Diskussionstipp von Alexander Würdinger: Das BVerfG und der Inhalt des Klageerzwingungsantrags

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.09.2018
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht1738|99814 Aufrufe

Alexander Würdinger ist ja den Bloglesern schon bekannt. Er ist einer der wenigen Juristen, die sich seit langem und regelmäßig kritisch mit der Rechtsprechung zum Klageerzwingungsverfahren befassen. Er hat mich nun gebeten, doch einmal zu  BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17  eine Diskussion im Blog anzustoßen. Mach ich doch gerne!

Das BVerfG befasst sich in der Entscheidung mit der Frage, ob die Rechtsprechung der OLGe zum Klageerzwingungsverfahren noch verfassungsgemäß ist. Die Verfassungsbeschwerde war zwar erfolglos - das BVerfG lässt aber durchblicken: "Die OLGe sind zuuuuuu streng, was die Antragsprüfung angeht!"

 

Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Oberlandesgericht Rostock habe seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen und überspitzte Anforderungen an die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 StPO gestellt. Es setze sich nur pauschal mit dem Klageerzwingungsantrag auseinander, der den gesetzlichen Anforderungen an dessen Zulässigkeit genüge. Dieser enthalte insbesondere eine aus sich heraus verständliche Sachverhaltsdarstellung. Dem Antrag könnten auch die erforderlichen Tatsachen und Beweismittel entnommen werden, ohne dass die staatsanwaltlichen Akten hätten beigezogen werden müssen.

III.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Zwar verletzt der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock den Beschwerdeführer in seinem Grundecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (1.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung seiner in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Tat möglicherweise verjährt ist (2.).

1. Der angefochtene Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG, weil das Gericht überspannte Anforderungen an den Inhalt des Klageerzwingungsantrags gestellt hat.

a) Nach Art. 19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <275>; 78, 88 <99>; 88, 118 <124>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 13). Dies muss auch der Richter bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>; 96, 27 <39>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Formerfordernisse dürfen nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt (vgl. BVerfGE 88, 118 <125>; BVerfGK 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.). Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O.).

Es begegnet vor diesem Hintergrund keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO so auszulegen, dass der Klageerzwingungsantrag in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergeben und eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt. Denn diese Darlegungsanforderungen sollen die Oberlandesgerichte vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge bewahren und in die Lage versetzen, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Die Darlegungsanforderungen dürfen allerdings nicht überspannt werden, sondern müssen durch den Gesetzeszweck geboten sein (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 15). Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO erfordert zwar nur die Mitteilung des wesentlichen Inhalts der angegriffenen Bescheide sowie der Einlassung des Beschuldigten (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>, m.w.N.), soweit diese im Einstellungsbescheid mitgeteilt wird (vgl. BVerfGK 14, 211 <216>). Eine Obliegenheit des Antragstellers, sich durch Akteneinsicht Kenntnis von der vollständigen Einlassung des Beschuldigten zu verschaffen und diese sodann auch vollständig mitzuteilen, besteht grundsätzlich nicht (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>). Etwas Anderes gilt aber, wenn der Beschwerdeführer seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung maßgeblich auch mit Inhalten aus den Ermittlungsakten begründet. In diesem Fall ist der Beschwerdeführer gehalten, soll die vom Gesetzgeber implizit vorgesehene und verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags (vgl. BVerfGK 14, 211 <215>) nicht unterlaufen werden, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, aus denen er auszugsweise vorträgt oder gar zitiert. Denn bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe von Teilen der Einlassung des Beschuldigten oder auch der Einvernahme von Zeugen kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann. Soweit dies den Antragsteller verpflichtet, gegebenenfalls auch Umstände vorzutragen, welche den Beschuldigten entlasten könnten, ist dies hinzunehmen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15).

Der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens darf nicht darauf verkürzt werden, den Oberlandesgerichten eine bloße Aufsicht über die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheide zu überantworten. Für die gerichtliche Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren kommt es vielmehr darauf an, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung aus der Sicht des Oberlandesgerichts genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 19).

Das Gericht darf deshalb im Hinblick auf die norminternen Direktiven des Art. 19 Abs. 4 GG einen Klageerzwingungsantrag nicht vorschnell aufgrund der formellen Hürden des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verwerfen. Es hat insbesondere zu beachten, dass das Bestehen eines genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage keine Voraussetzung für den Zugang des Antragstellers zu Gericht ist, sondern für die Anklageerhebung (§§ 170 Abs. 1, 174 Abs. 1 StPO). Die Zulässigkeit des Antrags gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO erfordert nicht das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 22). Dessen Vorliegen ist vom Gericht erst im Verfahren gemäß § 173 StPO zu prüfen, wobei es lückenschließende Ermittlungen anordnen kann. Die formalen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangen lediglich, dass der hinreichende Tatverdacht schlüssig dargelegt wird.

b) Gemessen daran halten die Erwägungen des Oberlandesgerichts Rostock den Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nicht stand. Das Gericht hat die an einen Klageerzwingungsantrag zu stellenden Voraussetzungen überspannt.

aa) Der Klageerzwingungsantrag enthält entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Darstellung des wesentlichen Inhalts der mitgeteilten Beweismittel.

Die Verpflichtung zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels dient dazu, dem Gericht die Überprüfung der schlüssigen Darlegung des genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage zu ermöglichen, nicht jedoch des hinreichenden Tatverdachts an sich. Sie hat ferner den Zweck, eine Irreführung des Gerichts über den Inhalt und den Beweiswert des Beweismittels zu verhindern. Deshalb sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten (OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 - 2 Ws 272/07 -, juris, Rn. 8). Bei einer nur selektiven, im Einzelfall vielleicht sogar sinnentstellenden Wiedergabe eines Beweismittels kann ein unzutreffendes Bild vom Ermittlungsergebnis entstehen, das nicht ohne Weiteres wieder berichtigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015 - 2 BvR 987/11 -, juris, Rn. 34; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, juris, Rn. 15). Die Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels versetzt das Gericht in die Lage, die Schlüssigkeitsprüfung ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 <50>; 5, 45 <48>; 14, 211 <214 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats, a.a.O., Rn. 14).

Es gehört im Hinblick auf ein Sachverständigengutachten dagegen nicht zur Darstellung des wesentlichen Inhalts des mitgeteilten Beweismittels, dass die Ausführungen eines Sachverständigen vollständig wiedergegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, juris, Rn. 23). Müsste der Klageerzwingungsantrag den weitgehend vollständigen Inhalt der Beweismittel enthalten, könnte das Gericht schon allein anhand der Antragsschrift das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts prüfen, und nicht nur dessen schlüssige Darstellung. Einer Beiziehung der Ermittlungsakte bräuchte es dann selbst zur Prüfung eines genügenden Anlasses für die Erhebung der öffentlichen Klage nicht mehr. Eine Arbeitserleichterung wäre mit einem derart umfassenden Darlegungserfordernis nicht verbunden, wenn das Gericht die Schlüssigkeit anhand eines Klageerzwingungsantrags prüfen müsste, dessen Inhalt und Umfang sich kaum von dem der beizuziehenden Ermittlungsakte unterscheidet.

Der Klageerzwingungsantrag gibt den wesentlichen Inhalt auch der Gutachten wieder, die gegen das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts sprechen. Dabei handelt es sich um die Auszüge aus dem vorläufigen Sektionsgutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 16. August 2010, aus dem toxikologisch-chemischen Gutachten des Arbeitsbereiches Forensische Toxikologie und Alkoholanalytik des Universitätsklinikums G. vom 6. Januar 2011, aus dem Sachverständigengutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 6. Dezember 2012, dem Onkologischen Gutachten der Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der Universitätsmedizin Gö. vom 10. Februar 2014 sowie der ergänzenden Stellungnahme des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin G. vom 18. Dezember 2016. Diese Gutachten werden in ihrem Kerngehalt und ihren Schlussfolgerungen dargestellt. Ein unzutreffendes oder entstellendes Bild des Ermittlungsergebnisses wird dem Gericht hierdurch nicht präsentiert und es werden auch keine Umstände verheimlicht, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten. Hinzu kommt, dass sich der Antragsteller in seinem Klageerzwingungsantrag detailliert und argumentativ mit diesen Gutachten auseinandersetzt und versucht, deren Unrichtigkeit darzulegen. Zwar betont der Beschwerdeführer die für einen hinreichenden Tatverdacht sprechenden Umstände stärker und widmet diesen mehr Raum als Umständen, die gegen dessen Vorliegen sprechen. Das macht den Antrag jedoch noch nicht unzulässig. Die Würdigung der im Ermittlungsverfahren hervorgebrachten Beweise ist vielmehr eine Frage der Begründetheit des Antrags.

bb) Die Antragsschrift widerspricht im vorliegenden Einzelfall auch nicht deswegen den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil sie Scans von und Direktzitate aus Sachverständigengutachten enthält oder auf Anlagen Bezug nimmt.

(1) Ein Klageerzwingungsantrag ist grundsätzlich unzulässig, wenn in Bezug genommene Bestandteile in die Antragsschrift hineinkopiert werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 - 2 BvR 225/16 -, juris, Rn. 7; VerfGH Berlin, Beschluss vom 30. April 2004 - VerfGH 128/03 -, NJW 2004, 2728; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 1983 - 1 Ws 335/83 -, StV 1983, 498; OLG Celle, NStZ 1997, 406; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - III-1 Ws 521/14, 1 Ws 521/14 -, juris, Rn. 11; Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 172, Rn. 156; Kölbel, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 172 Rn. 70; Moldenhauer, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013; § 172 Rn. 37). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich den entscheidungserheblichen Sachverhalt selbst aus Anlagen zusammenzustellen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. September 2003 - 1 Ws 242/03 -, NStZ-RR 2003, 331; Moldenhauer, a.a.O.), insbesondere wenn durch das Einkopieren von Strafanzeigen oder Beschwerdeschriften die Sachdarstellung verunklart wird. Ausnahmen hiervon werden jedoch für zulässig erachtet, wenn es auf den Wortlaut der eingefügten Unterlagen ankommt und das Hineinkopieren lediglich das - anderenfalls notwendige - vollständige Abschreiben dieser Unterlagen ersetzt. Entscheidend ist, dass das Gericht nicht gezwungen wird, sich den relevanten Verfahrensstoff aus einer Vielzahl (möglicherweise unsystematisierter) Kopien selbst zusammenzustellen (OLG Hamm, a.a.O., Leitsatz und Rn. 11; Kölbel, a.a.O., Rn. 71). Anderenfalls läuft der Antragsteller Gefahr, zu wenig aus dem Gutachten eines Sachverständigen oder der Aussage eines Zeugen wiederzugeben, so dass sein Antrag an der Hürde zur Wiedergabe des wesentlichen Inhalts eines Beweismittels (vgl. aa) scheitern würde.

(2) Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG kann es keinen Unterschied machen, ob der Antragsteller in einem Klageerzwingungsantrag entscheidende Passagen aus dem Gutachten eines Sachverständigen in indirekter Rede im Fließtext wiedergibt oder sich der Einfügung von Scans oder Direktzitaten bedient. Die in die Antragsschrift eingefügten Auszüge aus Sachverständigengutachten haben lediglich erläuternden Charakter. Sie dienen dazu, den wesentlichen Inhalt der Beweismittel darzustellen, die Argumentation der dem Antrag zugrunde gelegten Beweiswürdigung zu unterstreichen und die den Beschuldigten zur Last liegenden Pflichtverletzungen zu konkretisieren. Sie haben - gemessen am Gesamtumfang der Antragsschrift - einen nicht übermäßig ins Gewicht fallenden Umfang. Das Gericht musste sich aus den eingefügten Scans und Direktzitaten nicht erst selbst den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder den wesentlichen Inhalt der Beweismittel heraussuchen.

cc) Der Klageerzwingungsantrag widerspricht auch nicht deshalb den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, weil er angeblich auf weitere Anlagen mit einem Umfang von insgesamt 136 oder 196 Seiten Bezug nimmt, die das Oberlandesgericht hätte lesen müssen, um sich ein eigenes Bild vom Krankheitsverlauf und den durchgeführten Behandlungsmaßnahmen zu verschaffen. Der Strafsenat übersieht hierbei, dass die Anlagen nicht derart in Bezug genommen werden, dass die Kenntnis ihres Inhalts den im Klageerzwingungsantrag erforderlichen Sachvortrag ersetzen soll. Der wesentliche Inhalt der in Bezug genommenen Anlagen war bereits in einer § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Art und Weise im Antrag selbst enthalten. Die an sich überflüssige Bezugnahme auf Anlagen kann einen zulässigen Klageerzwingungsantrag nicht unzulässig machen. Sie hatten offensichtlich nur den Zweck, die Übereinstimmung der Angaben des Antragstellers mit dem Akteninhalt zu belegen.

dd) Aus diesem Grund ist es auch unbeachtlich, dass die Anlagen erst nach Ablauf der Frist des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen sind. Nach Fristablauf ist eine inhaltliche Nachbesserung des Antrags nur dann nicht mehr möglich, wenn die Ausgangsfassung des Antrags nicht ausreichend und deshalb unzulässig war (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 11. November 1997 - Ws 1078/97 -, juris, Rn. 15; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 Ws 213/02 -, juris, Rn. 4; Kölbel, a.a.O., Rn. 58; Graalmann-Scheerer, a.a.O., Rn. 128). Der hier zur Beurteilung stehende Antrag war jedoch bereits vor Fristablauf in einer den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügenden Weise beim Oberlandesgericht Rostock eingegangen.

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist jedoch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 GG angezeigt, weil deutlich abzusehen ist, dass sein Klageerzwingungsantrag auch im Falle einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht im Ergebnis keinen Erfolg haben würde (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 211/12 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 29. Juli 2016 - 1 BvR 1225/15 -, juris, Rn. 19; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Juli 2017 - 2 BvR 2157/15 -, juris, Rn. 32). Soweit sich aus dem Klageerzwingungsantrag schlüssig dargelegte Anhaltspunkte für eine fahrlässige Tötung ergeben könnten, wäre die Tat unter Zugrundelegung der im Antrag enthaltenen Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens verjährt.

 

a) Fahrlässige Tötung ist mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedroht (§ 222 StGB). Die Verfolgung der Tat verjährt somit gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in fünf Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 78a Satz 1 StGB mit der Beendigung der Tat, vorliegend mit dem Tod der Ehefrau des Beschwerdeführers am 1. Juni 2010.

b) Als verjährungsunterbrechende Maßnahmen lassen sich dem Klageerzwingungsantrag lediglich die richterlichen Durchsuchungsanordnungen des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 3. Juni 2010, 9. August 2010 und 29. September 2010 entnehmen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB).

Die eingeholten rechtsmedizinischen Gutachten haben den Lauf der Verfolgungsverjährung dagegen nicht unterbrochen. Aus dem Klageerzwingungsantrag ergibt sich nicht, dass die Beauftragung der Sachverständigen erfolgte, nachdem die Beschuldigten vernommen oder ihnen die Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekannt gegeben wurden (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB). Die Erfassung eines oder mehrerer Beschuldigter in einem staatsanwaltlichen Verfahren oder die Umschreibung eines UJs-Verfahrens in ein Js-Verfahren am 22. Oktober 2013 (vgl. Bl. 38 d. A.) stellen interne Akte innerhalb der Strafverfolgungsbehörde dar und stehen nach dem klaren Wortlaut von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB einer Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens an die Beschuldigten nicht gleich.

Damit konnte die angezeigte Tat nach Ablauf des 28. September 2015 nicht mehr verfolgt werden.

3. Dass die Strafverfolgungsorgane keine Maßnahmen getroffen haben, die Verjährung zu unterbrechen, begegnet für sich genommen noch keinen Bedenken.

Zwar verpflichten Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat, sich dort schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 121, 317 <356>; BVerfGK 17, 1 <5>), wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht dazu in der Lage sind. Die wirksame Verfolgung von Gewaltverbrechen und vergleichbaren Straftaten stellt allerdings eine Konkretisierung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG dar (vgl. BVerfGK 17, 1 <5>), die Grundlage subjektiver öffentlicher Rechte sein kann. Insoweit besteht ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung dort, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, erhebliche Straftaten gegen seine höchstpersönlichen Rechtsgüter - Leben, körperliche Unversehrtheit, sexuelle Selbstbestimmung und Freiheit der Person - abzuwehren und ein Verzicht auf die effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des Staates und einem allgemeinen Klima der Rechtsunsicherheit und Gewalt führen kann. In solchen Fällen kann ein Tätigwerden des Staates und seiner Organe auch mit den Mitteln des Strafrechts verlangt werden (vgl. BVerfGE 39, 1 <36 ff.>; 49, 89 <141 f.>; 53, 30 <57 f.>; 77, 170 <214>; 88, 203 <251>; 90, 145 <195>; 92, 26 <46>; 97, 169 <176 f.>; 109, 190 <236>). Bei Kapitaldelikten kann ein solcher Anspruch auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 GG auch nahen Angehörigen zustehen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 2015, a.a.O., Rn. 19 f.).

Die Landesjustizverwaltungen haben daher zum Schutz des Anspruchs auf effektive Strafverfolgung durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Ermittlungsverfahren zeitnah abgeschlossen werden, so dass es dem Antragsberechtigten grundsätzlich noch innerhalb der Verjährungsfristen möglich ist, rechtzeitig einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 StPO zu stellen. Dass sie diese Pflicht verletzt haben, ist vorliegend jedoch nicht dargelegt.

 

BVerfG, Beschl. v. 2.7.2018 - 2 BvR 1550/17

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1738 Kommentare

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Dieser Antrag wurde indes seinerzeit sowohl vom Bundesverfassungsgericht als auch vom BayVerfGH hohnlachend zurückgewiesen...

Nichts anderes als solches Kopfschütteln hätte jeder andere studierte Jurist erwartet.

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Sie sind offenbar derjenige anonyme Gast, der es sich offenbar zum Grundsatz gemacht hat, niemals inhaltlich zu irgend etwas Stellung zu nehmen. 



"Der Umgang mit Rechtsanwälten, die nicht der herrschenden Meinung folgen, ist ja nun von Gast ausführlich dargestellt worden. Gern mag das unter "vgl. Gast, StGB, X. Auflage 2018, § 1 GastG Rdnr. 1" in die Rechtsgeschichte Eingang finden.

Aber ein paar einfache Fragen sollten hier doch auch für die Allgemeinheit beantwortbar sein:

1. Ab welchem Niveau von Missachtung oder Fehlanwendung von Gesetzen und Verfahrensordnungen durch Amtsträger wäre der objektive Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt?

2. Erzwingt der Verdacht auf Erfüllung des objektiven Tatbestands einer Rechtsbeugung die Einleitung von tatsächlichen Ermittlungen und somit mindestens eine Beschuldigtenvernehmung?

3. Worin unterscheidet sich der Umgang der Strafverfolger mit dem Verdacht auf Rechtsbeugung vom Umgang mit anderen Straftaten?

4. Muss der Bürger annehmen, dass die Qualität der Strafverfolgung von Rechtsbeugung symptomatisch für die Strafverfolgung im Allgemeinen ist?" 

Der Umgang mit Rechtsanwälten, die nicht der herrschenden Meinung folgen, ist ja nun von Gast ausführlich dargestellt worden. Gern mag das unter "vgl. Gast, StGB, X. Auflage 2018, § 1 GastG Rdnr. 1" in die Rechtsgeschichte Eingang finden.

Aber ein paar einfache Fragen sollten hier doch auch für die Allgemeinheit beantwortbar sein:

1. Ab welchem Niveau von Missachtung oder Fehlanwendung von Gesetzen und Verfahrensordnungen durch Amtsträger wäre der objektive Tatbestand der Rechtsbeugung erfüllt?

2. Erzwingt der Verdacht auf Erfüllung des objektiven Tatbestands einer Rechtsbeugung die Einleitung von tatsächlichen Ermittlungen und somit mindestens eine Beschuldigtenvernehmung?

3. Worin unterscheidet sich der Umgang der Strafverfolger mit dem Verdacht auf Rechtsbeugung vom Umgang mit anderen Straftaten?

4. Muss der Bürger annehmen, dass die Qualität der Strafverfolgung von Rechtsbeugung symptomatisch für die Strafverfolgung im Allgemeinen ist? 

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Aktuell sind die parallel eingelegten Verfassungsbeschwerden vom 10. August 2018 gegen einen Beschluss des OLG München im Ermittlungserzwingungsverfahren zum BVerfG (187 Seiten, Az. 2 BvR 1861/18) und zum BayVerfGH (195 Seiten, Vf. 56-VI-18). Hierzu schreibe ich in meinem Profil:

4. Ich habe am 22.12.2017 eine 112-seitige Strafanzeige erstattet gegen die Münchner Staatsanwältin Nicole Selzam, die seinerzeit die Strafverfolgung des Richters Reich vereitelte. Dabei habe ich mich an den Text des Urteils

www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2016-N-110444?hl...

gehalten, bei dem derselbe Sachverhalt schon einmal abgehandelt wurde. Wenn Sie also die ausführliche Begründung meiner Strafanzeige im einzelnen nachlesen wollen, müssen Sie nur das soeben verlinkte Urteil nachlesen. Dieses Verfahren gegen die Münchner Staatsanwältin Nicole Selzam - unter dem Az. 2 Ws 306/18 KL - ist eine der insgesamt sieben (beim BayVerfGH) bzw. sechs (beim BVerfG, eine VB ist dort schon mit dem üblichen Blatt, Beschluss vom 12. Januar 2018, Az. 2 BvR 2793/17 erledigt)  anhängigen Verfassungsbeschwerden. U.a. richtete ich an das OLG München in dieser Sache folgenden kurzen Schriftsatz:

"Nachdem Sie mit Ihrem Schreiben vom 12.7.2018 Ihre Rechtsverweigerung in den parallel gelagerten Fällen dokumentiert haben, bitte ich Sie, sich wenigstens in dem vorliegenden Verfahren an die allgemein anerkannten Grundprinzipien von Recht und Gesetz zu halten und die StA zur förmlichen Einleitung der Ermittlungen gegen die beschuldigte StAin Selzam anzuweisen."

Sodann verfasste ich am 2. März 2018 folgendes Schreiben: 

"Sehr geehrter Herr OStAHAL Heidenreich,  

bei Ihrer Verfügung vom 22.2.2018 handelt es sich um eine strafbare versuchte Strafvereitelung im Amt in Tateinheit mit Rechtsbeugung (§§ 258a II, 339 StGB). Ich werde deshalb unmittelbar das Ermittlungserzwingungsverfahren zum OLG München betreiben und gegen Sie Strafanzeige erstatten.

Mit freundlichen Grüßen"  
 

Das OLG München lehnte den Antrag mit Beschluss vom 19.7.2018 ab. Nach Anhörungsrüge vom 26.7.2018  erhob ich unter dem 10.8.2018 Verfassungsbeschwerde zum BVerfG (187 Seiten, Az. 2 BvR 1861/18) und zum BayVerfGH (195 Seiten, Vf. 56-VI-18). Ich erhob hierbei die prozessuale Rüge von Verletzungen des Grundrechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs wegen fehlenden richterlichen Hinweisen gem. § 86 III VwGO und wegen fehlender mündlicher Verhandlung gem. Art. 6 I EMRK i.V.m. § 101 I VwGO. Weiter erhob ich die materiellrechtliche Rüge der Verletzung meines verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effektive Strafverfolgung auf der Grundlage der Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, Rn. 11.

Man muss sich tatsächlich durch die oben verlinkte 140 Seiten lange Entscheidung des LG München I, Urteil v. 30.11.2016, Az. 24 Ns 235 Js 132863/15 (2) kämpfen, um den materiellrechtlichen Vorwurf der Strafvereitelung im Amt in Tateinheit mit Rechtsbeugung (§§ 258a, 339 StGB) an die Adresse der Münchner Staatsanwältin Nicole Selzam nachvollziehen zu können. Das Gericht hat sich nämlich seinerzeit bei der Zusammenstellung der von mir in dieser Angelegenheit eingereichten Schriftsätze richtig Arbeit gemacht. So erklärt sich auch die außerordentliche Länge der beim  BVerfG (187 Seiten) und beim BayVerfGH (195 Seiten) eingereichten Verfassungsbeschwerden.

Dieses Urteil des Landgerichts München I vom 30.11.2016, Az. 24 Ns 235 Js 132863/15 (2) ist - soweit hier von Interesse -  im wesentlichen wie folgt aufgebaut:

1. Das Urteil des Richter Reich (Landgericht München I vom 16.8.2010, Az. 34 O 20011/08) als Einzelrichter. Jeder Idiot kann sehen, dass Richter Reich die Akten nicht gelesen hat. Es handelt sich um eine strafbare Rechtsbeugung durch Nichtlektüre der Gerichtsakten. Das ist der Ausgangspunkt aller nachfolgenden Verfahren, S. 13 - 19
2. Die Strafanzeige gegen Richter Reich wegen Rechtsbeugung vom 16.9.2014, S. 19 - 33
3. Die Verfügung der beschuldigten StAin Selzam vom nächsten Tag, vom 17.9.2014: Keine Einleitung des Ermittlungsverfahrens, keinerlei Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung, S. 36 - 37
4. Die Beschwerdebegründung zur GenStA vom 1.10.2014, S. 41 - 50
5. Der Schriftsatz zum OLG zur Erzwingung der Ermittlungen wegen Rechtsbeugung vom 27.10.2014, S. 51 - 85
6. Die Ablehnung der Richter des  2. Strafsenats des OLG München wegen Besorgnis der Befangenheit vom 3.11.2014, S. 86 - 89
7. Der weitere ergänzende Schriftsatz zum OLG vom 29.12.2014, S. 93 - 111
8. Der Beschluss des OLG vom 5.2.2015, S. 113 - 117
9. Die Anhörungsrüge vom 16.2.2015, S. 117 - 122

Dieses Urteil des Landgerichts München I vom 30.11.2016 ist auch abrufbar unter BeckRS 2016, 110444.

Jeder Idiot kann sehen, dass Richter Reich die Akten nicht gelesen hat. Es handelt sich um eine strafbare Rechtsbeugung durch Nichtlektüre der Gerichtsakten. Das ist der Ausgangspunkt aller nachfolgenden Verfahren

Und das nennen Sie wirklich eine überzeugende tragende juristische Begründung? Ist das Ihr Ernst? "Jeder Idiot" kann sehen, dass das so nie etwas werden kann!

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Betreffend die Entscheidung des BayVerfGH vom 17.11.2015, Vf. 32-VI-15 ist unter dem Az. 120 AR 3573/18 bei der StA München I seit meiner Strafanzeige vom 29. Juni 2018 ein Vorermittlungsverfahren anhängig. Da aber nach Ablauf von drei Monaten seit Erstattung der Strafanzeige immer noch nicht die begehrte förmliche Einleitung des Ermittlungsverfahrens erfolgt ist, habe ich heute morgen mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2018 auch in dieser Sache einen Antrag auf Erzwingung der Ermittlungen zum OLG München gestellt. In meinem Profil schreibe ich hierzu:  

4. Entscheidung des BayVerfGH vom 17.11.2015, Vf. 32-VI-15

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-55407?hl=true

Ich erstattete bei der Staatsanwaltschaft München I (StA) eine Strafanzeige gegen einen Spruchkörper wegen gemeinschaftlicher Rechtsbeugung. Ich begründete meine Strafanzeige ausführlich. Die StA reagierte in keiner Weise. Ich hakte nach, weiterhin keinerlei Reaktion. Ich begann beim Oberlandesgericht München (OLG) ein Ermittlungserzwingungsverfahren (§ 172 StPO): Ich wollte erreichen, dass das OLG die StA dazu verpflichtet, überhaupt Ermittlungen aufzunehmen. Das OLG vergab ein AR-Aktenzeichen, traf über meine Antragsschrift keinerlei Entscheidung, leitete die Akten an die Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) weiter, die GenStA leitete die Akten zurück an die StA. Ich hakte bei der StA nach, keinerlei Reaktion, und wieder von vorne.

Das machte ich insgesamt vier Mal. Diese vier Verfahren fasste ich sodann zu einer gemeinsamen Verfassungsbeschwerde zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) zusammen. Ich stützte mich vor allem auf die Rechtsweggarantie im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG. Der BayVerfGH wies indes meine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung als unzulässig zurück, die GenStA habe niemals eine Gelegenheit gehabt, die StA zur Einleitung von Ermittlungen wegen gemeinschaftlicher Rechtsbeugung anzuhalten. Wie gezeigt ist in Wahrheit das exakte Gegenteil der Fall.

Im übrigen konnte mir auch der BayVerfGH nicht so richtig erklären, wie ich gegen eine vollkommene Untätigkeit der StA eine "Beschwerde" zur GenStA hätte erheben sollen. Ich hatte nämlich in meinem juristischen Unverstand bis dahin angenommen, ich könne mich gegen ein behördliches Handeln überhaupt nur dann vermittels einer "Beschwerde" an die vorgesetzte Behörde wenden, wenn überhaupt ein wie immer auch geartetes behördliches Handeln positiv vorläge, das überhaupt tauglicher Gegenstand einer "Beschwerde" sein könne. Es blieb zudem nach meinem, natürlich völlig unmaßgeblichen, juristischen Geschmack so ein klein wenig im Unklaren, wieso die Nicht-Entscheidung des OLG viermal hintereinander in Fällen des Vorwurfs der gemeinschaftlichen Rechtsbeugung nicht gegen die Rechtsweggarantie im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen sollte.

Jedenfalls gelangte der BayVerfGH im Zuge seiner rechtlichen Überprüfung zu dem Ergebnis, es seien nicht alle zulässigen Rechtsbehelfe ausgeschöpft worden. Deshalb sei das Subsidiaritätsprinzip verletzt. Deshalb sei die Verfassungsbeschwerde mangels Erschöpfung des Rechtswegs als unzulässig zurückzuweisen. Ich brauche angesichts dessen nicht besonders hervorzuheben, dass die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 17.11.2015, Vf. 32-VI-15 unzweifelhaft im Bereich Juristischer Nonsens zu verorten ist. Die Tatsache, dass ich in der Sache natürlich Recht habe, wurde mir erst neulich wieder bestätigt durch den Beschluss des BVerfG vom 22. Mai 2017, Az. 2 BvR 1453/16 (Rn. 10-12).

Ich habe in dieser Angelegenheit am 29. Juni 2018 (die nunmehr achte) Strafanzeige erstattet. Sie wird dort unter dem Az. 120 AR 3573/18 bearbeitet. Nach Ablauf von drei Monaten seit Erstattung der Strafanzeige habe ich am 1. Oktober 2018 auch in dieser Sache einen Antrag auf Erzwingung der Ermittlungen zum OLG München gestellt.  

Zudem habe ich folgendes Ablehnungsgesuch bei Gericht angebracht:

 

Ablehnung der Vorsitzenden Richterin Dr. Meier-Kraut wegen Besorgnis der Befangenheit in Hinblick auf ihr Schreiben vom 12. Juli 2018

 

Ich erkläre hiermit die Ablehnung der Vorsitzenden Richterin Dr. Meier-Kraut in Hinblick auf ihr Schreiben vom 12. Juli 2018 wegen Besorgnis der Befangenheit.

 

Die Zulässigkeit des Ablehnungsgesuchs richtet sich nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO. Das Schreiben der Vorsitzenden Richterin Dr. Meier-Kraut vom 12. Juli 2018 behauptete, das Gericht sei nicht „zuständig“. Dieses Schreiben der abgelehnten Vorsitzenden Richterin lautet auszugsweise:

 

„Ebenso hat es [das Gericht] nicht über Beschwerden gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft gemäß §§ 152 II, 170 II StPO zu entscheiden. … Schriftsätze, die … Beschwerden gegen Nichteinleitungs-/Einstellungsverfügungen enthalten, wurden deshalb an die Ermittlungsbehörden zuständigkeitshalber weitergeleitet. … Im übrigen werden weitere gleichgestellte Eingaben Ihrerseits geprüft, aber nicht mehr beantwortet. Es bleibt Ihnen unbenommen, Verfassungsbeschwerde bei den Verfassungsgerichten einzulegen.“

 

Also folgte ich dieser freundlichen Empfehlung der abgelehnten Vorsitzenden Richterin und legte in der Woche vom Montag, den 16. Juli 2018 mit Freitag, den 20. Juli 2018 insgesamt fünf Verfassungsbeschwerden jeweils parallel beim BVerfG und beim BayVerfGH ein. Die Verfassungsbeschwerden sind zwischen 80 und 115 Seiten lang, das Schreiben der abgelehnten Vorsitzenden Richterin vom 12. Juli 2018 dokumentiert eben schlicht einen Fall von Rechtsverweigerung.

 

Das Schreiben der abgelehnten Vorsitzenden Richterin vom 12. Juli 2018 war mir allerdings erst am Nachmittag des 17. Juli zugegangen. Deswegen hatte ich bei den beiden ersten Verfassungsbeschwerden vom 16. Juli (Vf. 46-VI-18 bzw. 2 BvR 1490/18) und vom 17. Juli (Vf. 47-VI-18 bzw. 2 BvR 1721/18) das Schreiben der abgelehnten Vorsitzenden Richterin vom 12. Juli 2018 noch nicht vorgelegt. Dieses Schreiben legte ich deswegen erst bei den drei nachfolgenden Verfassungsbeschwerden vom 18. Juli (Vf. 48-VI-18 bzw. 2 BvR 1683/18), vom 19. Juli (Vf. 50-VI-18 bzw. 2 BvR 1682/18) und vom 20. Juli (Vf. 51-VI-18 bzw. 2 BvR 1681/18) vor. Dies hatte zur Folge, dass der BayVerfGH sich ergänzend zu den beiden ersten Verfahren noch das Schreiben der abgelehnten Vorsitzenden Richterin vom 12. Juli 2018 vorlegen ließ.

 

Schlichte Rechtsverweigerung begründet die Besorgnis der Befangenheit. Dem Ablehnungsgesuch gegen die Vorsitzende Richterin Dr. Meier-Kraut ist deshalb stattzugeben.

Wikipedia hat Humor:

Allerdings gewährt die Bayerische Verfassung kein Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, wie ihn das Grundgesetz in Art. 19 Abs. 4 GG gewährt. [12]

  1. Hochspringen Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH) - Vf. 32-VI-15 - vom 17. November 2015 http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-55407?hl=true

Ist in der Tat sehr humorvoll, weil das  in der als Beleg angeführten Entscheidung des VerfGH nirgendwo steht...

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Naja, die Sachlage ist vielmehr die: Wenn die  Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs  mit dem Az. Vf. 32-VI-15 vom 17. November 2015 sachlich richtig wäre  - und nicht so absurd, wie sie in Wahrheit ist - dann würde die Bayerische Verfassung in der Tat das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz  - nebenbei bemerkt entgegen Art. 19 IV GG - versagen.

Bei der Entscheidung des BayVerfGH vom 17.11.2015, Vf. 32-VI-15

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2015-N-55407?hl=true

handelt es sich im Grunde genommen um folgendes Geschehen: Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Haus bauen. Sie beantragen also die notwendige Baugenehmigung beim LRA. Beim LRA tut sich allerdings über Monate rein gar nichts, auch mehrfaches Nachhaken beim LRA führt zu rein gar nichts, das LRA stellt sich tot. Sie wenden sich also Monate später, nach reichlichem Zuwarten, an das VG: Das VG möge das LRA dazu verpflichten, Ihnen die begehrte Baugenehmigung zu erteilen, damit Sie endlich Ihr Haus bauen können, so lautet Ihre Klageschrift zum VG. Das VG setzt aber nicht etwa einen Gerichtstermin an, liest sich in Ihren Bauantrag ein und macht auch sonst alle Anstalten, eines Tages ein Urteil zu fällen, sondern schickt Ihren Bauantrag samt Ihrer Klageschrift zum VG an das notorisch untätige LRA zurück. Das LRA stellt sich auch weiterhin tot, sie können Ihr Haus immer noch nicht bauen. Also wenden Sie sich als nächstes an die Verfassungsgerichte: Bei den Verfassungsgerichten rügen Sie, das VG hätte in irgendeiner Weise irgendeine Entscheidung über Ihre Klage treffen müssen und hätte nicht einfach die Akten an das notorisch untätige LRA zurückschicken dürfen. Daraufhin bekommen Sie vom BVerfG das übliche Blatt und vom BayVerfGH werden Sie beschieden, das Geschehen sei in keiner Weise außergewöhnlich oder sonst irgendwie zu beanstanden, das VG habe sich völlig normal verhalten. Es bleibt also dabei: Sie bekommen keine Baugenehmigung, Sie können Ihr Haus nicht bauen und vor allem: Sie können sich auch vor Gericht nicht dagegen wehren, dass das LRA ganz einfach bis ans Ende aller Tage untätig bleibt.            

Sie haben ganz einfach nicht den Beschwerdeweg über den GenStA eingehalten (§ 172 StPO)! Wann kapieren Sie das endlich? Eine einfacher einzuhaltende Formalie gibt es doch fast nicht. Das ist also (mangels Rechtswegerschöpfung) kein Fall für eine Verfassungsbeschwerde, sondern ein Fall, sich vor Scham möglichst schmerzhaft - auf dass es auch haften bleibt - in den eigenen Hintern zu beißen.

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Es war damals sogar noch so gewesen, dass das OLG meine Schriftsätze zunächst an die GenStA weitergereicht hatte, die GenStA reichte meine Schriftsätze seinerseits sodann an die StA weiter. Das heißt, die GenStA hatte sogar Gelegenheit gehabt, sich an Recht und Gesetz zu halten und die StA zur förmlichen Einleitung der Ermittlungen anzuhalten. Deswegen ist auch der "Vorwurf" des BayVerfGH absurd, die arme GenStA sei von mir in irgendeiner Weise "übergangen" worden.    

Das heißt, die GenStA hatte sogar Gelegenheit gehabt, sich an Recht und Gesetz zu halten...

Und Sie hätten ein Schriftstück mit dem Titel "Beschwerde" schreiben können. Können Sie keine Gesetze (§ 172 StPO) lesen? Auch Sie hätten also "sogar Gelegenheit gehabt, sich an Recht und Gesetz zu halten". Die 1.500,00 EUR Mißbrauchsgebühr (über die ich mich diebisch freue) wurden Ihnen völlig zu Recht aufgebrummt. Sie können keine Gesetze lesen und spielen sich jetzt mit wurmstichigen Wimpeln und mit kindischen Laserschwert als Jeanne d'Arc des Verfassungsrechts auf. Wer nicht einmal Gesetze lesen kann, sollte sich auch nicht an der Verfassung versuchen.

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Schauen Sie sich mal die ständige Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO an: Den Rechtsbehelf zu der vorgesetzten Behörde kann man sich sparen, wenn er keinerlei Aussicht auf Erfolg verspricht. So liegen die Dinge hier: Auch die Münchner GenStA zeigt nach aller Erfahrung ersichtlich keinerlei Neigung, strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Münchner Richter zu forcieren. Und das mit dem "Krähenprinzip" hatten wir ja schon.   

Den Rechtsbehelf zu der vorgesetzten Behörde kann man sich sparen, wenn er keinerlei Aussicht auf Erfolg verspricht.

Das ist für die StPO ein völliger Unfug, wo die "Vorschaltbeschwerde" in § 172 StPO zwingend ausgestaltet ist und ist auch für die VwGO höchst umstritten, wo der Widerspruch eben qua Gesetz nicht so zwingend ist (vgl. § 75 VwGO; Kopp/Schenke, VwGO, § 68 Rdnr. 32). Außerdem hätten Sie diesen besonderen angeblichen Ausnahmefall vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung vor dem BayVerfGH zu erläutern gehabt, was auswseislich des Urteils nicht geschehen ist. Das fällt Ihnen alles nachträglich erst jetzt ein, wo sich bereits als völlig kenntnisfrei geoutet haben und alles zu spät ist und sie sich vom unterstdurchschnittlichen offensichtlichen Legal-Legastheniker gerne zum aufsatzschreibenden angeblichen Spezialisten mausern wollen, worauf offensichtlich auch Krumm in seiner Einleitung hereinfällt...

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Die Antwort ist ziemlich einfach: Die Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO enthält allgemeine Grundsätze, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Diese Grundsätze müssen deshalb auch im Rahmen der §§ 172 ff StPO Anwendung finden.  

Wenn die "Vorschaltbeschwerde" in § 172 StPO zwingend ausgestaltet ist, kann sich nicht aus angeblich "allgemeinen Grundsätze" der §§ 68 ff VwGO das Gegenteil ergeben. Sie reden schlicht & einfach Stuss! Wo haben Sie gelernt?

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Die  sog. "Vorschaltbeschwerde" ist entbehrlich. Es wäre auch naiv anzunehmen, dass die Münchner GenStA von dem einmal eingeschlagenen Krähenprinzip in irgendeiner Weise abweicht, zudem: Schauen Sie sich mal die ständige Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO an: Den Rechtsbehelf zu der vorgesetzten Behörde kann man sich sparen, wenn er keinerlei Aussicht auf Erfolg verspricht. So liegen die Dinge hier: Auch die Münchner GenStA zeigt nach aller Erfahrung ersichtlich keinerlei Neigung, strafrechtliche Ermittlungen gegen einen Münchner Richter zu forcieren. Und das mit dem "Krähenprinzip" hatten wir ja schon.   

Die Rechtsprechung zu den §§ 68 ff VwGO enthält allgemeine Grundsätze, die Allgemeingültigkeit für sich beanspruchen. Diese Grundsätze müssen deshalb auch im Rahmen der §§ 172 ff StPO Anwendung finden. 

Vgl. hierzu z.B. https://juraeinmaleins.de/entbehrlichkeit-des-vorverfahrens-widerspruchv...

Die  sog. "Vorschaltbeschwerde" ist entbehrlich.

Dieses "Würdingers Mantra" mag für die Gebetsmühlen eine buddhistischen Klosters geeignet sein, nicht jedoch für einen Rechtsstaat hiesigen Zuschnitts.

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Ihnen fehlt jegliche Einsichtsfähigkeit. 

Man könnte sich sicher darüber streiten, wann eine VB gegen die Untätigkeit der Behörden - also der STA, GStA und des OLG in einem Klageerzwingungsverfahren zulässig ist. Ich denke, man könnte sich wenigstens darüber einig sein, dass Strafanzeige, Beschwerde an GStA und Antrag auf gerichtliche Entscheidung als Mindestvoraussetzungen jedenfalls erforderlich sein dürften. Hierfür muss die Beschwerde gewiss nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Es sollte genügen, wenn sich aus ihrem Inhalt das mit ihr verfolgte Rechtsschutzbegehren entnehmen lässt. Ob die Schreiben an das OLG, die dort in das AR-Register(!) eingetragen und an die GStA weitergeleitet wurden, dahingehend auszulegen waren, kann man offenlassen. Denn jedenfalls wird man verlangen dürfen, dass der Bf in der VB dazu vorträgt.

VerfGH München:"Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass er eine solche Beschwerde eingelegt hätte."

Sollte die VB tatsächlich auch keine Darlegungen zu der eingelegten Beschwerde enthalten haben, erscheint mir die Verhängung der Missbrauchsgebühr dafür gänzlich überzogen.

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Grüß Gott Herr Kolos,

entschuldigen Sie, wenn ich die Dinge ein wenig vereinfache: Was war mein Rechtsschutzbegehren? Mein Rechtsschutzbegehren bestand darin, dass gegen den Münchner Richter XY wg. § 339 StGB ermittelt werden soll.
Ob der Münchner Richter XY eines Tages wg. § 339 StGB rechtskräftig verurteilt werden wird, steht auf einem völlig anderen Blatt. Aber auf die ernsthaften Ermittlungen habe ich jedenfalls seit dem 26. Juni 2014 einen echten, vollwertigen Rechtsanspruch. Dass die Münchner Justiz mauert, sieht ein Blinder mit Krückstock. Das Krähenprinzip wurde ja auch schon ein paar Mal beiläufig erwähnt. Über das angemessene Verfahren lässt sich jedenfalls so viel sagen, dass mein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 IV GG - hier mein echter, vollwertiger Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen - nicht verbaut werden darf. 

Mein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 IV GG - hier mein echter, vollwertiger Rechtsanspruch auf ernsthafte Ermittlungen - ergibt sich daraus:

"Ein Anspruch auf eine effektive Strafverfolgung kann auch dort in Betracht kommen, wo der Vorwurf im Raum steht, dass Amtsträger bei Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben Straftaten begangen haben, weil ein Verzicht auf eine effektive Verfolgung solcher Taten zu einer Erschütterung des Vertrauens in die Integrität staatlichen Handelns führen kann. In diesen Fällen muss bereits der Anschein vermieden werden, dass gegen Amtswalter des Staates weniger effektiv ermittelt wird oder dass insoweit erhöhte Anforderungen an eine Anklageerhebung gestellt werden." (Tennessee-Eisenberg-Entscheidung des BVerfG vom 26. Juni 2014, 2 BvR 2699/10, Rn. 11)    

Das mag ja alles ein. Aber wenn Sie nicht in der Lage sind, die Gesetze zu lesen, zu verstehen, die passenden Anträge zu stellen, Rechtsmittel einzulegen und das alles ordentlich zu begründen, kommen Sie mir vor wie ein ahnungsloser Nichtschwimmer, untergeht und mit letzter Kraft vorwurfsvoll blubbert, "ich habe aber doch einen Anspruch auf Luft!".

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In diesem LTO-Artikel lautet die Zwischenüberschrift: "Anspruch auf Strafverfolgung, nicht auf Anklageerhebung"

Womöglich strengen die Eltern der verunglückten Jenny Böken ein Ermittlungserzwingungsverfahren an, sofern sich die StA weigert, die Ermittlungen noch einmal aufzunehmen.

Die von den Eltern hinsichtlich des Arztes eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen. Ein hinreichender Tatverdacht sei nach gewissenhaft durchgeführten Ermittlungen von Staatsanwaltschaft, Generalstaatsanwaltschaft und Oberlandesgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint worden.[9] Juristisch ist dieser Nichtannahmebeschluss trotzdem bedeutsam, weil er einen bei staatlichem Handeln grundsätzlich bestehenden Rechtsanspruch eines Geschädigten auf Strafverfolgung des Schädigers im Anschluss an die Entscheidung im Fall Tennessee Eisenberg ausdrücklich bestätigt.[10]

  1. Hochspringen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Oktober 2014, 2 BvR 1568/12, abgerufen 6. April 2017.
  2. Hochspringen Alexander Würdinger: Die Zeitenwende im Klageerzwingungsverfahren. In: HRRS, Nr. 1/2016, S. 29.

Ich habe damals, vor knapp zwei Jahren, dazu geschrieben:

"Die Familie des suizidierten Jaber al-Bakr hat einen Anspruch auf effektive Strafverfolgung gegen die Justiz des Freistaat Sachsen. Dieser Anspruch hat zum Gegenstand, dass die Justiz des Freistaat Sachsen ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung aufnimmt und ernsthafte Ermittlungen tätigt.

Dieser Rechtsanspruch der Familie des Jaber al-Bakr gründet sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in vier Entscheidungen aus den Jahren 2014 und 2015. Dies waren die Entscheidungen in den Fällen

1) Tennessee Eisenberg vom 26.6.2014
2) Gorch Fock vom 6.10.2014
3) Münchner Lokalderby vom 23.3.2015 und schließlich
4) Kundus vom 19.5.2015.

Dieser Rechtsanspruch auf effektive Strafverfolgung besteht aber nicht generell in allen Fällen des Verdachts einer Straftat. Vielmehr arbeitete das Bundesverfassungsgericht in seinen vier Entscheidungen aus den Jahren 2014 und 2015 mehrere Fallgruppen heraus, in denen dieser Rechtsanspruch positiv gegeben ist.

U.a. besteht ein Rechtsanspruch auf effektive Strafverfolgung dann, wenn sich der Verdacht einer Straftat gegen einen Amtsträger richtet. Der Amtsträger muss - so auch nach dem Vortrag der Familie des Jaber al-Bakr - in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gerade diese ihm zur Last gelegte Straftat begangen haben. Ein solcher Fall liegt hier vor: Es war die dienstliche Verpflichtung der Justizangehörigen des Freistaat Sachsen gewesen, den Suizid zu verhindern."

Hierzu schrieb ich:

"Die Mutter von André B. hat einen Rechtsanspruch gegenüber der zuständigen Staatsanwaltschaft Traunstein auf effektive Strafverfolgung. Der Rechtsanspruch auf effektive Strafverfolgung hat zum Inhalt, dass die erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe gegen den Polizeibeamten vollständig aufgeklärt werden. Der Rechtsanspruch auf effektive Strafverfolgung findet seine Grundlage in der Tennessee Eisenberg-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.6.2014. Die Tennessee Eisenberg-Entscheidung postuliert den Rechtsanspruch auf effektive Strafverfolgung mit der Begründung, es müsse unter allen Umständen bereits der Anschein vermieden werden, Amtsträger würden von der zuständigen Staatsanwaltschaft mit einer geringeren Intensität verfolgt werden als jeder andere Staatsbürger. Der Tennessee Eisenberg-Entscheidung folgten weitere gleichlautende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts: Die Gorch Fock-Entscheidung vom 6.10.2014, die Entscheidung im Fall "Münchner Lokalderby" vom 23.3.2015 und schließlich die Kundus-Entscheidung vom 19.5.2015. Die Kundus-Entscheidung ist auch bekannt unter der Bezeichnung "Entscheidung im Fall des Oberst Klein". Der "verfassungsrechtliche Anspruch auf wirksame Strafverfolgung" ist mittlerweile auch in der Kommentarliteratur anerkannt. Hierzu darf ich auf Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar zur Strafprozessordnung, 59. Auflage 2016, Rn. 2 zu § 152 StPO, verweisen."

Kommen wir zu einem weiteren Fall, wo das KlEV bzw. das EEV Anwendung hätte finden können: Ich hatte bereits im Intro meines Aufsatzes auf das Loveparade-Verfahren als möglichen Anwendungsfall eines KlEV bzw. eines EEV hingewiesen. Nun ist die Sachlage im Loveparade-Verfahren im Moment die, dass eine Einstellung des Verfahrens - v.a. aufgrund des Zeitmoments - immer näher rückt. Sollte es dazu kommen, muss man natürlich die Frage nach den Ursachen und nach den Verantwortlichen stellen.

Ich denke, im Falle der Einstellung des Loveparade-Verfahrens trägt auch die Nebenklage eine nicht ganz unerhebliche Mitverantwortung: Hätte die Nebenklage schon sehr viel früher ein KlEV bzw. ein EEV betrieben, hätte sie hierbei die prozessuale Möglichkeit gehabt, konkrete Beschuldigte, konkrete Beweisthemen und konkrete Beweismittel - v.a. auch schon sehr viel früher einen zweiten Gutachter - zu benennen. Das hätte den Ermittlungen schon sehr viel früher eine bestimmte Zielrichtung und schon sehr viel früher eine sehr viel bessere Konzentration verliehen: Das Loveparade-Verfahren wäre insgesamt schon sehr viel früher sehr viel konzentrierter und sehr viel forcierter abgelaufen.  

So aber - weil die Nebenklage die prozessualen Möglichkeiten des KlEV bzw. des EEV völlig außer Acht ließ - gingen erst die Monate und dann die Jahre dahin, ohne dass wirklich effektiv in eine bestimmte Richtung ermittelt worden wäre: Die Nebenklage beschränkte sich auf die klassische Opferolle, anstatt mithilfe eines KlEV bzw. eines EEV den weiteren Fortgang des Verfahrens selbst aktiv zu gestalten.       

Das, was ich mir zum Klageerzwingungsverfahren überlegt habe, ist nichts Geringeres als eine Bauanleitung für Anwaltskollegen, wie man ein Klageerzwingungsverfahren richtig führt: Wenn das Gericht die VwGO anwenden muss - und nicht mehr nach freiem Belieben verfahren darf - tritt genau die Zeitenwende bei den Verfahren nach den §§ 172 ff StPO ein, die ich in meinem Aufsatz beschworen habe. Und in den beiden beck-blog-Beiträgen von Carsten Krumm verteidige ich meine Thesen und führe sie weiter aus.

Bauanleitung für Anwaltskollegen, wie man ein Klageerzwingungsverfahren richtig führt...

"Anwaltskollegen" können damit überhaupt nichts anfangen, weil Sie der einzige sind, der die Anwendung der VwGO vertritt und auf Dauer der einzige bleiben werden. Was also soll ein "Anwaltskollegen" damit anfangen, wenn das Gericht nur müde lächelt und den Kopf schüttelt? Das ganze ist also eine "Bauanleitung", wie man bei Gericht ungezügelte Heiterkeit auslöst.

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Was ist entscheidend? Ist entscheidend, wieviele Autoren eine bestimmte Rechtsmeinung vertreten? Oder ist entscheidend, dass die Rechtsmeinung in der Sache richtig ist?

Entscheidend ist, ob eine Rechtsmeinung vor Gericht mit Anstand bzw. mit wenigstens geringer Erfolgsaussicht vertretbar ist oder nicht oder ggf. sogar bereits von Ober- und Oberstgerichten abgelehnt wurde, wie in Ihrem Falle. Wenn das so ist, können Sie gerne privat dieser Meinung anhängen, sie aber niemand zur Nachahmung empfehlen, der erfolgreich sein will.

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Die Anwendung der VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO wurde bisher von der Justiz abgelehnt  - aber ohne jede inhaltliche Begründung. Die "Begründung" bestand bisher noch in jedem Fall darin, dass die Justiz sagte "Wir wenden die VwGO auf die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO nicht an." Dass die Justiz lieber nach freiem Belieben verfährt, anstatt sich an eine Verfahrensordnung zu halten, die auch noch ein geordnetes Verfahren vorschreibt - was für ein Skandal! -  glaube ich sofort. Und jetzt beantworten Sie sich die Frage nach Recht oder Unrecht bitte selbst.    

Ich sage doch: Von der Justiz abgelehnt und auch sonst ohne Gefolgschaft, also von einer hundertprozentigen Garantie des Scheiterns!

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An dieser Stelle unserer schönen Diskussion muss ich Ihnen ein kleines, schmutziges Anwalts-Geheimnis verraten: Ich vertraue immer noch - trotz aller gegenteiligen Erfahrungen - auf die Kraft des Arguments. 

...und gehen mit fliegenden Fahnen unter, und zwar mit allen "Anwaltskollegen", denen Sie den gleichen beruflichen Selbstmord anempfehlen. Ich bin begeistert. Das nennt sich eine verantwortungsvolle Berufsausübung.

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