BAG zu Erholungsurlaub in der Elternzeit

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 25.03.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht1|10674 Aufrufe

Entstehen eigentlich während der Elternzeit Ansprüche auf Erholungsurlaub? Die Antwort gibt § 17 BEEG. Hieraus folgt, dass in der Elternzeit, in der das Arbeitsverhältnis rechtlich fortbesteht und nur ruhend gestellt wird, sehr wohl Ansprüche auf Erholungsurlaub entstehen. Der Arbeitgeber hat allerdings ein Kürzungsrecht. Für jeden vollen Kalendermonat, den der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Elternzeit nimmt, kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub um 1/12 kürzen. Eine automatische Kürzung tritt nicht ein. Seit den grundlegenden EuGH-Entscheidungen in Sachen Schultz-Hoff (EuGH 20.1.2009, NZA 2009, 135) und KHS/Schulte (EuGH 22.11.2011, NZA 2011, 1333) wird über die Europarechtskonformität dieser Kürzungsregelung gestritten.

Die Frage hat jetzt auch das BAG (Urteil vom 19.3.2019 - 9 AZR 362/18 – PM 16/19) beschäftigt. In dem entschiedenen Fall war die klagende Arbeitnehmerin bei der beklagten Arbeitgeberin seit dem 1. Juni 2001 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Sie befand sich ua. vom 1. Januar 2013 bis zum 15. Dezember 2015 durchgehend in Elternzeit. Mit Schreiben vom 23. März 2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30. Juni. Mit ihrer Klage macht sie die Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus dem Zeitraum ihrer Elternzeit geltend. Sowohl in den Vorinstanzen als auch beim BAG war ihr indes kein Erfolg beschieden. Die beklagte Arbeitgeberin habe – so das BAG - die Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2013 bis 2015 mit Schreiben vom 4. April 2016 wirksam gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt. Das BAG betont in diesem Zusammenhang: „Möchte der Arbeitgeber von seiner ihm durch § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen, muss er eine darauf gerichtete empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben. Dazu ist es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Das Kürzungsrecht des Arbeitgebers erfasst auch den vertraglichen Mehrurlaub, wenn die Arbeitsvertragsparteien für diesen keine von § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG abweichende Regelung vereinbart haben.“ Auch die eingangs dieses Beitrags angeschnittene Europarechtskonformität kommt zur Sprache: Nach Ansicht des BAG verstößt die Kürzung des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs weder gegen Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG (Arbeitszeitrichtlinie) noch gegen § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 2010/18/EU. Hierfür kann sich das BAG auf eine neuere Entscheidung des EuGH zu einer rumänischen Vorlage stützen, in der der EuGH klargestellt hat, dass das Unionsrecht nicht gebietet, Arbeitnehmer, die wegen Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, Arbeitnehmern gleichzustellen, die in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben (EuGH 4. Oktober 2018 - C-12/17 - [Dicu], NZA 2018, 1323, Rn. 29 ff.).

Das Urteil schafft Rechtssicherheit. Hinzuweisen bleibt noch auf eine vermeidbaren Fehler im Umgang mit der Kürzungsregelung. Das BAG (19.5.2015 - 9 AZR 725/13, NZA 2015, 989) hatte nämlich vor einigen Jahren in einem wichtigen Punkt die Zügel angezogen: Der Arbeitgeber muss hiernach den Erholungsurlaub wegen Elternzeit zwingend vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses kürzen. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG setze voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Eine Kürzung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist also zu spät und kann den Abgeltungsanspruch nicht mehr verhindern.

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Ah, man sieht die intellektuelle und logische Stringenz von Arbeits-"Recht". Elternzeit ist der umbenannte "Erziehungsurlaub". Wir reden also vom Urlaub vom Urlaub. Da er der körperlichen und seelische Entspannung dient, wäre daran zu denken, von quäkenden und schreienden  Kindern gelöst solche Erholung im Unternehmen am Arbeitsplatz vorzusehen. Vor allem im öffentlichen Verwaltungsdienst - da ruht es sich gut. 

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