Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitbeschäftigte

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.04.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht6|3609 Aufrufe

Sowohl in der Rechtsprechung des EuGH als auch derjenigen des BAG bestanden Differenzen darüber, ob Teilzeitbeschäftigte (tarifliche) Überstundenzuschläge bereits dann beanspruchen können, wenn sie ihre persönliche wöchentliche Arbeitszeit überschreiten, oder erst dann, wenn die für Vollzeitbeschäftigte einschlägige regelmäßige Arbeitszeit überschritten wird. Während der 6. Senat schon im Frühjahr 2017 die erstgenannte Auffassung präferierte (BAG, Urt. vom 23.3.2017 - 6 AZR 161/16, NZA-RR 2018, 45), war der 10. Senat nur fünf Wochen später noch gegenteiliger Auffassung (BAG, Urt. vom 26.4.2017 - 10 AZR 589/15, NZA 2017, 1069). Nachdem Inken Gallner im Oktober 2017 aus dem 6. Senat ausgeschieden ist und den Vorsitz des Zehnten übernommen hat (Pressemitteilung hier), hat dieser Senat die erste Gelegenheit genutzt, sich der Rechtsprechung des 6. Senats anzuschließen und seine frühere Auffassung aufzugeben:

Eine tarifvertragliche Bestimmung, nach der ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst besteht, wenn die für eine Vollzeittätigkeit maßgebliche Stundenzahl überschritten wird, verstößt gegen § 4 Abs. 1 TzBfG.

BAG, Urt. vom 19.12.2018 - 10 AZR 231/18, BeckRS 2018, 33789

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6 Kommentare

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Ich habe gerade mal etwas in das Urteil des 10. Senats (10 AZR 589/15) hineingelesen. Da wurde offenkundig das vorangehende Urteil des 6. Senats (6 AZR 161/16) nicht einmal erwähnt, geschweige denn sich damit beschäftigt oder auseinandergesetzt. Ist das möglich? Außerdem frage ich mich, aus welchen Gründen der 10. Senat seinerzeit nicht den Großen Senat angerufen hat (§ 45 ArbGG), wie es das Gesetz und der Grundsatz des gesetzlichen Richres befiehlt. Das ist wegen der neuen Rechtsprechung jetzt zwar alles nicht mehr sonderlich wesentlich, aber interessant und etwas verstörend ist es doch noch...

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@Gast

1. Doch, das Urteil des 6. Senats wird vom 10. zitiert, sehr häufig sogar, siehe Rn. 45 ff.

2. Der 6. Senat musste den Großen Senat im März 2017 nicht anrufen, weil sein Urteil (erstmals) den TVöD betraf, die älteren Urteile des 10. dagegen noch den BAT und daher keine Divergenz iSv. § 45 Abs. 2 ArbGG vorlag. Als der (alte) 10. Senat einen Monat später für den TVöD an seiner alten BAT-Rechtsprechung festhielt und damit in Widerspruch zum 6. Senat geriet, lagen dessen Entscheidungsgründe noch nicht vor, sodass der 10. Senat von der Divergenz nichts wissen konnte.

Doch, das Urteil des 6. Senats wird vom 10. zitiert, sehr häufig sogar, siehe Rn. 45 ff.

Wir reden, denke ich, aneinander vorbei. Ich sprach vom seinerzeitigen Urt. vom 26.4.2017 - 10 AZR 589/15-, das 5 Wochen nach dem Urteil des 6. Senats erging, und nicht vom aktuellen Urteil vom 19.12.2018 - 10 AZR 231/18. Im seinerzeitigen Urteil des 10. Senats kommt das Urteil des 6. Senats wirklich nicht vor, im aktuellen Urteil schon (Rdnr. 45 ff.).

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Das BAG braucht etwa vier Monate, um ein Urteil abzusetzen. Als der Zehnte Senat seines vom April 2017 verfasst hat, war dasjenige des Sechsten vom März desselben Jahres noch gar nicht da.

Als der Zehnte Senat seines vom April 2017 verfasst hat, war dasjenige des Sechsten vom März desselben Jahres noch gar nicht da.

Als der 10. Senat sein Urteil "verfasst" im Sinne von (4 Monate nach dem Urteil) "abgesetzt" hat, lagen die Urteilsgründe des 6. Senats schon 5 Wochen vor und hätten berücksichtigt und mitbedacht werden können.

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Woher wissen Sie das? Kennen Sie die Akten der beiden Verfahren? Vielleicht war der 10. Senat beim Absetzen seines Urteils einfach schneller als der Sechste. Dafür könnte sprechen, dass das Urteil bereits in Heft 16/2017 der NZA vom 25.8.2017 publiziert worden ist, das vom Verkündungsdatum her ältere des 6. Senats aber erst in Heft 1/2018 der NZA-RR vom 3.1.2018. Wahrscheinlicher ist, dass sich beides überschnitten hat: Das Urteil (des 6.) wird erst veröffentlicht, nachdem es den Parteien zugestellt und von dort die Empfangsbekenntnisse zurück beim BAG sind. Gut möglich, dass das Urteil (des 10.) zu diesem Zeitpunkt bereits vom Berichterstatter abgesetzt war und sich für die Unterschriften der Richter im Umlauf des Senats befand, evtl. sogar schon in der Zustellung war.

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