Schwer verständliche Tenorierungen in EuGH-Entscheidungen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 20.05.2019
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht4|18535 Aufrufe

Geht es eigentlich nur mir so? Den im Fettdruck an den Anfang einer EuGH-Entscheidung gestellten Tenor (Der darf offenbar nur aus einem Satz bestehen.) verstehe ich vielfach nicht. Das ist sprachlich der reinste Irrsinn und kann auch nicht durch die Schwierigkeiten der Übersetzung gerechtfertigt werden. Zur Probe EuGH NZA 2019, 605:

"§ 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18.3.1999, die im Anhang der RL 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach in einer Situation wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der die Kündigung eines zwischen dem Arbeitgeber und einem seiner Kunden geschlossenen Dienstleistungsvertrags zum einen die Beendigung von zwischen diesem Arbeitgeber und einigen seiner Arbeitnehmer geschlossenen Arbeitsverträgen zur Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung zur Folge hatte und zum anderen zur auf einen sachlichen Grund gestützten kollektiven Entlassung von von diesem Arbeitgeber unbefristet eingestellten Arbeitnehmern geführt hat, die den befristet beschäftigten Arbeitnehmern wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung niedriger ist als diejenige, die den unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern gewährt wird."

 

 

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4 Kommentare

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Volle Zustimmung sowohl zum Blogbeitrag als auch dem Kommentar von Jens.

Jedenfalls für juristische Fußsoldaten wie mich sind leider nicht nur der Tenor, sondern auch die Begründungen des EuGH nur selten erhellend. Die Begründung beschränkt sich meist nur darauf, sehr, sehr spezifisch einzugrenzen, über was eigentlich entschieden wurde. Die Gedanken, die zu der Entscheidung geführt haben, sind dem Urteil leider häufig nicht zu entnehmen. Das macht die Prognose zukünftiger Entscheidungen sehr schwierig. Und nicht jeder hat die Muße oder Möglichkeit, sich die Stellungnahmen der Parteien und/oder des Generalanwalts zu Gemüte zu führen.

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Immerhin bemüht sich der EuGH neuerdings (obgleich noch nicht durchweg) um eine tiefere Gliederung seiner Entscheidungen samt Zwischenüberschriften: Etwa im heutigen Urteil zum Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn (Rechtssache C-235/17, http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=214283&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=4661986)

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Hier noch ein "schönes" Beispiel: https://beck-online.beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fzeits%2Fnjw%2F2019%2Fcont%2Fnjw.2019.1587.1.htm

Verlust der Unionsbürgerschaft

AEUV Art. 20, 21, 267; GRCh Art. 7, 24

Art. 20 AEUV ist im Licht der Art. 7 und 24 GRCh dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die unter bestimmten Bedingungen den Verlust der Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats kraft Gesetzes vorsieht, der bei Personen, die nicht auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzen, zum Verlust ihres Status als Bürger der Europäischen Union und der damit verbundenen Rechte führt, nicht entgegensteht, sofern die zuständigen nationalen Behörden einschließlich gegebenenfalls der nationalen Gerichte in der Lage sind, bei der Beantragung eines Reisedokuments oder eines anderen Dokuments zur Bescheinigung der Staatsangehörigkeit durch eine betroffene Person inzident die Folgen dieses Verlusts der Staatsangehörigkeit zu prüfen und gegebenenfalls die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen rückwirkend wiederherzustellen. Im Rahmen dieser Prüfung müssen diese Behörden und Gerichte feststellen, ob der Verlust der Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats, der den des Unionsbürgerstatus mit sich bringt, im Hinblick auf seine Folgen für die Situation der betroffenen Personen und gegebenenfalls für die ihrer Familienangehörigen aus unionsrechtlicher Sicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

EuGH (Große Kammer), Urteil vom 12.3.2019 – C-221/17 (Tjebbes ua/Minister van Buitenlandse Zaken)

(NJW 2019, 1587, beck-online)

Ich frage mich darüber hinaus, ob die Bezeichnung "Tenor" für die Antwort auf eine Vorlagefrage im Vorabentscheidungsverfahren überhaupt zutrifft.

Denn die Antwort des EuGH enthält ja gerade keine Entscheidung über den eigentlichen Streitgegenstand. Diese bleibt dem nationalen Gericht vorbehalten. Der EuGH legt europäisches Recht aus, ordnet aber keine unmittelbare Rechtsfolge an.

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