rechtskräftig geurteilt und dargelegt haben und wie es zwingend aus dem Gesetz folgt. Sie wiederholen immer nur Ihr ewig gleiches Mantra "Ich - und niemand sonst - habe ganz alleine Recht!". Wenn Sie niemanden überzeugen können, haben Sie auch nicht Recht.

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Aus welchem Gesetz folgt das denn? Aus § 173 StPO?

Ich fasse es nicht! Haben Sie § 172 Abs. 2 StPO immer noch nicht gelesen? Dort heißt es "Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller ... gerichtliche Entscheidung beantragen". Hieraus folgt völlig eindeutig, dass ein "ablehnender Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft" erst mal vorliegen muss, bevor man das Gerichtsverfahren einleiten kann, weshalb zunächst gem. § 172 Abs. 1 StPO die Vorschaltbeschwerde eingelegt werden muss, weil es sonst nämlich keinen darauf gründenden angreifbaren "ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft" geben kann. Das ist eigentlich alles ganz logisch, wenn man sich vor der Logik nicht vorsätzlich verschließt: 1) Vorschaltbeschwerde->2) ablehnender Bescheid des GenStA->3) gerichtliche Entscheidung. Ohne 2) kein 3).

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Da geht es um die Entbehrlichkeit der Vorschaltbeschwerde, das hatten wir schon, da gehe ich jetzt nicht noch einmal gesondert darauf ein. Nein, das Thema, bei dem wir gerade sind, lautet: "Stellt § 173 StPO eine abschließende Vorschrift für das gesamte Gerichtsverfahren vor dem OLG dar?" Dann würde das gesamte Gerichtsverfahren vor dem OLG abschließend durch eine einzige Verfahrens-Vorschrift geregelt werden. Meinen Sie das im Ernst?

Meinen Sie das im Ernst?

Ja, warum denn nicht? "Das Verfahren des Gerichts steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BVerfG NStZ 02, 606)" Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. A., § 173, Rdnr. 1).

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Das "pflichtgemäße Ermessen" ist allerdings in der Praxis gleichbedeutend mit  "freiem Belieben": Am einfachsten und deswegen am beliebtesten ist der pauschale Vorwurf, die Antragsschrift sei nicht hinreichend substantiiert. Das führt – nach der ständigen Praxis – zur Unzulässigkeit des Antrags im Verfahren nach den §§ 172 ff StPO. Es sind aber auch im übrigen – nach der ständigen Praxis – der Phantasie keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, einen Vorwand für die Unzulässigkeit der Antragsschrift zu suchen und zu finden: Sämtliche Vornamen des Beschuldigten sowie sein Geburtstag und sein Geburtsort seien nicht angegeben, deswegen sei es nicht möglich, den Beschuldigten zweifelsfrei zu identifizieren. Oder: In dem sich seit Jahren hinziehenden Verfahren seien nicht sämtliche Schriftsätze mit sämtlichen Daten sowie sämtlichen Fristläufen unter Darlegung der jeweiligen Fristeinhaltung im Antragsschriftsatz im einzelnen aufgelistet. Nach der ständigen Praxis spielt man als Anwalt in den Verfahren nach den §§ 172 ff StPO ein Spiel, das man schlechterdings nicht gewinnen kann: Hat man zwanzig mehr oder weniger sinnentleerte Formalismen erfüllt, scheitert man eben an dem einundzwanzigsten, frisch gekürten, Formalismus. Das ist die ständige Praxis des Klageerzwingungsverfahrens.

Das "pflichtgemäße Ermessen" ist allerdings in der Praxis gleichbedeutend mit  "freiem Belieben"

Quatsch. Und das Bundesverfassungsgericht hat das bekanntlich so anerkannt, nur dass die Anforderungen bekanntlich nicht überzogen werden dürfen. Und wer nicht allzu dumm ist, schafft das auch.

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Sagen Sie mal, haben Sie überhaupt schon irgend wann mal in Ihrem Berufsleben ein KlEV oder ein EEV geführt? Haben Sie überhaupt eine Anwaltszulassung?

Bisher habe ich es immer hingekriegt, dass der GenStA zumindest Nachermittlungen veranlaßt hat. Ich habe allerdings natürlich auch nicht amateurhaft Kleinkleckersdorfer Rechtsbeugungsvorwürfe an ihn herangetragen...

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Verstehe ich Sie richtig? Sie haben selbst also noch nie in Ihrem Berusleben ein solches gerichtliches Verfahren, um das es hier die ganze Zeit in der Diskussion geht, vor einem Oberlandesgericht geführt?

Wie kommen Sie jetzt da wieder drauf?

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Das haben Sie doch eben gesagt. 

§ 173
Verfahren des Gerichts nach Antragstellung

(1) Auf Verlangen des Gerichts hat ihm die Staatsanwaltschaft die bisher von ihr geführten Verhandlungen vorzulegen.

(2) Das Gericht kann den Antrag unter Bestimmung einer Frist dem Beschuldigten zur Erklärung mitteilen.

(3) Das Gericht kann zur Vorbereitung seiner Entscheidung Ermittlungen anordnen und mit ihrer Vornahme einen beauftragten oder ersuchten Richter betrauen.

Ist das eine vollständige, kohärente Verfahrensordnung? Wird dort z.B. geregelt, was passiert, wenn die StA der Entscheldung des OLG nicht nachkommt?

Der BayVerfGH gibt in seiner Entscheidung vom 22.10.2018 - Vf.74-VI-17 meine Argumentation zutreffend wieder.

Gast kommentiert am Do, 2018-11-15 14:29

"Ich fasse es nicht! Haben Sie § 172 Abs. 2 StPO immer noch nicht gelesen? Dort heißt es "Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft kann der Antragsteller ... gerichtliche Entscheidung beantragen". Hieraus folgt völlig eindeutig, dass ein "ablehnender Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft" erst mal vorliegen muss, bevor man das Gerichtsverfahren einleiten kann, weshalb zunächst gem. § 172 Abs. 1 StPO die Vorschaltbeschwerde eingelegt werden muss, weil es sonst nämlich keinen darauf gründenden angreifbaren "ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft" geben kann. Das ist eigentlich alles ganz logisch, wenn man sich vor der Logik nicht vorsätzlich verschließt: 1) Vorschaltbeschwerde->2) ablehnender Bescheid des GenStA->3) gerichtliche Entscheidung. Ohne 2) kein 3)."

Die Beschwerde an die GenStA ist zwingend. Allerdings könnte wohl Klagerzwingungsantrag auch ohne Bescheid der GenStA gestellt werden, wenn der -wohl nur theoretische- Fall einträte, dass a) die StA bei eine/m/r ersten Antrag/Anzeige nicht in erwartbarer Zeit reagiert und dann b) auch die GenStA nicht auf die Beschwerde reagiert. Insoweit - und nur insoweit - könnte der Rechtsgedanke des Verfahrens bei Untätigkeit entsprechend Anwendung finden. Aber Strafanzeige/Strafantrag und Beschwerde an die GenStA sind ausnahmslos unverzichtbar. 

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Das sollte Ihre Frage beantworten; Die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

stützt sich einzig und allein darauf, die sog. Vorschaltbeschwerde hätte vom Bf. nicht als entbehrlich angesehen werden dürfen. Dies ist allerdings aus mehreren Gründen evident falsch.

a) Zunächst gibt der BayVerfGH meine Rechtsmeinung zutreffend wieder: 

Der Beschwerdeführer nahm dazu mit Schriftsatz vom 26. September 2017 Stellung und vertrat die Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter eindeutig gegeben sei und es auf einen negativen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft eindeutig nicht ankomme. Es müsse dem Verletzten freistehen, auf welche Weise er sich gegen die Rechtsverweigerung der Staatsanwaltschaft München I zur Wehr setzen wolle. Sein Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG sei zu beachten, das Abwarten eines negativen Bescheids der Generalstaatsanwaltschaft nicht zumutbar gewesen. Eine Untätigkeitsklage sei gemäß § 75 VwGO, § 27 EGGVG statthaft und im weiteren Verfahren zwingend Verwaltungsprozessrecht anzuwenden. Grundsätzlich biete ein Ermittlungserzwingungsverfahren dem Verletzten einer Straftat analog zum Klageerzwingungsverfahren die Möglichkeit, eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft, kein Ermittlungsverfahren durchzuführen, gerichtlich überprüfen zu lassen.  

Mit seiner Verfassungsbeschwerde vom 2. November 2017, ergänzt durch mehrere Schriftsätze, rügt der Beschwerdeführer Verletzungen des Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV, da ihm die angebliche staatsanwaltschaftliche Verfügung vom 14. Juni 2017 nicht mitgeteilt worden sei, im weiteren Verfahren keine richterlichen Hinweise gemäß § 86 VwGO erteilt worden seien und das Oberlandesgericht entgegen Art. 6 Abs. 1 EMRK, § 101 Abs. 1 VwGO keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe. Daneben rügt er eine Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. Sein Ermittlungserzwingungsantrag sei - analog einem Klageerzwingungsantrag - nach §§ 172 ff. StPO aufgrund anzunehmender Untätigkeit der Staatsanwaltschaft München I und in entsprechender Anwendung von § 75 VwGO zulässig gewesen. Durch die Verwerfung seines Antrags als unzulässig sei ihm effektiver Rechtsschutz verweigert worden. Gemäß der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2014 Az. 2 BvR 2699/10 und nachfolgender bestätigender Rechtsprechung habe er als Verletzter einen echten Rechtsanspruch auf Strafverfolgung gegen Dritte, wenn es um Straftaten von Amtsträgern bei der Ausübung des ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehe. Ergänzend beruft sich der Beschwerdeführer insbesondere auf Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Mai 2017 Az. 2 BvR 1453/16 und 2. Juli 2018 Az. 2 BvR 1550/17.

b) Die ständige Rechtsprechung
Die ständige Rechtsprechung besagt folgendes: In bestimmten Fällen kann von einem Vorverfahren abgesehen werden. Insofern wird von „Entbehrlichkeit“ eines Vorverfahrens gesprochen. Damit ist gemeint, dass ein Vorverfahren nicht erforderlich ist. Das Vorverfahren ist u.a. dann entbehrlich, wenn aus dem Verhalten der Behörde zu entnehmen ist, dass ein Widerspruch erfolglos wäre. Vgl. hierzu statt aller Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 23. Auflage 2017, § 68, Rn. 16 ff., 22 ff.

Diese ständige Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO enthält allgemeine Grundsätze, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Diese Grundsätze müssen deshalb auch im Rahmen der §§ 172 ff StPO Anwendung finden. Die sog. "Vorschaltbeschwerde" ist deshalb auch hier in dem vorliegenden Fall entbehrlich. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass die Münchner GenStA von dem einmal eingeschlagenen Krähenprinzip in irgendeiner Weise abweicht. Die Münchner GenStA zeigt nach aller Erfahrung ersichtlich keinerlei Neigung, strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Münchner Richter zu forcieren.

c) Kein Übergehen der Widerspruchsbehörde, der Münchner GenStA

1.)    Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, ist in keiner Weise übergangen worden. Die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, hatte vielmehr objektiv die Gelegenheit, sich an Recht und Gesetz zu halten und die Ausgangsbehörde, die StA München I, zur förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen die Münchner Richter anzuhalten. Das OLG München hatte nämlich – insoweit richtigerweise - die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zur Stellungnahme zum Verfahren aufgefordert. Im Rahmen dieser Stellungnahme hätte die GenStA die StA München I dazu anhalten müssen, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten.  

2.)    Es macht hierbei evident auch keinen Unterschied, zu welchem Zeitpunkt die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, Gelegenheit zu ihrem Handeln hatte: Es macht evident keinen Unterschied, ob die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, schon auf eine Vorschaltbeschwerde hin tätig wird oder erst, wenn sie vom Gericht, in diesem Fall vom OLG München, dazu aufgefordert wird. Denn egal, zu welchem Zeitpunkt die Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, zum Tätigwerden aufgefordert wird, die GenStA musste sich in jedem Fall an Recht und Gesetz halten. Und nach Recht und Gesetz war es in diesem Fall unabweisbar, die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. Der Zeitpunkt, sich an Recht und Gesetz zu halten, spielt also evident keinerlei Rolle.      

3.)    Dieselbe Überlegung gilt auch in Bezug auf die Verfahrensbeteiligten: Es macht evident keinerlei Unterschied, ob die  Widerspruchsbehörde, die Münchner GenStA, vom Gericht, dem OLG München, oder von dem Bf. dazu aufgefordert wird, Stellung zu nehmen. Denn in beiden Fällen – unabhängig von dem Verfahrensbeteiligten - wird die Münchner GenStA gleichzeitig dazu ermahnt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA München I dazu anzuhalten, die Ermittlungen gegen die Münchner Richter förmlich einzuleiten. 

d) Unzulässigkeit einer etwaigen Vorschaltbeschwerde

Eine etwaige Vorschaltbeschwerde wäre in diesem Fall auch evident unzulässig gewesen. Der Bf. hätte nämlich eine Vorschaltbeschwerde mangels jedweder Beschwer auch gar nicht erheben dürfen. Denn es lag in diesem Fall ja noch nicht einmal ein wie immer geartetes Handeln der Ausgangsbehörde, der StA München I, vor, das eine Beschwer des Bf. hätte auslösen können. Da also eine etwaige Vorschaltbeschwerde – mangels jedweder Beschwer - evident unzulässig gewesen wäre, kann daraus dem Bf. auch keinerlei Rechtsnachteil erwachsen. Umgekehrt verhält sich der Bf. gerade dadurch rechtskonform, dass er auf die Erhebung eines evident unzulässigen Rechtsbehelfs verzichtet.  

e) Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren  

Schließlich gilt - zumindest in dem vorliegenden Fall – für das Widerspruchsverfahren die Parteimaxime. Es blieb dem Bf. überlassen, ob er auf der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens besteht oder lieber darauf verzichten will. Die Parteimaxime im Widerspruchsverfahren ergibt ich hier daraus, dass der Bf. von Anfang an auf seinen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter gepocht hat. Es handelt sich hierbei um ein subjektiv-öffentliches Recht des Bf. Da also der Bf. – materiellrechtlich - über ein subjektiv-öffentliches Recht verfügte, durfte er auch über die prozessuale Umsetzung dieses Rechts verfügen. Die Anerkennung des Anspruchs auf Strafverfolgung Dritter durch die Tennessee Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26.6.2014 bringt eben unter anderem auch mit sich, dass der Verletzte insoweit auch den weiteren Fortgang der Ermittlungen – denn der Verletzte hat in diesem Fall einen Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen – aktiv gestalten kann. Vor diesem Hintergrund steht es dem Verletzten selbstverständlich frei, welche prozessualen Mittel er zur Durchsetzung seines Rechtsanspruchs wählen will. Es ist deshalb unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden, wenn sich der Bf. in diesem Fall dazu entschlossen hat, auf die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichten zu wollen.    

f) Ergebnis

Da also die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-26563

einzig und allein darauf gestützt ist, die sog. Vorschaltbeschwerde sei erforderlich gewesen – was aber evident nicht der Fall ist – ist die Entscheidung des BayVerfGH vom 22.10.2018, Vf. 74-VI-17 als evident falsch zu qualifizieren.

g) Die Entscheidung des BayVerfGH ist geschickt gemacht: Der Bf. wird als juristischer Anfänger hingestellt, der nicht einmal imstande ist, die einfachsten, nächstliegenden Verfahrensschritte einzuhalten. Die Argumente des Bf. werden zwar kurz erwähnt, sind aber allesamt derart absurd, dass sich ein Eingehen darauf erübrigt - so der Eindruck. Der BayVerfGH erzählt perfekt die Geschichte: Wenn der Bf. auch nur den einfachsten, nächstliegenden Verfahrensschritt gegangen wäre, wäre die GenStA den strafrechtlichen Vorwürfen des Bf. - wäre auch nur irgend etwas an den strafrechtlichen Vorwürfen dran gewesen - selbstverständlich nachgegangen. Ganz große Klasse, die Entscheidung des BayVerfGH.    

Der Bf. wird als juristischer Anfänger hingestellt, der nicht einmal imstande ist, die einfachsten, nächstliegenden Verfahrensschritte einzuhalten.

Das Gericht nimmt mir die Worte aus dem Munde! Besser und anders hätte ich es auch nicht formulieren können. Genau so ist es!

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Glauben Sie das allen Ernstes?

Herr Würdinger, auch wenn man Analogien zu Rechtsgedanken der VwGO zieht, ist die Vorschaltbeschwerde mit absoluter Gewißheit nicht entbehrlich. Entbehrlich könnten allenfalls im Einzelfall diejenigen Handlungen sein, die der Antragsberechtigte (Verletzter oder bei besonderen Delikten auch Angehörige)  nicht selbst vornehmen kann. Es gibt insoweit schlicht keinen Grund, von der eindeutigen gesetzlichen Regelung abzuweichen. D.h., dass Anzeige/Antrag sowie die Beschwerde an die GenStA unentbehrlich für ein Klageerzwingungsverfahren sind. Dass bei Untätigkeit der StA und/oder (wohl nur theoretisch) der GenStA auf den Bescheid der StA und/oder (wohl nur Theoretisch) den Bescheid der GenStA verzichtet werden kann, halte ich für denkbar.

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Es freut mich, einen Kommentar in einem sachlichen, freundlichen Tonfall lesen zu dürfen. Es würde überhaupt unserer Diskussion ausgesprochen gut tun, wenn alle, die sich an der Diskussion beteiligen, einen Gang runterschalten könnten. 

Nun aber zur Sache: Im Moment geht es um den Streitpunkt "Entbehrlichkeit der Vorschaltbeschwerde". Sie war in meinem Fall - in anderen Fällen mag das natürlich anders sein -  aus mehreren Gründen entbehrlich:

1) Es bestand und besteht für mich in meinem Fall überhaupt kein Anhaltspunkt, anzunehmen, warum die Münchner GenStA in meinem Fall von ihrem einmal eingeschlagenen Weg abweichen könnte. Die Münchner GenStA hat ja auch in anderen Fällen aus dem betreffenden Gesamtkomplex drei Monate lang nicht auf meine Beschwerde reagiert. Es bringt also auch die Beschwerde zur GenStA in meinem konkreten Fall - in anderen Fällen ist das ganz sicher anders - ganz offensichtlich gar nichts.  

2) Ich denke, es ist richtig, wenn ich konsequent bleibe. Ich denke, es ist richtig, wenn ich schon mal die Anwendung der VwGO auf dieses Gerichtsverfahren vorschlage, dass ich mich dann auch meinerseits an die VwGO halten muss. Die VwGO stellt mir § 75 VwGO zur Verfügung. Nach § 75 VwGO muss ich drei Monate lang die Münchner StA darum bitten, jetzt endlich ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Geschieht drei Monate lang gar nichts, darf ich mich, so gebietet es § 75 VwGO, direkt an das Gericht wenden.  

3) Und ja, natürlich ist es so, dass ich hier eine echte juristische Pionierleistung erbringe. Es passiert mir gerade dasselbe, was Pionieren auf allen Gebieten und zu allen Zeiten schon immer passiert ist: Der Pionier wurde schon immer verspottet und angefeindet. Aber ich denke, mein Vorschlag ist jedenfalls nicht so ganz absurd: Statt einer einzigen Vorschrift, dem § 173 VwGO, der dem Gericht erlaubt, mit Ihnen nach Gusto Schlitten zu fahren, erhalten Sie mit der VwGO eine vollständige Verfahrensordnung, in der alles steht, was das Herz eines forensisch tätigen Juristen begehrt.   

Es würde mich freuen, weiter von Ihnen zu hören, diskutieren Sie mit mir.  

Pardon, der Satz muss natürlich richtig heißen: "Statt einer einzigen Vorschrift, dem § 173 StPO, der dem Gericht erlaubt, mit Ihnen nach Gusto Schlitten zu fahren, erhalten Sie mit der VwGO eine vollständige Verfahrensordnung, in der alles steht, was das Herz eines forensisch tätigen Juristen begehrt."   

Ich sehe keinen Grund, Ihren Fall als Sonderfall anzusehen: Das Gesetz sieht die Beschwerde an die GenStA zwingend vor und es wäre Ihnen möglich gewesen, sie einzulegen. Man kann sich die Verfahrensordnung nicht aussuchen, man muss nach der verfahren, die es gibt. Und das ist die StPO. Den Punkt kann man an dieser Stelle meiner Meinung auch nicht weiter diskutieren. Sie halten die VwGO für anwendbar, alle Gerichte halten die StPO auch weiterhin für anwendbar; da scheiden sich nun einfach die Geister.

Tatsächlich für diskussionswürdig halte ich Ihre "Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter eindeutig gegeben sei". Sie stützen das auf den für bestimmte Fallgruppen vom BVerfG bejahten Anspruch auf effektive Strafverfolgung. Ich tendiere dahin, dass ein solcher Anspruch für willkürliche Rechtsbeugungsvorwürfe wie Ihre nicht besteht, räume aber ein, dass der Wortlaut der einschlägigen BVerfG-Entscheidungen Ihrer Auffassung nicht unbedingt widerspricht.
 

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Ihre Meinung sei Ihnen selbstverständlich unbenommen. Es ist eben ein Unterschied, ob man real einen Prozess führt und Verantwortung trägt, oder ob man, zumal anonym, in einem Forum im Internet eine Meinung vertritt.   

Es ist eben ein Unterschied, ob man real einen Prozess führt und Verantwortung trägt...

Eben genau dann sollte man verantwortlich agieren und nicht einfach abseits jeglicher Rechtsrealität neues Recht erfinden, dem nirgendwo Verständnis entgegengebracht, geschweige denn Folge geleistet werden kann.

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Ich agiere verantwortlich.

Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Interessen des Mandanten im Rahmen des Mandats umfassend und in jeder Richtung wahrzunehmen. Er hat sich an dem Gebot des sichersten Weges zu orientieren und denjenigen Weg vorzuschlagen, der die größte Sicherheit der Zielerreichung verspricht, um vermeidbare Nachteile zu vermeiden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 16. Februar 2016 – 28 U 41/15 –, juris).

Wenn ein Mandant von der Unterlassung der Vorschaltbeschwerde betroffen gewesen wäre, wäre eine Verletzung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht zweifelsfrei zu bejahen.

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Lesenswert ist insbesondere folgende Fundstelle in der Print-Kommentarliteratur, es handelt sich um: Graf, Kommentar zur Strafprozessordnung, 3. Auflage 2018, Rn. 19 zu § 172 StPO. Dort weist die Bearbeiterin Claudia Gorf auf meinen Aufsatz hin. Hierbei macht die Bearbeiterin Claudia Gorf insbesondere darauf aufmerksam, dass ich die Anwendung des Verwaltungsprozessrechts auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO vorschlage. Weiter hebt die Bearbeiterin Claudia Gorf in ihrer Kommentierung der §§ 172 ff StPO zu Recht hervor, dass dies insbesondere eine Hinweispflicht des Gerichts gem. § 86 III VwGO zur Folge hätte.  

Wie man ein Buch mit Amazon oder Beck findet, ist uns allen bekannt. Insbesondere wissen wir als Juristen auch, wo und wie wir einen juristischen Kommentar auftun können! Für wie blöde halten Sie uns eigentlich? Von überragender juristischer Intelligenz Ihrerseits spricht es jedenfalls nicht, dass Sie meinen, uns das erklären zu müssen, weil es offenbar für Sie so ungemein schwierig war...

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Gut, dann verstehen Sie das eben als Werbung für die hervorragenden Print-Produkte des Beck-Verlags :-)

O wei! Das gibt es nicht nur als "Print-Produkt", sondern auch Online, also ohne "Print". Was Sie auch tun oder sagen, es artet immer in Unsinn aus, was auch immer Sie tun, selbst die einfachsten Übungen. Wie schaffen Sie das nur? Sie sind ein Phänomen!

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An so gut wie nichts von all dem, was Sie schreiben, ist irgendetwas dran, weil der Ausgangspunkt von allem ein völlig ungerechtfertigter Vorwurf der Rechtsbeugung ist, der bereits höchstrichterlich widerlegt ist. 

Das einzige, was einer theoretischen - nicht auf Ihren Fall, den Sie nun seit langer zeit immer wieder hier hochkochen, bezogenen - Debatte würdig sein könnte, ist die Frage, ob und ggf. unter welchen Kriterien ein Anspruch auf Strafverfolgung Dritter wegen Rechtsbeugungsvorwürfen in Betracht zu ziehen sein könnte. Ihr Fall, in dem bereits geklärt ist, dass es keine Rechtsbeugung gab, muss dabei außer Acht bleiben.

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Sie zählen die verschiedenen Themenbereiche auf. 

Der "Kleinkrieg" ist juristisch gänzlich unínteressant, weil die Sach- und Rechtslage nicht nur höchstrichterlich entschieden, sondern, obgleich nicht erforderlich, sogar noch verfassungsrechtlich abgehakt ist. Die Beschäftigungstherapie für StA, GenStA, OLG ist angesichts der Arbeitsbelastung der Justiz ärgerlich, muss aber ähnlich wie Aktivitäten von Reichsbürgern und Selbstverwaltern erledigt werden.

Juristisch nicht ganz uninteressant erscheint die Frage, ob in Fällen, in denen ein Rechtsbeugungsvorwurf nicht so offensichtlich abwegig ist, bei Einhaltung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen (insbesondere der Beschwerde an die GenStA!) verfassungsgerichtlich der Anspruch auf Strafverfolgung Dritter angenommen werden würde. Dass die Nichteinhaltung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einen Erfolg einer Verfassungsbeschwerde ausschließt, versteht sich sowieso von selbst.

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Petition zur Änderung der §§ 172 ff StPO

Zur Begründung der Petition steht dort u.a. zu lesen: "Schaut man sich ferner an, wie § 339 Strafgesetzbuch gelebt wird, stellt dieser auch kein geeignetes Druckmittel mehr dar, um die Staatsanwaltschaft dazu zu bewegen, gemäß Art 3 Abs 1 und Art 20 GG ihre Arbeit zu machen."

Sagen Sie bloß, Sie sind jetzt auf de lege ferenda umgestiegen, nachdem Sie bisher immer so steif wie fest behauptet und uns damit genervt haben, Ihre Vorstellungen seien de lege lata geltendes Recht und -zig Verfassungsbeschwerden etc. (natürlich erfolglos) darauf gestützt haben? Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Wo ist die Petition nachzulesen?

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Auf der Petitionsseite des Deutschen Bundestags habe ich gestern einen längeren Text hinterlassen. Ich denke, es ist mir ganz gut gelungen, die Dinge allgemeinverständlich und anschaulich darzustellen:

Es geht um das Klageerzwingungsverfahren, das Ermittlungserzwingungsverfahren und den Anspruch auf Strafverfolgung Dritter. Dabei handelt es sich um folgendes:

Sie haben gegen jemanden Strafanzeige erstattet, gegen den sogenannten "Beschuldigten".

Im einen Fall ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Beschuldigten entweder gar nicht oder nur völlig unzureichend. In diesem Fall können Sie letzten Endes beim Oberlandesgericht einen Antrag stellen, wonach das Oberlandesgericht die Staatsanwaltschaft dazu auffordern soll, gegen den Beschuldigten, den Sie angezeigt haben, zu ermitteln. Dieses Verfahren nennt sich Ermittlungserzwingungsverfahren.

Im anderen Fall hat die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt zwar schon vollständig ausermittelt, will aber bei Gericht keine Anklage erheben, zum Beispiel weil die Staatsanwaltschaft meint, die Vorwürfe gegen den Beschuldigten seien zu dünn oder nicht beweisbar. In diesem Fall können Sie letzten Endes beim Oberlandesgericht einen Antrag stellen, wonach das Oberlandesgericht die Staatsanwaltschaft dazu auffordern soll, gegen den Beschuldigten, den Sie angezeigt haben, Anklage bei Gericht zu erheben. Dieses Verfahren nennt sich Klageerzwingungsverfahren.

Das Klage- und das Ermittlungs-Erzwingungsverfahren gibt es seit dem Jahr 1877, damals regierte noch Kaiser Wilhelm I. Der heute noch gültige Gesetzestext stimmt bis heute weitestgehend mit dem Gesetzestext aus dem Jahr 1877 überein. Im Jahr 1877 war das Klage- und das Ermittlungs-Erzwingungsverfahren noch als eine Art Gnadenakt gestaltet: Der Kaiser geruhte, seinen Untertanen eine Gnade zu gewähren.

Die Dinge haben sich allerdings durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 2014 und 2015 geändert: Seither haben Sie in bestimmten Fallkonstellationen einen Anspruch auf Strafverfolgung Dritter. Sie können jetzt nicht mehr als Untertan behandelt werden, sondern Sie dürfen Ihre prozessualen Rechte vor dem Oberlandesgericht in effektiver Weise verfolgen.

Es existiert deshalb der Vorschlag, dass das Oberlandesgericht beim Klage- und beim Ermittlungs-Erzwingungsverfahren Verwaltungsprozessrecht anwenden muss, das heißt die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung. Es liegt schließlich beim Klage- und beim Ermittlungs-Erzwingungsverfahren ein ganz normaler Verwaltungsprozess vor: Sie streiten sich mit der Staatsanwaltschaft, einer Behörde, darüber, ob die Staatsanwaltschaft in der Weise ermitteln oder anklagen muss, wie Sie sich das vorstellen. Es ist im Prinzip genau so, wie wenn Sie sich wegen einer Baugenehmigung an die zuständige Behörde gewandt haben und jetzt vor Gericht mit der Behörde darüber streiten, ob Ihnen die Baugenehmigung erteilt werden muss oder nicht.

Die Anwendung von Verwaltungsprozessrecht hat ganz erheblich Folgen zu Ihren Gunsten: Sie können dann zum Beispiel eine Untätigkeitsklage gegen die Staatsanwaltschaft erheben, sollte die Staatsanwaltschaft, auf Ihre Strafanzeige hin, drei Monate lang untätig geblieben sein. Sie haben auch einen Anspruch darauf, dass Ihre Sache vor dem Oberlandesgericht in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zur Sprache kommt. Das gebietet, nebenbei bemerkt, auch die Europäische Menschenrechtskonvention. Und schließlich, vor allem, haben Sie einen Anspruch darauf, dass das Oberlandesgericht Ihrem Anwalt, denn Sie müssen sich in diesen Sachen vor Gericht durch einen Anwalt vertreten lassen, rechtzeitig vor der Entscheidung Bescheid gibt, sollte Ihr Anwalt in seinem Antragsschriftsatz etwas ganz Wesentliches übersehen haben. Das alles ist ein nicht zu unterschätzender Fortschritt zu Ihren Gunsten gegenüber der prozessualen Rechtslage zu Kaisers Zeiten

Wüßte man nicht, dass ausgerechnet Sie mit Ihren jahrelangen abwegigen Kasperltheatern hinter der Petition stecken, was a limine dagegen spricht, könnte man sie ernsthaft überlegen. Würde man sie ernst nehmen, würde man einwenden, dass es schlicht Unfug ist, die Einhaltung der StPO unter das Regime der VwGO zu stellen. Das, was Sie wollen, nämlich Hinweispflicht (für unfähige Anwälte) und Untätigkeitsklage (für Anwälte, die den vom Gesetz vorgeschriebenen Weg nicht richtig verstehen können), könnte man ohne Weiteres in der StPO selbst regeln, wenn man es denn so geregelt haben will.

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Hinweispflicht und Untätigkeitsklage sind in der VwGO geregelt, also ist es richtig, die VwGO auf das KlEV und das EEV anzuwenden. 

Hinweispflicht und Untätigkeitsklage kann man in jeder Verfahrensordnung regeln, wenn man will. Da braucht es keine VwGO!

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In der VwGO ist aber alles mögliche geregelt, was man für ein KlEV oder ein EEV gut brauchen kann. Es gibt deshalb keinen Grund, darauf zu verzichten, in § 173 StPO n.F. auf die VwGO in ihrer Gesamtheit zu verweisen. 

In der VwGO ist aber alles mögliche geregelt, was man für ein KlEV oder ein EEV gut brauchen kann...

Es geht nicht darum, was man (als ggf. unfähiger Anwalt) "gut brauchen kann", sondern um den demokratisch legitimierten und wohl abgewogenen Wilen des konsistenten Gesetzes. Sie wollen ganz offensichtlich der StPO ein Kuckuckskind unterschieben, über das Sie wieder irgendwelche abwegigen Aufsätze schreiben und Verfassungsbeschwerden verfassen, bzw. verfaseln können. Dem ist entgegenzutreten. Was wir brauchen, ist eine konsistente StPO und kein zerfasertes System von Kuckuckskindern.

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Eben dieses "konsistente Gesetz", das Sie anmahnen, ist die VwGO. 

Die VwGO ist das "konsistente Gesetz" für die Verwaltung. Die StPO ist das "konsistente Gesetz" für die Strafrechtspflege. Wer beides vermischt, bekommt ein inkonsistentes Konglomerat verschiedener Rechtssysteme, über das sich wieder irgendwelche Schreiberlinge mit abwegigen Thesen hermachen können, bzw. sogar hermachen müssten, um Konsistenz herzustellen. Der Gesetzgeber hat nicht aus Jux und Tollerei verschiedene Verfahrensordnungen für die verschiedenen Rechtsgebieten geschaffen, andernfalls man ja generell gleich wieder zum preußischen ALR zurückkehren könnte. Mit Würdinger zurück zu den Anfängen!

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Das KlEV und das EEV sind aber der Sache nach Verwaltungsprozesse, so dass es richtig ist, die VwGO auf sie anzuwenden. 

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