Zeit für einen „Irrational-Choice-Ansatz“? – Kriminologie im Falle Volkswagen
von , veröffentlicht am 29.09.2015Gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der VW AG Martin Winterkorn, so lesen wir, ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Betrugs. Wahrscheinlich sind auch Ermittlungen gegen unbekannte weitere Konzernangehörige anhängig. (Nach aktuelleren Meldungen ermittelt die StA nun doch (noch) nicht gegen Winterkorn, sondern nur gegen Unbekannt. Bei Herrn Winterkorn werde ein Anfangsverdacht noch geprüft. Ebenso wie die Süddeutsche Zeitung halte ich es für mindestens fragwürdig, zunächst die Presse von Ermittlungen gegen Winterkorn zu informieren, dies dann jedoch im Internet wieder zurückzunehmen).
Die strafrechtlich entscheidende Frage wird sein, ob Herr Winterkorn bzw. andere künftige Beschuldigte persönlich davon gewusst hat oder gar selbst angeordnet hat, die Manipulationen des Abgassystems an den VW-Fahrzeugen vorzunehmen, um damit mit Bereicherungsabsicht Abnehmer und Käufer der Fahrzeuge zu täuschen bzw. täuschen zu lassen.
Aber ganz gleich, ob sich Herr Winterkorn oder andere hochrangige VW-Manager wegen Betrugs strafbar gemacht haben, stellt sich die kriminologische Frage, wie es zu solch einem deliktischen Verhalten in dem Unternehmen gekommen ist.
Die typische Wirtschaftsdelinquenz (z.B. Betrug, Untreue, Wettbewerbsverstöße, Korruption im geschäftlichen Verkehr, illegale Beschäftigung zur Umgehung von Sozialleistungen, Steuerhinterziehung) zielt darauf ab, zur Bereicherung des Unternehmens bzw. seiner Eigentümer kostenträchtige Regeln des Marktes und der Einbindung in die staatliche Infrastruktur zu umgehen. Dabei dienen Wirtschaftsdelikte meist denselben Zielen wie die legale wirtschaftliche Tätigkeit, nämlich der Einnahmen- und Gewinnoptimierung. Kriminaltheoretisch wird hier oft Rational Choice als Erklärungsansatz bemüht, also derselbe Ansatz, der auch der Wirtschaftstätigkeit selbst zugrunde liegt: Eine Kosten-Nutzenabwägung unter Einbeziehung des Risikos und der Folgen der Aufdeckung der strafbaren Handlung kann bei passender Tatgelegenheit mit erhöhter Wahrscheinlichkeit zur Begehung von Straftaten führen.
Besonders relevant sind solche strafbaren Handlungen, in denen (primär aus Effektivitätserwägungen) ein Kontrolldefizit besteht und damit Tätern etwa die Nichteinhaltung teurer Wettbewerbsregeln, Umweltauflagen oder Sozialleistungen erleichtert, ja geradezu nahegelegt wird: Wenn die unmittelbare Konkurrenz wegen illegaler Beschäftigung günstiger wirtschaftet, zugleich aber die illegale Beschäftigung unzureichend kontrolliert wird, dann sehen sich Unternehmen wegen des Kostendrucks am Markt praktisch „gezwungen“, ebenfalls regelwidrig zu handeln. Ähnliches gilt bzw. galt – bei defizitären Kontrollen – für das Doping z.B. im Radsport.
Bei der aktuell bekannt gewordenen VW-Manipulation (eine Art Software-Doping) irritiert aber Folgendes: Der VW-Konzern hat den dauerhaften Beweis seiner irregulären Machenschaften zig-Millionen Mal auf die Straßen der Welt geschickt. Es war deshalb fast mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass diese Manipulation irgendwann aufgedeckt wird. Es verwundert eigentlich, dass dies offenbar erst nach etwa 10 Jahren geschehen ist. Zudem muss es etliche Mitwisser gegeben haben, die dann jederzeit in der Lage gewesen wären, das Fehlverhalten von VW aufzudecken und den Konzern hätten erpressen können. Auch die Konsequenzen einer solchen Aufdeckung waren, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, vorhersehbar: ein kaum wieder gut zu machender Vertrauensverlust in die Dieseltechnologie, in die VW-Fahrzeuge, und in die deutsche Automobilexportbranche insgesamt, neben den extrem schweren wirtschaftlichen Folgen für den Konzern und möglicherweise strafrechtlichen Folgen für einzelne Personen. Vor diesem Hintergrund erscheint das Verhalten (von wem auch immer im VW-Konzern) kaum noch rational erklärbar. Zeit für einen Irrational-Choice-Ansatz?
Update 01.07.2016
In der New York Times erklären Tillman/Pontell, warum es entgegen meiner Einschätzung doch völlig rational von VW war die betrügerische Abschalteinrichtung einzubauen. Ein sehr lesenswerter Artikel.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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530 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenDr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
"Irrational"? Ja, was der "Gesetzgeber" so alles beschließt. Welche rationale Wahl hat man dann?
Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Es dürfte keinen Beschluss des Gesetzgebers geben, an dem nicht JuristInnen mitgewirkt haben, wahrscheinlich sogar maßgeblich. Daher bedeutet Pfusch und Murks des Gesetzgebers auch immer Pfusch und Murks der JuristInnen ...
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Sponsel, natürlich haben Sie bezüglich der Beteiligung von Jurist-inn-en nicht ganz unrecht. Aber genauso wenig, wie Sie für die Fehler Ihrer Psychologenkolleg-iinn-en verantwortlich zu machen sind, weil Sie dasselbe Fach studiert haben, sind alle Jurist-inn-en für alles verantwortlich, was andere Jurist-inn-en so verzapfen. ;-)
Besten Gruß
Henning Ernst Müller
Dipl.-Psych. Dr. phil Sponsel kommentiert am Permanenter Link
Medienumschau und um den VW-/Diesskandal
Türöffner kommentiert am Permanenter Link
update:
https://www.zeit.de/2019/15/bosch-dieselskandal-ingenieur-kuendigung-karsten-vom-bruch
https://www.infranken.de/ueberregional/wirtschaft/dieselskandal-bei-daimler-neue-manipulierte-software-gefunden;art184,4165813
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Die kartellrechtswidrigen Absprachen zwischen deutschen Autoherstellern (zu Lasten ihrer Kunden und der Umwelt) könnten für die Hersteller noch sehr teuer werden. (Washington Post vom 5. April 2019):
Klingt wie Rational Choice, allerdings hoffte man wohl, nicht erwischt zu werden. Anders als im Fall des Einbaus der Abschaltautomatik war diese Hoffnung wohl auch nicht ganz irrational. Nun hat man die Produzenten doppelt erwischt. Hingen nicht zigtausend Arbeitsplätze daran, könnte man schadenfroh sein. So kann man nur fragen: Was sind das für unverantwortliche Manager?
Gast kommentiert am Permanenter Link
Was sind das für unverantwortliche Manager?
Das ist das eigentlich schlimme! Diese Damen und Herren kassieren Millionengehälter und fahren die ganze deutsche Wirtschaft gegen die Wand, gleich ob VW, Deutsche Bank, Bayer und wie sie alle heißen. Es geht nur noch um Geld und Shareholder Value und darum, sich bloß nicht erwischen zu lassen, und wenn ja, darauf zu hoffen, dass man zu wichtig ist, als dass einen der Staat untergehen läßt. Anstand? Verantwortung? Fehlanzeige!
Gast kommentiert am Permanenter Link
Anklage im Diesel-Skandal
https://www.staatsanwaltschaft-braunschweig.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/anklage-im-diesel-skandal-176101.html
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Hier soll es also für eine Anklage gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Winterkorn reichen, während es beim Loveparade-Verfahren noch nicht einmal für Ermittlungen gegen Sauerland und Schaller gereicht hat. Wie ist das zu erklären?
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Die LTO-Presseschau:
LG Braunschweig – Winterkorn: Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Anklage wegen schweren Betrugs gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn und vier weitere Beschuldigte erhoben. Winterkorn habe bereits seit Mai 2014 durch eine hausinterne E-Mail über die Dieselmanipulationen Bescheid gewusst und es unterlassen, diese offenzulegen und die Verwendung zu untersagen. Vielmehr habe er im November 2014 ein Softwareupdate eingeführt, das der Verschleierung der erhöhten Stickoxidwerte diente. Er selbst hatte angegeben, erst im September 2015 von den Manipulationen erfahren zu haben. Sollten die Vorwürfe in einem Strafverfahren erwiesen werden, könnte sich dies auch auf die zivilrechtlichen Gerichtsverfahren mit VW auswirken. Es berichten u.a. die FAZ (Carsten Gemis/Hendrik Wieduwilt), die Welt (Philipp Vetter), die SZ (Klaus Ott).
Sören Götz (zeit.de) und Carsten Gemis (faz.net) äußern in ihren Kommentaren übereinstimmend Zweifel am Aufklärungswillen von VW. Der Imageschaden sei schon jetzt immens, befindet Simon Hage (spiegel.de). Für Winterkorn gebe es jetzt jedoch die Möglichkeit, Verantwortungsbewusstsein zu zeigen, so Angelika Slavik (sz.de).
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Die LTO-Presseschau:
LG Braunschweig – Martin Winterkorn: Einzelheiten zu der von der Braunschweiger Staatsanwaltschaft beim dortigen Landgericht erhobenen Anklage gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn und vier weitere Manager des Autoherstellers berichten Hbl (Dietmar Neuerer u.a.), SZ (Klaus Ott u.a.) und FAZ (Carsten Germis). Übereinstimmend gehen die Beiträge davon aus, dass ein möglicher Prozess nicht vor Anfang kommenden Jahres beginnen würde.
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Kollege Würdinger, da begegnen wir uns aber wieder in gefährlich regensburgischem Gebiet. Da wird man ganz leicht löschend und sperrend weggebeckmüllert, wie vorhin am 17.4.2019 anderwärts geschehen. Und in manchen Enklaven der Denkbetreuung muss man sich ja überlegen, wann denn schon Gedanken "frei" assoziieren. Aber auf diese Gefahr hin: Bemerkenswert ein Detail in den Anklagen im Vergleich USA ud Deutschand: Hier woh wegen Tathandlungen ab Mai 2015 oder 2014 - das habe ich momentan nicht exakt in Erinnerung. Der US-Spruch palavert in Richtung auf"Verschwrung" ab 2003 - ohne Angabe irgendeiner Tathandlung des Herrn Dr. Winterkorn für 2003-2014/2015. Gewisse Publikateure auch der Journaille und Schein-Fachkundiger in D täten gut daran, einmal die Divergenzen in den "Rechts"-Vorstellungen zu durchdenken. Viele Verbalhervorbringungen in D seit Jahren tun ja so, als ob US-Sprüche eigentlich schon die Guillotinenherabsausungsreife "rechtens" feststellten. Huhuhu - schweife ich jetzt vom Thema ab? Oder soll die LÖsch- und Sperrguillotine nun hier herabsausen?
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Ja, die Gesetze in den USA sind nicht dieselben wie in Deutschland, das gilt sowohl materiellrechtlich als auch verfahrensrechtlich. Auch die dortige jur. Fachsprache lässt sich nicht so naiv übersetzen wie mancher mit seinem Schulenglisch es meint zu können. "Conspiracy" bedeutet fachsprachlich nicht "Verschwörung", sondern einfach "Verabredung zu Straftaten" und entspricht eher den hierzulande bekannten Normen aus dem StGB AT (§§ 25 ff., vor allem § 25 Abs.2).
Wer in den USA Geschäfte treibt und dort Produkte auf den Markt bringt, muss die dortigen Gesetze beachten, das ist im umgekehrten Fall ja nicht anders. Natürlich kann Herrn Winterkorn persönlich nur ein Vorwurf für Sachverhalte in der Zeit gemacht werden, in der er bei VW Verantwortung trug. Ob Journalisten oder Fachkundige Gesetzesanwendungen in den USA irrig oder fehlerhaft auf die Strafbarkeit Herrn Winterkorns in Deutschland bezogen haben, wie Sie unterstellen, kann ich (ohne Quelle) nicht beurteilen.
Lt. Pressemitteilung wird Herrn Winterkorn Folgendes vorgeworfen:
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Ja, danke. Also 2014. Und nicht "conspiracy" ab 2003 durch Tathandlung Dr.Winterkorn.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
beinahe täglich zeigt sich in unserer Redaktionsarbeit die Dimension des Dieselskandals. Es gibt derzeit keine Konferenz, in der wir uns nicht mit seiner juristischen Aufarbeitung befassen. Allein die unzähligen Gerichtsentscheidungen beschäftigen uns intensiv. Hinzu kommen viele Beitragskonzepte und Manuskripte, die Rechtsfragen aus diesem Komplex behandeln. Meine NJW schreibt mir: Auch in unseren Heften ist das Thema sehr präsent. Schließlich ist die Praxis für meinungsbildende Stellungnahmen und Lösungsvorschläge zu den oft neuen Rechtsfragen sehr dankbar. Im Vordergrund stehen dabei zivil(verfahrens)rechtliche Aspekte (zuletzt etwa Staudinger/Ruks, NJW 2019, 1179 zum Hinweisbeschluss des BGH und Riehm, NJW 2019, 1105 zum deliktischen Schadensersatz). Nachdem die Staatsanwaltschaft Braunschweig den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn und vier weitere Ex-Manager des Autokonzerns angeklagt hat, rücken jetzt auch strafrechtliche Aspekte in den Fokus. Wenn das Landgericht die Anklage zulässt, wird es in dem Prozess um eine breite Palette von Tatbeständen gehen. Winterkorn werden nicht nur besonders schwerer Betrug und Untreue vorgeworfen, er soll auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen haben. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft schon angekündigt, dass sie die Rückzahlung von Boni in Höhe von bis zu elf Millionen Euro durchsetzen will.
Das Ausmaß der juristischen Aufarbeitung des Dieselskandals allein in der bayerischen Justiz hat gestern die Süddeutsche Zeitung anschaulich beschrieben. Jedes der 22 Landgerichte im Freistaat muss mehrere Hundert Klagen gegen VW und andere Autohersteller abarbeiten, hieß es dort. „Bei uns im Haus wird fast jeden Tag VW verhandelt", sagte Nürnbergs Justizsprecher Friedrich Weitner der SZ. Wie im Rest des Landes ist auch die Rechtsprechung der bayerischen Gerichte laut der Zeitung sehr unterschiedlich. Das LG Nürnberg gibt vielen Klagen statt, an anderen Gerichten werden sie hingegen fast durchgängig abgewiesen. Und an manchen Gerichten liegt die Erfolgsquote genau dazwischen, nämlich bei etwa 50 Prozent. Egal wie die Urteile ausfallen: Die unterlegene Partei geht fast immer in Berufung, allein beim OLG Nürnberg sind fast 1200 Rechtsmittel eingegangen. Verhandelt werden sie nicht. „Kaum hatten die Richter einen Termin angesetzt, wurde die Berufung zurückgezogen", schreibt die SZ zum altbekannten Problem der taktischen Rechtsmittelrücknahme.
Die aktuelle Ausgabe der NJW, die heute schon in der App abrufbar ist und morgen im Briefkasten der Abonnenten liegt, ist ausnahmsweise „Diesel-frei“. Wie immer stelle ich Ihnen hier gerne einige Themen vor. Wenn Sie den Newsletter weiterempfehlen möchten - Interessenten können ihn kostenlos unter http://newsletter.njw.de abonnieren.
Ihr
Tobias Freudenberg, Schriftleiter
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Die LTO-Presseschau:
StA Braunschweig – VW-Kronzeugen: Die SZ (Georg Mascolo/Klaus Ott) berichtet ausführlich darüber, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig nun eine 692-seitige Anklageschrift gegen den ehemaligen VW-Konzernchef Martin Winterkorn vorgelegt und dabei vier Kronzeugen benannt hat, die bereits gegen Winterkorn ausgesagt haben, dieser habe schon vor der Aufdeckung durch die US-Behörden von den Manipulationen der Abgaswertermittlung erfahren. Dass es sich bei zwei von den fünf VW-Mitarbeitern, die mitangeklagt werden sollen, um langjährige Ingenieure des Konzerns handelt, werde zum Teil als strategisch vorteilhaft für den Prozess erachtet.
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Das einzige, was mich judiziell wirklich interessieren würde, das wären nach umfassender Tatsachenaufklärung - Amtsermittlung - verwaltungsgerichtliche Erkenntnisse darüber, ob und welche Kfz-Steuerungselemente rechtswidrig waren und welche nicht. Sobald solche Urteile bekannt sind, wäre ich für gezielte Hinweise dankbar. Und zwar deutsche, rechtsstaatsorientierte Urteile.
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Soweit ich informiert bin, urteilt ein VG nur, wenn jemand geklagt hat. VW hat gegen den Bescheid des KBA wohl nicht geklagt, jedenfalls sagt das ein Rechtsanwalt, der VW-Kunden vertritt. Zitat aus dem Tagesspiegel (2016):
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Herzlichen Dank. Ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ( Bescheid) wäre exakt das, wonach ich gesucht habe. Ihn bestandskräftig werden zu lassen, war Sache von VW. Ich frage mich allerdings, was da genau imTenr des angeblichen Vrewaltungsaktes steht. Auch, ob es eine Ermächtigung für einen solchen eventuell feststellenden VA gibt. Allgemein sind die Typgenehmigungen. Ob separat durch feststellenden VA ein vermutliches Element der Typgenehmigungsfähigkeit (bejahend oder ggf. hier: verneinend) "festgestellt" werden kann, ist mir freihändig nicht so ganz sicher. Veröffentlichung des kpmpletten sog. "Bescheides" wäre wünschenswert.
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Soweit die Zahl der Seiten von Belang sein sollte - wir haben hier im Hause Rollen mit jeweils 1.000 Blatt.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Die LTO-Presseschau:
StA Stuttgart – Porsche: Wegen fahrlässiger Verletzung seiner Aufsichtspflicht muss Porsche ein Bußgeld von 535 Millionen Euro zahlen. Der Autoproduzent habe durch sein Pflichtversäumnis bei Dieselmotoren, die von der Konzernschwester Audi bezogen wurden, einen Stickoxid-Ausstoß, der "nicht den regulatorischen Anforderungen" entsprach, begünstigt, berichten FAZ (Susanne Preuß) und SZ (Stefan Mayr) über den von der Staatsanwaltschaft Stuttgart erlassenen Bußgeldbescheid, gegen den Porsche kein Rechtsmittel einlegen wolle. Der weitaus größte Teil des Bußgeldes solle die wirtschaftlichen Vorteile der Pflichtwidrigkeit abgelten.
Im Leitartikel erinnert Susanne Preuß (FAZ) daran, dass der Dieselskandal schon lange kein exklusives VW-Problem mehr ist. Mit ihrer jetzigen Gewinnabschöpfung habe die Staatsanwaltschaft Maßstäbe gesetzt, an denen sich die "beiden Vorzeigeunternehmen" Daimler und Bosch demnächst orientieren könnten.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Kann mir jemand die Rechtsgrundlage nennen?
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Das steht vielleicht in den verlinkten Artikeln der FAZ oder der SZ.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Ich dachte, Sie wüßten Bescheid, weil Sie so fleißig posten...
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Nein, bei diesem Thema gebe ich nur wieder, halte mich aber mit einer eigenen Meinung raus.
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Ich vermute einmal, § 30 iVm § 17 Abs.4 OWiG.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Und das vermuten Sie in Verbindung mit § 263 StGB, oder?
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Nein, wieso? Es ging hier nicht um Strafrecht, steht doch in den Artikeln. § 30 OwiG ist die zentrale Norm, die Bußgelder gegen jur. Personen zulässt, daher meine Vermutung.
Gast kommentiert am Permanenter Link
In § 30 OWiG ist aber doch Bezug auf das Strafrecht genommen, vgl.: "Hat jemand ... eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen, durch die Pflichten, welche die juristische Person oder die Personenvereinigung treffen, verletzt worden sind oder die juristische Person oder die Personenvereinigung bereichert worden ist oder werden sollte, so kann gegen diese eine Geldbuße festgesetzt werden." Daher meine Frage, welche Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen wurde. Oder wo bin ich da gedanklich auf dem Holzweg (was ich gar nicht ausschließen will)?
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
(1) Hat jemand
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Es geht wohl um den Einbau von (nach EU-Richtlinien und Verordnungen) unzulässigen Abschalteinrichtungen ("defeat devices"), die dafür sorgen, dass die im Prüfstand gemessenen Emissionen im Normalbetrieb überschritten werden. Näher erläutert wird dies hier:
https://www.heise.de/autos/artikel/Was-ist-eine-Abschalteinrichtung-4093501.html
Wie das im OwiG-Verfahren Verwertung findet, lässt sich aus der Darstellung hier ganz gut nachvollziehen (Zeit-Online):
Ich bin kein Vertreter des KBA, aber wenn die Porsche-Anwälte die Bescheide nicht anfechten, können wir keine gerichtliche Entscheidung erwarten.
Die Grundlage für die Sanktionierung ist Artikel 13 der EG-Verordnung 715/2007,
aufgrund dessen Deutschland für bestimmte Verhaltensweisen der Autohersteller Sanktionen erlassen soll. Einfach dort mal anklicken und nach unten scrollen. Allerdings ist umstritten, ob Deutschland die Umsetzung dieser Sanktionsregelungen schon (vollkommen und gültig) vollzogen hat, vgl. dieses Bundestagsdokument von 2017. Interessant wird es ab Seite 8.
Aktuell wird die Ahndung auf § 37 EG-FGV gestützt.
Zur Frage des Betrugs zum Nachteil von Autokäufern, der auch in mittelbarer Täterschaft begangen werden kann, finden Sie Anhaltspunkte in meinem Beitrag (gelesen?) und in einem meiner früheren Kommentare.
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Welche Ordnungswidrigkeit konkret und unter Angabe welchen nachlesbaren Paragrafen wohl zugrunde liegt?
Gast kommentiert am Permanenter Link
So richtig schlau werde ich aus Zeit-Online auch nicht. Da heißt es lediglich: "Die Höhe der Strafe gegen Porsche setzt sich dabei aus zwei Teilen zusammen. Den größeren Teil von 531 Millionen muss der Hersteller bezahlen, damit wirtschaftliche Vorteile im Zusammenhang mit der Abgasmanipulation abgeschöpft werden. Die kleinere Summe von vier Millionen Euro entfällt auf die Ahndung der Ordnungswidrigkeit". Aber wo sind die Rechtsgrundlagen?
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Die Grundlage für die Sanktionierung ist Artikel 13 der EG-Verordnung 715/2007,
aufgrund dessen Deutschland für bestimmte Verhaltensweisen der Autohersteller Sanktionen erlassen soll. Einfach dort mal anklicken und nach unten scrollen. Allerdings ist umstritten, ob Deutschland die Umsetzung dieser Sanktionsregelungen schon (vollkommen und gültig) vollzogen hat, vgl. dieses Bundestagsdokument von 2017. Interessant wird es ab Seite 8.
Aktuell wird die Ahndung auf § 37 EG-FGV gestützt.
Die Frage der Sanktionshöhe ist oben bereits beantwortet: § 30 Abs. 2 Nr. 2 OWiG ist für die "Ahndung" (max. 5 Millionen), § 17 Abs.4 OWiG für die "Vorteilsabschöpfung" die Rechtsgrundlage.
Gast kommentiert am Permanenter Link
Vielen Dank! Genau das scheint es zu sein...
Gast kommentiert am Permanenter Link
Brauchen wir denn das?
Gast kommentiert am Permanenter Link
Meinen Sie, dass es ohne benannte Rechtsgrundlage zur Not auch geht?
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Nun, es ist wie so oft: Die Kommentare sind als Lektüre-Angebote zu verstehen, niemand zwingt Sie dazu, irgend etwas davon zu lesen.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
LTO hat jetzt auch etwas dazu geschrieben:
https://www.lto.de/recht/kanzleien-unternehmen/k/staatsanwaltschaft-stut...
Ga~St kommentiert am Permanenter Link
Und für die verbauten Dieselmotoren bei Porsche und Audi lieferte Bosch die Einspritzanlagen samt Hardware bzw. auch noch die Software.
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Hat Bosch nicht jedenfalls nach eigener Einlassung Zurüstteile wie solche Programme und Programmträger / EDV-Systeme ohne jene Spezialfunktionen geliefert, die dann später bei VW beanstandet wurden? iNcht einmal Metternich hat 1819 Papierlieferanten wegen Zensurbestrafung herangezogen. Erwägt man nun auch, Stahllieferanten anzuklagen - denn ohne Stahl hätten die programmierten Gesamtkunstwerke nicht hergestellt und verkauft werden können.
Ga~St kommentiert am Permanenter Link
Neben der Robert Bosch GmbH gibt es zum Beispiel auch noch die DENSO Corporation mit den DENSO Common-Rail-Einspritzanlagen am Markt für Einspritzanlagen. Siehe:
https://www.denso-am.de/produkte/automotive-aftermarket/dieseltechnik/common-rail-diesel/
https://www.denso.com/global/en/
Zitat:
Quelle: https://www.denso.com/de/de/about-us/company-information/dnde/
Wer jedoch auch in Regensburg nur auf Vordergründe schaut, der hat schnell auf Sand gebaut.
Ein Löschzug aus Regensburg jedenfalls löst keine Probleme nachhaltig.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Die LTO-Presseschau:
LG Erfurt - Klagen gegen VW: Wie aus einem Hinweisbeschluss hervorgeht, will das Landgericht Erfurt in einem Vorabentscheidungsverfahren wichtige Rechtsfragen im Streit zwischen Volkswagen-Kunden und dem Automobilkonzern vor dem Europäischen Gerichtshof klären lassen. So unter anderem die Frage, ob Fahrzeughalter für gefahrene Kilometer Nutzungsersatz zahlen müssen. In der FAZ (Marcus Jung) wird erläutert, welche Auswirkungen solche Grundsatzentscheidungen allgemein und auch für andere Automobilhersteller hätten und welche Schritte Volkswagen gegen die Vorlage unternimmt.
Marcus Jung (FAZ) kommentiert, dass eine solche Vorlage im "Masterplan" von VW nicht vorgesehen sein dürfte und eine Grundsatzentscheidung das Unternehmen empfindlich träfe.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
LTO berichtet weiter:
https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-koeln-16u30-19-vw-diesel-scha...
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Ist zwar Zivilrecht, aber erscheint mir zum Fall durchaus interessant und in der Argumentation auch strafrechtlich verwertbar. Aus der Entscheidung des OLG Köln (Zitat aus dem schon von Herrn Würdinger verlinkten LTO-Bericht):
Die eigentlich thematisierte Zinsfrage sehe ich allerdings skeptisch: Tatsächlich konnten ja die Käufer über das Fahrzeug, das sie gekauft hatten, verfügen, ohne dass ihnen während dieser Zeit ein Zinsschaden entstand. Aber ich bin kein Zivilrechtler und lasse das mal dahinstehen.
Alexander Würdinger kommentiert am Permanenter Link
Der Knüller ist die "sittenwidrige Schädigung gem. § 826 BGB". Daraus begründen sich auch die Zinsansprüche.
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Vor allem begründet sich daraus, dass kein Nutzungsentgelt anzurechnen ist - schließlich wollte der Käufer ein solches Fahrzeg nicht mieten.
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Juristisch qualitativ bewegt sich der Senat wohl auf Stammtisch-Niveau:
Vors. Richterin Brigitte Koppenhöfer am Donnerstag bei der Urteilsverkündung in Düsseldorf.
Noch nie in ihren 25 Dienstjahren sei derart versucht worden, auf das Urteil Einfluß zu nehmen. „Das reichte von Telefonterror bis zu offenen Drohungen“, sagte sie. „Daß sich sämtliche Stammtische melden, war nicht überraschend. Überraschend war, wer an den Stammtischen Platz genommen hat. Zu den Stammtischrechtsexperten gehörten auch Politiker, die Straftatbestände wie Sauerei, Schweinerei und Perversion erfunden haben.“ ( FAZ 22.7.2004). Oder auch : "Sie sind ja ein ganz schäbiger Lump" ( Freisler, Volksgerichtshof 1944 ).
Gast kommentiert am Permanenter Link
Wer von anderen Stammtischbrüdern bekämpft wird, betritt deshalb selbst noch lange kein "Stammtisch-Niveau"! Im Gegenteil: Das zeigt hohes richterliches Selbstbewußtsein und deutliche richterliche Unabhängigkeit, wenn er widersteht. Einsam und aufrecht geht der Weise seinen Weg!
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Das Vorbringen von VW, dass dem Vorstand die Manipulationen in der Motorenentwicklung nicht bekannt gewesen sein könnten, bezeichneten die Richter als "nicht einmal ansatzweise" genügend." Nun, dem Gesellschaftsrechtler ist nicht nur ansatzweise klar, dass es auf die Organe einer Gesellschaft ankommt für die Wissenszurechnung für die juristischePerson insgesmt. An Stammtischen ist das nicht so klar.
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